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Kunan

Das Amulett von Thana
von

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Regen

Regen
 

Schwere Tropfen fielen aus dunklen Wolken auf sie herab; in der Ferne war vereinzelt Donnergrollen zu hören.

Luca schaute auf. Durch seine durchnässten Haare, die ihm wild im Gesicht hingen und den dichten Regen sah er die schwarzen Gewitterwolken über ihnen, die schon den ganzen Tag ihre schwere Last abluden.

Es war ein Tag vergangen, nachdem Botan mit den Gefangenen und einer Nachricht an den Hohen Rat, in der einige Erklärungen über die Geschehnisse aufgeführt waren, nach Kailu aufgebrochen war. Seitdem wurden sie von Canis durch den dichten Wald geführt.

Die kleine Gruppe machte keine Pause, da Canis befürchtete, dass noch mehr argolische Soldaten in der Nähe waren. Außerdem wussten Luca, Masanari, Sayuri und Canis genau, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten.

Paratas’ Heer würde in ein paar Wochen aufbrechen, um Kunan anzugreifen. Bis dahin musste Luca das Amulett von Thana haben.

Plötzlich strauchelte Sayuri. Sie war so erschrocken, dass sie sich nicht mehr auffangen konnte und fiel auf Luca, der vor ihr ging.

„’tschuldigung“, rief sie hastig und rappelte sich auf. „Macht doch nichts.“

Luca blickte verwirrt zu Sayuri, die ihm nun verlegen eine Hand hinstreckte.

Luca nahm ihre Hilfe dankend an und wischte sich den Schlamm aus dem Gesicht.

„Ich glaube, wir sollten eine Pause einlegen“, sagte Canis.

Sie nickten dankbar. Luca blickte durch den Regen zu Canis und sah, dass er genauso erschöpft war wie sie.

Schweigend bauten sie zwischen hohen Bäumen ihre Zelte auf, die sie aus Kailu mitgenommen hatten. Sayuri und Canis hatten jeweils ein Zelt für sich alleine, während Luca sich seins mit Masanari teilen musste, das jedoch etwas größer war als das der anderen. Sie mussten allerdings eine Akazie höflich darum bitten, ihre Wurzeln etwas anzuziehen, da sie sonst keinen Platz hätten.

Nach kurzer Zeit – und mehrmaligem Bitten – standen ihre Zelte und Canis versprach ihnen, sie rechtzeitig zu wecken, bevor sie wieder aufbrechen würden.

Nur der Regen war zu hören, der auf das dichte Blätterdach über ihnen trommelte/tröpfelte/prasselte, als sich Luca und Masanari in ihre Decken einwickelten. Luca wollte noch ein kurzes Gespräch anfangen, doch Masanari gab nur knappe Antworten, sodass Luca es schnell aufgab und ihn in Ruhe ließ.

Er drehte sich um und schloss die Augen. Erst jetzt fiel ihm auf, wie müde er war; er schlief sofort ein.

Er ging.

Zumindest glaubte er, dass er ging, denn er spürte, wie sich seine Beine fast von alleine bewegten.

Wohin er ging wusste er nicht.

Er konnte nichts sehen; alles um ihn herum war schwarz. Er blickte nach unten. Auch dort war nur Schwärze.

Er wusste, dass er jemanden finden musste.

Er ging weiter und weiter; denken konnte er nicht.

Nach einer Ewigkeit, so kam es ihm vor, entdeckte er vor sich einen schwachen Lichtschimmer.

Er machte den Mund auf, um etwas zu rufen, doch kein ton kam heraus.

Seine Beine trugen ihn wie von alleine in die Richtung, aus der dieses geheimnisvolle Leuchten kam.

Je näher er kam, desto stärker und größer wurde es.

Es war so groß wie ein Fußball und leuchtete so stark wie ein Rampenlicht, als er anhielt.

Er wollte nicht direkt in die Lichtkugel schauen, aus Angst, seine Augen würden dem Licht nicht standhalten, doch sein Kopf und seine Augen bewegten sich von allein.

Doch wie durch ein Wunder konnte er mühelos in das Licht schauen, ohne, dass ihm seine Augen wehtaten.

Es war wunderschön und warm.

Er fühlte sich, als ob er der glücklichste Mensch wäre, den es je gab.

Plötzlich hörte er etwas.

Nein!

Er dachte, er würde etwas hören, denn die kindliche Stimme schien direkt in seinem Kopf leise, fast flüsternd, zu sagen: „Luca.“

Schweißgebadet wachte Luca auf. Er keuchte.

So einen Traum hatte er noch nie gehabt, der ihm so unheimlich und etwas real vorkam. Wer hatte ihn gerufen und vor allem, warum? Tausende von Fragen schwirrten in seinem Gehirn herum.

(Luca packte sich an den Kopf, um die Kopfschmerzen etwas zu lindern.)

Im Licht des Mondes griff er nach seinem Beutel mit Wasser und nahm einen großzügigen Schluck.

Plötzlich hörte Luca draußen ein Rascheln. „Masanari?“, fragte er leise und blickte dorthin, wo Masanari sich noch vor ein paar Stunden hingelegt hatte.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er weg war.

Luca legte den Beutel wieder neben seinen Rucksack und kroch aus dem Zelt.

Es war mitten in der Nacht, doch es hatte aufgehört zu regnen. Er sah nach oben. Dunkle Wolkenfetzen verdeckten den Vollmond und einige Sterne.

Er beschloss, die Richtung einzuschlagen, aus der das Rascheln kam. Leise schlich er an Sayuris und Canis’ Zelte vorbei und ging weiter.

Er musste nicht lange gehen, bis er ein Plätschern hörte. Als er näher herankam, erkannte er, dass es ein Bach war.

Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Er drehte sich um und entdeckte eine große dunkle Gestalt, die neben dem Bach auf einem Stein hockte. Luca ging auf sie zu. Masanari drehte sich um, als er Lucas Schritte hörte. Trotz des wenigen Lichts war zu erkennen, dass ihn irgendetwas bedrückte.

„Hey“, begrüßte er Luca matt, rutschte ein Stück und Luca setzte sich neben ihn. Der Stein war kalt, doch das machte ihm nichts aus. Eine frische Brise fuhr ihm durchs Gesicht, als er, den Blick auf Masanari geheftet, fragte: „Was machst du hier?“

Masanari hatte Luca bis jetzt noch nicht richtig angesehen und so starrte er weiter auf den Bach, der ein paar Meter neben ihnen dahinplätscherte.

„Ich konnte nicht schlafen“, murmelte er als Antwort. Luca schwieg. Er wusste, dass Masanari irgendetwas beschäftigte, doch er wollte nicht weiter fragen. Er überlegte jedoch, ob er ihm von seinem Traum erzählen sollte. Einerseits wollte er es jemandem erzählen, der ihm vielleicht Antworten geben konnte, der mehr über diese Welt und seine Geheimnisse wusste. Andererseits spürte er, dass Masanari lieber alleine sein wollte.

Schnell kam er zu einem Entschluss. „Ich hatte einen Traum“, begann er, hielt jedoch inne, als Masanari sich vom Stein erhob und zum Bach ging. Er bückte sich, hob einige Steine auf, die am Bachufer verstreut herumlagen, und ließ einen ins dunkle Wasser fallen. Ein Platschen war zu hören.

„Erzähl“, sagte Masanari, den Rücken weiter zu Luca gewandt.

Schnell beschrieb er seinen Traum, der ihm immer noch so unheimlich war.

Als er geendet hatte, wartete er, dass Masanari etwas sagte, doch auch er schwieg. Einen Moment herrschte Stille. Nur ab und zu unterbrach ein Platschen die bedrückende Stille, das davon herrührte, dass Masanari weitere Steine in den Bach warf.

Luca wollte gerade vom Stein aufstehen, als Masanari sich zu ihm umdrehte, und so blieb er da sitzen, wo er war.

„Kanntest du diese Stimme?“ fragte er, Luca ansehend. Luca dachte nach.

Ob er diese Stimme kannte…

„Nein“, fing er nach einer Weile zögernd an, „aber sie kam mir etwas…vertraut vor. Warum?“

„Ich habe gehört, dass Schattenreiter, naja, besondere Träume haben.

Sie können von Dingen träumen, die sonst keiner wahrnimmt“, fügte er hinzu, als er Lucas verdutztes Gesicht sah. „Aber du solltest Canis davon erzählen, er weiß mehr über Schattenreiter.“ Luca nickte.

Zusammen kehrten sie zum Lagerplatz zurück und da es noch dunkel war, beschlossen sie, sich wieder schlafen zu legen.

Dieses Mal dauerte es eine Weile, bis Luca eingeschlafen war. Er musste immer noch über Masanaris Frage nachdenken. Es war eine sehr berechtigte Frage gewesen, die ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen war.

Luca wusste genau, dass er die Stimme aus seinem Traum kannte, aber woher?

Keiner in seiner Familie oder von seinen Freunden hatte so eine kindliche Stimme! Luca versuchte zu schlafen, um wieder zu träumen, doch dieses Mal träumte er nichts.

Als er wieder aufwachte, fiel die Sonne auf das Zelt und ein mattes Grün fiel auf sein Gesicht. Luca blickte zur Seite, wo Masanaris Schlafplatz war, doch er war leer. Hastig zog er sich an und kroch aus dem Zelt.

Er musste die Augen zusammenkneifen, denn die Sonne schien ihm mitten ins Gesicht.



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