Ein Schlag nach dem anderen!
Hallo an alle Lesenden,
frohes neues Jahr! Ich hoffe, ihr seid gut gerutscht und nicht ausgerutscht! ;]
Erstmal wieder vielen, vielen Dank für die Kommis!^^
@ Leira, du bekommst noch eine Antwort, versprochen.
Und nun zum mysteriösen... Sack. Ich muss mich gleich entschuldigen, ich habe vergeblich versucht, dieses Wort nicht über zu strapazieren, aber es gab nur ein begrenztes Spektrum an Optionen...
Und über den Inhalt habt ihr, denke ich, alle eine Meinung, mal sehen ob sie richtig ist!^^
Ich wünsche viel Spaß beim lesen, es ist ein sehr anderes Kapitel als die letzten. Das ist gewollt, aber wie ihr drauf reagiert, kann ich auch nicht sagen. *schluck*
Bis zum nächsten Mal,
lG, Diracdet
_____________________________________________________________________________________
Kapitel 11: Ein Schlag nach dem anderen!
Zwanzig Sekunden waren seit dem Platsch-Geräusch vergangen bis endlich im Licht der Scheinwerfer der Leinensack den Gästen ins Auge fiel.
Und weitere Zehn Sekunden dauerte es, bis das Raunen sich durch den Raum verbreitete und das allgemeine Entsetzen über den Anblick einer im Wasser ums Leben kämpfenden Person zu Tage trat.
Diese Zeit nutze Kogoro, um zweimal vergeblich gegen die Scheibe zu klopfen, und beinah sich einen Tisch zu schnappen, um ihn gegen selbige einzusetzen. In dem Moment hielt ihn Tanahi aber mit dem Arm zurück.
„Sind Sie wahnsinnig Mori, was machen Sie da?“
„Das sehen Sie doch, ich versuche das Leben eines Menschen zu retten!“, schrie dieser genauso aggressiv entgegen.
„Das Aquarium ist aus Panzerglas, wie soll es sonst dem Druck des Wassers stand halten? Und selbst wenn Sie es einschlagen könnten, wäre das nur viel schlimmer. Das Wasser würde die Ebene fluten, die Menschen mit sich reißen und durch die wesentlich dünneren Glasscheiben an der Außenwand schleudern! Dann sterben hundert!“
„Und wie sollen wir dann bitte ins Aquarium kommen? Klettern?!“
„Wir müssen rauf auf den Steg!“, rief Conan den beiden mit unruhiger Stimme zu. Fünfundvierzig Sekunden waren mittlerweile rum.
„Steg?“, blickte ihn Kogoro verwirrt an, während Tanahi schon seinen Leuten zu rief.
„Genau, macht den Steg bereit!
Mori, Kommissar Yokomizo, wir müssen zum Eingang bei der Rezeption, so schnell es geht. Man kann nur von oben hinein.“
Der Detektiv sah, wie sich oberhalb des Aquariums eine metallene Platte hervor zu schieben begann.
Parallel dazu bildeten alle Polizisten, die im Raum verteilt waren, offiziell wie inoffiziell, einen Gang, einen schmalen Korridor durch die Massen, der es den dreien, samt Conan, irgendwie ermöglichen sollte, binnen dreißig Sekunden die über hundert Meter zum Eingang zu überbrücken.
'Das sind dann schon über siebzig Sekunden!', nervte Conans Verstand sein sich zusammenziehendes Herz. Ein innerer Schmerz, der sich ihm bot. Eine Leiche zu sehen, etwas unbewegliches, ein vollbrachtes Unrecht, das war eines, aber den Gedanken über das Leiden eines gerade unter Atemnot zugrunde gehenden Menschen belastete einen auf ganz anderer Ebene.
Ja, die Frage, für die er eigentlich gerade keine Zeit hatte, kam ihm wieder in den Sinn.
'Wie ein Mensch einen anderen töten kann, ist mir unverständlich, aber wie ein Mensch einen anderen leiden lassen kann, foltern kann... das übersteigt einfach jedwede meiner Vorstellungsmöglichkeiten!'
Er versuchte sich nach vorne, den anderen hinterher, zu orientieren, irgendeinen anderen Gedanken zu finden, rechnete im Kopf auf Tanahis Kommentar hin nach, wie groß die Kraft des Wassers auf die Glasscheibe war – '...das Integral liefert ein halb mal den Wasserdruck am Boden des Aquariums multipliziert mit der Seitenfläche, auf die es drückt, bei zehn Metern Wassertiefe ist das eine zusätzliche Atmosphäre, also etwa 0,5 mal circa 100000 Pascal mal 10 Metern Höhe mal 100 Metern Breite auf der langen Seite macht... 50 Millionen Newton... da wäre Onkel Kogoro auch mit einer Panzerfaust gescheitert...' - als er endlich merkte, wie es vor ihm etwas weitläufiger wurde. Der Eingang, respektive Ausgang nahte
Kaum hatten sie die Tür erreicht, drehte er sich noch einmal kurz um... und sah es. Es lag in der Luft, das, was alle vorher befürchteten – eine Panik. Noch war sie überschattet von der Sensationslust der Reporter und, von ihnen mitgezogen, von den Gästen.
Die dreihundert Leute drängten sich um das Aquarium, ein Blitzgewitter donnerte durch den Saal, dass es dem Gehirn schwummrig wurde. Verzweifelt versuchten die Polizisten, die bis eben einen Durchgang für ihn und die anderen bildeten, nun das Aquarium abzuschirmen... nur war das unmöglich. Es gab gar nicht genug Leute.
„Verschließen Sie die Eingänge zur Blauen Ebene. Niemand kommt mehr rein oder raus, ohne dass ich es sage. NIEMAND, klar?!“, rief der Kommissar seinen Leuten hinterher, bevor auch er mit den anderen verschwand.
Fast waren neunzig Sekunden um, als Tanahi sie am Rand des Rezeptionsbereiches in eine unmerkliche Gasse führte, an deren Ende sich eine stählerne Gittertreppe emporragte. Sicher in über zehn Meter Höhe, so sah man die mindestens vierzig Stufen, die alle hoch hechelten, so sehr es ihnen ihre Beine ermöglichten.
'Neunzig Sekunden... Ein Mensch kann ohne Sauerstoff normalerweise bis zu vier Minuten bei Bewusstsein bleiben. Allerdings ist das ein Idealfall, in dem dieser darauf vorbereitet ist und keine unnötigen Bewegungen macht, die den Luftvorrat unnötig belasten!
Im Fall der Person in dem Sack dürfte beides nicht gelten und wir haben wahrscheinlich kaum zwei Minuten. Verdammt!' Conans Unmut wurde mit jeder Stufe, die der zuletzt gegangenen folgte, nur größer.
Wieder waren über zehn Sekunden rum, als sie oben waren und durch eine Tür auf einen etwa anderthalb Meter breiten Metallboden traten. Man konnte es eigentlich sofort erkennen, wenn man nicht durch die Ereignisse um das Aquarium und sein neuestes 'Besitztum' verwirrt wäre.
Das war der Rand der Blauen Ebene, oder genauer die empor gehobene Umrundung, oberhalb der gewaltigen Fenster. Man fühlte sich wie der thronende Herrscher über der wilden Menge tief unter einem. Die einen nie erreichen konnte, was auch passierte, die unten gebliebenen. Das Volk, welches frenetisch dem Kaiser zu jubelte. Was mochte sich ein waches Auge dabei denken, was der Geist eines Sinjo Tanahi, der schon die Blaue Ebene selbst, samt ihrem Boden, das riesige Schildkrötenaquarium, die nun vom Vorhang verdeckte Bühne, die Zimmereinrichtung, die Wasserspiele und nun auch die Show zum geplanten Vortrag eentwickelte, wohl mit dieser Konstruktion auf lange Sicht werde sich ersinnen können?
Auch für diese gar malerischen Gedanken blieb jedoch keine Zeit.
In der Mitte zu beiden Wegen, die man einschlagen konnte, fand sich nun ein zwei Meter breiter, nicht von einem Gitter vorm herunterfallen geschützter Steg, welche sich im exakten Mittelpunkt über dem Aquarium trafen und von noch weiter oben ein großes metallen schwarzes 'T' bildeten. Genau diesem Mittelpunkt strebten die vier nun entgegen, so sehr sie noch Kondition in den Beinen hatten.
Fünfzig Meter bis zum einen Aufgang zum Steg. Weitere acht Sekunden in den Skat gedrückt.
Und dann nochmal fast zwei Hundert Meter bis zum Kreuzungspunkt.
'Das werden wieder zwanzig Sekunden, das dauert zu lange!', ging es Conan und Kogoro gleichzeitig durch den Kopf. Letzterer schaltete aber diesmal schnell genug, wandte sich im Laufen an die anderen Herren.
„Ich werde rein springen!“ Ein keuchen unterbrach ihn.
„Sie müssen vorne am Kreuzungspunkt warten und uns nachher aus dem Wasser ziehen, klar?“
Beide nickten nur, selbst noch mehr nach Luft ringend, als der ohnehin durch Kettenrauchen an der Lunge belastete Detektiv. Angesichts von Conans Kinderkörper war er wohl sowieso der Einzige, der die Zehn Meter tief nach dieser Sprint-Anstiegslauf-Sprint Kombination tauchen konnte.
'Wir hätten ja auch noch nach einer Taucherausrüstung fragen können. Die braucht man ja auch, wenn man länger im Aquarium verweilt...' Ein Gedanke, der einfach zu spät kam für Conan. In der Notsituation einen klaren Kopf zu bewahren ist so schwierig, dass man die erstbeste Lösung eben doch meistens für die einzige hält, und vergisst, dass es immer noch eine höhere Ebene gibt.
Der Gedanke hielt ihn so lange in Beschlag, bis er merkte, wie der Steg plötzlich zu wippen begann und Kogoro aus dem Laufschritt heraus einen weiten Kopfsprung mitten in das Aquarium hinein machte.
Von hier aus sah man, dass das Wasser nur einen Meter unterhalb des Stegs verlief. So wurde das Becken immer gereinigt. Ein paar Leute mit dem nötigen Werkzeug und Taucherausrüstung kamen hier hoch, machten sauber und konnten als halbwegs körperlich fitte jederzeit wieder auf den Steg drauf. 'Simpel aber genial, Herr Maehara.'
'Oh man, ich hätte vielleicht doch etwas weiter noch laufen sollen!', stellte Kogoro leicht entsetzt fest, als er die Schräge, die er bis zum gefüllten Sack tauchen musste, abmaß. Allerdings, die Person da drin hatte auch schon länger ausgehalten als er und noch waren winzige Bewegungen zu sehen. Winzige, verschwindende Bewegungen...
'Verdammt nochmal!'
Die Entfernung – er musste statt der erwarteten zehn Meter zum Boden wohl eher fünfzehn tauchen, und danach ja auch noch wieder rauf – waren nur eines der Ärgernisse, die ihn quälten. Natürlich war da noch das Blitzgewitter, welches statt des bräunlichen unförmigen Behältnisses am Boden nun ihn ins Visier nahm.
'Diese... elende...'
Er konnte es wie so viele, die damit täglich zu tun hatten, einfach nicht verstehen. Was finden Menschen bloß am Leid anderer so faszinierend, dass sie sich mit Genuss darauf stürzen? Dass sie es selbst miterleben wollen, obwohl sie sich doch so sehr davor fürchten, selbst eines Tages das Opfer zu sein. Diese... widerwärtige Gier nach Schockmomenten. Sie ist nicht erst durch die Medien und ihrer Versessenheit auf Quoten entstanden, nur gefördert worden. Also was im Menschen treibt ihn zu dieser Sucht? Das wollte dem ehemaligen Polizisten einfach nicht klar werden, und darüber konnte er eigentlich auch nicht nachdenken, denn vor ihm lag noch ein anderes Problem.
Die Schildkröten. Nicht die Kinder in diesem Fall, nein ihre Eltern, die sich um den neuen Gast in ihrem zuhause herum drängten und dem zweiten Ankömmling kaum Platz ließen.
'Nun verschwindet endlich!', wollte er wohl sagen, schloss seinen Mund aber sofort wieder, als ihm eine große Blase gefüllt mit Luft entwich und sich binnen Bruchteilen von Sekunden zur Oberfläche hin entfernte. Er wedelte zweimal wild mit den Armen, was die eher friedlichen Tiere gemächlich vom Objekt der Begierde ablassen ließ. Ein Glück, dass es nicht Haie waren...
Erst jetzt hatte Kogoro mal einen genaueren Blick auf den Sack, der oben mit einem Seil zugebunden war. Zweimal fest verknotet, das konnte man nicht sofort lösen. Ein halber Meter von dem Seil stand noch ab. Die Bewegungen waren vor ein paar Sekunden endgültig verstummt.
Kurz entschlossen, nahm er den ganzen Packen in einem an dem Seil, drückte seine Knie durch und stieß sich mit größtmöglicher Kraft vom Boden ab.
Bloß raus hier! Beim hoch tauchen bemerkte er trotz des Wassers bereits, dass sich der Sack sehr schwer anfühlte.
'Etwa doch nicht Doktor Coldwell?'
Immer hoch, zehn Meter konnten einem wirklich lange erscheinen und er war selbst mittlerweile fast vierzig Sekunden unten und trug ja die Last mit sich, hatte mit den Schildkröten gerungen und war zwanzig Meter geschwommen.
Dann endlich.
„Aahhhh...“, kam der tiefe Atemzug aus seiner Kehle, als er durch die Grenze von der Wasserwelt zur trockeneren hindurch drang. Er wollte gerade sein Gepäck nach oben weiterreichen, als er über sich nur der dunklen Metallplatte des Stegs gewahr wurde.
„Onkel Kogoro?“, kam es verwundert von etwas weiter hinter seinem Kopf, er war tatsächlich genau unterhalb der Kreuzung der beiden Wege herausgekommen.
'Wieso lag denn der Sack unterhalb des T-Kreuzes?' Ein Gedanke, der nicht nur Conan beschäftigte.
„Nun geben Sie schon ihn endlich her, Herr Mori!“, drängte ihn Yokomizo und dieser samt Herrn Tanahi hoben zuerst die unförmige Masse, dann den Detektiv aus dem kalten Nass.
Der Kommissar kämpfte einen Moment mit dem doppelten Knoten, entschloss sich dann aber gekonnt zu einem Schnitt mit dem Taschenmesser an seiner Seite, welches binnen weniger Sekunden das Seil durchtrennte.
Die drei Männer saßen um den braunen Stoff, der ihnen merkwürdig bekannt vorkam, herum, während Mori die Öffnung oben weitete und den Kopf von Alexandra Coldwell zum Vorschein brachte.
'Also doch!'
Ihre Augen waren zum bersten weit offen, aber sie wirkte bereits nicht mehr bei Bewusstsein. Nur Millimeter unter der Wassertropfen perlenden Nase endete ein doppelt um ihren Kopf gewundener Strang Paketklebeband, der sich schon teilweise mit der Haut am Gesicht verbunden zu haben schien.
Ohne zu zögern riss Mori den Knebel herunter, was ihm durch das durchdringende Wasser nicht zu schwer fiel, um ihrer Lunge wieder vollen Zugang zum über zwei Minuten verwehrten Sauerstoff zu ermöglichen.
„Sie ist bewusstlos, aber ihr Herz schlägt noch, wir haben Glück!“, rief Yokomizo erleichtert aus, als er den Sack etwas weiter öffnete und ihren Brustkorb fühlte.
Kogoro konnte gerade das Klebeband entfernen, öffnete ihren Mund und schreckte kurz zurück. Zwei weiße Taschentücher wurden ihr auch noch in den Mund gestopft um zu garantieren, dass sie wirklich keinen Mucks von sich gab.
'Wie grausam ein Mensch doch sein kann...', befiel es ihn schon wieder, während er diese beiden zusätzlichen Knebel auch noch entnahm und ihre Luftröhre endlich wieder mit der Mundöffnung verband.
Ihre Hände waren mit einem Seil – dem gleichen wie dem, mit dem der Sack zugebunden wurde - auf dem Rücken gefesselt, die Beine ebenso und beide mit einem weiteren Stück Seil zusammen gebunden hinter ihrem Rücken, so dass sie fast vollkommen bewegungsunfähig war und folglich nur zappeln konnte.
Am Boden des Stoffes fanden sich noch Gewichte. Gusseisenplatten mit Löchern, wie sie an Hanteln befestigt wurden, die ihr Untergehen bewirken sollten.
'Deswegen kam sie mir so schwer vor...'
Conan zog sich, als er sah, dass Doktor Coldwell außer Lebensgefahr war, unauffällig von der Gruppe zurück.
'Wieso lag sie unter dem T-Punkt? Na gut, das ist wohl einfach, aber das heißt auch, dass der Täter...'
Er ging den kürzeren Weg entlang zur Seite des Schiffes. Hier verlief eine ganze Reihe kleiner Bullaugen, etwa zwei Meter oberhalb des Endes der großen Fensterfront der Blauen ebene, und etwa eineinhalb Meter über der Plattform.
'Und genau das Bullauge über dem Steg ist geöffnet...
Oberhalb dieser Ebene ist ein umfangreiches Gewirr an Gitterverstrebungen, wie über einer Theaterbühne...
Ach, so einfach?'
Er bemerkte, wie ihn Kogoro aus dem Augenwinkel mit missgünstigem Blick wahrnahm.
'Was hat der Nervenzwerg jetzt schon wieder vor?'
'Das ist deine Chance, Onkelchen, folge einfach meinen Blicken!' Langsam, mit gespielt verwunderter Miene glitten die Augen des Jungen zwischen der Position von Doktor Coldwell im Aquarium, dem geöffneten Fenster und der Decke hin und her. Bis ihnen der Detektiv folgte... und verstand.
Er sah kurz runter zu der verwunderten Menge, die hinauf starrte, suchte eine Weile, bis er seine Tochter, zusammen mit Sonoko und Chris fand, dann dachte er kurz nach.
„Kommissar, wir haben vielleicht eine Möglichkeit zu verhindern, dass es deswegen hier gleich zu einer allgemeinen Hysterie oder gar einer Panik kommen könnte. Und eine Gelegenheit, diesen Fall aufzuklären, bevor jemand wirklich zu Schaden kommt. Hören Sie mir genau zu!
Zuerst müssen wir Doktor Coldwell auf die Krankenstation bringen und zwar ohne, dass eine Kamera ihr Gesicht einfängt und dann...“
„Doktor Coldwell schläft nun recht friedlich, sie wird wohl erst in etwa einer Stunde aufwachen.
Tatsächlich hat sie nur ein bisschen Wasser geschluckt, ansonsten scheint sie mit dem Schrecken davon gekommen zu sein.“, bescheinigte der Arzt Kogoro, der in ein Handtuch gewickelt auf seinen dritten Anzug für diesen Abend wartete, Kommissar Yokomizo, Herrn Tanahi, Monsieur Brefford und der im Nebenbett liegenden Yoko, nachdem er seine Notizen durchging.
„Das freut mich sehr!“, strahlte die Sängerin erleichtert, die beinahe erneut zusammenbrach, als vor zwanzig Minuten die drei Herren mit der bewusstlosen Meeresbiologin unter dem Arm herein gestürmt kamen.
„Aber heißt das nun, dass tatsächlich sie an meiner Stelle Neptunia war und sterben sollte?“
Drei der Herren sahen leicht betrübt und unsicher zur Seite oder zum Boden, Brefford antwortete schließlich.
„Davon muss wohl ausgegangen werden. In Ihrem Fall, Fräulein Okino, war die Tat relativ riskant und wäre wohl nur mit viel Vertrauen als Mordanschlag erdacht gewesen.
Doktor Coldwell wurde gefesselt und geknebelt in einem Leinensack in das Aquarium geworfen. Sie selbst hatte keine Chance zu entkommen und angesichts der Dimensionen des Aquariums war es praktisch kaum möglich, sie rechtzeitig da heraus zu holen. Ich glaube, dass nicht unbedingt alle Leute, bei ebenso langer Zeit unter Wasser, überlebt hätten.“
„Aber der Sack war für uns ein Glücksfall, nicht wahr, Herr Mori?“, stellte, fast so freudestrahlend wie Yoko, Kommissar Yokomizo fest, was dem Detektiv einen leichten Schauer über den Rücken jagte.
'Aber sonst geht’s ganz gut, ja? Wir reden hier immerhin von einem Mordversuch!'
„Ähem...“, räusperte er sich dann, um den Polizisten wieder zum Ernst zu bringen,
„Es hilft uns zumindest, dem Täter nicht weiter in die Karten zu spielen.
Da wir sie zehn Meter über dem Aquarium befreit hatten, konnten die Leute und explizit die Kameras sie nicht erkennen. Und dank der Mithilfe aller Polizisten auf der Blauen Ebene konnte niemand raus und uns vorne abfangen. Das heißt, praktisch niemand weiß, wer die Person im Sack war.
Wäre der Name Alexandra Coldwell gefallen, hätte es mit Sicherheit eine Panik gegeben und jemand unauffälliges unter den Gästen hätte nahezu freie Hand, auch hier her auf die Krankenstation zu kommen.“
„Aber, würde das nicht sowieso passieren, wenn nichts herauskommt? Dann verbreiten sich doch Gerüchte und mit den Medien an Bord...“, stellte der Arzt verwundert fest, der den meisten Teil der Unterredung ja nicht verfolgen konnte, sondern Doktor Coldwell untersuchte.
„Genau auf die hoffen wir ja!“, grinste nun auch Kogoro für einen Augenblick gehässig.
„Meine Tochter samt ihrer Freundin sind auch noch auf der Blauen Ebene. Ich habe sie, nachdem wir hier angekommen sind, auf dem Handy angerufen und ihr gesagt, sie solle ein wenig Gerüchte streuen, dass ein Verrückter eine Show im Aquarium abziehen wollte, die aber schief gegangen ist und nun wird der Verantwortliche von der Polizei festgehalten.“
„Aber... kann Ihre Tochter dieses Gerücht denn so einfach streuen? So was greift zwar schnell um sich, aber...“
„Die Medien, Herr Doktor, die Medien. Sie greifen das Gerücht auf und machen es zur Tatsache, wenn es geleugnet wird. Und leugnen werden es die Polizisten, die bis jetzt selbst nicht wissen, was genau passiert ist und nur den Auftrag haben, niemanden durchzulassen. In ein paar Minuten können wir sie freilassen und Kommissar Yokomizo wird unser verleugnetes Gerücht zum Fakt erklären.
Und... meine Tochter hatte noch jemanden bei sich, der dieses Schauspiel der Täuschung perfekt beherrscht. Chris Vineyard, die Schauspielerin.“
Der Arzt zuckte leicht zurück angesichts des hohen Namens, aber wohl auch angesichts des gerissenen Plans der Polizei.
„Hm...“, sinnierte Herr Tanahi plötzlich.
„Hatte Ihre Tochter eigentlich... irgendwelche... Probleme mit Miss Vineyard, Herr Mori? Es erschien mir den ganzen Abend schon so. Immer, wenn sie sich begegneten, blickten beide plötzlich so... naja, ernst. Zuerst dachte ich, sie würden sich aus dem Weg gehen, aber dann wiederum schien sie auch immer wieder nach Miss Vineyard zu suchen, ihre Bewegungen zu verfolgen...“
Er wirkte selbst diesbezüglich sehr verwirrt, konnte sich ebenso keinen Reim drauf machen, wie Rans Vater. Allerdings kam Kogoro dabei nun der komische Unterton in den Sinn, den Ran von sich gab, als er ihr am Handy riet, sich wegen dem Gerücht an Chris Vineyard zu wenden.
'Was hast du denn auf einmal?'
'Äh...ich...n-nichts, gar nichts! Tolle Idee, Paps, ich sag ihr gleich Bescheid!'
Damit hatte er es bewenden lassen. War das ein Fehler?
„Tut mir Leid, Herr Tanahi, dazu kann ich Ihnen nicht viel sagen.“
„Sie sind sich mal begegnet.“, fiel Brefford sinnierend auf dem dritten Bett sitzend und seinen Stock anstarrend ins Gespräch ein.
„Und damals... hat das alles nicht so geklappt mit den beiden.“ Bei dem Satz wurden nicht nur Herr Tanahi und Kogoro, sondern auch Conan hellhörig.
„Wie bitte? Ich dachte, sie wäre ihrer Mutter damals vor einem Jahr in New York begegnet?“, kam es vom erstaunten Kogoro.
Brefford drehte leicht am Griff seines Stocks, verzog die Lippen kurz zu einem kleinen Lächeln, bevor er das Gesicht wieder ernst dem Detektiven zu wandte.
„Misses Sharon Vineyard ist Ihre Tochter vor einem Jahr in New York begegnet, das stimmt. Miss Chris Vineyard aber hat sich seit einiger Zeit vom Filmgeschäft zurückgezogen, macht eine Pause, hier in Japan. Und da sind sich die beiden begegnet, auch wenn Ihre Tochter das wohl selbst bis heute Abend nicht wusste...“
Er sah, wie es in dem Detektiven brodelte.
'Also hab ich sie auch hier irgendwann gesehen...'
„Vermutlich!“, beantwortete Brefford seine in Gedanken gestellte Frage, was ihn nur noch weiter aus dem Konzept brachte.
„Wer... wer zum Teufel sind Sie?“
„... personne...“, kam die Antwort nach einer Weile gelassen. 'Niemand', sehr viel sagend.
„Heißt das... sie weiß jetzt, dass sie damals Chris Vineyard getroffen hatte?“ Conans ernste, tief verunsicherte Stimme donnerte aus der Stille der Ecke, in die er sich grübelnd verzogen hatte. Die Aussage Breffords brachte ihn unwiderruflich zu Ran zurück.
Sie wusste, dass Chris Vineyard Vermouth war? Aber... wenn das erst seit diesem Abend galt, dann konnte sie doch ihrer Mutter nichts davon erzählt haben. Was hatte das denn nun wieder zu bedeuten?
„Ja, sie wird sich wohl nun daran erinnert haben, mein Kleiner.“, sprach er mehr willenlos vor sich hin, als dass er antwortete.
„Das ist jetzt aber nicht so wichtig!“, hakte Kogoro wütend ein, selbst seine Gedanken zur Schauspielerin verdrängend. Sein Blick fiel auf die auf einem neben ihm liegenden Tisch befindlichen Utensilien, die mit Doktor Coldwell im Aquarium versenkt wurden. Der Stoffsack, der ihm immer noch merkwürdig bekannt vor kam, das zerschnittene Seil, mit dem sie gefesselt worden war, alles zusammen wohl fünf Meter, die Reste des Klebebands samt den Taschentüchern und drei Gewichte, wie sie an Hanteln befestigt waren.
Der Kommissar folge seinem Blick und sah zu seinen Unterlagen.
„Nun, da alles durchnässt ist, konnten auch keine Fingerabdrücke, außer unsere eigenen, darauf nachgewiesen werden. Wahrscheinlich wurden sie aber sowieso entfernt, Beziehungsweise, der Täter benutzte Handschuhe.
Sie meinten aber vorhin, sie könnten den Fall dennoch rekonstruieren, Herr Mori?“
„Sicher.“, begann er souverän, aber auch nachdenklich.
„Haben Sie sich etwa noch nicht gefragt, warum der Sack sich direkt unter dem Kreuzungspunkt der beiden Stege befand?
Es ist ja nicht so, dass starke Strömung im Aquarium herrscht, oder dass Doktor Coldwell viele Möglichkeiten hatte, im fallen die Richtung zu verändern.
Auf den ersten Blick mag man annehmen, der Täter habe sich in der Dunkelheit hoch begeben, wäre auf den Steg gestiegen und hätte am Kreuzungspunkt den Sack einfach fallen lassen, was aber dieser Tatsache offensichtlich widerspricht. Zumal, auch wenn ein paar Sekunden vergangen sind, bevor wir die Lichter anmachten, so war das doch nicht genug Zeit, um den Steg danach zu verlassen und wieder einzufahren.
Man kann ihn von alleine ein- und auch ausfahren und das sogar so leise, dass es in geringstem Gemurmel der Leute untergehen würden, nicht wahr, Herr Tanahi?“
Er sah ihm sehr direkt in die Augen, suchte nach der Reaktion auf das bisher angedeutete, was in der Luft lag.
„Äh, ja, die Technik ist da außergewöhnlich leise, damit es fast wie ein schweben wirkt und nicht so metallisch künstlich. Und ein Knopf zur Bedienung findet sich direkt beim Eingang auf den Pfad um die Blaue Ebene oben, an der wir vorbei gelaufen sind. Und davon haben wohl auch sehr viele Leute erfahren, nehme ich an.“ Er sah verängstigt zu Boden.
„Sie meinen den Stand auf der Ebene, der fast ständig besetzt war, an dem man sich zu dem Aquarium informieren konnte?“ Kommissar Yokomizo nahm Kogoro die Frage samt Tanahis Antwort ab.
„Das heißt, alle, die dort waren, haben sich zu dem Steg informieren können, richtig?“
Der Milliardär nickte nur stumm.
„Nun... diese Leute, und jemand wie Sie oder Herr Maehara, die ihn entwickelt haben!“, korrigierte Kogoro sachlich. Conan schaute unwillkürlich auf. 'Gut, Onkelchen. Aber hast du dafür Beweise?'
„Wie gesagt, der Steg konnte schon etwas früher aus- und eingefahren worden sein, während es langsam dunkler wurde und der Sack musste oberhalb der Mitte des Aquariums positioniert worden sein. Und dann wurde der Steg wieder entfernt, bevor Doktor Coldwell ins Wasser fiel.“
„W-Wie... ins Wasser fiel? Wie soll sie denn gefallen sein, nachdem der Steg entfernt wurde?“ Der Kommissar sah ihn verwirrt an, aber Kogoro schien sehr überzeugt zu wirken. Ein Aspekt, der aber meistens nichts Gutes bedeutete, wenn er nicht vorher seinen Tanz aufführte.
„Sehen Sie, Herr Kommissar – und Herr Tanahi wird mir jetzt sicher in allem zustimmen – Punkt eins, die Sachen, mit denen Doktor Coldwell gefesselt und ins Aquarium gestoßen wurde, die Seile, das Klebeband, der Sack, die Gewichte, das alles kann man eigentlich nicht rein schmuggeln auf dieses Schiff, auch wenn die Polizei sehr diskret war bei der Personenkontrolle. All das lässt sich aber aus den Lagerräumen dieses Schiffes oder dem Fittnessraum, zum Beispiel, entwenden.“
Zuerst nickte der Kommissar verwundert, dann Tanahi erschrocken.
„Daher also die Sachen?“
„Genau. Punkt zwei, auf der Höhe des Stegs, etwas über den Fenstern, befinden sich viele kleine Bullaugen, von denen eines, das genau am Quersteg, geöffnet war.“
Herr Tanahi musste eine Weile nachdenken, nickte dann aber verhalten.
„Also, dass da Bullaugen sind, stimmt, so soll normalerweise die Luftzufuhr geregelt werden, wenn die Fenster wegen Stürmen oder ähnlichem nicht geöffnet werden können. Zu dem offenen Bullauge kann ich nichts sagen, das ist mir nicht aufgefallen. Ihnen, Herr Kommissar?“
Der schüttelte auch nur bedenklich den Kopf, sah auch noch nicht wirklich den Gedanken Kogoros.
„Nun, es ist nicht vollkommen bedeutsam sich zu erinnern, Conan hat es gesehen und mittlerweile kann es vielleicht sogar schon geschlossen worden sein.
Punkt drei ist relevant. Es gibt noch über der Ebene des Stegs viele verwinkelte Stahlträger. Für die Scheinwerfer, die Vorhänge, den Steg, allein auch für die Statik der Decke, nehme ich an.“
Herr Tanahi nickte erneut, als ihm und dem Kommissar ein Licht aufging.
„Sie wurde... der Sack wurde an einem viel längeren Seil aufgehängt, über einen Träger oberhalb des Mittelpunktes des Aquariums gezogen und mit einem weiteren Gewicht am Bullauge fest gemacht!“ Yokomizos Ausführungen wurden von Kogoro stets mit einem Nicken untermalt.
„Aber wie... wie fiel sie denn dann ins Wasser?“
„Na, ist doch nicht schwer. Sehen sie sich das obere Ende des Seils an, dass Sie durchgeschnitten hatten. Es ist teilweise glatt durchgetrennt, aber am Rand noch ein wenig gerissen.
Fangen wir zur Erklärung am besten vorne an.
Der Täter hat gewartet, bis Doktor Coldwell ihr Zimmer verließ und sie von hinten abgefangen und mit Chloroform betäubt. Chloroform in der üblichen Dosis hält einen Menschen etwa für fünfzehn Minuten bewusstlos, das Timing ist dabei relativ wichtig, wenn auch nicht unbedingt notwendig. Der Täter packte sie in den Sack, in dem die restlichen Utensilien lagen und trug sie so hoch zum Steg. Es ist möglich, an der Rezeption ohne gesehen zu werden vorbei zur Treppe zu gelangen, von da an ist man sowieso außer Sicht. Oben, wo ihn keiner stören konnte, hat der Täter Doktor Coldwell gefesselt und so geknebelt, dass man nicht einmal ihre Stimme unter dem Klebeband vernehmen würde. Es wurde ja zur Show sehr ruhig und da wäre so ein unterdrückter Schrei sicher noch hörbar gewesen. Er hing sie wie beschrieben über dem Aquarium auf, indem er das Seil zunächst außerhalb des Bullauges an einem Gewicht befestigte, das lediglich nicht mehr ins Schiff hinein gelangen sollte, nicht unbedingt aber Doktor Coldwells Gewicht ausgleichen. Dieses Seil warf der Täter über einen der Träger, der genau an der Mitte des Aquariums vorbei lief und befestigte direkt auf dem Steg die noch bewusstlose Frau, bevor er sich davon entfernte.
Nachdem er den Steg eingefahren hatte, hing sie an dem angeritzten Seil direkt über dem Aquarium, allerdings war es da zu dunkel, um etwas sehen zu können.
Dann wachte sie auf. Immer noch benebelt vom Chloroform, gefesselt, geknebelt, in einem Sack, was hat sie wohl getan?“
Die Augen aller Anwesenden weiteten sich mit Entsetzen.
„Sie hat... verzweifelt versucht, sich zu bewegen... ist hin und her geschaukelt und hat dabei den nötigen Ruck erzeugt, um das Seil zum reißen zu bringen. Wie... grausam. Der Täter hat sie dazu gebracht, sich selbst ins Becken zu stürzen. Wäre sie ruhig geblieben...“
„Dann hätten wir sie noch eine ganze Weile nicht bemerkt und womöglich wäre dann das Seil von alleine gerissen. Sie fiel ins Wasser und das Seil verflüchtigte sich dank des anderen Gewichtes ins Meer und verschwand.
Nicht wahr, Herr Tanahi?!“ Kogoro wurde mit jedem Wort des letzten Satz lauter und fixierte den Schiffseigner nun mit den Augen und dem rechten Zeigefinger!
„Sie. Sie sind dieser Täter! Sie haben die Dunkelheit ausgenutzt. Sie kannten als einziges die Zimmernummer von Doktor Coldwell, Sie wussten als einziges über das Showprogramm Bescheid und Sie haben sich kurz vor der Show verzogen! Sie kannten die Lager des Schiffes!“
Der Angesprochene erblich bereits, als sich der Finger des Detektivs auf ihn richtete, wurde aber immer bleicher.
„Aber...Aber... Herr Mori, das muss ein Irrtum sein. Ich habe nichts dergleichen getan, glauben Sie mir! Als ich Doktor Coldwell in ihr Zimmer führte, war das doch zumindest noch ein Stück weit noch mit Leuten in der Nähe, die sich das Schiff ansahen. Die konnten alle ihr auf einem Punkt zwischen ihrem Zimmer und der Rezeption auflauern.
Und das Showprogramm hatte ich mit Doktor Coldwell und den anderen vor Monaten bereits geplant, das können Sie sie fragen, wenn sie aufwacht. Und dafür musste ich trotzdem immer wieder etwas neu koordinieren, das können Sie meine Mitarbeiter fragen.
Und zu den Lagerräumen wäre jeder gekommen mit ein bisschen Geschick. Sie sind nicht wirklich geschützt, weil sie ab der ersten Fahrt beim nächsten Mal rund um die Uhr besetzt sein werden.
Wirklich, da versucht jemand, mir die Sache in die Schuhe zu schieben. Wenn ich ein Problem mit Doktor Coldwell hätte, hätte ich sie doch nicht auf dieses Schiff eingeladen.“
„Vielleicht wollten Sie Rache, weil Sie Ihnen irgendwann mal etwas getan hatte und sahen das als perfekte Gelegenheit, damit niemand etwas bemerkt.“
„Aber... Aber Herr Mori! Wie Sie selbst sagten, kenne ich das Schiff in und auswendig. Soll ich da nichts besseres mir erdenken können, einen Menschen zu töten, als diesen Trick, der mich ganz offen an den Pranger stellt. Ich bitte Sie, glauben Sie mir, Sie irren sich.“
Kogoro war so in Braus, dass er nicht mal merkte, wie sich die Tür langsam öffnete.
„Dann kommen Sie doch mit, Herr Tanahi und lassen Sie uns sehen, wie es in den Lagerräumen aussieht. Dann werden wir wissen, wie sehr ich mich irre!“
„Das mit den Lagerräumen können Sie sich sparen, Herr Mori!“ Von hinten drang die tiefe, dunkle Stimme von Kommissar Yokomizo, dem älteren.
„J-Jugo? Wo kommst du denn nun her? Und wie siehst du aus? Und wer... wer ist das denn?“
Hinter dem Kommissar stand ein kleiner, korrekt gekleideter Mann im Anzug mit Krawatte, ein förmlich zum Notar geborener Brillenträger, der keinerlei Regung zeigte und wie der Kommissar grässliche Augenringe aufwies.
„Wir...“, wollte Jugo Yokomizo ansetzen, musste aber für ein kurzes gähnen unterbrechen.
„Es kam mir komisch vor, dass der Täter mit zwei Sorten Säuren hier im Schiff angekommen sein soll. Deswegen hab ich mir Herrn Yusuatu von der Schiffsverwaltung geschnappt und mit ihm die Apotheken und Drogerien einer Inventur unterzogen.“
„Guten Abend, Yusuatu mein Name!“, Ruhig, fast einschläfernd und sachlich präsentierte sich der Verwaltungsangestellte, bevor Kommissar Yokomizo weiter erklärte.
„Und tatsächlich fehlten ein paar Kapseln, aus denen man leicht eine gewisse Menge Blausäure herstellen konnte. Der Täter hatte also nur die Schwefelsäure bei sich. Daraufhin...“, erneut gähnte er, bevor er fortfuhr, „... haben wir zur Sicherheit die gesamten Lagerräume durchsucht.“
Die anderen schluckten schwer.
„Ihr habt in knapp drei Stunden eine vollständige Inventur der gesamten Schiffsladung durchgeführt???“
Sango Yokomizo blieb der Mund offen stehen.
„Was denkst du wohl, wovon ich Augenringe habe?! Aber wie mir scheint, war das auch nicht umsonst.“ Endlich sah er zu Doktor Coldwell.
„Geht es ihr gut?“
„Mhm... Sie schläft nur noch, hat ein bisschen Wasser geschluckt.“, meinte sein Bruder um Fassung ringend. Damit wandte sich der Kommissar auch schon wieder ab und blickte zu dem Stapel auf dem Nebentisch.
„Herr Yusuatu? Ich glaube, wir können unsere Suche abschließen.“
Der kleine Herr, der fast regungslos im Raum stand, holte die große Mappe unter seinem Arm hervor, blätterte einen dicken Stapel Notizseiten durch und blieb dann stehen.
„Nun, Herr Kommissar, also die Liste der Dinge, die aus den Lagerräumen entwendet wurden, haben wir hier.
Viel war es ja nicht...“, damit gab auch er ein Gähnen von sich.
„Haha!“, freute sich Mori und blickte triumphierend zu Herrn Tanahi.
„Glauben Sie mir doch, selbst wenn die von Ihnen genannten Dinge aus dem Lager stammten, ich war es nicht.“, flehte dieser ihm entgegen.
„Herr Yusuatu, was fehlt nun alles?“ Kogoro schien den Kommentar des bettelnden Mannes gar nicht wahr zu nehmen.
„Also! Die Kapseln nicht mit gerechnet.“ Erneut rückte er sich die Brille gerade.
„Aus dem Lager für kühl gehaltene Lebensmittel ist ein brauner Kartoffelsack, ungefähr ein bis zwei Kubikmeter Fassungsvolumen, verschwunden.“
Ein allgemeines Erleuchten ging durch die Runde, natürlich, daher kam ihnen der Sack so bekannt vor, ein typischer, nicht genetzter, sondern durchgängiger, Kartoffelsack!
„Den haben wir hier wohl.“, stellte Jugo Yokomizo fest und hob den Sack kurz an.
„Dann sind aus dem Fitnessbereich...“
„Vier Gewichte verschwunden!“, unterbrach ihn Kogoro siegessicher.
„Äh nein, drei.“, wurde er weniger sicher, aber sachlich, korrigiert. Alle schauten auf.
„Wie... drei?“, erkundigte sich Conan, noch bevor Kogoro seine Worte gefunden hatte.
„Na mal sehen!“ So ruhig wie er sprach begab sich Herr Yusuatu zum Tisch, der Kommissar zeigte ihm eine Platte nach der anderen, die er ohne sie anzufassen untersuchte und mit seinen Daten verglich.
„Nein, genau die drei, die fehlen. Perfekt.“, stellte der Notar zur Verwunderung der Anwesenden fest.
„Aber... aber wie... Sie haben noch irgend etwas anderes benutzt, Geben Sie es zu!“ Kogoro war außer sich, packte Tanahi am Kragen.
„Beruhigen Sie sich, Herr Mori, ich sagte doch, ich war es nicht, bitte!“ Die beiden Polizisten trennten sie schließlich, während Kogoro sich langsam wieder beruhigte.
„Das... das ist auch nur bedingt dafür wichtig, da kann man sonst was nehmen, was nicht im Lager ist.
Das entscheidende ist das fehlende Seil, das wohl mindestens... fünfzehn bis zwanzig Meter betragen dürfte, oder Herr Yusuatu?“
Der sah wieder in seine Liste, schaute ein wenig, dann zum Tisch mit den zerschnittenen Seilen, dann wider ins Buch.
„Also... laut unserer Inventur fehlen genau fünf Meter Seil. Und das dürfte das sein, das da liegt.“
Nun blieb allen der Mund offen stehen. Auch Conan war plötzlich vollkommen aus dem Konzept.
'Aber... wie hat dann der Täter bitte... Doktor Coldwell ins Wasser befördert? War die ganze Sache mit dem Fenster und dem Träger etwa eine Finte?'
„Und als letztes fehlt noch aus unserem Verpackungs- und Postservicelager Paketklebeband.“
„Schon klar!“, flaumte ihn Kogoro entnervt an. Ohne eine Erklärung, wie überhaupt Doktor Coldwell ins Wasser fiel, machte auch jedwede Anschuldigung keinen Sinn.
„Vermutlich hat der Täter die eine Rolle oder so, die er für den Knebel brauchte dann durchs offene Fenster ins Meer geworfen.“
Wenigsten ein bisschen Schadensbegrenzung an seiner Theorie betreiben.
„Äh... es waren aber drei Rollen, die verschwunden sind.“, stellte Herr Yusuatu nach dreimaligem kontrollieren seiner Unterlagen fest.
„Drei...drei Rollen Klebeband sind verschwunden?“
Der Schock saß tief bei den Anwesenden und auch Kommissar Jugo Yokomizo, der das länger schon wusste, hoffte wohl auf eine Erklärung durch die anderen.
Die blieb aus und so stand etwas im Raum fest, was ihnen mit einem Schlag die Blässe ins Gesicht trieb und einen Namen aus stummen Schreien formulierte.
'Natsuke Karasuma!'
In diesem Moment drang ein sehr eiliges Klopfen an die Tür, zu der sich zögerlich der jüngere Kommissar begab.
„Ah... hallo, die Rezeption meinte, Herr Tanahi sei hier?“, meldete sich ein leicht schwitziger, nervöser Mann im Offizoersuniform.
„Und Sie sind...?“, nörgelte ihm der Kommissar entgegen.
„Vizekapitän Yamonaga, was ist denn mit Ihnen?“ Tanahi hatte ihn an der Stimme erkannt und war auch zum Eingang gekommen.
„Herr Tanahi,... Kapitän Karasuma ist... verschwunden!“