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Wolfsmond

von

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Sehnsucht

Kapitel 3.
 

Sehnsucht
 


 

„Well...“, flüsterte Kiyo leise, setze sich neben sie und streichelte ihr sanft über den Rücken, um sie zu beruhigen. Kiyo wusste, wie viel Raenef Well bedeutete, er war schließlich ihr Meister und die beiden haben es immer genossen, von ihm zu lernen. Eurutis stand die ganze Zeit über am Ende der Gasse und beobachtete die zwei Mädchen, die er ab jetzt begleiten sollte.

Er fand nicht die richtigen Worte, wollte nichts sagen, nichts, was Well hätte verletzen können, dafür kannte er die beiden zu wenig. Die ganze Situation war ihm einfach nur unangenehm.
 

Kiyo reichte Well ein Taschentuch, mit dem sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. Ihre Augen waren ganz rot geworden. Sie schluckte tief, bis sie schließlich aufstand, wenn auch noch leicht schwankend, doch Kiyo half ihr, nicht umzufallen. „Keine Sorge“, beruhigte Kiyo sie. „Er kommt wieder, das hat er doch gesagt, und Meister Raenef hat doch noch nie gelogen, oder?“ Kiyo grinste und auf Wells Gesicht ließ sich ein kleines Lächeln sehen.

„Du hast recht, was würde ich nur ohne dich machen?!“, erwiderte sie und rieb sich die Augen.
 

Umso besser sie auf den Koffer aufpassen würden, desto zufriedener wäre Raenef mit ihnen, dachte Well. „Lass uns unsere Sache gut machen!“, entspannte sich Kiyo und winkte Eurutis zu sich hinüber. Eurutis kam, ein wenig verwundert, auf die beiden zu. „Gut, unsere einzige Aufgabe besteht darin, den Koffer hier“, sie klopfte auf den Koffer den Well neben sich gestellt hatte.

„Solange zu beschützen, bis Raenef zurückkommt!“ Eurutis schaute Kiyo verwirrt an. „Was ist denn überhaupt in dem Koffer drin?“, fragte er und Kiyo lief rot an. „Nunja... das wissen wir auch nicht..“, versuchte sie zu erklären.

„Es geht uns auch gar nichts an, der Koffer gehört schließlich Raenef und wir haben geschworen, nicht rein zu gucken, solange er es uns nicht erlaubt!“, griff Well ein und schaute Eurutis neugierig an. Kiyo hingegen war selber enttäuscht, nicht zu wissen, was sie denn schon die ganze Zeit mit sich herumgetragen haben, aber dann erinnerte sie sich an den Schwur, den sie Raenef gegeben hat und sie wollte sein Vertrauen auf gar keinen Fall missbrauchen.
 

„Ich würde sagen“, begann Kiyo und schaute Eurutis ein wenig schüchtern an, dann blickte sie hinüber zu Well, die rechts von ihr stand. „Dass wir wieder ins Hotel gehen sollten...“ Well nickte, Eurutis zuckte mit den Schultern.
 

*
 

Die Lobby des Hotels war menschenleer, kein Wunder, denn es war bereits nach elf Uhr. Die drei hatten die Zeit total vergessen und konnten nur von Glück reden, dass der Hausmeister sie noch rein gelassen hat. Eurutis ließ sich erschöpft auf eins der Sofas fallen, die sich in dem großen Raum befanden. Seine hellen Haare fielen ihm ins Gesicht und er atmete tief ein und aus. Kiyo und Well hingegen schauten sich in dem Zimmer um. Nach einiger Zeit schüttelte Kiyo den Kopf und schob den Vorhang des Fensters gegenüber der Sitzecke zu. Well nickte daraufhin. „Gut, Wanzen, Kameras und so weiter scheint es hier also nicht zu geben!“, sagte sie erleichtert und ließ sich neben Eurutis fallen. Schon seit Tagen hatte sie sich nicht mehr richtig ausgeruht und sie machte sich immer noch Sorgen um Raenef, doch in diesem Moment fühlte sie sich völlig entspannt. Eurutis blickte schüchtern das Mädchen neben ihm an. So eine hübsche Dämonen Frau hatte er noch nie gesehen und er konnte einfach nicht den Blick von ihr lassen.
 

„Hey, aufwachen!“, sagte Kiyo und rüttelte an Eurutis Schulter.

Er war neben Well eingeschlafen, die ihn jetzt ziemlich überrascht anschaute. Eurutis, immer noch verschlafen, öffnete langsam die Augen und blickte zu Kiyo hinauf. „Was ist denn los?“, nörgelte er und rieb sich die Wange, auf der er dicke Streifen von dem Sofa hatte. „Wir können doch nicht hier in der Lobby bleiben! Was ist denn dann mit dem Koffer?!“, antwortete sie und schaute ihn erstaunt an. Raenef hatte zwar gesagt, dass Eurutis ebenfalls ein Wolfsdämon aus dem Norden sei, aber trotzdem sah er Kiyo überhaupt nicht ähnlich.

Kiyo seufzte und half ihm auf, während Well den Koffer nahm und Richtung Aufzug ging. Eurutis stützte sich an sie, er war einfach zu müde, um allein zu gehen. „Nehmt ihr den Aufzug“, sagte Well und drückte bereits die Taste für das zweite Stockwerk. „Ich nehm die Treppe, ich habs nicht so mit diesen Dingern...“, fuhr sie fort und rannte mit dem Koffer unterm Arm die Treppenstufen hinauf.
 

*
 

Im Aufzug herrschte eine merkwürdige Stimmung. Kiyo wollte irgendwas sagen, aber ihr fiel einfach nichts ein. Eurutis hatte sich müde gegen die Wand gelehnt und gähnte. Einen kurzen Moment lang betrachtete Kiyo ihn. Er war wirklich sehr gutaussehend und Kiyo mochte seine hellen Haare, sein junges Gesicht und seine leicht gebräunte Haut, wie sie sie nur aus diesen Zeitschriften, die sich die jungen Mädchen aus dem Waisenheim in Norwegen, in dem sie aufgewachsen war, immer gekauft hatten. Trotzdem war Eurutis ganz anders.

Er hatte etwas Mysteriöses an sich. Die Blicke der beiden Wolfsdämonen trafen sich und Kiyo schaute schnell auf den Boden. Fast im selben Moment öffnete sich der Aufzug und sie half ihm, mit hochrotem Gesicht immer noch auf den Boden starrend, heraus.
 

Well wartete bereits vor der Tür, mit dem Koffer in der Hand.

Kiyo hatte ganz vergessen, ihr den Zimmerschlüssel zugeben, den sie den ganzen Tag über in der Hosentasche mit sich getragen hatte. Sie öffnete die Tür und half Eurutis hinein, Well folgte ihnen. Das Zimmer sah aus, wie sie es verlassen hatten, stellte Well erleichtert fest. Einzig das Bett wurde gemacht, aber sie konnte nirgendwo Wanzen oder Kameras der AGW entdecken. Kiyo legte Eurutis auf das Bett, in dem sie zuvor geschlafen hatte und es dauerte nicht lange, bis er in tiefen Schlaf gefallen war.
 

„Meinst du man kann ihm wirklich trauen?“, fragte Well und unterbrach die Stille. „Ich hoffe es“, antwortete Kiyo und legte eine Decke über Eurutis. „Irgendwas ist komisch an ihm“, bemerkte Well und beugte sich über ihn. „Ja, er hat dich vorhin die ganze Zeit angestarrt...!“, rutschte es Kiyo raus und sie schlug sich die Hände vor den Mund. Well trat zurück und ging auf den Balkon. „Neidisch?“, fragte sie und lächelte Kiyo sanft an. „Überhaupt nicht!“, erwiderte sie angekratzt und folgte ihrer Freundin auf den Balkon. „Naja, so ein bisschen schon...“, flüsterte Kiyo und schloss die Balkontür hinter sich. Der Koffer weilte wieder in seinem Versteck unter der Holzdiele, auf die sie den Teppich gelegt hatte. Well schaute Sehnsüchtig zum Mond hinauf. „Ich wünschte nur, dass alles schnell vorbei ist, und wir endlich wieder bei Meister Raenef leben können“, sagte sie traurig und lehnte sich gegen das Geländer. „Ja, ich hab keine Lust, dass man mich wieder ins Waisenheim steckt“, bemerkte Kiyo und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

Kiyo hatte die Zeit im Waisenheim immer gehasst. Dort behandelte man sie wie eine Ware. Drittrangig und ohne jeden Wert. Für den Vorstand waren alle Armen gleich und Kiyo wunderte sich oft, warum er ein Waisenheim errichtet hatte, wenn er arme und kranke Menschen so sehr verabscheute. Aber dann musste sie sich immer daran erinnern, was eine der Schwestern dort immer gesagt hatte.

Du darfst es den Menschen nicht so übel nehmen, sagte sie immer, wenn Kiyo sich über den Vorsteher beschwert hatte, sie würden alles für Geld und Ruhm tun, und glücklicher Weise kommt es auch manchmal uns zugute.

„Weißt du, für mich ist es das Wichtigste, dass wir zusammen bleiben“, sagte Well und Kiyo lehnte sich neben sie. „Wir beide und Raenef.“ Kiyo nickte. Sie konnte dem nichts entgegensetzten. Auch sie konnte Raenef sehr gut leiden.



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