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Orenji no Taiyou

Ein Vampir namens Kei
von

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Akt 3: Ankunft

Schwere Schritte schlurften über das hölzerne Deck und hallten in dem großen Lagerraum gespenstisch wieder. Alle paar Stunden kam ein Seemann herein, machte eine Runde, kontrollierte dies, besah das, und ging wieder. Doch noch keinem waren die beiden Männer aufgefallen, die sich in einer Ecke hinter einem großen Stapel Holzkisten versteckt hatten. Eigentlich war dieser Winkel zugestellt gewesen mit Waren, doch Kei konnte ihn dank seiner enormen Kraft einfach beiseite schieben und so ein recht sicheres Versteck für sich und den verwundeten Kouhei finden.

Während Kouhei noch ohnmächtig war, hatte Kei einige Kisten nach Essen durchsucht. Letztendlich war er jedoch zu dem Schluss gekommen, dass keine Nahrungsmittel auf diesem Frachter transportiert wurden, sodass er sich in die Kombüse geschlichen und soviel Fleisch und Brot geklaut hatte, wie er tragen konnte.

Kei saß auf einer etwa zwei Meter hohen Kiste und hatte die Augen geschlossen. In Gedanken sah er wieder das Meer, den weißen Sand. Er spürte den Wind in seinen Haaren und die Gesellschaft von Luma wie eine Aura des Vertrauten. Doch als er ihn erblickte, im Sand sitzend, änderte sich das Bild. Die Sonne schoss am Horizont empor und Luma ging in Flammen auf. Keis Haut brannte und qualmte. Er versuchte Luma zuzurufen, dass er fliehen solle, doch dieser rührte sich nicht. Er hielt den Kopf gesenkt und sang, während er verbrannte
 

„…eien no sayonara…“
 

Kei schreckte auf und sah sich schwer atmend um, sein Herz raste. Als er zu Kouhei hinab blickte, der in einer schäbigen braunen Decke eingewickelt auf dem Holzboden lag, öffnete dieser gerade langsam seine Augen.

„Kouhei!“, sagte Kei erfreut, schüttelte die Gedanken an seinen Traum ab und sprang von seiner Kiste direkt neben den alten Mann.

„Wo bin ich?“, fragte Kouhei verwirrt während er sich den Kopf hielt und versuchte seine Umgebung zu erkennen.

„Wir sind an Bord eines Schiffes.“, antwortete Kei rasch, „Wir verlassen Japan.“

Kouhei sah ihn ungläubig an, „Was sagst du da?“

„Es ist wahr, wir haben gestern abgelegt.“, beteuerte Kei.

Die Augen des Alten weiteten sich, als er den Umfang ihrer Situation zu begreifen schien.

„Aber wie…? Wie…?“, stammelte er aufgeregt.

„Ich habe doch gesagt, überlass das mir.“, entgegnete Kei grinsend, „Wir haben hier alles, was wir brauchen. Und wenn wir in einem Hafen anlegen, verlassen wir das Schiff.“

Kouhei versuchte, sich aufzurichten, doch seine Wunde schmerzte noch zu sehr, sodass er sich sofort wieder hinlegte.

„Ruh dich aus, iss etwas.“, sagte Kei ruhig und reichte Kouhei einen Laib Brot, den der Alte gierig verschlang.

„Hast du eine Ahnung… wohin wir fahren?“, fragte Kouhei zwischen zwei Bissen.

Kei erhob sich, während er antwortete, „Nein.“

„Hmm.“, erwiderte Kouhei und nickte.
 

Kei konnte nicht sagen, wie viele Tage vergangen waren bis sie anlegten. Die meiste Zeit waren sie in dem Lagerraum gewesen, der keine Fenster besessen hatte. Kouhei hatte so gut wie nur geschlafen. Er war noch zu schwach, um sich zu bewegen. Das Lager war immer seltener inspiziert worden. Offenbar vernachlässigte die Crew ihre Aufgabe nach und nach, was jedoch Kei nicht weiter störte.

Doch plötzlich brach Hektik auf den Schiff aus. Männer der Besatzung liefen zwischen den Kisten auf und ab, überprüften Vertäuungen und Ware. Einmal hörte Kei zwei Männer reden, dass sie nun bald anlegen würden. Bald darauf fuhr ein kräftiger Ruck durch das Schiff und es stand still.

„Wir entladen das Schiff morgen!“, rief ein Mann, woraufhin die Seeleute den Lagerraum verließen. In dieser Nacht weckte Kei Kouhei vorsichtig, dass dieser nicht zu laut war und damit die Mannschaft alarmierte.

Kei hob Kouheis ausgezehrten Körper mit Leichtigkeit hoch und trug ihn bis auf das Deck. Die salzige frische Lust schlug ihm feucht ins Gesicht. Graue Wolkenschwaden und dichter Nebel verwehrten den Blick auf den leuchtenden Halbmond. Kei schritt die Reling entlang, auf der Suche nach einer Planke, die an Land führte, doch er fand keine. Kouhei hustete gequält, weswegen Kei sich wachsam umsah, ob ihn auch niemand gehört hatte. Doch niemand erschien.

Erleichtert schlenderte Kei weiter das Deck entlang bis er am Bug des Schiffes angekommen war. Er sah in die Tiefe, doch durch den Nebel vermochte er die Distanz zum Pier nicht einzuschätzen.

„Wer ist da?“, rief plötzlich eine Stimme, Kei wirbelte herum und sah zwei leuchtende Punkte auf sich zukommen.

„Ergebt euch, ihr sitzt ohnehin in der Falle!“, rief eine andere Stimme feindselig. Kei blickte sich panisch um, auf der Suche nach einem Ausweg. Doch nun kamen auch von der anderen Seite zwei Lichtpunkte auf ihn zu geschwebt.

„Kouhei?“, fragte er hastig.

„Hmm?“

„Halt dich fest.“

Kei wirbelte herum, legte den alten Mann über seine Schulter, setzte einen Fuß auf das Geländer der Reling und sprang hinab in die unbekannte Tiefe.

„Hey!“

„Er springt!“

„Er ist lebensmüde!“

„Haaaalt!“, Die Rufe verhallten im Nebel, der über Keis Kopf zusammenschlug und ihn in sich aufnahm, als würde er in eine andere Welt gezogen. Und er fiel.

Plötzlich erkannte Kei den feuchten Stein des Piers unter sich und machte sich bereit zur Landung.

Nahezu lautlos landete er auf dem steinernen Boden, Kouhei seufzte erleichtert. Kei schaute sich rasch um. Hinter ihm lag das gewaltige Schiff, vor und rechts neben ihm das Meer, schwarz und unheimlich. Der Pier führte nach links in den Hafen.

„Ich werde dich noch ein Stück tragen.“, bedeutete Kei dem Obdachlosen.

Kouhei seufzte einverstanden. Kei war sich nicht sicher, ob dieser wirklich ganz bei Bewusstsein war. Vielleicht war es auch besser, wenn er es nicht war.

Eilig schritt Kei den Weg entlang bis er die großen Lagerhäuser des Hafens vor sich aufragen sah. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Zwischen den großen blauen Wellblechhäusern, deren Nummern in roten Lettern auf ihre Fronttore geschrieben waren, waren enge Gassen, die offenbar nur dazu genutzt wurden, Müll loszuwerden oder sich zu erleichtern. Wahllos entschied sich Kei für eine von ihnen und trug Kouhei vorsichtig in die Finsternis, die zwischen den Gebäuden herrschte.



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