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Pränataler Campingkocher

Every day is writing day
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Handelsübliche Philosophie (15.02.09)

Mit einer behäbigen Bewegung schwenkten sie in die Umlaufbahn ein.

In der Kabine rauschte es; Schneewehen trieben grau über das Bild und verzerrten es, ehe eine ziemlich hässliche, aufgeplusterte Federmaske zu sehen war, von der die Fetzen in allen Seiten abstanden.

"Zentrale bei Dsungaris! Wir haben das Schiff auf dem Radar! Was wollen Sie!"

Er atmete langsam aus und lehnte sich in seinem Sitz vor. Wie zwei bleiche Spinnen wanderten seine Hände vorwärts, so langsam, und die Finger legten sich auf die Tasten.

"Ich bin lizenzierter Händler und Spediteur, sende Ihnen meine Kennung... An Bord zwei Tonnen frisches Speisefett. Suche Abnehmer."

Die Maske reckte sich in die Kamera, aber in ihren dunklen Augenhöhlen war beim besten Willen nichts als Schatten zu erkennen.

"Haben Sie", rauschte es dann aus den vergitterten Boxen seines Terminals - dreihundert Jahre Blaupunkt DAFÜR? - und das Gefieder raschelte, "das auch in fettfrei?"

"Ähm", sagte er langsam, bedächtig kontemplierend, ob er sich verhört hatte, "nein."

"Übergewicht ist seit Anfang letzten Jahres laut Paragraph Sechshundertzehn Absatz E verboten!", schnarrte die Maske ihn an. Für den Moment hatte er das Gefühl, zwischen dem Federngewirr ein Auge am Stiel auszumachen. "Anstiftung zum Übergewicht wird mit nicht unter drei Stunden Flagellation bestraft. Danach können Weichlinge wie Sie froh sein, dass sie überhaupt noch leben!"

Großartig. Und warum hat mir das niemand gesagt?

Seufzend stützte er die Ellenbogen auf die Sessellehnen, lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander, seine Hände wenige Zentimeter über seinem Magen. Das war sicher wieder einer von Stions dummen Witzen gewesen. Als ob es so einfach wäre, den Überblick zu behalten bei diesen ganzen Systemen von Planeten, geschweige denn ihren Bewohnern. Da bewegte man seinen Arsch durch die halbe Galaxie, um nach dem Begleichen der Spritkosten noch ein wenig zum Leben über zu haben, und am Ende saß man dann stattdessen auf zwei Tonnen ranzigem Fett.

Na ja. Jetzt konnte er auch nichts mehr machen. Weshalb sich also den Kopf zerbrechen.

Er warf einen Blick auf die Tankschaltfläche. Für einen vollen Tank hätte er sich eine dritte Tonne Fett verladen lassen können, aber er lief ja schon fast auf dem Zahnfleisch, und er musste einen Abnehmer finden, damit die Verluste zumindest nicht ganz so hoch waren.

"Erbitte Betankung", murmelte er und tippte die Schaltfläche mit dem Finger an.

"Negativ! Keine Betankung für potentielle Täter. Welcher Philosophie gehören sie an?"

Er rollte vage mit den Augen. So ein Staat war das also.

In Zeiten der immer größeren Füllen an Informationen, die in einem immer kürzeren Zeitraum gemeistert werden mussten, hatte natürlich niemand mehr Zeit, um sich großartig einer Konfession zu widmen. Allein die Stunden, die man brauchte, um eine Bibel zu lesen, mussten bei der heutigen Arbeitsmarktwelt dringend produktiver angelegt werden. Damit aber in in diesen komplizierten Zeiten die spirituelle Assistenz nicht zu kurz kam, hatte man die Dinge gleichermaßen kondensiert - einfache Glaubensgrundsätze, sogenannte Philosophien, waren sehr verbreitet. Sie waren klein und einfach auswendig zu lernen, und ihre Auslegung bot Streitthema genug, um eine Entschuldigung zu haben, sich gegenseitig totzuschlagen, und darum ging es im Prinzip doch. Kurzum, sie hatten das Leben sehr viel einfacher gestaltet.

Er zuckte mit den Schultern.

"'Alles, was geschieht, geschieht'", zitierte er. Die Maske schüttelte sich vage. Ärger schlich sich in die schrille, missgestaltete Stimme, und sie wurde immer ungehaltener:

"Unbedingte Staatsphilosophie ist hier 'Aus dem Weg, ich bin stärker!'. Unterwerfen Sie sich oder verschwinden Sie!!"

Mit dem Aufkommen der Philosophien hatten sich auch neue soziale Fragestellungen ergeben. Philosophien wirkten einigend, und so mancher Trupp hatte sich nur auf Basis einer gemeinsamen Weltanschauung zusammengerauft, um einen neuen Einheitsstaat zu gründen, in dem das Vertreten dieser Philosophie selbstredend Pflicht war. Die einen nannten das kohärent, die anderen undemokratisch, und so gingen sie einander wieder an die Gurgel, was auch ursprünglicher Zweck der Sache gewesen war.

Er rollte mit den Augen und warf einen Blick auf die Navigation. Oorlong lag nahe, dort verlangten sie vermutlich nicht viel mehr, und vielleicht fand er in deren Hafen einen Händler, der ihm die zwei Tonnen Speisefett aus seinem Lager abnahmen.

"Drehe ab. SS Humblebee Ende."

Er knipste den Kommunikationskanal ab und schwenkte sich sorgfältig aus der Umlaufbahn.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dels
2009-02-21T11:56:37+00:00 21.02.2009 12:56
..und Johannes Paul ROTIERT in seiner Gruft.

Du spielst zuviel Spore xD
Auf der anderen Seite ist das Szenario natürlich sehr interessant, wenn man es auf den normalen Alltag anwenden würde.
Von:  Technomage
2009-02-20T04:39:04+00:00 20.02.2009 05:39
da frage ich mich natürlich, ob nicht Ethiken oder Moral treffender gewesen wäre, aber das steht wohl auf einem anderen Blatt.
Ich mag diese leicht adamsesken Zukunftsvisionen davon, was so alles im Laufe der Zeit im großen Stil passieren könnte, wie wenig es sich von heute unterscheidet und wie witzig das ist.
Außerdem ist "Aus dem Weg, ich bin stärker!" natürlich die größte philosophische Weiheit schlechthin. Nietzsche freut sich gerade 'nen Übermenschen, glaub ich ^^.


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