Kapitel 1
//Was ist das den für eine Baracke?//
Er stand vor dem großen Backsteingebäude, welches älter als die Zeit zu sein schien. Das Mauerwerk bröckelte fast, zudem erweckte es nicht gerade einen vertrauensvollen Eindruck. An der rechten Seite neben der Tür befand sich ein großes Schild, dessen Inschrift man nur noch erraten konnte.
Aber jeder hier wusste, dass das ein Irrenhaus war.
„Hallo, ich habe mich angemeldet.“
Die Frau an der Rezeption schaute auf. Sie schien abgekämpft und hätte mal wieder eine Mütze Schlaf von Nöten. Allerdings schien sie noch zu begreifen, wer vor ihr stand.
„Ah, warten sie einen Moment.“
Sie kramte in ihren Unterlagen und gab dem blauhaarigen Jungen eine Karte.
„Gehen sie zwei Gänge weiter, Ende des Korridors, wo ein Engel über dem Fenster ist.“ „Verstanden.“
Dieses Haus war wirklich komisch. Die ganzen Gänge verwirrten und an allen Ecken und Enden waren religiöse Symbole aller möglichen Religionen. Christentum, Buddhismus und Islam waren nur einige.
Er fand besagtes Zimmer, über ihm der Erzengel Gabriel. Ein recht makaberer Geschmack.
Innen fand er eine ebenso ältere und müde aussehende Dame. Sie war ebenfalls über einen Stapel von Papieren gebeugt. Ihre dicke Brille rutschte beinahe von ihrer Nase herunter und ihr Haar sah aus als müsste sie selbst eingewiesen werden, so wirr war es.
Aber sie hatte ihn bemerkt.
„Her Usui, setzen sie sich.“
Die strenge Stimme war die einer Lehrerin. Dennoch freundlich.
Er setzte sich dennoch widerwillig, er hatte nicht umsonst Probleme mit autoritären Personen.
„Wir haben ihren Antrag erhalten, dennoch können wir ihnen ihre Schwester nicht so einfach mitgeben.“
Kurz bevor er anfangen wollte zu protestieren, schnitt sie ihm das Wort ab.
„Sie blieb sowieso freiwillig hier. Sie können sich gerne die Akte ansehen, was sie alles von sich gibt, sie ist gemeingefährlich.“
Sein Kiefer verkrampfte sich sichtlich, aber er blieb still, als er eine graue Akte bekam.
Als er sie aufschlug, kam ihm sogleich ein großes Foto seiner Schwester entgegen. Und sie sah erbärmlich aus. Kurz bevor sein Vater sie kurzerhand hier her gebracht hatte war sie schon neben sich, aber in diesem Maße war sie wirklich furcht erregend.
Er überflog die Angaben, vieles davon kannte er bereits. Die Reizbarkeit, die Selbstverletzungen, die Beschimpfungen anderer und sich selbst. Aber etwas war ihm neu.
„Sie ist…?“
„Ja, wir haben es festgestellt, man sieht schon leichte Ansätze. Wer es war, wissen wir allerdings nicht.“
Er blieb still.
„Kann ich wenigstens zu ihr?“
„Können sie, allerdings ist sie bei unseren schlimmsten Fällen untergebracht, seitdem sie einen Pfleger angriff.“
„Ich will sie sehen.“
Sie beobachtete ihn, doch er wich ihrem Blick nicht aus.
„Ich rufe Karlos, er wird sie zu ihr bringen.“
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