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Fensterschreiben

Every day is writing day
von

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Fokalisierung

Sie war schon da, als Er die Wohnung betrat. Er fand sie im Speicherzimmer. Sie stritten sich. Sie ging.
 

Er kam spät nach Hause. Noch bevor die Tür ins Schloss gefallen war, sah er ihre Schuhe im Flur stehen. Er legte ab und durchstreifte die dunklen Räume, bis er sie im Speicherzimmer am Fenster stehend fand. Sie blickte in die Dunkelheit hinaus.

„Wenn sie je den großen Orbitallift bauen, um uns zu den längst vergangenen Sternen hinaus zu tragen, dann werden sie deinen Blick als Leuchtfeuer von Planet Erde verwenden, da er noch durch Myriaden Galaxien und kosmischen Staub hindurch die Dinge unverklärt durchdringen würde.“ Er blieb in der Mitte des dunklen Raums stehen. Sie drehte sich um und ihre rechte Gesichtshälfte wurde von Laternenlicht beschienen. Sie sah müde aus.

„Dieses Mal wird es nicht zu einer Geschichte. So einfach ist es nicht mehr“, stellte sie ruhig fest.

„Ich könnte dich auch einfach auffordern zu gehen“, entgegnete er ebenso bestimmt.

„Ich bin hier zu Hause.“

„Aber es ist nicht dein Zuhause.“

„In dieser Wohnung lebt noch genug von mir, um weiterhin ein- und auszugehen.“

„Das ist keine philosophische Grundsatzdiskussion. Meine Wohnung. Meine Entscheidung.“ Seine Stimme erhob sich nur ein wenig.

„So einfach?“ Sie machte wenige Schritte, bis sie ihm gegenüber stand.

„So einfach.“ Er streckte die leere Hand aus. „Dein Schlüssel.“

„Wie ungewöhnlich“, murmelte sie im Vorbeigehen. Sie warf den Schlüssel an das andere Ende des Raums. Klirrend prallte er von einer Fensterscheibe ab und fiel zu Boden.

Die Tür zum Speicherzimmer knallte hinter ihr zu und kurze Zeit später die Wohnungstür. Nachdem er einige Minuten im stillen Zimmer gestanden hatte, setzte er sich auf die Couch und legte den Kopf in den Nacken.

„Wie ungewohnt. In der Tat“, redete er in den leeren Raum hinein. Draußen heulte ein Motor auf und das Scheinwerferlicht eines Autos streifte durch die Fenster, als der Wagen die Straße verließ.

„Fuck. Das Miststück hat meinen Wagen kurzgeschlossen“, fügte er im selben Tonfall an.
 

Die Sonne war oft aus. Wie immer, wenn er es bis nach Hause geschafft hatte. Er sah sie schon von den Fenstern in die Sterne spähen als die Pfütze Schmelzwasser um die Sohlen in das Parkett sickerten. Kurz danach bemerkte er ihre dazugehörigen Stiefel. Er sickerte durch die matte Leere, zielstrebig und unentschlossen wie Wasser auf Umwegen zum Meer. Bilder von ihr schwammen in den Pfannen in der Küche und auf den Stühlen und den Kissen auf dem Fußboden und vor seinen Augen. Nachbilder. Sterne. Wir sehen nur ihre alten Fotografien, aber haben keinen Einblick in ihre Gegenwart.

Ich.

Nicht wir.

Ihr Blick war für ihn dicht und schwer wie Gespräche unter der Bettdecke zur Stunde der Wölfe und 'das beste Buch, das er je gelesen hatte'-weit entfernt auf den Weltraum in ihren Gedanken gerichtet. Sie blickte ihn mit schwarzem und weißen Gesicht an wie der verzweiflte Clown, der sie war. Schiefes Grinsen, halbe Wahrheit.

Er sprach. Sie antwortete.

Verwandle deine Angst in Fiktion. Abstrahiere deine Probleme zu einer Theorie.

Wir habe Gründe zu vermuten, dass unsagbare Kraft in Zeichen und Worten liegt und sind bereit mit Vorschlaghammer und Nagelpfeile auf jedes Anzeichen loszugehen, dass es wagt seinen Kopf aus dem Whack-a-mole-Automaten des Lebens zu strecken.

Nicht wir.

Ich.

Ihr Schlüssel schlug in das Fenster zum Hof ein wie keine Sternschuppe und es blieb heile, während sie in die Welt nach Draußen ging.

Er lachte sich innerlich eine Hyäne als die Lichtkegel seiner Wagen das Fenster verließen und nur die Sterne übrigblieben. Er dachte an ihre erste Begegnung, wenn er auch nur eine Tasche mit Pfandflaschen von der Rückbank nahm. Überlagerung. Nachbilder. Momentaufnahmen. Gott sei Dank hatte sie den Wagen geklaut.
 

Lange nachdem sie voneinander getrennt befanden nicht mehr zusammen zu gehören und kurz nach einer theatralisch wertvollen Trennung, stahl sie den Wagen, mit dem ihr gemeinsames Leben begann, um die Beziehung mit einer Identität von Anfang und Ende abzuschließen, die ihm – ihrer Vermutung nach – gefallen hätte und ihn nachdrücklich faszinierte.



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