Zum Inhalt der Seite

Begegnungen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Blicke und Wölbungen

Claire hatte sich recht festlich gekleidet, sie war ja zu dem 70. Geburtstag ihres Großvaters geladen, eine jener Feiern, auf die sie nur ungern ging, wurden sie ihr doch nicht selten schnell öde. Zum Zeitvertreib stocherte sie lang in ihrer Portion teuren Festessens herum, nur halbherzig dem stetig an Lautstärke gewinnenden Stimmengewirr der Gesellschaft lauschend. Kaum hatte sie fertig gespeist und ihr Besteck beiseite gelegt, huschten einige Servierdamen und -Herren um sie herum und deckten den Tisch ab, vorbereitend auf den, von all den Gästen schon lang ersehnten, nächsten Gang.

Das weckte auch Claires Aufmerksamkeit wieder, denn auf jeder dieser Feiern hatte sie es sich zur Angewohnheit gemacht, der Langeweile zum Trotz, die Servierenden zu mustern und sich zu vergewissern, ob nicht ein Individuum dabei wäre, dem hinterher zu schauen und sich auf dessen Wiederkommen zu freuen, sich lohnen würde. Doch wie so oft hatte sie bei diesem Vorhaben kein Glück.

Deshalb wandte sich ihr Blick jetzt der Menge über den gerade frisch aufgetischten zweiten Gang herfallender Leute zu, um vielleicht wenigstens jemanden zu entdecken, mit dem man, zumindest für einige Zeit, über ein mehr oder minder interessantes Thema diskutieren konnte.

Neben ihrer eigenen Verwandtschaft, zu der unter anderem auch ihre Eltern zählten, fanden sich die Nachbarn ihrer Großeltern, einige Geschäftspartner und Mitarbeiter ihres Großvaters, Leute, von denen sie weder Namen noch Verbindung zu dieser Gesellschaft wusste und einige Kinder, die, zusammen an ein Ende der Festtafel gepfercht, um die Älteren nicht zu stören, widerlich und ungeordnet Krümel und große Flecken verschiedenster Speisen auf dem Tischtuch verbreiteten.

Außerdem war da, ein paar Plätze weiter und auf der anderen Seite des Tisches, jedoch immer noch mit tadellosem Sichtkontakt, ein junger Mann ihres Alters, der, scheinbar ebenso suchend, seinen Blick in genau dem Moment auf Claire ruhen ließ, da sie ihn gleichfalls anschaute. Durch den erwiederten Blick zweifellos etwas überrascht, wandte sie sich, leicht errötend, in die entgegengesetzte Richtung, um den Anschein zu erwecken, tief in ein Gespräch verwickelt und nur durch einen unglücklichen Zufall in diesen, ihrer Meinung nach etwas zu lang andauernden, Blickkontakt geraten zu sein.

Nach einer Weile war ihr immer noch, als spüre sie hin und wieder den langen, musternden Blick ihres kurzzeitigen Schicksalsgenossen auf sich liegen. Doch auch sie selbst schenkte dem jungen Herrn den einen oder anderen heimlichen Blick aus den Augenwinkeln, wobei ihr selbst unklar war, warum ausgerechnet er immer wieder ihre Aufmerksamkeit erweckte, wo sie doch für Angehörige des anderen Geschlechtes, wenn überhaupt, nur freundschaftliches Interesse aufzubringen vermochte. Etwas musste also mit ihr falsch sein, vielleicht brachte sie diese unglaubliche Öde auf wirre Gedanken. Oder lag es doch an ihm, der nun offen seine Zuneigung durch einen heiteren, direkten Blick bekundete?

Erst bei diesem Gedanken ertappte sie sich selbst, wie sie ihn schon seit geraumer Zeit unverhohlen anstarrte, was er offensichtlich und ohne Zweifel auch schon bemerkt hatte. Sie würde ihn niemals, höchstens bei einer ähnlich großen und wichtigen Festlichkeit, wiedersehen, dachte sie sich, und so lächelte sie mit aller Kunstfertigkeit, die sie aufbringen konnte, zu ihm herüber.

Diese Gelegenheit nutzte sie auch gleich dazu, um ausfindig zu machen, was sie an der Erscheinung dieser doch eigentlich recht uninteressanten Person so fesselte.

An den Haaren konnte sie nichts finden, an der modischen halblangen Herrenfrisur, die erlaubte, die Haare auf einer Länge zu tragen, dass sie die Ohren immerhin zur Hälfte bedeckten, war nichts auszusetzen.

Doch vielleicht waren die Züge des Gesichtes etwas zu weich, die Augen zu groß und die Miene zu zart. Auch die Hände waren ein wenig zu elegant für einen jungen Mann. Unter dem Jackett zeichneten sich, obwohl der Herr doch von so schlanker Statur war, auf Höhe der Brust leichte Wölbungen ab.

Sie riss ihre Augen weit auf und wieder stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht, damit musste ihre Miene sie verraten haben, denn der junge Mann, der sich jetzt als ebenso junge Frau erwies, grinste amüsiert zu Claire herüber.

Diese beruhigte sich nun wieder und ihr Gemüt war fern der anfänglichen Öde, die sie so verzweifelt zu vertreiben versucht hatte.

Es war ein Moment größten gegenseitigen Verständnisses, also übermittelte sie dieser so schlagartig interessant gewordenen Person ein aufforderndes Nicken, wonach sie aufstand und sich bei der Gesellschaft für kurze Zeit zur Toilette empfahl.

Da an der Festtafel das eine Ende von dem anderen nichts merkte und sowieso jeder wirr durcheinander sprach, fiel es nicht weiter auf, dass die noch immer grinsende Frau es ihr gleich tat, sodass die beiden im Vorraum zu den Toiletten zueinander fanden.

Eilig wurden die Adressen getauscht und man verabredete sich für den nächsten Tag um kurz nach Mittag auf dem Marktplatz.

Um den Rest der Festtagsgesellschaft nicht all zu lang warten zu lassen, gingen sie gemeinsam, wie zufällig, zurück an ihre Plätze und ließen die Feier, nun wirklich kaum noch auf die Gespräche der anderen achtend, sich dafür ewige Blicke und kleine Zeichen zukommen lassend, an sich vorüber ziehen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Miami
2008-06-05T14:52:45+00:00 05.06.2008 16:52
ich hoffe du schreibst bald weiter , ich bin schon gespannt wie es weiter geht
Von:  Counti
2008-04-22T15:38:48+00:00 22.04.2008 17:38
*patta* hassu fein gemacht
Von:  Kira-no-Lucifer
2008-04-22T15:09:49+00:00 22.04.2008 17:09
Die Story ist schön geschrieben.
Gefällt mir gut, und so zum Stolper ist sie gar nicht^^
Der Überraschungsmoment ist dir gut gelungen und so schnell findet man sich auf einer langweiligen Feier^^


_Kisala_



Von: abgemeldet
2008-04-22T14:46:04+00:00 22.04.2008 16:46
hehe, nette Kurzgeschichte :)
Ich finds witzig, wie einleuchtend das Wort "Augenblicke" hier erklärt wird^^ So ein erlebnis hat etwas magisches an sich, vorallem wenn man so seine Liebe kennenlernt.

Is ned bös gemeint, aber manchmal lesen sich die Schachtelsätze etwas langatmig. Das liegt daran, dass das Prätikat erst ganz am Ende steht. Vieleicht ließt es sich noch besser, wenn die Subjekt + Prätikat näher zusammenstehen.

Übrigens: ich hatte echt nicht mit den Wölbungen gerechnet xD, so war es recht überraschend zu lesen. Klasse! ^-^


Zurück