...becomes a lie
Erdrückende Stille schlug ihm entgegen, als er die Tür öffnete, für einen flüchtigen Moment im Türrahmen verharrte.
Regungslos.
Sein Blick fiel auf den schmalen Flur, dessen Wände noch enger beieinander zu stehen schienen als sonst, schweifte über einzelne Gegenstände, die achtlos auf dem Boden lagen.
Vorsichtig stieg er über ein Paar Stiefel, welches er am liebsten getragen hatte, hängte den Schlüsselbund an einen Haken, welche gegeneinander schlugen und protestierend klirrten.
Streifte seine Schuhe von den Füßen, ließ seine Jacke zu Boden fallen.
Sein Weg führte ihn in die Küche.
Der fahle Geschmack in seinem Mund ließ sich auch mit einem Glas Wasser nicht hinfort spülen, der Tod schien überall an ihm zu kleben. Er griff nach seinem Essensgedeck vom Morgen, spülte es und trocknete es ab. Das heiße Wasser schien seine Haut zu betäuben. Die Kaffeetasse von ihm ließ er stehen, es widerstrebte ihm, sie zu berühren.
Über dem Sofa im Wohnzimmer war sein orangener Schal drapiert. Wahrscheinlich wie immer einfach willkürlich in den Raum geworfen, weil er sich wieder einmal nicht entscheiden hatte können, was er anziehen sollte. Ganz kurz berührten seine Fingerspitzen den weichen Stoff.
Zog seine Hand schnell wieder zurück, fühlte sich schuldig, so etwas Reines beschmutzt zu haben.
Wandte sich ab.
Seine innere Unruhe trieb ihn ins Schlafzimmer.
Die Rollläden waren noch immer heruntergelassen, nur durch einzelne Ritzen drang helles Tageslicht in den Raum. Das Bett war nicht gemacht, die Kissen zerknüllt, eine Bettdecke lag am Boden, die andere am Fußende. Wieder hatte er seine Pflichten nicht erledigt - welch Banalität im Angesicht des Geschehenen.
Er griff nach dem Bild auf dem Nachttisch neben seiner Seite des Bettes. In der rechten oberen Ecke war ein Datum vermerkt: 29.06.2008, links unten eine Inschrift: Lavi+Yu.
Natürlich sein Werk.
Wer sonst nannte ihn beim Vornamen?
Seine Hände zitterten leicht, als er über das Gesicht von ihm strich. Das typische Grinsen auf den Lippen, die grünen Augen unter dem roten Haarschopf funkelten übermütig. Er selber daneben. Ein kaum merkliches Lächeln an seinen Mundwinkeln zupfend, seine Hand auf der Schulter.
Sie beide glücklich, eben jeder auf seine eigene Weise, nicht wissend, was passieren würde.
Kurz blinzelte er.
Seine Augen brannten.
Er stellte das Bild wieder auf seinen Platz zurück, verließ den Raum.
Im Badezimmer herrschte dieselbe Stille wie in der restlichen Wohnung. Sein Spiegelbild blass, die Augen leer. Er wollte seine Wut, seine Trauer hinausschreien. Doch wie immer blieben seine Lippen stumm.
Zurück in die Küche.
Sein Blick fiel auf ein Sixpack Bier.
Etwas in ihm bäumte sich auf.
Alkohol
Ein säuerlicher Geschmack schien seinen Mund zu verätzen.
Morgen würde es in der Zeitung stehen:
20-Jähriger bei Autounfall tödlich verunglückt. Alkoholisierter Fahrer drängte ihn von der Fahrbahn.
Oder so ähnlich.
Müde schloss er die Augen, sah sein Gesicht, hörte seine Stimme. Er rutschte an der Küchenanrichte hinab.
Erschöpfung.
Presste seine Hände auf die Ohren.
Wollte nichts mehr hören, nichts mehr sehen.
Seine Gegenwart schien zu wirklich.
Er konnte seinen Geruch wahrnehmen.
Seine Berührung spüren.
Doch Lavi war tot.
