Kapitel 09 – Nur drei einfache Worte?
Ich hatte jegliche Kontrolle über die Situation und auch über mich verloren. Doch aus irgendeinem unerklärlichen Grund schien ich mich schon so lange eben danach gesehnt zu haben. Vielleicht war mein Verlangen nach rationalem Denken und Vernunft all die Jahre vollkommen überspitzt gewesen. Es schien mir, als wollten weder Light noch ich diesen unbeschreiblichen Kuss beenden, doch hier brach wieder das rational denkende Individuum in mir hervor: wir konnten nicht ewig hier stehen. Im selben Augenblick, in dem ich diese Gedanken zu Ende gedachte hatte, verfluchte ich mich innerlich dafür, denn langsam spürte ich, dass sich Lights Zunge wieder zurück zog und er sich sachte von dem Zaun abstieß um von mir abzulassen. Doch meine Lippen hingen so an den seinen, dass ich ihm mit dem Kopf noch etwas in seine Richtung folgte und mich nach vorne lehnte. Ich wollte diesen Kuss bis in alle Ewigkeit weiterführen. Allerdings schaltete sich Lights rechte Hand ein, die mein Kinn sanft von sich weg drückte und somit ein Spalt zwischen unseren Lippen frei gab.
Ich öffnete meine Augen und sah in Lights Gesicht, versuchte zu verstehen, was soeben geschehen war. Versuchte die Antwort in seinen Augen zu finden. Doch diese blieben vorerst geschlossen. Verwundert beobachtete ich, wie seine Zunge flink, aber dennoch genussvoll über seine Lippen huschte und er schließlich seine Augen öffnete.
Meine Finger waren nach wie vor in seinem Shirt vergraben und ich hatte nicht vor es in der nächsten Zeit loszulassen. Ich spürte, dass Light etwas auf der Zunge brannte, es ihn aber scheinbar Mut und Überwindung kostete es mir preiszugeben. Ich hatte mit allem gerechnet nur nicht mit dem, was jetzt kam. Als wäre dieser Kuss nicht schon genug Neues für mich...
Seine Augen hatten sich verändert. Sie strahlten keine Kälte mehr aus. In ihnen fand ich nur noch Wärme und Geborgenheit. Dann kam es leise, aber bestimmt von ihm: „... Ich liebe dich!“
Er sah mir, während er dies sagte, direkt in die Augen, die sich nun langsam weiteten. Ich konnte nicht glauben, was ich soeben gehört hatte. Ich hätte mit Sicherheit auf alles reagieren können, doch nicht auf diese drei Worte! Ich kannte sie nur aus Filmen und Erzählungen. Nie waren sie mir selbst widerfahren. Nie kam es auch nur jemandem in den Sinn mir seine Liebe zu gestehen. Eigentlich hätte ich in so einer Situation gewettet, dass es sich um einen lächerlichen Scherz handelte um mich zu verletzen oder vielleicht sogar eine Wette oder deren Einsatz. Doch Light sagte die Wahrheit. Es war das erste Mal, dass ich auf seinen Lippen ein ehrliches Lächeln entdeckte und auch die Schamesröte, die in sein Gesicht trieb und seine Wangen einfärbte, war mir bis dato unbekannt und schien bis zu diesem magischen Augenblick unerreichbar gewesen zu sein... Bis jetzt!
Ich konnte nichts anderes tun, als ihn einfach nur vollkommen überrumpelt anzustarren. Ja, der große Ryuuzaki, welcher der Polizei Japans schon so große Dienste erwiesen hatte, war ratlos. Nicht ein einziges Wort hätte ich heraus gebracht. Von einem Nicken oder Kopfschütteln ganz zu schweigen. Light fasste diese Art der Ratlosigkeit so auf, dass ich mich zumindest nicht dagegen wehrte und damit hatte er vollkommen Recht. Langsam kam er mir wieder näher, doch dieses Mal wanderte ich mit meinem Gesicht etwas in seine Richtung um ihm entgegen zu kommen und den Weg und somit die Zeit zu verkürzen, bis sich unsere Lippen erneut trafen. Hinzu kam, dass ich meine Hände bereits an seinem Shirt hatte und ihn somit leicht zu mir ziehen konnte.
Dieses Mal schlossen wir unsere Augen gleichzeitig und ich brauchte keine zwei Sekunden um zu verstehen, was passierte. Nein, dieses Mal war ich aktiv an den Geschehnissen beteiligt, was sich darin äußerte, dass ich dieses Mal Lights Zunge in seinen Mund zurück drängte, um das leidenschaftliche Spiel dort fortzuführen. Außerdem zog ich Light so nah an mich heran, dass sein Körper nun an meinen lehnte. Diese Nähe war einfach unbeschreiblich, dieser Kuss unglaublich und Light unfassbar.
Wie kann ich das beschreiben, was ich in diesem Augenblick fühlte? Es ist einfach unmöglich. Eine solche Fülle an Gefühlen war mir bisher noch nie bewusst geworden. Alles war so neu, so fremd und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass dieser Moment etwas Erlösendes an sich hatte. Lag dies daran, dass ich nun endlich wusste, dass auch ich solche Gefühle empfinden konnte oder lag es daran, dass ich endlich wusste, wie ich diese lang verborgenen Gefühle in mir zu deuten hatte? Ich wusste es nicht und es bereitete mir Kopfschmerzen jetzt über so etwas nach zu denken. Ich wollte das Hier-und-Jetzt ewig ausbreiten, mich nie wieder von Lights köstlichen Lippen trennen.
Doch dieser Traum war unrealistisch und ein Schrei machte mir dies wenige Sekunden später deutlich. Sowohl Light, als auch ich zuckten zusammen und ließen schweren Herzens voneinander ab. Verwirrt blickte ich in die Richtung, aus welcher der Schrei gekommen war und entdeckte ein blondes Mädchen. Light hatte sie mir einmal vorgestellt... Wie hieß sie noch gleich?
