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Every day is writing day
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Lipophil (22.02.09)

Es waren immer die Nächte, in denen seine Brille scheinbar von selbst Schlieren bekam. Fetttapser. Lipophile Daumenlabyrinthe, weil er sich ständig selbst im Gesicht rumfummelte, wenn er nicht gerade Fingernägel kaute. Oder eben während er kaute und nicht wusste wohin mit den anderen Fingern.

Er wischte die Brille erneut am T-Shirt ab und als er sie wieder aufsetze, sah er die Welt durch einen Dunstschleier aus verstrichenem Fett. Wie ein Butterbrot vor Augen, dachte er und wollte am liebsten ins Glas beißen.

Seufzend stand er von der Couch auf und tappte auf den düsteren Flur hinaus in Bad, wo die Welt kurz in noch größere Unkenntlichkeit verschwamm, als er einen Schuss Spülmittel auf jedes Brillenglas träufelte und es unter fließendem Wasser abwusch. Er betrachtete den schwammigen Fleck seines Gesichts im Spiegel und versuchte aus den Schemen die grausigen Tatsachen zu erahnen, während er die Brille am Handtuch trocken rieb.

Die Bügel glitten über seine Ohren und er sah den geschärften Tatsachen ins Gesicht. Dunkle Wurzeln der Augenringe rankten über seine Lider, so deutlich, dass er fast das Alter der Pflanze daran ablesen wollte. Die Haare, obwohl kurz, lagen einfach so falsch in Strähnengeflechten über der Stirn, wie es bei so wenig Verfehlungsoptionen überhaupt denkbar war.

Er nahm die Brille wieder ab und steckte den Kopf kurzerhand unter den Wasserhahn; wartete bis er die Ansätze nasser Haarsträhnen beim Hinaufschielen sehen konnte. Wie Tangstreifen bei Blick aus einer Höhle am Meer.

Mit dem Handtuch rubbelte er sich hektisch einige Male über den Kopf, bis er es auf die Schulter sinken ließ. Er klaubte den fein linierten Fleck der Brille vom Waschbeckenrand und setzte sie auf, um sich erneut im Spiegel zu betrachten.

Wasserspritzer und das feine Geäst eines Fingerabdrucks. Zeigefinger vermutlich. Na klasse. Er nahm die Brille wieder ab und griff wieder nach dem Spülmittel.

Ob man die Schlechtigkeit eines Tages am Fettgehalt messen kann, fragte er sich. Die Pro-Ana-Fraktion würde sich mit wehenden Bannern zustimmen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  vanilla_quicksand
2011-03-14T11:35:52+00:00 14.03.2011 12:35
Pro-Ana.
Lipophile Daumenlabyrinthe.

Haaach. Diese Ausdrucksweise immer <3
Von:  Ito-chan
2009-07-28T18:10:06+00:00 28.07.2009 20:10
Herzlichen Glückwunsch ^^
Du hast eine wunderbare Inhalts- Titelrelation hergestellt. Du hast jemanden, der unzufrieden mit seinem selbst ist, wirklich gut hinbekommen. Die Erwähnung pro Annas hat mich übrigens etwas überrascht, da diese Organisation zwar viele Anhänger/innen hat, aber doch zumeist ignoriert wird. Herzlichen Glückwunsch, du hast auf das Problem indirekt hingewiesen.
Von:  kumquat
2009-02-26T22:55:01+00:00 26.02.2009 23:55
Sicher, dass du mich nicht seit einigen Jahren unfreiwillig durch irgendeine Reality-Show beobachtest? Damit kann ich mich komplett identifizieren. Alles schon gemacht, durchaus auch in dieser Reihenfolge. (Der Hahn in der Küche ist ausnehmend bequem, um den Kopf drunterzuschieben.) Und zum Frisör müsst ich auch mal wieder.
...
Ich mag diese nächtliche Atmosphäre, um mal was Konstruktives gesagt zu haben, und die Fettlabyrinthe.
Gah! Ich muss meine Brille putzen. :<


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