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boys' flat share

von

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Zum dritten Mal sah Makoto nun schon auf seine Uhr. Es waren gerade mal zwei Minuten vergangen. Er hatte eigentlich nicht vor seine Zeit mit Warten zu verschwenden. Sein Freund Hideo hatte ihn ausdrücklich für 15 Uhr vor die Bibliothek bestellt, um mit ihm etwas sehr wichtiges zu besprechen. Jetzt war es schon zwanzig nach.

Ungeduldig sah sich Makoto um. Normalerweise hätte er die Zeit jetzt genutzt um noch etwas für sein Studium zu tun. Er wollte gar nicht erst anfangen faul zu werden.
 

Von weitem konnte Makoto schon den genervten Gesichtsausdruck von Hideo erkennen, im Schlepptau seinen jüngeren Stiefbruder Shin.

„Tut mir echt leid, dass ich so spät komme! War bestimmt keine Absicht. Ich hab mich irgendwie in der Zeit vertan!“ Hideo lächelte versöhnlich. „Entschuldige bitte!“

Makoto zuckte mit den Schultern. „Schon gut!“ Er war etwas misstrauisch. Es war nicht Hideos Art sich so überschwänglich zu entschuldigen.

„Du musst mir einen riesigen Gefallen tun!“ Mit großen Unschuldsaugen sah Hideo zu seinem Freund.

Makoto schaute mit schmalen Augen zurück. Das Benehmen seines Gegenübers war äußerst suspekt. Ihm schwante Böses!

„Du hast doch noch ein freies Zimmer, oder?!“

„…Ja!“

„Lass Shin für ein paar Wochen drin wohnen!“ Hideo presste, verblüfft über seine direkte Art, seine Lippen aufeinander.

„Was???“ Es war Makoto egal ob man ihm sein Entsetzen anhören konnte. Er sah zu dem siebzehnjährigen Shin, der selbstgefällig in eine andere Richtung sah. Der Typ hatte es nicht mal für nötig gehalten ihn zu begrüßen.

„Das ist eine ganz schlechte Idee. So was kann ich überhaupt nicht gebrauchen!“

„…du bist mir noch was schuldig!“, erinnerte Hideo seinen Freund leise und sein schlechtes Gewissen wegen dieser Erpressung sah man ihm deutlich an.

Makoto öffnete den Mund um zu widersprechen, schloss ihn dann aber wieder ohne etwas zu sagen. Zu gut konnte er sich an dieses Mädchen erinnern, das sich in ihn verliebt hatte und sich dann wie ein Stalker aufführte. Nach einigen Bitten, hatte sich Hideo bereiterklärt, sich ihrer anzunehmen und es auch tatsächlich geschafft, sie auf sanfte Weise zur Vernunft zu bringen. Makoto wusste nicht, wie er es angestellt hatte, doch sie grüßte beide heute noch immer freundlich.

Wütend ballte er seine Hände zu Fäusten. „Wann? …und wie lange?“, bekam er schließlich kühl heraus.

Entschuldigend sah Hideo ihn an. „In ungefähr zwei Wochen und ich weiß nicht. Nur vorübergehend bis ich was für uns beide gefunden habe!“

Immer noch um Fassung ringend nickte Makoto. „Ich habe gleich eine Vorlesung. Wir besprechen das später!“ Er drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort. Ihm war richtig schlecht. So etwas musste ausgerechnet ihm passieren. Er konnte Shin nicht ausstehen. Der Kerl war überheblich und völlig unsympathisch. Ihm war alles egal; Schule, Familie, Freunde – dem entsprechend benahm er sich auch. Die Zeit mit Shin würde die reiste Hölle werden!
 

Der Tag des Einzuges verlief recht reibungslos. Erst vor ein paar Tagen war Hideo dazu gekommen Makoto alles zu erklären. Ihre Mutter musste umziehen. Die Firma in der sie arbeitet, hatte ihr eine bessere Stelle angeboten, allerdings bei einer Tochterfirma in einer anderen Stadt. Hideo und Shin aber blieben. Da Hideo studierte, wäre er so wie so geblieben. Shin hingegen sollte hier die Oberschule zu Ende machen denn seine Stiefmutter befürchtete, dass bei einem Schulwechsel seine miesen Leistungen noch schlechter werden würden.

Seit er die unumstößliche Tatsache von Shins Einzug erfahren hatte, bastelte Makoto an einem Schlachtplan. Im Großen und Ganzen sah er aus, dass er Shin einfach ignorieren würde. Dieser kleine Idiot war ja sogar zu seinem Einzug zu spät gekommen und eine Begrüßung hatte er nur auf Hideos verärgerten Befehl hin gemurmelt.
 

Makoto war irgendwie überrascht als er am nächsten Morgen aufwachte und feststellen musste, dass er richtig gut geschlafen hatte. Er hatte die ganze Zeit über angenommen mit Shin in der Wohnung schlecht schlafen zu können aber das Gegenteil war der Fall.

Seine erste Vorlesung war sehr zeitig und er musste sich beeilen.

Alles war still als er den Flur betrat. Wann musste Shin eigentlich zur Schule? Egal! Den wollte er doch ignorieren.

Es blieb auch still bis Makoto fast schon fertig war zum Losgehen. Unruhig wanderte sein Blick immer wieder zur geschlossenen Zimmertür Shins. Hatte der Kerl verschlafen oder wollte er schwänzen?

Kurz entschlossen stellte er den Vorsatz, seinen Mitbewohner keinerlei Beachtung zu schenken, hinten an und klopfte an die Tür. Niemand antwortete. So öffnete er die Tür langsam und trat ins Zimmer. Es brannte Licht und als erstes fiel sein Blick auf Shin, der in seinen kompletten Sachen, eingerollt auf der Tagesdecke seines Bettes schlief. Der Computer lief. Irgendein Spiel pausierte, wahrscheinlich schon seit einigen Stunden.

Makoto nannte Shin in Gedanken zum zigsten mal einen Idioten. „Wach auf!“, rief er von der Tür aus in gemäßigtem Ton.

Der Schlafenden antwortete nur mit einem „Mhm…“.

Also kam Makoto näher. „Wach endlich auf!“ Er wunderte sich wie sanft seine Stimmer klang und dass er Shin auch ganz vorsichtig an der Schulter wachrüttelte. Es lag wohl daran, dass der schlafende Shin ganz lieb aussah und auch ziemlich kindlich.

Schläfrig und verwirrt öffnete er endlich seine Augen und das Kindliche blieb noch etwas.

„Musst du nicht zur Schule???“, fragte Makoto ihn immer noch in einem sanften Ton.

Shin sah auf seine Uhr. „Fuck!“ Plötzlich war er hellwach und sprang aus dem Bett. Er stolperte, fiel aber nicht wirklich und zog sich auf dem Weg zur Tür im Rennen das T-Shirt aus.

Erstaunt sah Makoto hinter dem kleinen Energiebündel her, das fluchend ins Bad lief. Er trat wieder auf den Flur und folgte mit den Augen der Spur aus Sachen bis zur Badezimmertür. Die Dusche lief schon aber auch nur für kurze Zeit. Dann kam Shin wieder raus. Noch halb nass, ein Handtuch um die Hüften gewickelt, putzte er sich die Zähne während er wieder in sein Zimmer lief. Mit einer Hand zog er die Sachen, die er anziehen wollte aus den Schränken, stopfte noch das eine oder andere in die Tasche für die Schule und rannte mit Schaum vor dem Mund wieder ins Bad. Zurück in seinem Zimmer riss er sich mit der rechten Hand das Handtuch herunter und warf rechtzeitig mit der linken die Tür vor Makotos Nase zu.

Einen Moment brauchte Makoto um sich zu fangen. „Willst du was essen?“, fragte er die geschlossene Tür.

Er braucht gar nicht lange warten, da wurde die Tür wieder aufgerissen. Shin mit feuchten, strubbligen Haaren und etwas unordentlich übergeworfenen Sachen, rauschte mit seiner Tasche in der Hand an ihm vorbei. „Keine Zeit!“ Im Vorübereilen nahm Shin noch seine Jacke und schon war er aus der Wohnung verschwunden.

Als Makoto sich jetzt selbst zum gehen bereit machte, kam er sich wie eine Schnecke vor und er hoffte, dass sein Kommilitone und Fahrer Kenichi, mit dem er den gleichen Studiengang besuchte, nicht zu lange auf ihn warten musste.
 

Die kommenden drei Tage bemerkte Makoto kaum, dass er einen Mitbewohner hatte. Einmal sah er Shin kurz auf dem Flur. Sonst war es als wäre er allein.
 

Er telefonierte gerade mit seinen Eltern, um ihnen zu sagen, dass sie nur noch die Hälfte der Miete zu zahlen brauchten. Überrascht und erfreut hörte er seinem Vater zu als dieser ihm den Vorschlag machte, weiterhin die Miete in voller Höhe zu bezahlen, damit Makoto sich den Teil, den er von Shin bekam als Taschengeld behalten konnte. Nach dem er sich von seinem Vater verabschiedet hatte, war ihm zum Feiern zu mute. Doch so spontan war es schwierig jemanden aufzutreiben mit dem er feiern konnte. Einzig Shin war anwesen, aber ihn den Grund für seine Freude mitzuteilen war wohl doch etwas unpassend. Es versetzte seinem Hochgefühl nur einen leichten Dämpfer. Vielleicht fand sich ja was Leckeres in der Küche mit dem er vorerst allein feiern konnte.
 

Enttäuscht warf Makoto die Kühlschranktür wieder zu. Er hatte vergessen einzukaufen. Das hatte er eigentlich schon am Vortag tun wollen, dann musste er es jetzt machen. Dazu hatte er keine große Lust. Wenn Shin doch nur etwas zu essen hier gehabt hätte, er wäre sofort schnorren gegangen. Aber Shin schien kein Essen zu brauchen, denn in der Küche war nichts von ihm aufgetaucht. Von was ernährte er sich wohl?

Makotos Neugier war geweckt. Zögernd stand er vor der geschlossenen Zimmertür hinter der sich Shin befand. Vielleicht hortete der Kleine ja sein Essen im Zimmer. Er brauchte einen Vorwand um zu klopfen. Ihm fiel recht schnell etwas ein.

Ungeduldig wartete er, nachdem er geklopft hatte, auf eine Antwort. Endlich kam ein leises „Ja?“ zurück. Was hatte denn so lange gedauert?

Langsam öffnete Makoto die Tür. Es war kaum Licht an und Shin saß vor dem Computer auf dem er vorher jegliche Programme geschlossen hatte. Der Monitor war sein fahles Licht auf seine helle Haut und ließ sie ungesund blass erscheinen. Seine großen, blauen Augen sahen Makoto fragend an.

Ziemlich genau konnte sich Makoto vorstellen, was Shin gerade gemacht hatte. Nichts Anständiges, wenn Shin es ihm nicht zeigen wollte. Kleines Ferkel!

„Ich muss einkaufen! Willst du mitkommen?“ Makoto stockte. Er hatte ihn fragen wollen, ob er ihm etwas mitbringen sollte und nicht das, was er nun gefragt hatte. Bestimmt hatte er sich unterbewusst anders entschieden, weil Shin so blass aussah und frische Luft brauchte.

Offensichtlich brauchte Shin einen Moment um darüber nachzudenken. Sein Blick wanderte von Makoto zu einem undefinierbaren Punkt unterhalb des Bodens und dann wieder zurück.

„Okay…“

Hatte sich Makoto verhört oder schwang da tatsächlich etwas wie Unsicherheit in dieser leisen Zustimmung.
 

Irgendwie war es irritierend. Wo war der arrogante, überhebliche Shin geblieben? Auf dem Weg zum Supermarkt ganz in der Nähe schwiegen sie. Makoto fühlte sich merkwürdig gehemmt. Er sah unauffällig zu Shin, der sehr gerade aufgerichtet fast schon mechanisch wirkend neben ihm herlief. Der Gesichtsausdruck war verschlossen. Shin war ein Rätsel.

Einkaufen mit Shin war noch eigenartiger. Er nahm sich nur etwas Obst mit dann noch Toast.

Makoto, der vergessen hatte sich eine Einkaufsliste zu schreiben, lief kreuz und quer durch den Laden weil ihm immer wieder noch etwas einfiel, was er brauchte. Shin folgte ihm in fast schon stoischer Ruhe.

„Brauchst du auch Cornflaks?“ Es war das erste mal seit sie unterwegs waren, dass Makoto sich direkt an Shin wandte.

Der Jüngere sah das Regal mit den vielen Cornflakespackungen an, als sähe er so etwas zu ersten Mal. „Ähm… ja?!“ Er ließ seinen Blick ausgiebig über alle Verpackungen schweifen bis er schließlich fand, was er suchte.

„Und Milch?“

„Ja!“, diesmal klang es schon fast erleichtert.

Es amüsierte Makoto schon, wie Shin anscheinend keine Ahnung hatte. Der Junge hatte keinen Plan, was er einkaufen sollte. So machte Makoto ihm weitere Vorschläge und führte den Ahnungslosen.

Und nochmals liefen sie durch den ganzen Supermarkt bis Shin auch alles hatte, was er brauchte und wollte.

Beladen, wie zwei Packesel, traten sie den Heimweg an. Obwohl Shin sehr, sehr ruhig und in sich gekehrt war, hatte Makoto der gemeinsame Einkauf gefallen.
 

Makoto fand es ein bisschen komisch von Shin dabei beobachtet zu werden, wie er seine Lebensmittel in den Kühlschrank räumte.

„Nimmst du das untere Fach?“

Shin verließ den Platz von dem aus er in sicherer Entfernung sich alles unschlüssig anschauen konnte und kam mit seinen Einkäufen näher. Langsam begann er einzuräumen. Mit der Milchtüte in der Hand sah er nach, wohin Makoto seine Milch hingestellte hatte und stellte seine eigene schließlich daneben, in die Ablage der Tür, nur um dann ernüchtert festzustellen, dass beide so ziemlich identisch waren.

„Namen draufschreiben!“, mischte sich Makoto hilfreich ein. „Oder wir kleben Bilder von uns ran…“, scherzte er etwas.

Plötzlich begann Shin zu strahlen. Er sah Makoto an, der verwirrt lächelnd zurücksah. Er konnte sich Shins Lächeln nicht entziehen, es war schön und ansteckend.

„Wollen wir???“, fragte Shin und seine Augen leuchteten.

„Was?“ Makoto war etwas durcheinander.

„Na, Bilder rankleben!“

„…Okay!“

Zur Belohnung, schenkte Shin Makoto noch mal ein strahlendes Lächeln und lief aus der Küche.

Immer noch in Faszination schwelgend, begann Makoto das Abendbrot zu zubereiten – für sich selbst und Shin.

Kurz darauf tauchte der Kleine mit seinem Handy wieder in der Küche auf.

„Schaust du kurz mal her, Makoto?“

Er grinste in Shins Richtung, damit dieser ein Foto mit seinem Handy machen konnte. Dann drehte Shin sein Handy zu sich, um sich selbst zu fotografierte und lief wieder zurück in sein Zimmer.

Makoto fühlte sich gerade ziemlich wohl, so wie es jetzt war, war es sehr angenehm. Aber welcher von diesen verschiedenen Shins war nun der Echte?
 

Irgendwann kam Shin wieder und werkelte ein Weilchen an der Milch herum.

„Gut so???“, fragte es nachdem er sein Werk vollendet hatte und präsentierte es stolz seinem Mitbewohner.

Shin hatte ihre ausgeschnittenen Gesichter direkt auf die Köpfe der, auf der Packung abgebildeten Kühe geklebt.

Es war unmöglich nicht darüber zu lachen. Makoto legte das Messer weg um sich nicht vor Lachen zu schneiden. Das sah einfach zu albern aus.

„Wenn das jemand sieht, hält der uns für verrückt!“ Sehr deutlich konnte Makoto sehen, wie sehr es Shin freute ihn zum Lachen gebracht zu haben. „Wollen wir zusammen in meinem Zimmer essen?“

Shin sah ihn überrascht an. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet. Leicht lächelnd, nickte er etwas.
 

Zuerst schien sich Shin wirklich über das gemeinsame Essen zu freuen, doch als die Zeit verging, wurde er unruhiger.

„Was ist mit dir? Alles okay?“ So was blieb Makoto natürlich nicht verborgen.

Shin sah ihn etwas unsicher an und antwortete zögernd: „Ich muss noch Hausaufgaben machen, aber ich verstehe sie nicht!“

„In welchem Fach denn?“

„Mathe!“

„Soll ich dir probieren zu helfen?“

Fragend sah Shin zum Schreibtisch auf dem sich Mengen von Unterlagen stapelten.

„Das hat noch Zeit! Alles was ich für morgen brauche ist schon erledigt!“, beruhigte Makoto ihn.

Sofort stand Shin auf, um seine Hausaufgaben zu holen.
 

Es dauerte etwas bis Makoto sich in die Aufgabenstellung eingelesen hatte. Es war nun doch schon etwas her, seit er selbst diese Art von Aufgaben gerechnet hatte. Während dessen saß Shin neben ihm und starrte seinerseits skeptisch auf seine Hausaufgaben.

Probeweise rechnete Makoto eine der Beispielaufgaben nur um sicher zu stellen, dass er es auch richtig verstand und Shin im Anschluss nicht irgendeinen Blödsinn erzählte.
 

Aufmerksam folgte Shin, Makotos Erläuterungen. Die erste Aufgabe rechneten sie gemeinsam, dann rechnete Shin allein und bekam nur Hilfe wenn er nicht weiterkam. Schnell war Shin sicher genug um die restlichen Aufgaben alleine zu bewältigen. Um ihn nicht nervös zu machen, weil er ihm ständig auf die Finger sah, setzte sich Makoto an seinen Schreibtisch und beschäftigte sich mit etwas anderem.
 

„Makoto?“

Erschrocken zuckte der Angesprochene zusammen, Shin hatte sich unbemerkt hinter ihn gestellt.

„…Entschuldige! Ich bin mir bei der Aufgabe nicht so sicher. Könntest du vielleicht..?“

Schüchtern war Shin ziemlich niedlich.

„Zeig her!“

Shin stellte sich neben ihn und beugte sich etwas vor, um sein Problem besser anhand seiner halb ausgerechneten Aufgabe zu erklären.

Eigenartigerweise stellte Makoto fest, dass er etwas nervös wurde. Shin war ihm nahe genug, um den leichten Duft seiner Haare wahrzunehmen. Er musste sich zusammenreißen, damit er sich überhaupt auf das Erklären konzentrieren konnte. Was nahm er für ein Shampoo? Das roch ja fantastisch!
 

Makoto freute sich darüber, dass Shin noch blieb, nachdem er mit den Hausaufgaben fertig war. Angenehmer Gesellschaft war Makoto nie abgeneigt.

Gemeinsam wollten sie noch etwas fernsehen. Shin saß auf dem Bett, Makoto davor.
 

Erschrocken fuhr Makoto zusammen. Er war tatsächlich eingenickt. Ein Blick auf das Bett bestätigte seine Ahnnahme. Shin schlief ebenfalls.

„Shin…“, träge hob er seine Hand und berührte Shins Oberarm um ihn zu wecken. Undeutlich murmelte der Jüngere etwas und drehte sich auf die andere Seite. Makoto war viel zu müde. Er holte eine Decke aus dem Schrank und deckte Shin damit zu. Er selbst ging einfach in das Zimmer seines Mitbewohners zum Schlafen.

Noch im Halbschlaf wunderte er sich, warum er sein Gesicht fest in das Kissen drückte, das noch schwach nach Shin roch. Es war ein beruhigender Duft obwohl es in seiner Magengegend auch etwas kribbelte.
 

Eine sanfte Stimme holte Makoto langsam aus seinem Schlaf.

„Du musst doch erst um 8 Uhr aufstehen? Oder?“

Makotos Augenlieder waren so schwer. Es war so anstrengend die Augen zu öffnen. Endlich schaffte er es und erkannte die Person, die zu der Stimme gehörte. Es war Shin. Ein weißes Handtuch um die Hüften gewickelt, kniete er vor dem Bett auf dem Makoto lag. Ein behörender, süßer Duft strömt von dem frisch geduschten Shin gradewegs im Makotos Richtung.

>Shin ist so süß! …und er richt auch so!< Es war Makoto nicht möglich weg zu sehen.

„Ich habe dir dein Handy hergelegt. Es ist auch auf um 8 gestellt!“ Shin neigte etwas seinen Kopf zur Seite und grinste.

Als wäre es das Normalste der Welt, sah Makoto zu, wie Shin sich seine Shorts anzog ohne das Handtuch abzunehmen. Erst als er sie hoch gezogen hatte, warf er es über seine Stuhllehne. Er sah zu Makoto und lächelte lieb. Noch bevor er sich fertig angezogen hatte, schlief Mokoto wieder.
 

Das Handy klingelte wie ein Wecker und ließ Makoto um 8 aus seinem Schlaf hochschrecken. Es dauerte bis er wusste, wo er war. Dann erinnerte er sich an den halbnackten Shin und an die intime, sinnliche Stimmung, die zwischen ihnen in diesem Moment geherrscht hatte. Er war sofort hellwach. Sein Herz schlug sehr schnell und seine Wangen fühlten sich heiß an. Irritiert musste er feststellen, dass er nicht wusste, ob er schnell Shins Bett verlassen oder sich die Decke vor Verlegenheit über den Kopf ziehen sollte. Shin verwirrte ihn mehr und mehr. Schließlich verließ er doch das Bett, aber nicht fluchtartig. Er ging aus dem Zimmer und dabei blieb sein Blick an dem Handtuch auf der Stuhllehne hängen. Schon schlug sein Herz wieder schneller.
 

Die Vorlesungen erforderten seine ganze Aufmerksamkeit, so dachte er nur noch selten an Shin. Auch zu Hause musste er noch einiges erledigen.
 

Durch die Stille der Wohnung hindurch hörte Makoto, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Er sah auf die Uhr. Fast halb 9. Ziemlich spät um nach Hause zu kommen, dachte er sich. Nur einige Minuten vergingen und es klopfte an seiner Zimmertür. Noch ehe er etwas sagen konnte, steckte Shin vorsichtig seinen Kopf durch die, einen Spalt breit geöffnete Tür.

„Darf ich..?“

>Dumme Frage!< Makoto war doch tatsächlich etwas verärgert über Shins spätes Heimkommen.

Als er nicht schnell genug antwortete, wurde Shins Blick von freudig zu vorsichtig.

„Oder hast du zu viel zu tun? Störe ich dich?“

„Nein, komm’ schon rein!“, beeilte sich der Ältere zu sagen, bevor Shin sich noch anfing für die Störung zu entschuldigen.

Sofort trat Shin ein, lief zu ihm und hielt ihm grinsend ein Blatt vor die Nase. Makoto nahm es und sah drauf.

„Wir haben heute einen Überraschungstest geschrieben über die Aufgaben, die du mir gestern erklärt hast und ich habe eine Zwei geschrieben!“ Shin strahlte und eine leichte Bierfahne ging von ihm aus.

„Hast du was getrunken?“

„Nur ein, zwei Bier!“

„Du hast deine Zwei gefeiert?!“

„Ich schreibe nicht so oft Zweien!“, war die simple Antwort.

Makoto wurmte es, dass Shin nicht mit ihm gefeiert hatte und diese Tatsache irritierte und ärgerte ihn.

„Du hättest vielleicht das Feiern auf das Wochenende verschieben und dafür noch etwas lernen sollen. Dann hättest du auch öfters Grund zum Feiern!“ Makoto wollte gar kein Spielverderber sein, doch er war aus diesem eigenartigen Grund gekränkt.

Shins Gesichtsausdruck wurde bockig, er öffnete seinen Mund um zu widersprechen, schloss ihn dann aber wieder. „Du hast ja Recht!“ Er sah jetzt geknickt auf den Boden.

Und schon tat es Makoto leid. Noch während er nach den richtigen Worten suchte, sagte Shin leise: „Entschuldige die Störung. Ich werde dich jetzt lieber weiter machen lassen!“. Er drehte sich um. „Ich dachte nur, du würdest dich auch darüber freuen, dass… Da habe ich mich wohl geirrt! Ich werde dich jetzt allein lassen, ich muss noch Hausaufgaben machen!“

„Brauchst du Hilfe?“

Mit Märtyrerblick flüsterte Shin: „Schon gut. In der Schule gut zu sein, ist dir viel wichtiger als mir. Es ist besser wenn du dich ganz auf deine Aufgaben konzentrierst!“

„Oh bitte, Shin! Hör’ auf zu schmollen und rede mir kein schlechtes Gewissen ein. Ich freue mich ja für dich und es tut mir auch leid dich so runtergezogen zu haben. Du solltest aber nichts trinken, wenn du dann so hypersensibel wirst!“ Makoto mochte diese Art von Spielchen nun wirklich nicht spielen.

„Du bist echt ein Arschloch!“, fauchte Shin.

„Und du bist ein Idiot!“

Trotzig verließ Shin daraufhin das Zimmer.

Makoto seufzte. Anscheinend benahm nicht nur Shin sich merkwürdig sondern auch er selbst. Es war jetzt unmöglich sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Mit Shin verstritten zu sein war wirklich furchtbar. Er wartete einige Minuten um ruhiger zu werden und ging dann zu Shin. Ohne auszuklopfen, betrat er den Raum. Überrascht sah Shin, der an seinen Schreibtisch saß, zu ihm hin.

„Sind das seine Hausaufgaben?“, fragte Makoto als er näher getreten war.

Shin nickte nur, unsicher wie er reagieren sollte.

Makoto nahm alles was da lag. „Komm mit!“

„Nein, lass das!“, protestierte Shin immer noch gekränkt.

„Komm jetzt!“ Makoto packte ihn einfach am Arm, während er den ganzen Papierkram an seine Brust drückte. Er zog Shin einfach mit sich. Erst wieder in seinem Zimmer ließ er ihn los. Er legte alles auf den Boden und setzte sich dazu. „Hinsetzen!“, befahl er ohne jegliche Härte in der Stimme. Shin stand nur da und sah schmollend in eine andere Richtung. Kurz entschlossen umfasste er Shins Handgelenk und zwang ihn, indem er am Arm zog, sich neben ihn zu setzten.

„Was genau musst du machen?“

Shin antwortete nicht. Makoto konnte nur seine aufeinander gepressten Lippen sehen, denn Shin ließ seine Haare ins Gesicht hängen.

„Jetzt komm’ schon!“ Ich habe mich doch entschuldigt und das ich dich Idiot genannt habe, tut mir auch leid. Lass mich dir bei deinen Hausaufgaben helfen… Damit dir die Gründe zum Feiern nicht ausgehen!“ Mit dem kleinen Scherz hoffte Makoto die Situation aufzulockern. Doch stattdessen sah er, wie Shins Unterlippe verdächtig bebte und dann auch noch eine Träne über seine Wange rollte.

„En… entschuldige mich bitte!“ Shin bekam kaum einen Ton heraus. Er stand schnell auf und floh.

Erschrocken eilte ihm Makoto hinterher. Er wusste nicht, warum Shin plötzlich weinte.

Die Hände vor das Gesicht gepresst, stand Shin im Flur, mühsam beherrscht, nicht zu schluchzen.

„Was ist denn los? Ist es wegen mir? Habe ich was gesagt, das dich verletzt hat?“

Shin ließ seine Hände sinken und senkte dabei auch seinen Kopf. „Nein!“, wisperte er.

„Was hast du denn nur, Shin?“ Makoto klang wirklich sehr besorgt, doch das war ihm im Moment total egal.

Mit einem Schritt war Shin bei ihm, krallte seine Hände in Makotos T-Shirt und drückte das verheulte Gesicht gegen seine Schulter.

Vor Erstaunen war Makotot zu erst wie gelähmt. Shin wollte schon fast wieder einen Schritt zurück gehen, da schaffte er es seine Arme um die schmalen Schultern des Jüngern zu legen. Jetzt konnte er deutlich spüren wie Shin zitterte.

„Es tut mir so leid!“, begann Shin schließlich leise. „Mein Benehmen und dann mache ich dir auch nur Umstände. Anstatt dir dankbar zu sein, bin ich sauer auf dich…“

Makoto drehte seinen Kopf in Shins Richtung und da berührten seine Lippen Shins Haar. Es war ganz weich und dann war da auch wieder dieser betörende Duft.

„So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht!“ Makoto musste sich bemühen seine Aufmerksamkeit auf den traurigen Shin zu lenken. „Wir müssen uns beide erst daran gewöhnen einen Mitbewohner zu haben. Wir werden uns bestimmt nicht das letzte Mal gestritten haben. Du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen!“

Shin schien etwas beruhigt. Er löste seine Hände aus Makotos Sachen. Als er wieder auf Abstand ging, sah er sehr verlegen aus.

Zusammen gingen sie zurück ins Zimmer. Makoto reichte Shin eine Packung Kleenex, obwohl er nicht ganz sicher war, ob er das noch brauchte. Sein T-Shirt fühlte sich an der Stelle, an der Shins Gesicht gelegen hatte, recht nass an.

„Tut mir leid, dass ich so rumgeheult habe!“ Shin war es immer noch ziemlich peinlich.

„Schon gut! Das kommt hin und wieder vor!“ Makoto fand es tatsächlich nicht so schlimm, dass der Kleine geweint hatte. Auch, dass er ihn im Arm gehalten hatte um ihn zu trösten, war okay wenn auch wohl eher unüblich unter Mitbewohnern.
 

Kurz bevor Makoto einschlief, wurden seine Gedanken wieder von Shin angezogen. Diese kurzen Momente waren so intensiv, dass es ihm vorkam als wäre Shin wirklich da.

Nachts träumte er auch von ihm. Allerdings von dem Streit. Das hatte ihn etwas mitgenommen. Es war alles andere als einfach Shin zu verstehen und er hätte zu gern gewusst, was in dem Jungen vorging.
 

In den kommenden Wochen ergab es sich, dass Shin von nun an immer seine Hausaufgaben in Makotos Zimmer machte, selbst wenn dieser noch nicht da war, saß Shin auf ein und der selben Stelle auf dem Boden, bemüht alles Schulische zu erledigen. Und Makoto mochte die stille Anwesenheit Shins. Der Rhythmus in dem Shin schrieb, war beruhigend; das leise „Mhm…“, das er von sich gab, wenn er überlegte, brachte Makoto zum Lächeln. Wenn nötig half er ihm. Doch Shin brauchte, immer seltener Unterstützung.

Sie verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Sie aßen zusammen, sahen zusammen fern, gingen zusammen einkaufen und natürlich lernten sie auch gemeinsam. Wenn sie dann am Wochenende etwas getrennt voneinander unternahmen, vermisste Makoto Shin. Dass das nicht normal war, wusste er. Es ändert daran nichts, er fühlte sich in seiner Nähe wohler als irgendwo anders.

Doch umso mehr er sich seine Zuneigung zu Shin eingestand, so stärker wurde ihm auch die Tatsache bewusst, dass Shin nur ein Mitbewohner auf Zeit war. Er getraute sich nicht einmal nachzufragen, wie lange ihr Zusammenleben noch dauern würde.
 

Die letzte Vorlesung hatte sich ins Unendliche gezogen. Makoto war völlig fertig. Er freute sich schon Shins Lächeln zu sehen, wenn er nach hause kam. Dieses Lächeln zur Begrüßung zählte schon irgendwie zu den Highlights eines jeden Tages.
 

Kaum hatte Makoto die Wohnungstür hinter sich geschlossen, kam Shin aus seinem Zimmer gestürzt und rannte fast mit ihm zusammen.

„Sorry, Hallo und Auf Wiedersehn!“ Shin grinste frech – kein Begrüßungslächeln!

„Wo willst du hin?“ Makoto befürchtete enttäuscht geklungen zu haben.

„Ich bin verabredet!“ Shin zog sich schon die Schuhe an.

„Mit wem denn?“

Shin sah zu Makoto hoch. „Ein Freund hat Geburtstag. Wir gehen nur was trinken.“ Die Schuhe waren fertig angezogen. Wieder gerade aufgerichtet, lächelte Shin sanft. „Ich bleibe nicht lange weg, versprochen!“ Dann ging er.

Errötet starrte Makoto auf die geschlossene Tür. Er fragte sich, in wie fern Shin wohl seine Gefühle kannte. Oder hatte er sich nur über ihn lustig gemacht.
 

Makoto aß gerade sein Abendbrot als Shin wiederkam. Es war kurz nach halb 9 und Makoto hatte so lange mit dem Essen gewartet, wie er es aushielt. Durch die offenstehende Tür sah Shin ins Zimmer.

„Bin wieder da!“ Sehnsuchtsvoll sah er auf das Essen.

„In der Küche ist auch noch was für dich!“

„Du bist großartig!“ Shin rannte fast in die Küche und rief dabei. „Ich sterbe fast vor Hunger. …kannst du Gedanken lesen?!“

Er kam wieder, setzte sich auf den Boden und begann sofort zu essen. „Ist das lecker…“, nuschelte er mit vollem Mund.

„Du hattest Spaß, was?!“ Makoto sah ihm zu und war schon durch den bloßen Anblick glücklich.

„Ich hab mehr getrunken als ich wollte. Gut, dass ich meine Hausaufgaben vorhin schon gemacht hab!“ Shin steckt ihn grinsend die Zunge heraus.

„Ich sehe, du lernst dazu!“ Aus irgendeinem Grund, hatte Makoto das dringende Bedürfnis, Shin zu knuddeln, weil er einfach nur süß war, hielt sich aber zurück.

Als Shin fertig gegessen hatte, fiel er einfach vollgefressen um. „Ach, Makoto! Ich glaube, ich bleibe bei dir. Du kochst für mich lecker Essen, du hilfst mir und bist auch noch total nett. Mhm…“ Ihm fielen fast die Augen zu vor Müdigkeit. Er drehte seinen Kopf zu Makoto und lächelte ihn fast schon zärtlich an. Makoto starrte zurück, während sein Herz ihm bis zum Hals schlug.
 

Kurz darauf schlief Shin ein.

„Hey, wach auf!“ Makoto kniete neben ihm. „Nicht hier auf dem Boden schlafen!“

Shin gab ein leichtes Stöhnen von sich. „Dann musst du mich ins Bett tragen. Ich kann nicht mehr…“, murmelte Shin undeutlich.

„Wenn es sein muss..!“, seufzte Makoto.

„Aber bitte, wirf mich nicht einfach über deine Schulter, sonst muss ich kotzen!“ Shin öffnete etwas seine Augen und sah ihn wie die Unschuld selbst an.

„Na, toll!“ Vorsichtig hob Makoto ihn auf seine Arme. Ihm wurde ganz flau im Magen, weil er Shins Körper so dicht bei sich spürte. Er war ganz nervös. Langsam trug er ihn in sein Zimmer und legte ihn aufs Bett. Und schon im nächsten Augenblick vermisste er Shins Wärme.

Shin begann an seiner Hose herumzunesteln und Makoto wurde rot. Endlich offen, hob er seine schmalen Hüften und zog sie sich herunter. Umständlich quälte er sich hinaus und warf die Hose auf den Boden. Ohne dafür aufstehen zu müssen, probierte Shin die Decke unter sich hervor zu holen. Makoto überwand sich und half ihm. Im Hin und Her rutschte Shins Shirt immer höher und gab dann eine beachtlichen Teil von seinem flachen Bauch frei. Das war eigentlich schon verwirrend genug für Makoto, zu seinem Unglück jedoch, fuhr er aus Versehen mit dem Fingerspitzen über die nackte, glatte Haut des Jungen. Wie von einem Schlag getroffen, zuckte er zurück. Shin schien nichts bemerkt zu haben und er zog sich schließlich eine Ecke der Decke über sich. Makoto zog den Rest der Decke auch noch unter ihm hervor und rollte ihn dabei auf den Bauch. Träge rollte Shin wieder zurück und ließ sich zudecken.

Leise verließ Makoto das Zimmer, an der Tür hörte er noch ein geflüstertes, müdes „Danke!“
 

Mittlerweilen musste er sich zwingen nicht permanent an Shin zu denken, er verdrängte die Erinnerungen an das süße Gefühl, dass er verspürte, wenn er Shin nahe kam. In Makotos Leben gab es wichtigere Dinge als die eigenartigen Empfindungen seinem Mitbewohner gegenüber. Doch im Leben konnte man nun mal nicht alles kontrollieren.
 

Zitternd und mit klopfenden Herzen schreckte Makoto aus einem Alptraum hoch. Er war noch genauso panisch wie vor dem Aufwachen. In seinem Traum hatte er Shin nicht finden können, nirgends, und niemand hatte ihn gesehen. Als er dann Hideo fragte, behauptete er, dass er nie einen Stiefbruder gehabt hatte, und dass er einen Shin so wie so nicht kannte.

Makoto konnte sich nicht beruhigen, er stand auf und ging, immer noch ängstlich, in Shins Zimmer. Fassungslos erstarrte er vor Shins leerem Bett. Träumte er immer noch? Um sicher zu gehen, machte er ein wenig Licht an. Es blieb leer. Ungläubig berührte er das Kissen und es war ihm, als wäre noch etwas Wärme darin. „Shin…“ Es war nur ein ersticktes Wispern.

„Makoto???“

Verblüfft fuhr er herum und starrte mit großen Augen auf den Vermissten.

„Was hast du?“ Shin kam näher. „Hattest du einen Alptraum?“

Makoto hob die Hand und berührte ihn am Oberarm. Er war wirklich da! Keine Einbildung! Plötzlich fühlte sich Makoto erschöpft.

„Alles okay? Makoto???“ Besorgt sah Shin ihn an. „Du bist ganz blass! Setzt dich erst mal!“ Ganz vorsichtig legte Shin seine Hände auf Makotos Arme und schob ihn zum Bett, so dass er sich setzten musste.

„Das muss ja ein ganz fieser Traum gewesen sein!“ Shin hatte sich neben ihn gesetzt. „Geht’s wieder?“

Makoto nickt etwas. Dieses schreckliche Gefühl der Einsamkeit und des Verlustes, das er empfunden hatte, ließ nur ganz langsam nach. Zu langsam. Er wollte Shin in seine Arme ziehen und ihn festhalten um sicherzustellen, dass er nie fort ging. Er brachte es nicht über sich. Doch er brauchte Shins Nähe, er musste ihm näher kommen, sonst würde er durchdrehen. Das Einzige, was er sich getraute, war den Kopf auf Shins Schulter zu legen. Es war so bitter, weil er mehr wollte. Um wieder ruhig schlafen zu können, hätte er mit Shin in seinem Arm einschlafen müssen. Tränen brannten in seinen Augen. Ohne Shin anzusehen, stand er auf und ging aus dem Zimmer. Er hatte kein Wort herausgebracht und er konnte sich nicht erinnern, wann es ihm jemals so schlecht gegangen war.

Den Rest der Nacht lag er wach. Er beruhigte sich mit dem Gedanken an den Morgen. Sobald der neue Tag anbrach, würde es ihm auch wieder besser gehen.
 

Tatsächlich fühlte es sich wohler, wenn auch ein dumpfes, bedrückendes Gefühl tief in ihm weiter schwelte. Shin erwähnte mit keiner Silbe die vergangene Nacht und dafür war Makoto dankbar.

Von Tag zu Tag schaffte es besser seine unterdrückten Empfindungen zu ignorieren. Verbissen konzentrierte sich Makoto auf sein Studium. Wogegen er nichts tun konnte und auch nicht wollte, war die Freude, die er empfand über das Zusammenleben mit Shin. Er konzentrierte sich nur auf das Jetzt und es konnte wohl kaum so verkehrt sein glücklich zu sein. Über das Morgen dachte er nicht nach, es hätte ich traurig gemacht.

Schon im Hausflur nahm er einen leichten Geruch nach Verbranntem wahr und als er die Wohnungstür öffnete, vernebelte ein bläulicher Qualm die Luft. Aus der Küche kamen böse Schimpfworte und Flüche. Mehr neugierig als ängstlich sah Makoto in den Raum.

Inmitten eines unglaublichen Chaos stand Shin, von Kopf bis Fuß mit diversen Flecken übersäht. In der Hand hielt er eine Pfanne, in der ein kohleähnliches Etwas lag.

Als Shin ihn bemerkte, zuckte er so stark zusammen, dass ihm fast die Pfanne aus der Hand fiel.

„Ich…“, er drehte sich um, stellte die Kohle weg und stand, beschmiert und lächelnd plötzlich mit einem leicht schiefen, aber dennoch hübschen Kuchen da. „Alles Gute zum Geburtstag!“

Natürlich wusste Makoto selbst, dass heute sein Geburtstag war, bloß hatte er keinen Gedanken daran verschwendet. Bevor seine Eltern vor zwei Tagen abgesagt hatten, war eigentlich geplant gewesen, mit ihnen zusammen am Wochenende zu feiern. Er fand das nicht sonderlich dramatisch, da sie nachfeiern würden und ihm im Moment andere Dinge mehr beschäftigten.

Da Makoto nicht reagierte, fragte Shin schließlich verunsichert: „Du hast doch heute Geburtstag, oder???“

„Was? …ähm, ja klar!“ Normalerweise hätte er sich doch schon längst an den Zustand es Verwirrtseins gewöhnen müssen. „Du weißt, wann ich Geburtstag haben?“, fragte er ziemlich dumm nach.

Shin nickte strahlend, sah sich dann verlegen um und meinte: „Ich wollte für uns Essen kochen, so wie du es immer machst. Aber irgendwie… Ich glaube, das ist doch schwerer als es aussieht. …aber der Kuchen ist, glaube ich, gelungen!“ Stolz streckte er das besagte Stück Makoto entgegen.

Erst sah er auf den Kuchen und dann in Shins beschmiertes Gesicht. Er konnte nicht anders, er musste lachen. Offensichtlich hatte Shin Schokoglasur genascht und sich die Haare aus dem Gesicht gestrichen.

„Ist der Kuchen so misslungen?“ Shin sah seinen Kuchen genauer an.

„Hast du schon mal in den Spiegel geschaut?“

Skeptisch stellte Shin den Kuchen weg und ging in den Flur um sich anzusehen.

Verlegen grinste er sein Spiegelbild an.

Makoto tippte an eine mehlige Haarsträhne und es rieselte weißer Staub zu Boden.

„Ich gehe schnell duschen!“, Shin sah ihn entschuldigend an.

„Okay! Ich räume schon mal die Küche auf!“

„NEIN!!!“ Shin hatte geschrieen und Makoto sah ihn überrascht an. „Du hast doch Geburtstag!“

Kaum war Shin im Bad, verschwand Makoto in der Küche. Er wusste genau, wie sehr Shin Hausarbeit verabscheute. Zwar tat er seinen Teil, aber es fiel ihm sichtlich schwer. Außerdem würde es ewig dauern bis Shin mit der Küche fertig war.
 

„Jetzt machst du ja doch sauber!“ Enttäuscht stand Shin nur im Handtuch an der Tür.

„Zieh dich an! Wir gehen essen!“ Diese Idee war ihm beim Entsorgen der verkohlten Überreste von was auch immer gekommen.

„Aber…“, betreten sah Shin zu ihm. „Ich kann mir das nicht leisten!“, sagte er leise.

„Das war gerade eine Einladung, Shin!“, korrigierte Makoto den Jüngeren. „Los anziehen!“, befahl er grinsend, bevor Shin noch widersprechen konnte.

Auch Makoto machte sich frisch und zog sich um. Shin wartete schon im Flur auf ihn und sah ziemlich hübsch aus. Irgendwie war es jetzt fast wie ein Date. Eine leichte Anspannung überfiel Makoto.
 

Er führte Shin in ein ruhiges, kleines Restaurant aus und er genoss es, nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte

Nach dem Essen gingen sie in eine Bar. Shin war wirklich süß, wie er jedes Mal ganz schuldbewusst schaute, wenn Makoto wieder etwas für ihn bezahlte und Makoto wünschte sich, dass der Abend mit ihm nie enden würde.

Jetzt war er auch so weit endlich zu begreifen, was mit ihm in der letzten Zeit los war. Vier Bier hatten ihm die Augen geöffnet und nach zwei weiteren, war es sogar okay für ihn. Ohne Zweifel, er hatte sich in Shin verliebt! In einen Mann! Einen recht jungen aber dennoch einen Mann. Über die Problem, die das mit sich brachte, konnte er auch noch morgen nachdenken. Heute wollte er nicht den kleinsten, negativen Gedanken erlauben, ihm seine gute Laune zu verderben.
 

Das Bett schien zu schwanken. Makoto schloss die Augen. Fast hätte er Shin geküsst, aber Verschiedenes hielt ihn davon ab. Sie waren beide betrunken, das war nicht das, was er wollte. Aber was wollte er überhaupt? Wie weit ging seine Zuneigung? Er dachte an die Dinge, die normalerweise nach dem Küssen kommen würden und wurde rot. Wollte er denn so was mit Shin machen? Er wusste, wie Shin roch und dass seine Haut ganz glatt und zart war und dann sagte Shin manchmal solche eigenartige Dinge. Vorhin, als sie den Hausflur entlang gegangen waren, hatte er es wieder getan. Völlig aus dem Nichts heraus, seufzte Shin und meinte verträumt lächelnd: „Ach, Makoto! Ich kann gar nicht glauben, wie lieb du zu mir bist…“ Er hatte zu ihm gesehen und war aus dem Gleichgewicht geraten. Er taumelte gegen Makoto und hielt sich einige Momente an seinem Oberarm fest. Es fühlte sich gut an. Kurz darauf an der Wohnungstür war auch der Augenblick, in dem sie sich fast geküsste hätten.

Makoto, betrunken wie er war, schaffte es nicht den Schlüssel in die Tür zu bekommen. Also beugte er sich etwas herunter um besser sehen zu können. Neugierig und kichernd tat es ihm Shin gleich. Makoto sah etwas auf und plötzlich waren sich ihre Gesichter ganz nah. Erst versank er fast in Shins blauen Augen und dann blieb sein Blick an den sanft geschwungenen Lippen hängen. Nur ein kleines Stück fehlte und Makoto hätte gewusst, wie sich dieser süße Mund anfühlte.

Sein Verstand warnte ihn und auch die Angst Shin könnte wütend auf ihn sein, hielt ihn davon ab ihm näher zu kommen.

Überdeutlich Shins Bild hinter seinen geschlossen Liedern sehend, schlief Makoto schließlich ein.
 

Der kommende Morgen war grauenvoll. Makoto ging es schlecht und er musste sich aus dem Bett quälen. Ihm war übel und er hatte wahnsinnige Kopfschmerzen.

Es war noch alles still in der Wohnung, obwohl Shin auch aufstehen musste. Makoto klopfte an die Zimmertür, als keiner antwortete, öffnete er sie vorsichtig.

Im Schein einer kleinen Tischlampe lag Shin mit geöffneten Augen in seinem Bett.

„Wie geht es dir?“, fragte Makoto von der Tür aus.

„…nicht gut!“ Die Antwort war ziemlich leise.

„Brauchst du Hilfe?“ Ein wenig fühlte sich Makoto für den Zustand seines Mitbewohners verantwortlich.

„Ich bleibe zu Hause!“

„Du kannst nicht einfach schwänzen. Bei noch mehr Fehlstunden bekommst du ernsthaft Ärger, das weißt du!“ Ganz sanft sagte Makoto das.

„Mir geht es richtig schlecht!“

„Ich weiß. Gehe trotzdem zur Schule, okay?!“

Shin seufzte. „Du bist viel zu streng!“, klagte er und setzte sich langsam auf.
 

Beide brauchten viel länger als sonst. Makotos Handy klingelte.

„Ja?“

„Sag mal, wo bleibst du denn? Hast du verschlafen?“

„Bin schon auf dem Weg!“ Er nahm sich seine Tasche. „Tut mir leid. Ich bin gleich da!“

Es war nicht verwunderlich, dass Kenichi anrief. Makoto hatte ihn noch nie warten lassen..

Gemeinsam mit Shin ging er nach draußen. Schon an der Haustür, sahen sie Kenichi an sein Auto gelehnt dastehen, ungeduldig spielte er an seinem Armband.

„Kommst du heute gleich nach der Schule nach Hause?“, fragte Makoto Shin.

„Mhm!“ Shin sah ziemlich mitgenommen aus.

„Okay. Dann bis nachher!“ Makoto lächelte aufmunternd und Shin lächelte zurück.

Makoto sah Shin einen Moment hinterher und drehte sich dann zu Kenichi, der ihn amüsiert ansgrinste.

„Was ist?“

„Ach, nichts weiter! Was habt ihr denn gestern gemacht?“ Kenichi stieg ein und wartete im Auto auf Makotos Antwort.

„Meinen Geburtstag gefeiert!“ Makoto hoffte nur, dass ihm von Autofahren nicht schlecht werden würde.

„Dann alles Gute nachträglich!“ Kenichi tippte etwas in sein Handy.

„Was machst du?“ Etwas verwundert sah Makoto zu seinem Fahrer. Erst hatte er gedrängelt und nun ließ er sich Zeit.

„Nur damit ich dir nächstes Jahr rechtzeitig gratulieren kann!“ Kenichi grinste charmant.
 

Eigentlich hätte Makoto auch zu Hause bleiben können. Seine Kopfschmerzen machten es ihm unmöglich, sich zu konzentrieren. Dazu schwirrten ihm ständig Gedanken an Shin durch den Kopf. Er fragte sich, wie es wohl weitergehen würde. Wie lange konnte er noch so tun, als wäre es nur Freundschaft, die ihn mit Shin verband? Es war bisher schon anstrengend sich zurückzuhalten und mit der zeit, so hatte er am Vortag feststellen müssen, wurde es nicht einfacher. Er wollte Shin küssen und anfassen. Es war verrückt, einfach nicht zu glauben, dass der Gedanke mit einem Jungen rumzumachen, ihn so gefiel und erregte.
 

„Du magst diesen Shin sehr, oder?!“ Kenichi hatte leise gesprochen während er in seinem Essen scheinbar etwas suchte.

Makoto verschluckte sich und musste husten. Die Mensa war zwar nicht besonders voll, dennoch sah er sich um ob irgendwer etwas mitbekommen hatte.

„Na ja, der ist ja auch irgendwie ganz süß!“ Nachdenklich betrachte Kenichi einen Pilz in seinem Essen. „Sah richtig niedlich aus, wie ihr euch heute Morgen vor der Tür verabschiedet habt!“

Makoto hatte Glück noch vom Husten einen roten Kopf zu haben. Er verstand nicht ganz worauf Kenichi hinauswollte. „Ich weiß nicht, was du meinst!“, und gleichzeitig wich er ihm aus.

Jetzt hatte er die volle Aufmerksamkeit seines Freundes.

„Seit er bei dir ist, hast du dich verändert! Vorher warst nur du dir wichtig. Dein Studium ging dir über alles. Es war fast das einzige Thema, über das man mit dir reden konnte. Jetzt redest du ständig von Shin!“ Kenichi grinste amüsiert über Makotos erschrockenes Gesicht. „Du machst dir Sorgen, ob er seine Hausaufgaben macht oder in der Schule aufpasst. Überlegst, was du ihm kochen kannst und ob er es auch mag. Wenn du mal später nach Hause kommst, sagst du ihm Bescheid…“

„Ich weiß nicht, von was du redest!“, unterbrach ihn Makoto schnell. Er fühlte sich ertappt. „Ich kümmere mich halt um ihn. Da ist doch nichts dabei!“

„Mhm…Wie auch immer.“ Kenichi wandte sich wieder seinem Mittag zu. „Ich glaube, ihr passt gut zusammen!“

„Was???“ Makoto starrte Kenichi an und sein Herz schlug viel zu schnell.

„Sorry! Ich wollte nur sagen, dass es mir nichts ausmacht, wenn ihr zwei zusammen seid!“

„Wir sind nicht… Ich…“ Makotos Hals war wie zugeschnürt. Seine Hände hatten zu zittern begonnen. Er verstand nicht, wieso Kenichi so leicht darüber reden konnte. Er tat ja so, als wäre es klar, dass er und Shin zusammen gehörten.

„Entschuldige!“ Besorgt sah Kenichi zu Makoto. „Ich wollte dir wirklich nicht zu nahe treten!“

Besorgt starrt Makoto mit gesenktem Kopf ins Nichts.

„Es tut mir leid, Makoto!“ Kenichi hatte es nur geflüstert und Makoto konnte nicht mehr. Seine Gefühle gegenüber Shin machten ihn fertig. „…Er weiß nicht, dass ich ihn…“

„…dass du ihn liebst?“
 

Makoto stieg langsam die Treppe hinauf. Weil er dringend Zeit zum Nachdenken und endlich frische Luft brauchte, war er nach Hause gelaufen. Kenichi hatte Verständnis dafür.

Er war nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen. Das Risiko Shin zu verlieren, wenn er ihm die Wahrheit sagte, war einfach zu groß. Er sah vorerst keine andere Möglichkeit, als so weiter zu machen wie bisher, während er vorsichtig probierte heraus zu finden, wie Shin zu dierser Form von Liebe stand.
 

Traurig schloss Makoto die Wohnungstür auf.

„Na endlich! Wo bleibst du denn! Ich warte ja schon ewig!“

Wie vom Blitz getroffen, sah Makoto Hideo an.

„Tut mir sooo leid, dass ich nichts von mir hören lassen habe. Ich hatte echt viel Stress. Aber freu’ dich, ich befreie dich von deiner Last!“ Er lachte. „Hat lange gedauert, aber ich habe eine Wohnung gefunden. War gar nicht so einfach wenn man nicht so viel Geld zur Verfügung hat. Ich musste erst…“

Makoto konnte Hideos Geplapper nicht mehr verstehen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, vor dem er sich so gefürchtet hatte. Allein wäre er jetz kraftlos zusammengesunken, so aber hielt er sich tapfer auf den Beinen.

„Makoto? Alles okay?“ Hideo sah ihn besorgt an.

„Mhm… ja! …war ein anstrengender Tag. Gib mir ein bisschen Zeit damit…“

„Ja, klar! Kann ich gut verstehen!...“ Hideo war so redselig und Makoto wunderte sich, überhaupt einen Ton herausbekommen zu haben.

Im Vorbeigehen sah er Shin, der an seiner Zimmertür stand, an. Der Jüngere sah nur kurz zu ihm und schaute dann mit ausdruckslosem Gesicht in eine andere Richtung.
 

Langsam schloss Makoto die Tür zu seinem Zimmer und ließ sich dann unbeobachtet auf den Boden sinken.

Ihm war übel und alles tat weh. Zitternd atmete er ein und plötzlich überkam ihn auch noch Angst vor dem Alleinsein.

Ihm war nach Heulen zu Mute und hätten die beiden nicht draußen auf ihn gewartet, wäre er wahrscheinlich sofort in Tränen ausgebrochen.
 

Die Details waren ihm egal. Er wusste, dass der Umzug Sonntag sein würde und heute war schon Donnerstag.

Zwei Tage konnte er mit Shin noch verbringen. Es setzte ihn unter Druck und das machte ihn noch panischer als vorher.

Er mied jeglichen Blickkontakt mit Shin, weil er befürchtete, dass seine Augen verrieten, was er sich nicht getraute zu sagen.
 

Die Zeit verging so schnell wie selten zuvor. Zu gern hätte er Shin wenigstens gesagt, dass er bleiben sollte, aber auch dazu fehlte ihm der Mut.

Nachts konnte er nicht schlafen und schon war der Sonntag da.
 

Die Sachen waren schnell gepackt. Hideo hatte alles gut organisiert. Makoto half beim Einpacken und dann beim Auspacken. Dabei schlug sein Herz ganz dumpf und er fühlte sich hohl und leer.
 

Der Abschied von Shin war kühl. In sich selbst gefangen, konnte Makoto nichts sagen, das wenigstens auf eine Freundschaft schließen ließ. Shins Gesicht blieb die ganze Zeit über ausdruckslos. Er war wie ein anderer Mensch. Es brach Makoto das Herz und gleichzeitig schämte er sich.
 

Seine Wohnung fühlte sich fremd an. Es war nicht mehr das Selbe. Er sah zu der Tür. Noch gestern konnte er sie öffnen und hätte dahinter Shin gefunden.

Wie zu erwarten, war der Raum leer. Er beräute seine Feigheit, er hasste sich selbst schon fast dafür. Es war kaum zu ertragen, wie sehr er ihn vermisste. So eine Sehnsucht war ihm fremd.
 

„Du kannst ihn doch besuchen, wann immer du willst. Er ist doch nicht aus der Welt!“ Kenichi machte schon den ganzen Tag nichts anderes als zu probieren Makoto aufzuheitern.

„Ich weiß!“ Blass und bedrückt saß Makoto auf dem Beifahrersitz und ließ sich zusammengesunken, nach Hause bringen. Sicher hatte Kenichi Recht und doch half es nicht, ihn in irgendeiner Weise zu beruhigen. Diese Nähe zu Shin, die er so genossen hatte und nun vermisste, war einfach nicht mehr vorhanden. Es war nicht das Selbe ihn jetzt bei einem Besuch wieder zu sehen.

„Wir fahren zu Shin!“ Kenichi sagte das beiläufig und ruhig. Für ihn war es nicht leicht mit anzusehen, wie sehr sein Freund litt.

Erschrocken und sehr angespannt sah Makoto ihn an. „Aus welchem Grund sollten wir das tun?“ Er war aufgeregt, sein Herz klopfte viel zu schnell und denken war unmöglich.

„Wir schauen nur, ob die beiden sich gut eingelebt haben. Ist doch nichts dabei!“.

Obwohl Makoto bei dem Vorschlag vor Aufregung übel geworden war, kribbelte es auch auf diese eindeutige Weise in seinem Magen. Er rang mit sich, ob er den Vorschlag annehmen oder ablehnen sollte. Und dann war es auch schon zu spät. Kenichi bog ab und es war nicht die Richtung in der Makotos Wohnung lag.
 

Angespannt warteten beide vor der Wohnungstür. Kenichi hatte Makoto fast an die Hand nehmen müssen, um ihn dazu zu bringen die Treppen zur Wohnung von Hideo und Shin hochzusteigen. Jetzt war er selbst schon ganz aufgeregt, Makoto hatte ihn mit seiner Nervosität angesteckt.

Endlich wurde die Tür geöffnet und ein überraschter Hideo erschien.

„Hi!“ Was macht ihr denn hier?“

Makoto wollte sich keine Ausreden ausdenken, er konnte so wie so nur an Shin denken. „Ist Shin da?“, fragte er deshalb gleich.

Hideo machte ein abwertendes Geräusch. „Die kleine Kröte ist gestern nicht mal nach Hause gekommen! Dem ist alles so was von egal!“

Enttäuscht und besorgt wollte Makoto sich nicht anmerken lassen, was in ihm vorging.

„Wollt ihr reinkommen?“ Zwar verwunderte es Hideo, dass die beiden wegen Shin da waren, aber er dachte sich nichts weiter dabei.

„Sorry, aber wir haben gar nicht so viel Zeit. Wir wollten nur sehen, ob Shin klarkommt – tja, offensichtlich nicht!“ Kenichi hatte das Reden übernommen.

„Na, gut! Kommt doch mal vorbei, wenn ihr mehr Zeit habt!“ Wegen der Absage war Hideo überhaupt nicht sauer, denn die Wohnung war unaufgeräumt und er hatte selbst noch einiges zu erledigen.
 

„Verdammt!“, fluchte Makoto leise, als sie die Treppe wieder hinunter gingen. Selbst Kenichi war enttäuscht.

„Es wird ihm schon gut gehen!“, probierte er Makoto zu beruhigen.
 

Makoto saß, an die Wand gelehnt, in Shins ehemaligem Zimmer. Er musste ihn wieder sehen. Es war schon nach 9 und er hatte weder gegessen noch irgendwas für sein Studium gemacht. Nachdenklich drehte er sein Handy hin und her. Warum sollte er ihn nicht einfach anrufen? Nur fragen, wie es ihm geht. Nur mal wieder seine Stimme hören. Er ging langsam die Telefonbucheinträge seines Handys durch, bis er schließlich bei Shins Nummer landete. Nur einen Tastendruck und er konnte mit Shin reden.

Das Klingeln an seiner Wohnungstür riss ihn aus seinen Gedanken.
 

Makoto verschlug es glatt die Sprache. Shin stand, durchweicht vom Regen, vor der Tür.

Er sah kurz auf. „Hideo war stinksauer, weil ich nicht nach Hause gekommen bin und nicht da war, als du mich besuchen wolltest!“. Die zarte Haut seines Wangenknochens war gerötet und geschwollen.

„Was ist passiert!“ Mokoto öffnete die Tür weiter um Shin herein zu lassen.

Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Wir haben uns geprügelt!“
 

Ohne viele Worte gab Makoto Shin ein Handtuch, trockene Sachen und etwas zum Kühlen für seine Wange.

Er war so froh, dass Shin da war. Aber bevor er sich noch verplapperte, hielt er den Mund. Ihn hatte eindeutig wieder der Mut verlassen, obwohl er doch so dringend vorgehabt hatte Shin wenigstens zu sagen, dass er das gemeinsame Zusammenleben vermisste.

Zusammen aßen sie noch etwas in Makotos Zimmer. Es hätte fast wie früher sein können, wenn da nicht diese bedrückende Spannung zwischen ihnen geherrscht hätte.
 

„Ich bring dich noch nach Hause!“, meinte Makoto als Shin aufstand und sich verabschiden wollte.

„Das brauchst du nicht!“

„Quatsch nicht!“

Schweigend zogen sie sich an.

„Regnet es noch?“ Die Frage stellte sich Makoto selbst. Er ging in die unbeleuchtete Küche und sah aus dem Fenster. „Mist, es gießt in Strömen!“

Wieder im Flur reichte er Shin einen Schirm und zog sich die Schuhe an. Als er die Tür dann öffnete, fragte Shin: „Und du?“ Er hob etwas den Schirm.

„Ich hab nur einen!“, meinte Makoto nur.

„Dann nimm du ihn!“ Shin hielt ihm den Schirm hin.

„Schon gut!“ Makoto wartete bis der Jüngere die Wohnung verließ und schloss die Tür hinter ihm.

„Ich wünschte DU wärst mein Bruder!“ Shins Stimme klang recht traurig, als er das leise gestand.

Gequält lächelte Makoto. Ihm war nur noch schlecht. Diese Vorstellung war ja noch grausamer als die Realität.
 

Es war dunkel und der Regen laut. Shin probierte den Schirm so zu halten, dass auch Makoto etwas geschützt war.

Das Laufen fiel Makoto schwer. Er fühlte sich so kraftlos. Es war ihm egal ob er nass wurde. Shin war bei ihm und er schaffte es nicht es zu genießen. Er wollte die Ewigkeit mit ihm und nicht ein paar verkrampfte Augenblicke. Sein Denken war weit weg von jeglicher Logik und das war ihm auf völlig bewusst. Obwohl sein Herz immer noch so dumpf schlug, lösten die kleinen Berührungen von Shins Arm an seinem ein heftiges, eigenartiges Gefühl in ihm aus. „Ich will dich!“

„Was hast du gesagt?“ Shin sah mit fragendem Blick zu ihm „Hast du was gesagt? Mir war so.“

Makoto blieb stehen, Shin auch.

„Nein, nichts!“ Erst jetzt schaute Makoto ihn das erst Mal richtig an und konnte nicht glauben, wie hübsch Shin war. Er konnte sich gar nicht satt sehen. Shin hielt still und sah zurück.

Makoto riss sich wieder zusammen. „Soll ich den Schirm nehmen?“ Er griff schon danach. Shins kalte Finger berührten kurz seine Hand und Makoto widerstand dem Drang, ihm seine Hände wärmen zu wollen.

Den Rest des Weges schwiegen sie sich wieder an. Auf Wunsch von Shin verabschiedeten sie sich schon an der Haustür. Makoto fiel es schwer ihn gehen zu lassen.

Der Rückweg erschien ihm noch länger, dunkler und nasser. Er war todunglücklich über die Art der Zuneigung, die Shin ihm entgegenbrachte. Er sah ihn nur als eine Art großen Bruder. Dicke Tränen kullerten aus seinen Augen. Obwohl Shin ihn mochte, war die Lage aussichtsloser er als zuvor.

Sich unter dem Schirm versteckend, lief er nach Hause.

Die Tage vergingen langsam aber stetig und Makoto lebte vor sich hin ohne jeglichen Enthusiasmus. In den Dingen, die er tat, sah er kaum noch Sinn. Eine so tiefe und so lang anhaltende Traurigkeit hatte er noch nie empfunden und er fragte sich, ob er sich da wohl in etwas hineingesteigert hatte.

Seit über einem Monat hatte er nichts mehr von Shin gehört. Kenichi hatte sich als echter Freund bewiesen, immer da wenn er jemanden zum Reden brauchte. Doch auch Kenichi hatte eingesehen, dass er Makoto nicht wirklich helfen konnte.

Und in einer von vielen schlaflosen Nächten traf Makoto die schmerzhafte Entscheidung Shin zu vergessen. Keine trügerischen Hoffnungen mehr, die Tatsachen sprachen dagegen.
 

Gleich am nächsten Tag teilt er Kenichi seine Entscheidung mit.

„Wirkich?“ Kenichi war sich nicht sicher ob er sich freuen oder ihn bemitleiden sollte.

„Es hat doch keinen Sinn. Ich mache mir nur was vor.“

„Dir ist es also ernst?“

Makoto nickte als Antwort.

„Wenn das so ist… Lass uns heute was trinken gehen!“ Er vorsichtiges Lächeln zeigte sich auf Kenichis Gesicht.

„…Okay!“ und auch Makoto lächelte etwas – es tat ihm gut.
 

„Sag mal! Ist es unter der Woche immer so voll hier?“ Makoto hatte an der Bar Bier geholt und dafür ziemlich lange anstehen müssen.

„Was?“ Die Musik war so laut, dass Kenichi kaum ein Wort verstand.

„Ist es immer so voll hier?“, kürzte Makoto seine Frage ab und schrie sie Kenichi ins Ohr.

„Keine Ahnung!“, brüllte dieser wiederum zurück. „War schon ewig nicht mehr hier!“
 

Eine Freundin Kenichis tippte ihm von hinten auf die Schulter. Überrascht begrüßte er sie und stellte sie dann Makoto vor. Sie lächelte ihn erfreut an und richtete Makotos geknicktes Ego wieder etwas auf.

Ein Weilchen blieb sie und unterhielt sich mit beiden. Als sie ging sahen sie ihr hinterher

„Das ist ’ne Traumfrau!“, schwärmte Kenichi mit verträumtem Blick.

„Aber?“ Makoto sah ihn fragend an.

„Ihr Freund weigert ich tatsächlich sie zu teilen…“ Grinsend trank Kenichi einen Schluck Bier.

Dass es so unterhaltsam sein würde mit Kenichi wegzugehen, hatte er nicht gedacht. Makoto vergaß für einige Zeit seine eigenen Sorgen und fühlte sich seit langem wieder mal wohl.
 

Es war schon spät. Makoto unterhielt sich mit einem alten Schulfreund und Kenichi flirtete neben ihm von weitem mit einem Mädchen an der Bar. Lautlos vibrierte Makotos Handy in seiner Tasche. Verwundert sah er nach, wer ihn um diese Zeit noch anrief. Als er den Namen las, erstarrte er. Kenichi, aufmerksamer Freund, der er war, bekam seine Veränderung mit und war ebenfalls einen Blick auf das Handy.

„Geh’ ran!“, schrie er Makoto entgegen als er Shin als Anrufer ausmachte.

Überstürzt entschuldigte Makoto sich und drängte sich in Richtung Ausgang. In dem Moment als er die Tür passierte, ging er ans Telefon. „Ja?“

„Hi! Hier ist Kim! Ein Freund von Shin! Ist da Makoto?“

„Äh… Ja!“, war die verwirrte Antwort.

Neugierig war Kenichi hinterher gelaufen, stand jetzt vor seinem Freund und sah ihn fragend an. Aber Makoto sah selbst völlig durcheinander aus.

„Das hört sich jetzt bestimmt ein bisschen komisch an…“ sprach dieser Kim weiter, „…aber könntest du bitte Shin abholen kommen?“

„Was? Warum?“ Sein Herz schlug so schnell

„Mhm… Na ja, es geht ihm nicht gut! Kommst du? Wir sind am Lucky Seven!“

„Warte!“ und zu Kenichi: „Lucky Seven???“

„Nur ein Stück die Straße runter!“, er wieß in die Richtung.

„Wir sind gleich da!“, antwortete Makoto Kim.

„Okay! Danke!“

„Was ist?“ Kenichi war ganz aufgeregt.

„Das war ein Freund von Shin. Er hat gefragt, ob ich Shin abholen kann. …Ihm geht es nicht gut…“

„Na, dann… Los!“, kommandierte Kenichi seinen Freund, der verunsichert die Straße entlang sah.
 

Der 10minütige Fußmarsch war für beide ziemlich nervenaufreibend. Makotos Herz schlug ihm bis zum Hals. Er war so nervös, dass er es kaum noch aushielt.

„Da vorne ist es!“, unterbrach Kenichi das angespannte Schweigen.

Etwas abseits entdeckte Makoto eine Gruppe von vier Jungs und einer von ihnen war Shin.

Gerade schubste er einen anderen weg und schrie ihn an, er solle ihn in Ruhe lassen.

Der Andere antwortete in der gleichen Lautstärke, dass es nur Shins Schuld gewesen sei, dass sie aus dem Club geflogen waren.

Kaum hatte Shin Makoto gesehen, hielt er perplex inne.

„Was machst du denn hier?“,fragte Shin argwöhnisch als sie näher kamen.

„War zufällig in der Gegend!“ Makoto wusste nicht ganz, wie er sich verhalten sollte.

„Hi! Ich bin Kim!“, stellte sich ein gut aussehender, gestylter Junge vor und lächelte hinreißend.

„Was soll DAS denn?“, fauchte Shin wütend.

Makoto machte sich Sorgen weil Shin so aggressiv war. „Ich bring dich nach Hause!“

„Ich bin kein Kind mehr!“ Shins Ton war nicht mehr so angriffslustig.

„Dann komm jetzt!“ Allen Anwesenden lief ein wohliger Schauer über den Rücken bei dem liebevollen Unterton in Makotos Stimme.

Plötzlich, wie verwandelt, war Shin ganz brav und beide verließen die Gruppe.

Kenichi blieb zurück und ließ sich die Ereignisse von diesem und einigen Tagen zuvor erzählen.
 

„Du bist unter der Woche weggegangen?“, fragte Shin leise. Die Straße durch die sie liefen war leer.

„Ja!“ Makoto hatte ein schlechtes Gewissen, wenn er an den Grund dafür dachte und als er Shin ansah, wusste er, dass er ihm endlich die Wahrheit sagen musste. „Shin?“ Er blieb stehen und der Angesprochene auch. „Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss!“ Er hatte die volle Aufmerksamkeit des Jüngeren und das machte ihn gleich noch nervöser. Er holte tief Luft. „Also, ich hab mich in dich verliebt. Schon vor einer ganzen Weile. Ich weiß, es ist blöd weil wir beide… Aber ich mag dich wirklich sehr… und ich werd dich auch nicht anmachen oder so. …vielleicht können wir trotzdem Freunde…“ Er hatte während er sprach keine Luft mehr geholt, nun war sie alle und er sah erst jetzt Shins verstörten Gesichtsausdruck. „Ich…“ Makoto schwieg betroffen. Nach einer Weile flüsterte er leise: „Entschuldige bitte.“

Shin schüttelte den Kopf, sah Makoto an und flüsterte verwirrt: „Wieso nicht anmachen? Ich bin doch schwul!“

Völlig verblüfft sah Makoto ihn an, ohne ein Wort herauszubringen.

„Du wusstest das nicht???“

Als Antwort konnte Makoto lediglich den Kopf schütteln.

„Ich dachte, Hideo hätte dir das schon längst erzählt!“

Wieder ein Kopfschütteln.

Shin senkte kurz den Blick und sah dann wieder, jetzt aber verlegen zu Makoto auf. „Du magst mich also?“

Makoto nicke errötend.

Langsam breitete sich auf Shins Gesicht ein Lächeln aus und dann strahlte er Makoto so glücklich an, dass diesem fast die Tränen kamen.
 

Sie gingen weiter und Makoto hätte jetzt gern Shins Hand gehalten.

„Kann ich bei dir schlafen?“, fragte Shin nach einer Weile.

„Freitag!“, meinte er Makoto mit aufmunterndem Lächeln.

„Du bist kein bisschen spontan!“, kam es etwas nörglig zurück.

„Ich denk doch nur an dich dabei!“, und da war wieder dieser zärtliche Ton in der Stimme. Shin seufzte schicksalsergeben.

„…und sag Hideo bescheid, wo du bist!“

„Bloß nicht! Wenn der das mit uns rausbekommt, wird er denken, ich hätte dich schwul gemacht!“

Makoto lachte auf. „Das geht doch gar nicht!“

„Das weiß ich selbst!“
 

Unsicher schweigend setzten sie ihren Weg fort. Verzweifelt überlegte Makoto, was er sagen sollte. So richtig fassen, konnte er das alles noch gar nicht. So vieles ging ihm durch den Kopf. Er hätte zu gern gewusst, ob Shin ähnlich für ihn empfand. Nur weil er schwul war, hieß das ja noch lange nicht, das er in ihn verliebt war. Makoto zweifelte jedoch daran, dass es schlau wäre, einfach so nachzufragen. Ein Nein hätte ihn schon sehr verletzt. Besser er gab Shin Zeit, es von sich aus zu sagen.
 

Bestürzt stellte Makoto fest, dass sie sich schon in der Nähe von Shins Wohnung befanden. Der Weg war ihm sehr kurz vorgekommen. Er sah zu Shin. Dieser bemerkte den Blick und lächelte verlegen.
 

Vor der Haustür blieben sie unschlüssig stehen. Shin stand direkt vor Makoto und sah zu ihm.

„Also dann…“ Irgendwie wirkte Shin erwartungsvoll.

Makoto war nervös. Es war wohl Zeit für einen Abschiedskuss.

„Wir sehen uns dann Freitag. Ich ruf dich noch mal an, wann ich dann zu dir komme.“ Shins Stimme klang weit weniger fest als sonst.

Etwas beruhigte es Makoto, dass auch Shin nervös war.

Er nahm all seinen Mut zusammen und beugte sich zu ihm. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, hielt er inne. „Shin, ich…“, doch bevor er sich noch um Kopf und Kragen redete, küsste er den weichen Mund des Jüngeren.

Es war so unglaublich, viel schöner als er es sich vorgestellt hatte. Er wollte noch ein bisschen mehr davon.

Was als Abschiedskuss gedacht war, fiel wesendlich leidenschaftlicher aus als geplant. Mit beiden Händen umfasste er Shins Gesicht vorsichtig, strich ihm die Haare nach hinten, während er leicht über die vollen Lippen seines Gegenüber leckte. Wenig schüchtern öffnete Shin seinen Mund und als sich ihre Zungen berührten, wurde es Makoto schlagartig heißer. Er konnte gar nicht mehr aufhören ihn zu küssen.

„Soll ich nicht doch noch mit zu dir kommen?“, flüsterte Shin heiser an seinem Mund. Er saugte etwas an Makotos Unterlippe und gab ihm ein Küsschen auf den rechten Mundwinkel. „Ich hole schnell alles, was ich für morgen brauche. Okay?“

Makoto fand es schon ein bisschen gemein, dass Shin seinen Zustand ausnutzte. Aber eigentlich sprach ja unter dieser Bedingung nicht so viel dagegen, außer das er wegen der mangelnden Erfahrung etwas Angst hatte vor dem, war noch kommen könnte.

„Okay!“, flüstert er benommen seine Bedenken unterdrückend zurück.
 

Während er wartete, beruhigte sich Makoto wieder, nur um durch seine Grübelei gleich wieder in Aufregung zu geraten. Das, was er sich so gewünscht hatte, war in Erfüllung gegangen. Eigentlich hätte er sich freuen sollen, aber so lange er nicht wusste, wie erst es Shin mit ihm meinte, würde er sich nicht entspannen können.
 

Endlich öffnete sich die Haustür und Shin trat strahlend hinaus, in der Hand seine Tasche. „Wir können!“

Aus Höflichkeit wollte Makoto Shin die Tasche abnehmen.

Skeptisch zog dieser die Tasche außer Reichweite. „Ich glaube, das schaffe ich schon allein!“

Makoto sah ihn verwundert an. Einen Moment dauerte es, bis es ihm dämmerte. Shin war natürlich kein Mädchen. Ihm musste er nicht zwangsläufig beim Tragen helfen.

„Entschuldige!“

„Wenn ich mal Hilfe brauchen sollte, wende ich mich selbstverständlich vertrauensvoll an dich…“ Grinsend warf sich Shin die Tasche über die Schulter und lief los.

Makoto ging hinterher und wunderte mal wieder sich, wie verschieden Shin sein konnte. So ausgelassen und glücklich, wie er jetzt war, mochte er ihn am liebsten.

Und weil sie auf dem Weg zu Shins Wohnung schon kaum Leute getroffen hatten, erfüllte sich Makoto nun seinen Wunsch und nahm Shin bei der Hand.

Er erntete einen erstaunten Blick, durfte aber die warme, schmale Hand in seiner behalten.
 

Anfangs noch nervös, war Makoto, endlich in seiner Wohnung angekommen, nur noch müde. Shin ging es nicht besser und beide schlüpften gleich ins Bett.
 

Etwas schüchtern rutschte Shin dicht zu seinem Freund. Auf dem Rücken liegend, schob Makoto seinen Arm unter Shins Kopf, damit er es sich auf seiner Schulter bequem machen konnte.

Glücklich schmiegte sich dieser an ihn und legte zaghaft seine Hand auf Makotos Brust. „Es ist wirklich schön wieder bei dir zu sein!“ schnurrte Shin. „…es ist wie nach Hause kommen!“

Epilog

Makoto musste sich eingestehen, dass er Shin nicht wieder hergeben wollte und so erklärte er sich damit einverstanden, dass er auch die kommende Nacht bei ihm schlafen konnte.
 

Shin saß neben Makoto an das Kopfteil des Bettes gelehnt und kaute sich nervös auf der Unterlippe herum. Sie hatten gerade den Fernseher ausgemacht und wollten eigentlich schlafen.

„Makoto?“

„Mhm?“

„Ich muss dir wohl noch ein paar Sachen erzählen. Ich meine, du erfährst es so wie so irgendwann. Aber es ist doch besser, wenn du es von mir erfährst!“

Schon lange hatte Makoto Shin nicht mehr so verschüchtern erlebt. „Okay…“, er hatte ein ungutes Gefühl.

„…ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll…“

Ehe Shin wieder der Mut verließ, meinte Makoto aufmunternd lächeln: „Von vorn am besten!“

Noch einmal überlegte Shin. „Mhm, vielleicht das eher unangenehme zu erst.“ Er atmete tief durch. „Na ja, also ich bin nicht so ganz brav…“ Er sah Makoto ängstlich an. „Ich hab schon mit ziemlich vielen Typen geschlafen. Ich hoffe, du hast kein Problem damit. …ich meine ich hab auch immer aufgepasst, verhütet und so.“ Er zog die Schulter hoch und in seinem Gesicht war so viel Unsicherheit wie nie zu vor zu sehen.

Makoto war hin und her gerissen. Einerseits wollte er Shin beruhigen, andererseits wurden einige seiner Befürchtungen wahr. Er hat kein Problem damit, dass Shin mit anderen geschlafen hatte. Aber Tatsache war: Shin hatte Erfahrung mit Jungs und er nicht. Er nahm sich vor, viel Mühe zu geben und hoffte, dass er Shins Erwartungen zu erfüllten. Sicherheitshalber fragte er dennoch leise: „Und was bedeutet das jetzt für uns?“

Shin seufzte. „Ich hoffe, nicht zu viel!“ Dann sah er Makoto so bittend an, dass dieser sich fast sicher war, dass Shin Verständnis haben würde.

„Ich muss dir noch was sagen!“, fuhr er fort. „Aber nachdem, was ich dir schon gesagt habe, klingt das vielleicht etwas unglaubwürdig…“ Kleinlaut sank er noch etwas mehr in sich zusammen.

So viele Gedanken gingen Makoto durch den Kopf und irgendwie tat Shin ihm leid, wie er da neben ihm hockte. Er wollte ihn schon in den Arm nehmen, doch da sprach Shin weiter.

„…ich hab Hideo auf die Idee gebracht mit dem freien Zimmer bei dir.“ Er senkte seinen Kopf und ließ seine Haare ins Gesicht fallen. „Ich mochte dich schon lange. Klar, wusste ich, dass du nicht viel von mir hältst, aber ich dachte, wenn du mich besser kennen lernst, findest du mich vielleicht nicht mehr so schlimm.“ Ein klein wenig hob er seinen Kopf und sah durch seine Haare hindurch zu Makoto. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie überrascht ich war, dass du gleich anfangs so nett zu mir warst. Das war mehr als ich gehofft hatte, aber das war auch verdammt hart, weil ich mich dadurch noch mehr in dich verliebt habe. Manchmal…“ Shin schnieft und wischte sich kurz über die Augen. „Manchmal habe ich es kaum noch ausgehalten. Ich wollte dir sagen, wie lieb ich dich hab. Gesagt habe ich dann immer so eigenartige Sachen…“

„Das mit dem Bruder???“ Makotos Herz raste.

„…ja. Ich hab mich so schlecht gefühlt an dem Tag, weil ich dich schon die ganze Zeit so vermisst habe. Als ich dann zu hause war hab ich nur noch geheult!“ Verlegen drehte Shin sein Gesicht weg. „Danach war ich jeden Tag pünktlich zu Hause. Ich hab so gehofft, dass du noch mal vorbeikommst oder wenigstens anrufst…“ Er biss sich auf die Unterlippe um nicht zu schluchzen.

Makoto hatte ein schlechtes Gewissen. Einzig seiner Feigheit war es zu verdanken, dass es Shin so schlecht gegangen war. „Warum hast du denn nicht angerufen?“, fragte er vorsichtig nach.

Shin schüttelte leicht seinen Kopf. „Ich wollte wissen, ob ich dir irgendwas bedeute!“ Mit einem unendlich traurigen Lächeln sah er Makoto an. „Das war die Hölle! Irgendwann hab ich es nicht mehr ausgehalten und bin nur noch weggegangen. Dann hab ich die ganze Zeit über meine Freunde voll gesülzt wie scheiße du bist und so. Ich glaub, ich hab mich richtig daneben benommen!“

„Ach so! Darum hat der mich angerufen!“ Makoto ging ein Licht auf.

„Hä? Wer?“ Shins Neugier war geweckt.

„Na, dieser Kim. Er hat mich angerufen und gemeint, ich soll dich abholen kommen, weil es dir nicht gut geht.“

„Oh Mann! …ganz schön peinlichen Freund hast du…“ Jetzt war Shin richtig verlegen.

Aufgeregt und erwartungsvoll sah Makoto Shin an. „Wir sind also jetzt richtig zusammen, so als Paar?“

Völlig schüchtern erwiderte Shin: „Wenn du willst?!“

„Klar will ich! Und du?“

„…hast du mir erst nicht zugehört?“ Scheu grinste er Makoto an.
 

Unendlich glücklich legte Makoto seinen Kopf zurück und fühlte sich so entspannt. Er rutschte nach unten bis er ausgestreckt da lag. „Ich liebe dich!“

„Sag doch so was nicht!“ Shin wurde rot und versteckte sein Gesicht hinter seinen angezogenen Knien.

„Wieso nicht? Ist doch nicht so, als hätte ich dich erst heute kennen gelernt!“, grinste Makoto.

„Schon…“, nuschelte Shin verlegen zurück. „Trotzdem!“

Makoto streckte seinen Arm aus und streichelte sanft Shins Nacken. Überrascht sah er, wie sich die hellen, feinen Härchen an Shins Armen aufstellten. Langsam setzte er sich wieder auf, beute sich zu ihm und begann Küsschen auf den schlanken Nacken seines Freundes zu verteilen.

Kichernd zog Shin seine Schulter hoch.

„Hattest du schon viele Frauen?“, probierte er abzulenken.

„Ein paar!“

„Hast du die auch geliebt?“ Shin klang etwas trotzig.

Makoto grinste. „Seit ich dich kenne, weiß ich, dass es nicht so war!“

Und schon wieder war Shin verlegen und es klang absolut nicht überzeugend, als er sagte: „Red doch nicht immer so einen Mist!“

Kichernd flüsterte Makoto in Shins Ohr: „Weißt du was ich glaube?“ Er küsste das Ohr. „Eigentlich gefällt dir der Mist. Du tust nur so kühl, aber genau genommen willst du solche Liebesgeständnisse hören. Genauso wie du geliebt werden willst!“

Mit hochrotem Kopf wollte Shin die Flucht ergreifen, doch Makoto umfasste sein Handgelenk und zog ihn an sich. „Bleib hier! Das muss dir nicht peinlich sein und schon gar nicht vor mir.“, meinte er zärtlich zu Shin und küsste ihn aufs Haar. „Und falls du befürchtest, ich sage das alles nur so…“ Mit den Fingerspitzen unter Shins Kinn, drehte er dessen Gesicht zu sich. „Ich meine, was ich sage!“, küsste ihn leicht auf den Mund, auf die Stirn und drückte ihn dann an sich. Nach einer Weile seufzte er leise. „Ich hatte versucht dich zu vergessen!“, gestand er.

Shin schob sich ein Stück zurück und sah ihn verwirrt an.

„Ich dachte, es gäbe keine reelle Chance mit dir zusammenzukommen!“ Rechtfertigte sich Makoto leise.

Immer noch unsicher fragte Shin ihn: „Hat es funktioniert?“

Aufmunternd lächelte Makoto zurück. „Ich hab es mir erst vorletzte Nacht vorgenommen.“

Das beruhigte Shin und man konnte ihm seine Erleichterung ansehen.
 

„Wir sollten jetzt schlafen!“ Makoto war müde und glücklich. Er machte das Licht aus.

Auf der Seite liegend, das Gesicht Shin zugewandt, konnte er aber trotz Müdigkeit nicht einschlafen. Shin lag auf dem Rücken und als sich Makotos Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er, dass auch Shin mit offenen Augen da lag und vor sich hin starrte.

„Irgendwie hab ich immer gedacht, ich könnte besonders gut schlafen, wenn du neben mir liegst…“

„Du bist ganz schön naiv für dein Alter!“, schmunzelte Shin.

„Und du ganz schön frech!“

Kichernd antwortete er: „Ich freu mich schon…“

„Auf was?“

Shin drehte sich auf die Seite, mit dem Rücken zu Makoto und drückte sich an ihn. „…wenn wir unser erstes Mal haben!“

„Schlaf jetzt!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Illuna
2008-05-16T13:00:01+00:00 16.05.2008 15:00
Halli Hallu! X)

Jaaa~
Das war eindeutig ein Schluss nach meinem Geschmack! *hihi*
Herrlich romantisch, ein bisschen Kitsch und das glückliche Seufzen auf den Lippen - so wird's gemacht! ^.-

Ich fand den Kim ja total sympathisch! Wenn der nich wär, du, ich wüsst nich, wie lang die beiden da noch vor sich hin gelitten hätten.
Wär ja gruselig geworden!
Aba zum Glück gab es den Kim ja!^^

Den Epilog fand ich auch klasse!
Dass Shin mal so viel am Stück reden könnte, war mir gar nicht so bewusst! Hat mich ja, ehrlich gesagt, schon erstaunt! XD
Aba so zum Schluss konnte man das ja mal machen, ne? Sonst wär man vorher ja vielleicht noch auf den Geschmack gekommen, dass er mehr redet und wäre dann im Endeffekt enttäuscht worden und... Ich laber mal wieder nur verwirrendes Zeug! @.@

Nya, mit diesem Kommi wollt ich eigentlich nur noch mal mein Gefallen an dieser Story äußern! XD~
War wirklich klasse und ich hoff, ich kann bald mehr von dir lesen! ^.-
Mach weiter so! (Und wenn du dann grad dabei bist: Ein paar fehlende Kommas zu ergänzen wäre dem seelischen Heil Lunas sehr förderlich.. ö.ö)

Liebe Grüße
deine Luna
Von:  ReinaDoreen
2008-05-16T06:38:26+00:00 16.05.2008 08:38
Da haben die beiden ja doch noch zusammengefunden, war nicht einfach.
Reni
Von:  ReinaDoreen
2008-05-15T17:10:37+00:00 15.05.2008 19:10
Shin hat bestimmt gehört das Hideo ihn als Makotos Last bezeichnet hat. Deswegen war er wahrscheinlich auch die letzten Tage so schweigsam.
Schade das Makoto nicht den Mut gefunden hat den Umzug zu stoppen. Shin kommt auch nicht mit dem allen klar. Am besten Shin würde zu Makoto zurückkommen.
Aber wie es aussieht empfindet Shin nicht das Gleiche wie Makoto oder ist das nur eine Schutzbehauptung?
Reni
Von:  Illuna
2008-05-15T16:13:41+00:00 15.05.2008 18:13
Hallu! :D

Da bin ich wieda! ^.-
Und diesma war es in der Vergangenheit! *strahl* Hach, ich könnt dich knutschen! <3~
Meiner Meinung nach hat die gewählte Zeit nämlich super gut gepasst!

Als Shin und Makoto zusammengewohnt habe - ich fand das richtig klasse! Da hat man sich so als Leser selbst richtig heimisch gefühlt!
Ich zumindest! ;P
Hab dann auch die ganze Zeit gehofft, dass Hideo nich kommt, um zu sagen, dass er jetz ne Wohnung gefunden hat, aber leider wurde mein Wunsch net erhört..

Was mir auch gut gefallen hat, war, dass ja eigentlich so irgendwie nix und doch voll viel passiert ist!
So was positiv merkwürdiges eben! :3
Und man konnte es einfach locker runterlesen! Das is immer subba!

Bei manchen Szenen musste ich wirklich kichern (also nich nur breit grinsen und schmunzeln, sondern auch kichern! XD):
Sie haben mich so an meine Schwester und mich erinnert! *lach* Das Einkaufen - wahrscheinlich hätt ich blöd dagestanden und meine jüngere Schwester ma machen lassen! ;P
Nun ja, ich hätt dann wenigstens die Schokolade und die Milch eingeladen - das is fast alles, was ich zum Leben brauch! XD"

Der Schluss:
Hallo?! Warum geht's net weiter!? Will wissen, wie's ausgeht! >.<
Er sieht ihn nur als großen Bruder.. ;_; Ich könnt heulen, das is echt hart! Ich hoff, du biegst das wieder hin, haben wir uns da verstanden?

Sachste Bescheid, wenn's nächste Kap da is, ja, ja?!
Gut! ^-^
Liebe Grüße
Deine Luna
Von:  ReinaDoreen
2008-05-14T12:49:06+00:00 14.05.2008 14:49
Anfänglich sah es so gar nicht danach aus als ob Makoto Shin länger als unbedingt notwendig
ertragen kann. Aber durch das Zusammenleben merkt Makoto das Shin gar nicht so ist, wie es immer den Anschein hatte.
Und jetzt hat er sich, glaube ich, verliebt in Shin.
Reni


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