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Auf und ab

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- Eleven -

Ohnmächtig vor Wut raste ich durch Konoha, in welchem sich nun wieder mein bester Freund unter den Lebenden befand, allerdings mir eine Information vorenthielt, nach der ich seit dem Beginn meines neuen Lebens nach der Clanermordung suchte. Ich konnte und wollte auch nicht verstehen, warum ausgerechnet Naruto es war, der mir nicht sagte, warum mein Bruder mir alles hatte nehmen müssen, was mir lieb und teuer gewesen war. Meine Familie, meine Freunde, mein Halt im Leben.

Er hatte mir alles genommen!

Mein Leben zerstört!

Mich zu einem Dasein verpflichtet, das ich nicht ertragen konnte! Das mich mehr vernichtete als mein verloren gegangenes Familienleben!

Naruto wusste darum, er kannte meinen Schmerz, meine Suche nach Antworten, die ich selbst nach Itachis Scheintod nicht hatte aufgeben können.

Diese große Frage nach dem `Warum?´.

Und er, Naruto, enthielt mir meine Antworten vor. Er hatte es hautnah miterlebt! Mich davon kuriert, oberflächlich.

Nun, da er mir in den Rücken fiel, fühlte ich mich ohnmächtig vor Wut. Sie zerfraß mich wie eine Krankheit von innen heraus und hatte sich schließlich darin geäußert, dass ich den Mann angriff, der mein langjähriger Begleiter war und gerade seinen Sohn auf dem Arm gehalten hatte. Um den ich mich gekümmert hatte, während er nicht konnte! Weil er meinen Bruder über sechs Monate um sich hatte!

Verdammt nochmal!

Ich setzte mich schnaubend auf eine der Mauern, die Konoha umgaben und sah in den dichten Wald, in denen sich das Gefängnis befand, welches meinen Bruder beherbergte. Da ich kein ANBU war, konnte ich auch nicht wissen, wo genau dieses lag, sodass ich persönlich Itachi hätte aufsuchen können. Vielleicht war das auch sein einziger Schutz vor mir, meine Unwissenheit.

Ich knirschte zornig mit den Zähnen.

Meine Unwissenheit war einzig und allein doch die Ursache für all den Schmerz, den ich hatte ertragen müssen. Meine Unwissenheit über den Familienmord, über die Flucht meines Bruders, ja, selbst über seine Tochter wusste ich nichts! Ich kannte nicht einmal seine Position zu mir. Ob er mich nun hasste, ob er es früher schon getan hatte oder ich ihm einen Anlass dafür geboten hatte?

Und auch die Frage, warum er ausgerechnet mich am Leben gelassen hatte, spukte mir unaufhörlich im Kopf herum.

Naruto wusste die Antwort.

Er wollte sie mir nicht geben, weil irgendein Versprechen an einen Nuke-Nin ihn davon abhielt!

Wenn er nicht redete, würde Itachi so oder so sterben, was machte es da noch, ob er mir erzählte, was tatsächlich passiert war?! Möglicherweise rettete es sogar sein Leben.

Nein…

Eher unwahrscheinlich.

Dafür hatte er sich zu schuldig gemacht in seinem Leben als Schwerverbrecher.

Ein Gewalttäter, Mörder und Folterer.

Ein Künstler der Pein.

Gott, wie ich ihn hasste.

Und ich liebte ihn. Wie einen Bruder. Wie man den letzten Rest an Familie noch lieben konnte.

Doch er hatte mich im Stich gelassen.

Wieder einmal war ich im Stich gelassen worden. Von Naruto.

Und der Zorn brodelte tiefer in mir, fraß sich in jede einzelne meiner Zellen, die ich noch vor ihm hatte retten können in den vergangenen Jahren. Die Undankbarkeit ob meiner Hilfe für Naruto, das Missachten unserer Freundschaft, unserer neu gewonnenen Zukunftspläne ließ mich die Verachtung und Bitterkeit willkommen heißen.
 


 


 

Tage vergingen und ich besuchte meinen besten Freund nicht ein einziges Mal. Mein Zimmer in der Wohnung des Paares hatte ich geräumt um mich stattdessen wieder einmal in dem viel zu großen Uchiha-Viertel einzunisten. Meine Nichte hatte ihr Lager in der Zelle ihres Vaters eingerichtet um bei diesem zu bleiben, wie mir Tsunade berichtete, als sie mich zu sich in den Hokage-Turm rief.

Das sollte mir nur allzu recht sein, wie ich für mich befand, denn so musste ich mich nicht um sie kümmern.

Generell wollte ich eigentlich nur noch meine Ruhe haben, ehe ich mich wieder auf Missionen einstellen konnte. Oder bis mein Bruder von mir aufgesucht werden durfte.

Eine Woche verging und meine Anträge, dass ich das einzige ältere Familienmitglied besuchen dufte, wurden mit einer Ablehnung seitens Tsunade weggefegt, dass es Itachi nicht gut ginge nach dem Koma und ich ihm trotz seines Verbrecherdaseins die Erholung gönnen sollte. Stattdessen riet sie mir, dass ich nach Naruto sehen sollte, da dieser sich fortwährend nach mir erkundigte. Ich jedoch ignorierte diese Vorschläge vollkommen, wollte Naruto doch nicht einsehen, dass es für mich wichtig war zu erfahren, was meinen Bruder so weit getrieben hatte, und ob man ihm vor dem retten konnte, was ihm bevorstand. Schließlich folgte bei jedem Nuke-Nin, der gefasst wurde, die Hinrichtung gleich auf dem Fuße.

Auch Ibiki, Tsunades Verhörspezialist, durfte nur bedingt zu dem Uchiha durch um ihn zu befragen. Und so, wie ich gehört hatte, verhielt sich Itachi still und verschlossen, geradezu apathisch, da er nicht einmal reagierte, wenn jemand anders als seine Tochter ihn ansprach. Er tat nichts, was ihm vor dem Beil retten würde, welches ihm sauber und ordentlich den Kopf vom Rumpf trennen würde.

Sein Begleiter Kisame verhielt sich ebenso ruhig, was mich skeptisch werden ließ, ob ihr Verhalten bei einer Ergreifung nicht abgesprochen war.

Als jedoch nach über zehn Tagen des Wartens endlich Tsunade nachgab und mir einen ANBU zur Seite stellte, der mich zu dem Gefängnis führen sollte, war ich merkwürdig angespannt und aufgeregt. Ich würde meinem Bruder zum ersten Mal nach dessen vorgetäuschten Tod gegenüber stehen und ihn nach Gründen fragen können.

Ich hatte sogar alle Zeit der Welt dafür erhalten.

Besser konnte es doch gar nicht für mich kommen.

Der ANBU brachte mich zu einer Zelle, die weit hinab in der Erde vergraben lag und durch mehrere Türen derart verschlossen war, dass ein Ausbruch Tage in Anspruch genommen hätte, selbst wenn Itachi noch so gut war. Auch die Tür, hinter der sich der kleine Raum befand, den man ihm als Arrestzelle zur Verfügung gestellte hatte, war gesichert durch komplizierte Bannsprüche, die sicherstellen sollten, dass jemand Unerwünschtes hinein oder hinaus gelangen konnte.

Meine Befürchtungen, dass Itachi unbemerkt hätte entkommen können, lösten sich in Luft auf und ich trat durch die schwere Gittertür.

Was mich empfing war ein trostloser Raum, der kaum größer war als eine Besenkammer, und auch nur mit dem notwendigsten eingerichtet war. Das Bett, auf dem meine kleine Nichte saß, nahm einen Großteil der knapp sieben Quadratmeter ein. Mikoto war es auch, die aufsprang und mir mit einem Lächeln entgegen kam und mir mit ihren Armen verdeutlichte, dass sie gerne eine Umarmung hätte, die ich ihr auch gerne gewährte.

Egal, ob sie Itachis Tochter war, sie hatte sich nach nur kürzester Zeit durch ihre unaufdringliche Art bei mir beliebt gemacht, sodass ich sie gerne hochnahm und einmal kurz drückte, ehe ich sie mit dem ANBU nach oben schickte. Schließlich brauchte so ein kleines Kind mehr als nur die gefilterte Luft, die durch die abgesicherten dünnen Lüftungsrohre hier hinein drang, und auch ein wenig Bewegung konnte ihr gewiss nicht schaden.

Als ich sicher war, dass Mikoto schon längst an der Oberfläche war, wandte ich mich der Person zu, die wohl die wichtigste in meinem Leben war.

Itachi hatte an der Wand gelehnt, da seine Tochter das Bett für sich beansprucht hatte, doch nachdem sie verschwunden war, hatte er diesen Platz geräumt und sich mit seinen blinden Augen auf das weiche Polster sinken lassen, als wüsste er, dass ich mich nie im Leben gesetzt hätte, sondern eher Platz brauchte um herum zu laufen oder mich anzulehnen. Irgendwie wusste er trotz all der vergangenen Zeit immer noch, wie ich mich fühlte und was ich dachte, und das ärgerte mich zutiefst, da ich mich in ihn nicht mal für eine Sekunde hineinversetzen konnte.

Tat er dies nun, weil er Rücksicht auf mich nahm? Weil er mich verstand? Oder weil er nicht mehr länger stehen konnte? Tat er überhaupt jemals etwas nicht aus einem egoistischen Gefühl heraus?

Diese Person vor mir war mir gänzlich unbekannt.

Selbst vor Jahren schon, wie ich bitter erkennen musste, hatte ich ihn nie verstanden.

Doch wie er selbst auf einem Bett sitzend, blind, in Handschellen, so viel Würde ausstrahlen konnte, war mir ein Rätsel.

Und auch nur am Rande bemerkte ich, dass sein Untergewicht zumindest teilweise verschwunden war, dass er gesünder aussah als zu dem Zeitpunkt, als er wieder erwacht war.

„Ich hatte mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest.“ Sagte Itachi leise und seine Stimme holte mich aus meiner gedanklichen Versenkung zurück. „Ich denke mir, dass du einen Kunai irgendwie hier hinein geschmuggelt hast, oder willst du mich mit deinen Sharingan umbringen? Diesmal das beenden, was du vor sechs Monaten begonnen hast?“

Seine Vorwürfe trafen mich tief, schließlich hatte ich mit eben diesen Gedanken schon abgeschlossen, als ich ihn gefunden hatte. Ich hätte ihn von da an jeden Augenblick umbringen können. Jederzeit, denn er hätte sich nicht wehren können. Und besiegt hatte ich ihn schon, also brauchte ich darauf keine Rücksicht nehmen.

Oder?

Sein Lächeln entwaffnete mich und ich spürte den Zorn wieder in mir aufbrodeln. Seine geöffneten Augen starrten mich an ohne mich zu fokussieren, doch noch immer erkannte ich in ihnen den gleichen Schalk, denselben lehrsamen, spöttischen Blick, den er mir zugeworfen hatte, als ich noch ein Kind gewesen war.

Ich knurrte wütend und packte ihn am Kragen seines verschlissenen Oberteiles. „Du hast mich gewinnen lassen, du Bastard!“ Die Erkenntnis durchflutete mich wie eine Welle an Bitterkeit. „Warum Itachi?! Warum hast du das getan?!“

Sein Lachen erschütterte mich mehr, als wenn er mich geschlagen hätte. Seine eiskalten Finger schlossen sich um meine Handgelenke, damit ich ihn loslassen sollte und als ich dies nicht augenblicklich tat, drückte er sie mit Gewalt von ihm weg. „Du bist so dumm, Sasuke. Es ist ein Wunder, dass du in den vergangenen Jahren überlebt hast mit deiner Naivität.“

„Wie kannst ausgerechnet du so etwas zu mir sagen?!“

„WAS SOLL ICH DENN SONST ZU DIR SAGEN, DU DUMMER HORNOCHSE?!“ Seine laute Stimme ließ mich zusammenzucken und nach hinten taumeln, bis ich mit dem Rücken an der Wand stand. Nie dass ich mich erinnern konnte hatte ich Itachi jemals wütend erlebt so wie nun. Sein Gesicht hatte sich in eine grimmige Maske verwandelt, eingetaucht in bitteres Unverständnis über mich. Ich hatte auch nie erlebt, dass er mich angeschrien hatte. Er war generell nie lauter geworden.

Nie.

Umso erschrockener war ich auch vor ihm.

Allerdings hatte er wohl noch nicht alles von sich gegeben.

„Du hast gar nicht verdient, was du erhalten hast. Nicht ein Tropfen deines Blutes sollte sich Uchiha schimpfen dürfen. Du bist die Schande für unseren Clan, nicht ich.“

Wie versteinert blieb ich in meiner Position und starrte ihn an, die Augen weit aufgerissen.

Aber es war so, als hätte er gerade erst damit begonnen sich Luft zu machen.

„Du hast ein Leben! Herrgott nochmal, bedeutet dir dieses denn überhaupt nichts, dass du es für deine Rache wegwirfst und völlig vergisst, dass du auch an deinem Umkreis arbeiten musst?! Hast du denn gar nichts gelernt, nie zugehört, wenn ich dir gesagt habe, wie wichtig Freunde und Verwandte sind?! DENKST DU ICH HABE DAS ZUM SPASS GEMACHT?!!“

Ich schluckte und schüttelte wie ein kleines Kind starr vor Angst den Kopf um zu verhindern, dass er noch wütender wurde. Wieso fühlte ich mich wie ein Kind, das von seinen Eltern gescholten wurde?

Die Hände, die sich in mein Oberteil verkrallt hatten, entließen mich aus ihrem Griff und Itachi setzte sich zurück auf das Bett hinter sich und strich sich das lange schwarze Haar aus dem Gesicht.

„Entschuldige.“ Die Stimme, die mich vorher angeschrien hatte, klang nun matt und schwach. Sein gerader Rücken, der vor keiner Gefahr sich beugte und seinen Stolz ausdrückte, krümmte sich, als wäre ihm bewusst geworden, wie alt er wirklich war. Für eine erschreckende Sekunde sah er tatsächlich uralt aus, geplagt von Pflichten, die seine Schultern niederdrückten.

„Ich müsste schon dankbar dafür sein, dass du Mikoto nicht zusehen lässt, wenn du mich tötest.“

Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und seine Augen glitten zu mir hinüber, ewig erstarrte Sharingan. „Kann ich dich… trotz unserer schwierigen Vergangenheit um etwas bitten, ehe du es zu Ende bringst?“

Mein erstarrtes Schweigen war ihm wohl Antwort genug.

„Kümmere dich bitte um meine Tochter, ja?“

Ich schluckte und schüttelte langsam den Kopf.

Der Kunai, den ich in meiner Hand gehalten hatte ohne es zu wissen, fiel auf den harten Steinboden, schepperte laut in der undurchdringlichen Stille dieses Raumes.

„Ich will dich nicht töten.“
 


 


 


 

Wieder einmal vergingen Tage, an denen ich kaum mitbekam, wie schnell sie an mir vorüberzogen. Ich dachte über die Worte nach, die Itachi mir auf den Weg gegeben hatte und die mir keine Ruhe ließen, egal ob es nun Tag oder Nacht war.

Es war abzusehen gewesen, dass Itachi darum bat, dass ich mich seiner Tochter annahm. Das hätte ich an seiner Stelle wahrscheinlich auch getan. Schließlich war sie wohl die einzige Person, die ihm noch wirklich nahe ging. Auch wenn es bitter für mich klang und ich mir wünschte, dass er mir auch, wenn nur ein paar kleine Worte der Zuneigung entgegen gebracht hätte. Ich musste mich an die einst so liebevollen Gespräche erinnern, doch heute wusste ich nicht mehr, ob er sie nur aus Pflicht führte um abschätzen zu können, welches Potenzial ich in mir trug, oder ob er mich tatsächlich als Bruder liebte.

Es würde mir wohl ein Rätsel bleiben, denn ich konnte nicht mehr wie früher behaupten, dass Itachi nicht in der Lage war zu fühlen, denn er liebte dieses Mädchen, seine Mikoto, die er nach unserer Mutter benannt hatte, abgöttisch. Seine vorderste Sorge betraf immer nur sie.

Aber war das so verwunderlich?

Nein, wenn ich ehrlich zu mir war.

Ich liebte Yukiko auch, obwohl ich nur wenige Monate ihn rund um die Uhr um mich hatte, und doch hatten mich diese Momente gelehrt, dass ein junges Leben, besonders, wenn es ein eigenes Kind war, den eigenen Beschützerinstinkt hervorrief und für Liebe gegenüber dem jungen Geschöpf garantierte. Selbstverständlich gab es auch für diese Regel Ausnahmen, doch mein Bruder zählte scheinbar nicht dazu.

Er liebte seine Tochter.

Und auch wenn er mich nicht liebte, dann war ich doch nicht eifersüchtig, sondern erleichtert darüber, dass er in der Lage war Zuneigung zu empfinden. Es machte ihn menschlich…

Und genau so wie ein Mensch war er wütend auf mich gewesen, hatte mich beschimpft und mich indirekt aus dem Loch alias Gefängnis getrieben. Seine Art hatte mich entsetzt, seine Worte noch mir, da ich den Sinn nicht erkannte.

Er selbst hatte mir eingeimpft, dass ich mich rächen sollte, dass ich alles darum geben müsste, stärker zu werden um ihn eines Tages herauszufordern. Er hatte niemals davon gesprochen, dass ich lieber seine Worte ignorieren und leben sollte wie andere Kinder meines Alters, was mir durch ihn schon nicht ermöglicht wurde. Andere Kinder, mit Ausnahme von Naruto, hatten Eltern, Familie, liebende Verwandte, und er hatte sie umgebracht. Eiskalt.

Er hatte mir vorgelebt wie ein Shinobi zu sein hatte.

Eiskalt, emotionslos, diszipliniert.

Ich hatte ihn nachgeahmt, seine Denkweise übernommen, dass man nur alleine am Stärksten war.

Vielleicht hatte er das früher sogar selber geglaubt.

Aber heute war es falsch gewesen.

Ich hatte ihn enttäuscht und er hatte mich aufgegeben als Uchiha. Als sein Bruder.

Der Gedanke ließ mich nicht los und ich lag endlose Stunden wach, in denen sich eine unfüllbare Leere in mir ausbreitete.

Wie hatte es nur so weit kommen können?

Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort fand.
 

Wäre Naruto nicht eines Tages an meiner Tür vorbeigekommen –rein zufällig wie er behauptete- hätte ich wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dass seit dem Besuch bei meinem Bruder schon eine Woche vergangen war. Mein bester Freund klingelte mich –bewusst, wie ich vermutete- um sechs Uhr in der Früh aus dem Bett heraus und überraschte mich damit, dass er einen voll gepackten Rucksack mit sich trug. Mein verdutztes Gesicht sprach wohl Bände, denn ich wusste zum Ersten nicht, was er von mir wollte, zum Zweiten nicht, wie er es wieder einmal geschafft hatte derartig schnell zu heilen und wieder an Muskelmasse zuzulegen, auch wenn es an sein Durchschnittsmaß noch nicht herankam, und zum Dritten wusste ich ebenso wenig, was er mit dem Rucksack wollte.

Naruto grinste flegelhaft und schob meinen verpennten Körper einfach bei Seite, ehe er bis in die Küche ging und sich dort an den Tisch setzte, als wäre dies schon immer sein Stammplatz gewesen.

Ich trottete ihm langsam hinterher, als wäre ich noch in Trance und betrachtete Naruto ausführlich, der selig vor sich hin grinste, als hätte er nicht erwarten können mich zu belästigen.

Wahrscheinlich traf das sogar zu.

„Morgen Sasuke!“ Und es ging schon los. Ich überlegte einen kurzen Augenblick lang, ob ich einfach meine Ohren auf Durchzug schalten sollte, doch entschied mich dagegen. „Da staunst du nicht wahr, dass ich hier sitze?!“ Sein Grinsen reichte fast bis hinter den Kopf herum. Unheimlich. Wirklich unheimlich.

Mein vages Nicken deutend quatschte er einfach drauf los und ich entschloss mich, meinen Kühlschrank zu plündern und mich zu ihm zu setzen. Es würde schon für uns beide reichen.

„Kyuubi ist wirklich praktisch, wie du dir vorstellen kannst. Kaum war ich wach, da hat er angefangen meine Zellen zu heilen und den ganzen Quatsch.“ Quatsch? Ach ja, sein Körper… Oh man, womit hatte ich diesen Vollidioten verdient? Brot und Wurst hinstellend, sowie Kaffee und heiße Milch für Naruto, setzte ich mich ihm gegenüber und vergaß völlig, dass ich eigentlich noch sauer auf ihn war. „Und Sakura hat mit mir trainiert, wenn Tsunade es erlaubt hat, und wir haben natürlich sehr viel Zeit mit Yukiko verbracht. Übrigens danke für deine Hilfe!“ Er umarmte mich so schnell, dass ich nicht einmal die Chance bekam zu reagieren, denn schon saß er wieder auf seinem Platz und schien meine Verschwiegenheit voll auszunutzen. „Na ja, jetzt bin ich Sakura wohl wieder einmal zu lange auf den Senkel gegangen, da musste ich dann bei dir vorbeisehen, da du ja einfach nicht mehr aufgetaucht bist.“ War das ein versteckter Vorwurf? Ich entschloss mich dazu, ihn zu ignorieren. „Und nun hab ich mir überlegt, dass wir ein paar Tage trainieren gehen. Nur wir zwei. Wir haben so viel nachzuholen.“

Ich glaubte meinen Einsatz verpasst zu haben.

Bitte was?

Trainieren?

Jetzt?

Ne.

Garantiert nicht.

Dafür hatte ich noch zu viele Löcher im Kopf.

Aber wie ich mein Glück kannte… würde Naruto mir eh keine andere Wahl lassen.
 


 

Und meine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Kaum hatte ich den Mund aufgemacht um zu protestieren, da ging ein Geschwader an Argumenten und ziel- sowie haltlosen Gerüchten und Vorwürfen auf mich nieder, dass mir Stunden danach noch die Ohren klingelten.

Nun lief ein glücklicher Naruto vor mir her und summte leise vor sich hin, mit Gott und der Welt zufrieden. Einmal das Rundumsorglospaket.

Und ich musste ihn für zwei Tage ertragen. Minimum, wie er mir mitgeteilt hatte, ehe er –dreist wie er war- in mein Zimmer gegangen war, mir Kleidung in die Hand gegeben hatte, damit ich mich duschen gehen sollte und meinen Rucksack für Missionen gerüstet hatte.

Eigentlich hätte diese Selbstverständlichkeit seiner Handlungen mich zur Weißglut treiben müssen, aber ich konnte ihn auch nicht einfach so hinauswerfen, wie ich es früher gern getan hatte. Es hatte sich etwas geändert zwischen uns.

Und so kam es, dass ich hinter ihm herging, einen Großteil der Ausrüstung wie normal tragend, und sein Geplapper dafür sorgte, dass ich mir nach nur kürzester Zeit wünschte, dass ich mit Kakashi oder Jiraiya bis in die Unendlichkeit eingesperrt werden würde.

Nach über einem halben Tagesmarsch schlug Naruto vor, das Lager an einer strategisch günstigen Stelle in der Nähe eines Sees zu errichten und zuerst nur zu meditieren, ehe es mit dem Training losgehen sollte. Ich war derart geschockt, dass ich kaum wusste, ob dies tatsächlich Naruto war, der mir gegenüber stand und seine Beine kräftig ausschüttelte.

„Meditieren?“ Fragte ich daher nach und bekam nur ein entschuldigendes Schmunzeln zurück.

„Itachi hat mir gezeigt, wie sinnvoll es ist. Man kann sein Chakra viel besser konzentrieren und es damit verstärken.“ Kam es zurück und der Blondschopf setzte sich an das Ufer des dunkel schimmernden Sees. Seine azurblauen Augen leuchteten mir noch entgegen, ehe er in nur wenigen Sekunden so weit versunken war, dass selbst ich ihn nicht mehr hätte einholen können.

Ich setzte mich neben ihn und versuchte, ebenso in die Stille meiner Seele zu gelangen, doch es funktionierte nicht, da ich immer noch von Naruto abgelenkt war.

Ich hatte immer gewusst, dass Naruto ein seltsamer Kauz war, seinem späteren Lehrmeister Jiraiya in vielem allzu ähnlich, doch mit dieser neuen Eigenschaft hatte er mich doch komplett überrascht. Ich hätte nie von ihm erwartet, dass er auch ruhig sein konnte, die Vorzüge in dem stundenlangen Stillstand aller Bewegungen und Gedanken erkannte, doch anscheinend hatte Itachi ihm tatsächlich in den vergangenen sechs Monate viel beigebracht.

Als er einige Stunden später wieder auftauchte, war ich immer noch in Gedanken versunken und hatte nicht das erreicht, was ich wollte. Daher gab ich es auf und wir suchten uns eine gute Stelle um dem zu frönen, was wir beide am liebsten taten.

Trainieren.
 


 


 

Als wir abends schwer atmend unser Lager erreichten war ich vollkommen davon überzeugt, dass Narutos Potenzial um ein vielfaches zugenommen hatte trotz seines Komas. Er hatte gelernt das Chakra des Fuchses kontrolliert zum Angriff zu nutzen –ich war mir sicher, dass Itachis Wissen über diesen Dämonen ihm geholfen hatte- und so hatte Naruto mich mehr als einmal getroffen und es mir richtig schwer gemacht.

Er war kein Kind mehr, aber das Training hatte trotz alledem noch Spaß gemacht. Allerdings gab es wohl keine Stelle an meinem Körper, die mir nicht weh tat.

Wenigstens ging es Naruto kein Stück besser, als er sich völlig erledigt auf seinen Schlafsack legte und mir die Zubereitung des Abendessens überließ.

Typisch.

„Sag mal, Sasuke.“ Begann er und hatte damit meine volle Aufmerksamkeit für sich. „Warum bist du eigentlich mitgekommen? Ich dachte, dass du zu sauer auf mich bist.“

Ich schwieg einen Moment und dachte nach. „Baka, ich mag zwar sauer sein, aber es hätte dir doch nichts ausgemacht.“ Scherzte ich leicht, wurde aber schlagartig wieder ernst. „Es … Ich habe dich in den letzten sechs Monaten vermisst. Ich wusste, dass du, da du jetzt noch Yukiko und Sakura hast, nicht mehr so viel Zeit für mich opfern wirst. Außerdem…“ Ich berichtete ihm von meiner Begegnung mit Itachi und er nickte mehrmals, ehe er sich komplett zu mir herumdrehte.

„Ich glaube, Itachi hat Recht.“ Sprach Naruto leise und sah mir dabei zu, wie ich das Wasser erhitzte. „Er wollte dir mit den Worten zeigen, dass du nicht immer daran denken solltest, was es bedeutet, ein Uchiha zu sein, sondern einfach nur zu leben. Erst dadurch, dass du dich von den Traditionen löst und deinen eigenen Weg löst um neue Möglichkeiten zu schaffen, nicht mehr in engen Mauern lebst, die du dir selbst gebaut hast, erst dadurch wirst du frei und kannst eine ganz neue Bedeutung des Namens Uchiha erstellen. Das war es wohl, was er sich von dir gewünscht hat, was er von dir erwartete, denn er musste immer der perfekte Vorzeige-Uchiha sein, damit du frei leben konntest. Und du hast ihn vollkommen falsch verstanden.“

„Du hattest wohl viel Zeit um dich mit ihm zu unterhalten, hm?“

„Das war eine unserer wenigen Beschäftigungen.“ Gab Naruto mir ehrlich zurück und sein Gesicht war gezeichnet von dem Ernst des Themas, welches er mir zu erläutern gedachte. „Ich werde dir allerdings nicht die Erklärung liefern, die du gerne hättest.“ Nahm er mir direkt wieder meine Hoffnungen, die sich im Laufe des Tages aufgebaut hatten. Ehe ich protestieren konnte, fuhr mein bester Freund jedoch fort: „Denn Itachi tut gut daran, dir die Wahrheit zu verheimlichen. Sie würde dein Leben zu stark prägen, so wie seines, und schlussendlich das vernichten, was er unbedingt erhalten wollte.“

„Ach ja, und das wäre?“ Fragte ich bitter.

„Dein Leben, Sasuke-Teme. Er liebt dich, du bist wahrscheinlich mit Mikoto die einzige Person, die zu lieben und zu beschützen er alles geben würde. Und er hat schon verdammt viel geopfert. Zu viel meiner Meinung nach, aber die zählt nicht. Du kennst nicht den Wert, den er zahlen musste für dein Leben. Und du wirst es nicht von mir erfahren, das habe ich ihm schwören müssen und der Schwur eines Ninjas ist bindend.“

„DAS IST DOCH KINDERKRAM!“ Brauste ich auf, doch er fuhr mich an. „DEIN LEBEN IST KEIN KINDERKRAM! UND WEDER ICH, NOCH MIKOTO, NOCH ITACHI WERDEN ES GEFÄHRDEN!“

Ich seufzte und schwieg wieder, lange Zeit.

„Ist es so gravierend, was hinter dem Clan sich verbirgt?“

„Ja. Es würde dich wahrscheinlich dein Leben kosten. Und Itachi braucht dein Leben, damit du Mikoto beschützen kannst, die einzige Hilfestellung, mit dem du deinem Bruder etwas zurückzahlen kannst, was er für dich auf sich genommen hat.“

„Ich weiß aber doch gar nicht, wie die Wahrheit aussieht und was er alles getan hat.“

„Sasuke, vertraust du mir?“ Die Frage von ihm irritierte mich leicht, doch ich bejahte sie.

„Dann glaub mir, er hat für dich seine Zukunft geopfert um dir ein noch schwereres Los zu ersparen. Du magst es nicht verstehen, aber es entspricht der Wahrheit. … Liebst du Itachi?“

„…“ Die Antwort fiel mir schwer, doch sie bestand aus einem Kopfnicken.

„Dann hilf ihm. So gut es geht und er es zulässt.“
 


 

Die zwei Tage vergingen wie im Flug und ehe wir uns versahen, waren wir wieder im Dorf. Zwar waren wir übersät von Schürfwunden, blauen Flecken und verbundenen Stellen, aber unsere Freundschaft bestand wieder und das war die Hauptsache.

Ich glaubte, dass dies auch der einzige Grund war, warum Naruto überhaupt seine Freundin überredet hatte ihn gehen zu lassen, denn von meiner Seite aus wäre so ein Vorschlag niemals gekommen. Allerdings hatte eine mit dem Ausflug verbundene Aussprache, die leichte Aufklärung über Itachi und seine Denkweisen, sowie das Training mit dem Blondschopf, mir dabei geholfen, mir über mich selbst und mein Leben klarer zu werden.

Ich war dankbar dafür, noch am Leben zu sein. Ich hatte Pläne erschaffen können, kleine Gedanken, die vorher dank der Rache nie Platz gefunden hatten.

Und zu einem dieser Pläne gehörte es, dass mein Bruder sich keine Sorgen um seine Tochter machen sollte, wenn er wieder fliehen musste. Irgendwie war ich überzeugt davon, dass Itachi mit dieser Welt noch nicht abgeschlossen hatte, und einen Ausweg wusste, wie er sich aus dem Gefängnis befreien konnte. Wahrscheinlich wartete er nur auf seine Verurteilung und der damit verbundenen Hinrichtung, wo ihm sein Partner Kisame oder jemand anderes, der im Hintergrund beobachtete, helfen würde, damit er aus Konoha verschwinden konnte.

Oder dachte ich etwa zu naiv?

Nein, es war nicht Itachis Stil aufzugeben und sich dem unterzuordnen, was er einfach so hinzunehmen hatte. Er würde kämpfen und gewinnen.

Zwar würde er auch diesmal nicht der Bruder sein können, den ich mir wünschte, denn er würde nicht erzählen, was sich hinter der Wahrheit verbarg, warum all unsere Verwandte sterben mussten, und nur er war der Einzige, der sich noch verteidigen konnte. Außer Naruto… Und der wollte nicht reden, da Itachi ihn darum gebeten hatte.

Er würde nicht reden aus Sorge, mich zu verlieren, wenn er es täte.

Er dachte wie ein Freund.

Und das war er auch.

Zumindest nachdem er mir abermals einbläuen musste, dass er es nicht noch einmal dulden würde, dass ich ihn schütteln würde, wenn er seinen Sohn auf dem Arm hatte.

Ich hatte gelacht und um Verzeihung gebeten, sodass er mir nur freundschaftlich auf die Schulter klopfen konnte.

Und so betraten wir einig das Dorf, an dessen Tor schon Sakura auf ihren Freund wartete und ihm ihren gemeinsamen Sohn entgegen hielt. Mit einem breiten Grinsen wurde der kleine Uzumaki-Sprössling hochgehoben und geknuddelt, was jedoch mindestens einem von beiden nicht zu gefallen schien, denn Yukiko brüllte so laut auf, dass Naruto ihn beinahe fallen gelassen hätte.

Auf seinen sprachlosen Blick hin auf das schreiende Bündel mussten Sakura und ich lachen, denn wir kannten es schon, dass Yukiko selber gerne überschwänglich war, aber nicht selber so behandelt werden wollte. Ja ja, da hatten sich die Gene vernünftig durchgesetzt.

Ich klopfte Naruto auf die Schultern und machte mich auf den Weg zum Hokage-Turm um noch das Besuchsrecht bei meinem Bruder für den heutigen Tag erwirken zu können. Ich hatte ihm schließlich noch etwas mitzuteilen.

Als ich jedoch das Büro der Hokage betrat, traf mich bedrücktes Schweigen und ich sah für wenige Sekunden in die Gesichter der Blondine, Jiraiyas und Kakashis, die allesamt aufgrund meines Auftauchens nicht sehr glücklich aussahen. Verwirrt sah ich sie alle an, ehe ich kurz den Kopf schüttelte. „Wenn ich gerade störe, kann ich auch später wiederkommen.“ Begann ich, wurde jedoch von der Fünften Generation unterbrochen, die mich in das Zimmer eintreten hieß.

Ich schloss die Türe hinter mir und konnte einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen spüren, denn ihre Gesichter ließen nicht auf gute Neuigkeiten schließen.

Bedrückt trat ich neben Kakashi und wartete gespannt darauf, was die Hokage zu berichten hatte, doch die ließ sich erst einmal merklich angespannt an ihren Schreibtisch sitzen, ehe sie sich über die Stirn rieb.

„Dein Bruder Uchiha Itachi hat sich nach tagelanger Befragung weiterhin geweigert eine Aussage zu den Vorfällen in deinem Clan zu äußern. Ebenso hatte er bis gestern über jegliche Aktivitäten innerhalb der Akatsuki geschwiegen, doch dank einer Vereinbarung konnten wir ihn dazu bewegen uns Auskünfte über diese Organisation zu geben.“

Unhöflich unterbrach ich sie, indem ich sie nach dieser Vereinbarung fragte. Mein ungutes Gefühl im Bauch stieg an, ich konnte förmlich spüren, dass diese Nachrichten für mich unangenehm werden würden.

„Wir haben beschlossen, dass seine Tochter in Konoha leben kann, verknüpft mit Bedingungen. Sie müsste in einer guten Pflegefami…“

„Das kommt gar nicht in Frage. Sie bleibt innerhalb ihres Clans. Ich werde mich um sie kümmern.“

Tsunade sah mich intensiv an, doch als sie bemerkte, dass ich entschlossen war und keine Hintergedanken hegte, nickte sie erleichtert. „Die Informationen lassen Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort der restlichen Akatsuki zu und auch ihre Fähigkeiten sowie ihre Ziele wurden von Itachi genau benannt. So können wir nun Suna kontaktieren und diese Verbrecher ausrotten, wie wir es geplant haben. Allerdings…“ Sie sprach nicht weiter.

„Allerdings verweigert er, über sich Auskünfte zu geben.“ Berichtete dafür Kakashi weiter, der ernst hinter seiner Maske zu mir sah. Aus meinem unguten Gefühl wurde ein wahres Gebirge. Ich schluckte trocken. „Ebenso wie das weitere Akatsuki-Mitglied Kisame Hoshigaki. Sie stimmen beide einer Hinrichtung am heutigen Abend zu. Eigentlich wollten wir ihnen noch Aufschub gewähren bis nächste Woche, doch sie lehnten beide ab.“

Die Worte sackten nur langsam bis zu mir durch und ich wurde bleich, dass ich nicht wusste, wie ich mit der direkten Konfrontation umgehen sollte. Ich hatte damit gerechnet, dass man sie töten würde. Sie waren beide gefährliche Nuke-Nin, eine zu große Gefahr für das Dorf, sowohl im Inneren als auch außerhalb desselben. Sie hatten viel Unheil angerichtet, gemordet und zerstört, was in ihrer Nähe war, doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie beide so schnell ihrem Schicksal entgegen sehen würden.

Hatte Itachi für sich vorgesorgt? Würde er ohne Mikoto entkommen können? Würde er das so schnell regeln können?

Oh Gott…

Ich betete darum, dass man mir meine Gedanken nicht ansehen konnte, denn ich wünschte einem Erzfeind des Dorfes, dass er entkommen konnte, egal unter welchen Bedingungen. Aber er war mein Bruder…

Ich liebte ihn wie einen Bruder.

„Kann… Kann ich ihn sehen?“

„Ich werde dich persönlich begleiten, Sasuke-kun.“
 

Ich betrat die kleine Zelle zum zweiten Mal diese Woche und ließ meinen ehemaligen Sensei Kakashi vor der Tür zurück. Nun, eigentlich wurde er direkt begeistert mitgezogen, da Mikoto frische Luft haben sollte.

Und so war ich mit Itachi wieder einmal alleine. Ich konnte seinen neugierigen Blick auf mir spüren und überraschenderweise lächelte er leicht, als er ein Stück auf seinem Bett zur Seite rückte und auffordernd neben sich klopfte.

Als ich mich gesetzt hatte, konnte ich sein Schmunzeln nicht länger ertragen, denn es erinnerte mich daran, wie er früher immer mit mir zusammen gelacht hatte.

„Was gibt es denn so zu lachen, hm?“

„Nun, ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir uns noch einmal begegnen würden.“ Er vermied klar das Wort `sehen´, aber das war auch verständlich in seinem Zustand. „Und ich freue mich darüber, dass du doch noch gekommen bist. Auch wenn ich mir wünsche, dass du später nicht dabei bleibst. Du solltest dir den Anblick ersparen.“

„Du denkst doch wohl nicht, dass ich dich alleine lasse, oder Itachi?“ Das konnte er sich getrost von der Backe schminken.

„Doch, genau das hatte ich erwartet. Oder willst du dich versichern, dass ich auch wirklich sterbe?“ Seine Frage traf mich diesmal nicht so tief, denn ich hatte mit ihr gerechnet. Schließlich hatte er mir genau dasselbe schon bei unserem letzten Treffen vorgeworfen.

„Nein. Ich dachte mir nur, dass du nicht alleine gehen willst. Ich würde auch nicht einsam sterben wollen.“

Er schwieg und seine Finger waren so stark ineinander verschränkt, dass ich nur das Zittern der fest zusammengepressten Muskeln erkennen konnte. Hatte er Angst? Es schien fast so. Oder hatten ihn meine Worte doch noch überrascht? Hatte er nicht alles so voraussehen können wie stets?

„Danke, Sasuke, aber du solltest nicht noch mein Blut fließen sehen. Dein Trauma ist schon schwer genug.“

„Meinst du, darauf kommt es noch an?“ Ich legte meine Hand auf seine kalten und spürte ihn zusammenzucken ob der Berührung. Dann lächelte er still vor sich hin.

„Danke…“ Flüsterte er leise.

„Du hast nicht doch noch einen Fluchtweg für dich, nicht wahr?“ Fragte ich leise, doch ich brauchte nicht länger sein Kopfschütteln sehen. Sein Dank hatte mir schon gereicht um mir bewusst zu machen, dass er nicht mehr wieder aufstehen würde. Dieses Mal wollte er es enden lassen.

Mein Herz schmerzte vor Schmerz, dass er sterben würde. Dass er freiwillig sterben würde.

„Warum?“

„Weil ich nicht mehr kann. Ich könnte dort draußen alleine kaum überleben, geschweige denn Mikoto verteidigen. Und sie zurücklassen… Sie würde hier ständig als Gefahr angesehen werden. Die Tochter eines frei herumlaufenden Nuke-Nins.“ Itachi schüttelte seinen müden Kopf. „Das kann ich ihr nicht zumuten. Außerdem… kann ich nicht mehr, Sasuke. Ich habe mein Leben lang gekämpft und ich fühle mich erschöpft. Zu erschöpft um mich noch einmal zu erheben oder einen Schritt nach vorne zu machen.“

Meine Kehle wurde enger, doch ich drückte nur seine Hand fester um ihm zu zeigen, dass ich bei ihm war.

„Ich möchte…“

„Keine Sorge, nii-chan, ich kümmere mich gut um sie. Als wäre sie meine Tochter. Das verspreche ich dir.“

Sein dankbares Lächeln ließ mich die Tränen hinunterschlucken.

Er würde sterben.

Nichts würde ihn mehr aufhalten.

Wortlos zog er mich in seine Arme und ich kuschelte mich an ihn. Sein Geruch stieg mir in die Nase und befreite mich wie früher von all meinen Ängsten, Sorgen, Zweifeln.

Itachis Gesicht grub sich in meine Halsgrube und seine Hände strichen beruhigend über meinen Rücken.

„Weine nur einmal um mich und dann, bitte Sasuke, dreh dein Gesicht zur Sonne. Genieße dein Leben. Jeden Moment. Lache, falle und steh immer wieder auf.“

Ich nickte versprechend und meine Tränen flossen in sein Oberteil.
 


 

„Itachi Uchiha, Sie werden bezichtigt den Uchiha-Clan ermordet und sich einer Verbrecherorganisation angeschlossen zu haben. Desweiteren obliegen Ihnen Verrat und weitere Mordanklagen. Da Sie zu Ihrer Verteidigung nichts vorzubringen hatten, hat Sie das Gericht Konoha-Gakures als schuldig befunden und Sie zum Tod durch Enthauptung verurteilt.“

Ich schluckte, als die Urteilsverkündung von Tsunade vorgenommen wurde in dem Vollstreckungsraum des Dorfes, in welchem sich außer mir noch Kakashi und ein Henker befanden, sowie Itachi und Kisame, Mikoto, die ihren Vater begleiten wollte, sich jedoch nun in meinen Armen versteckte, und Naruto und Sakura, meine Freunde, die mich nicht alleine lassen wollten.

Ich spürte die Hand meines besten Freundes, die auf meiner Schulter lag und mich stärken wollte. Mein Gesicht war starr, doch innerlich weinte ich um den Mann, der mich nur hatte beschützen wollen, mich immer geliebt hatte.

Er, dessen Tochter sich auf meinen Armen verkroch, drehte sich zu mir herum und seine ausdruckslosen Augen sahen mich an. Dann lächelte er, als wollte er mich an mein Versprechen erinnern. Zu Tsunade hatte er wohl wirklich nichts mehr zu sagen.

Auch Kisame hatte zu seinem Urteil nichts weiter als ein belustigtes Schnauben zu sagen.

Tsunade bat beide in die Mitte des Raumes zu treten und sich hinzuknien, und Itachi war schon dabei vorzutreten, als Kisame ihn noch einen Augenblick zurückhielt.

Seine Arme schlossen sich um den schmalen Körper meines Bruders, der sich gegen ihn lehnte. Auf eine groteske Art sah es so aus, als würden sie sich beide Halt geben wollen für den schwierigen Schritt in ihrem Leben.

Vorsichtig gingen beide in die Knie, Kisames Hand noch immer die Itachis haltend, der zärtlich lächelte.

Der Henker trat hinter sie, seine Klinge blitzte in dem Licht der untergehenden Sonne.

Vorsorglich drückte ich Mikoto enger an mich, sodass wohl wir beide es waren, die sich gegenseitig Halt gaben, ein Versprechen der Fürsorge.

Meine Tränen vermischten sich mit den ihren.

Ihre Finger verkrallten sich in meiner Haut.

Die Klinge sauste hinab.

Und das Uchiha-Blut floss gen Erde.



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