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Requiem

Wichtelstory 2008 für Wombat
von

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Theorie

Requiem – Kapitel 4: Theorie
 

Für einen Moment spürte sie die Desorientierung, das Gespräch zwischen Donalds und Kingsley hatte ihr erlaubt, sich auf die Worte zu konzentrieren, doch die Umgebung, das Blut, der Geruch, all das war trotzdem auf sie eingeströmt, gemeinsam hatten sie ihre Wirkung entfaltet und ließen ihre Knie und Finger mehr zittern, als ihr eigentlich lieb war.

Sie schloss die Augen, doch das machte es nicht besser, ließ nur die Bilder, die sie gesehen hatte, klarer und deutlicher zu Tage treten, bis sie hochschreckte, als wieder jemand an die Tür pochte. Fern spürte sie, wie ihr Herz bis zum Hals schlug, ein distanzierter Teil ihres Selbst fand es merkwürdig, dass der Schrecken erst jetzt einsetzte, nachdem sie die Szenerie verlassen hatte, dass die Erinnerung sie mehr quälte als die eigentliche Erfahrung, während sie sich langsam der Tür näherte.

Sie hatte keine Vorstellung davon, wer es sein könnte, vielleicht einer ihrer Kongresskollegen, doch konnte sie sich nicht erinnern, einen von ihnen eingeladen zu haben und langsam griff sie nach der Klinke, drückte sie hinunter und schreckte zurück, als sie Draco Malfoys blasses Gesicht sah, der sie mit einem Ausdruck in den Augen anblickte, der irgendwo zwischen wütend und besorgt schwankte. „Was machen Sie hier?“

Sie spürte, wie er sie intensiv musterte und ihr Unbehagen dabei wuchs, sein Blick huschte über ihr Gesicht. „Geht es Ihnen gut?“

Unruhig fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare, zerzauste sie noch mehr, zwar bemerkte sie, dass das keine Antwort auf ihre Frage war, doch sie wusste kaum selbst, was sie ihm entgegnen sollte, so zitterten ihre Knie, so stark tobte ein Sturm widersprüchlicher Gefühle in ihrem Inneren. „Ich... ja, ich bin in Ordnung.“

Malfoy hob die Augenbrauen. „Sie sehen nicht so aus.“

Fast ein wenig ratlos zuckte Hermine mit den Schultern, sie hatte nicht in den Spiegel im Vorraum ihrer Suite gesehen und bereute es nun, konnte den Wahrheitsgehalt seiner Aussage kaum beurteilen, doch bevor sie etwas entgegnen konnte, sprach er weiter. „Außerdem ist es schon halb Eins... und als Sie nicht in der Bar aufgetaucht sind, dachte ich mir, ich sehe in Ihrem Zimmer nach.“

„Schon so spät?“, murmelte sie und warf einen schnellen Blick auf ihre Armbanduhr, er hatte Recht, sie musste mehr Zeit in der Erinnerung verbracht haben, als sie eigentlich gedacht hatte, denn es war wirklich bereits nach Mitternacht. Fast ein wenig ratlos sah sie zu Malfoy auf, die unerwartete Geste der Sorge überraschte sie – allerdings nur kurz, denn wenn ihr etwas geschehen wäre, konnte das ausgesprochen unangenehme Auswirkungen für den Botschafter haben. Resigniert zuckte sie mit den Schultern – bevor Malfoy eine gute Tat beging, fror die Hölle zu. „Wenn Sie schon hier sind, können Sie hereinkommen auch...“

Achselzuckend trat sie zur Seite und beobachtete, wie er eintrat, seine beiden Blumensträuße standen noch immer auf der Kommode und sie bemerkte, wie sein Blick kurz zu ihnen huschte, nur um sich gleich darauf der restlichen Einrichtung der Suite zuzuwenden, während Hermine die Tür schloss. „Nett... das Zaubereiministerium lässt sich seine Kongresse etwas kosten...“

Sie zog es vor, nicht auf diese Bemerkung einzugehen, und führte ihn weiter bis in den Aufenthaltsraum ihrer Suite, die hohen Fenster gewährten einen interessanten Ausblick auf die Bäume, die die Avenue des Champs-Élysées säumten, und die Lichter der Straßenlaternen und Autos blitzten durch sie hindurch.

Doch seine Aufmerksamkeit wurde von der offenen Tür zu ihrem Schlafzimmer angezogen, auf dem großen, breiten Bett lag noch immer das Denkarium und es war vollkommen unmöglich, dass er es nicht bemerkt hatte, das zeigte sein interessierter Gesichtsausdruck. Hermine schloss die Tür und verfluchte sich für ihre Unaufmerksamkeit.

„Möchten Sie etwas trinken?“

Er schüttelte langsam den Kopf, während sie auf die kleine, gemütliche Sitzecke wies. „Dann nehmen Sie doch Platz.“

Er setzte sich und betrachtete sie aufmerksam, während sie spürte, wie das Schweigen zwischen ihnen langsam unangenehm wurde und sie gleichzeitig seinen Blick suchte und vermied. Sie wusste nicht, ob sie wollte, dass er fragte, immerhin würde es ihr eine Gelegenheit geben, ihm vom Tod Andrew Zabinis zu erzählen... allerdings würde sie auch nicht umhin kommen, ihm zu erklären, warum sie das so... aus der Bahn warf. Eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass ihm irgend etwas an ihr auffallen würde, doch trotzdem war es passiert... und wenn sie genauer darüber nachdachte, kam ihr diese Verhaltensweise auch logisch vor. Wenn man die Schwächen seiner Mitmenschen sah, konnte man sie immerhin besser ausnutzen.

„Was ist passiert?“, fragte er schließlich, als die Stille zwischen ihnen schwer auf dem Raum zu lasten begann und Hermine blickte auf, hatte sich aber noch immer nicht entschieden, was sie antworten sollte. „Ich meine...“, fuhr er fort und sie spürte, wie sein Blick sich auf sie heftete, „... Sie sehen aus, als hätten Sie den Grimm gesehen und sind weiß wie ein Bettlaken... und Sie wollen mir erklären, dass nichts geschehen ist?“

„Ich glaube nicht an den Grimm“, entgegnete Hermine matt, doch selbst ihr war klar, dass das nur ein sinnloser Ablenkungsversuch war. „Und außerdem habe ich soeben erfahren, dass erneut ein Mord geschehen ist... an Andrew Zabini.“

Malfoy hob die Augenbrauen. „Der Sohn von Blaise, nehme ich an.“

Sie nickte langsam und er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schien nachzudenken, denn sie konnte fast sehen, wie die Schlussfolgerungen in seinen grauen Augen aufblitzten. „Das erklärt nicht, warum Ihr Gesicht dieselbe Farbe hat wie die Wand hinter Ihnen, Mrs Weasley.“

„Ich... ich habe den Tatort gesehen, in einer Erinnerung – und der Junge ist nicht einfach getötet worden... sondern zerstückelt. Sie werden grausamer...“

„Sie denken, dass die Täter identisch sind?“

Hermine seufzte leise auf. „Wir fanden Spuren eines Cruciatus, als wir das Kinderzimmer auf Reste von Magie absuchten und wieder schwebte das Dunkle Mal über dem Haus... Täterbeschreibung haben wir in diesem Fall natürlich keine, einige der Nachbarn haben zwar Gestalten in dunklen Umhängen gesehen – aber das trifft auf jede Familie im Reiseumhang zu, fürchte ich. Allerdings konnte mittlerweile die Hauselfe der Notts befragt werden und ihre Aussage passt zu der Todessertheorie... sie sagte, die Angreifer hätten Masken und Kapuzen getragen.“

„Das sagt nicht besonders viel aus, würde ich sagen. Jeder Besucher eines Maskenballes trägt eine...“ Der sarkastische Tonfall in Malfoys Stimme überraschte sie, genauso wie das schräge Lächeln auf seinen Lippen. „Was mich eher vermuten lässt, dass Ihre Theorie stimmt, ist die Parallelität bei der Opferwahl.“

„Ja... es sind Kinder von... Slytherins“, entgegnete sie zögernd, doch das scharfe, bittere Auflachen ihres Gegenübers ließ sie fast schmerzhaft hochschrecken. „Das war es nicht, was Sie sagen wollten, nicht wahr?“

Hermine hob die Augenbrauen, versuchte vorzugeben, dass sie nicht wusste, was er meinte, obwohl ihr selbst fast schon schmerzhaft klar war, dass das Wort, das ihr auf den Lippen gelegen hatte, nicht Slytherins gewesen war... sondern Todesser. „Verzeihung?“

„Machen Sie wenigstens sich selbst nichts vor, wenn Sie schon glauben, dass Sie mich täuschen können.“ Malfoy schüttelte den Kopf. „Allerdings hat Ihre politische Korrektheit Sie in diesem Fall der Wahrheit nähergebracht... denn das Auffällige an den Kindern ist nicht, dass ihre Eltern Todesser waren... sondern dass sie es nicht waren.“

„Was meinen Sie?“

„Sowohl Blaise Zabini als auch Theodore Nott haben sich immer die größte Mühe gegeben, sich so weit vom Dunklen Lord zu distanzieren, wie es ihnen gerade noch möglich war, ohne Repressalien befürchten zu müssen... was besonders bei Theo wegen seines Vaters eine sehr delikate Angelegenheit war.“

„Und weiter?“ Sie konnte nicht verbergen, dass es ihr nicht besonders gefiel, ausgerechnet von Draco Malfoy einen Vortrag über zwischenmenschliche Beziehungen gehalten zu bekommen, und ihre Ungeduld schimmerte in ihren Worten durch. Besonders die Tatsache, dass er wirklich wusste, was er tat, behagte ihr daran nicht, auch wenn es ihr schwer fiel, sich das einzugestehen... er hatte sich verändert in den Jahren, die sie ihn nicht gesehen hatte, war zu mehr geworden als dem blonden Jungen mit dem frechen Mundwerk, den sie gekannt hatte.

„Wenn Sie Recht haben mit Ihrer Theorie, dass ehemalige Todesser hinter den Morden stecken, dann scheint es, als ob sie sich genau jene Familien ausgesucht haben, die sich vom Dunklen Lord abgewandt haben... oder ihm nie gefolgt sind.“

In seiner Stimme schwang etwas mit, das sie nicht ganz identifizieren konnte, vielleicht Gereiztheit über ihren eigenen, fast quengelnden Tonfall, bis Malfoy sich langsam in seinem Stuhl zurücklehnte und zu Boden starrte. Sie schwieg, nicht aus Rücksicht, wie sie es sich gerne weiß gemacht hätte, sondern aus Überraschung darüber, dass seine übliche Arroganz für einen Augenblick verschwunden war und tiefe Sorge seine Züge überschattete.

„Und weil diese Feiglinge sich Kinder aussuchen, die nichts für das können, was ihre Eltern getan haben, werden sie früher oder später auch meinen Sohn finden, wenn wir sie nicht endlich überführen können.“ Seine Stimme erschreckte sie fast, die Angst, die seine Worte ein wenig zittern ließ, erinnerte sie an ihre eigenen Kinder, daran, was sie fühlen würde, wenn eines von ihnen in Gefahr wäre, und fast ein wenig verwirrt blickte sie auf – Malfoy musste Scorpius wirklich lieben, auch wenn sie ihm eine so... menschliche Gefühlsregung kaum zugetraut hätte nach allem, was sie von ihm gesehen hatte.

„Wir werden sie erwischen.“ Sie klang sanft, sanfter, als sie sich selbst in einem Gespräch mit Draco Malfoy zugetraut hätte, und er blickte auf, lächelte leicht und fast ein wenig bitter. „Natürlich werden Sie das... aber wie viele Kinder müssen noch sterben bis dahin?“

Hermine schüttelte den Kopf. „Hoffentlich keines... aber wenn wir weiter auf der Stelle treten und außer der Tatsache, dass es möglicherweise ehemalige Todesser sind, die diese Morde begangen haben, nichts herausfinden... dann habe ich nicht besonders viel Hoffnung.“

Malfoy nickte leicht. „Deswegen bin ich eigentlich zu Ihnen gekommen... ich denke... nein, ich hoffe vielmehr, dass ich etwas gefunden habe.“

„Was?“ Sie spürte, wie die Worte sie förmlich aus ihrem Sessel zogen und starrte den Botschafter an, auf dessen Lippen sich trotz allem ein leichtes Lächeln schlich.

„Ich bin heute Abend nach England appariert, um mit einigen ehemaligen Todessern zu sprechen – auch wenn sie es nicht besonders gern sehen, wenn sie an ihre Vergangenheit erinnert werden – und sie beteuerten einhellig, dass sie nichts darüber wissen... aber Amycus Carrow vielleicht schon.“

Hermine hob die Brauen. „Und das haben sie Ihnen gesagt – einfach so?“

„Jemand, der sich dem Dunklen Lord anschließt, hat die Loyalität nicht unbedingt erfunden“, entgegnete Malfoy trocken und lehnte sich zurück. „Die Meisten, mit denen ich gesprochen habe, waren so sehr damit beschäftigt, ihren eigenen Arsch zu retten, dass sie sich nicht besonders um alle anderen gekümmert haben.“

Nur mühsam konnte sie sich verbeißen, zu erwähnen, dass der Mann, der ihr gegenüber saß, höchstwahrscheinlich genau dasselbe getan hätte, wäre er in dieser Situation gewesen. „Aber Carrow steht nun unter Hausarrest, nachdem er aus Askaban entlassen wurde... er kann den Kindern kaum etwas getan haben.“

Langsam, fast zögerlich zuckte Malfoy mit den Schultern. „Wie ich gesagt habe – ich hoffe mehr, dass es eine Spur ist, als dass ich es wirklich glaube... aber ich denke, es könnte sich auszahlen, mit Amycus zu sprechen.“

„Und wieso kommen Sie damit zu mir?“ Hermine betrachtete ihn eindringlich über den Tisch hinweg, sie spürte langsam, wie die Müdigkeit Besitz von ihr ergriff, die Erfahrungen des Tages ihren Tribut forderten. „Eigentlich ist es doch Ihre Aufgabe, zu recherchieren?“

Malfoy lächelte leicht. „Ja. Allerdings steht Carrow unter Hausarrest mit Besuchsbeschränkung... nur seine Familie darf zu ihm, und einem ehemaligen Todesserkollegen wie mir würden die Auroren, die das Haus bewachen, niemals Zugang gewähren. Bei Ihnen sieht die Sache allerdings anders aus... immerhin arbeiten Sie für die Abteilung für magische Strafverfolgung.“

„Sie denken also, es ist Zeit für einen Ausflug nach England?“ Hermine konnte die Zweifel nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen, sie war sich ganz und gar nicht sicher, ob Carrow wirklich etwas mit der Angelegenheit zu tun hatte – allerdings konnte es auf der anderen Seite auch nicht schaden, sich mit ihm zu unterhalten. Immerhin war der Hauch einer Idee besser als gar keine Spur, und sie hatte absolut keine anderen Ansätze, die sie verfolgen konnte, denn sie saß auf dieser Tagung fest... und musste sich wohl oder übel auf Malfoy und Donalds verlassen. Und bei dieser Sachlage zog sie Malfoy auf jeden Fall vor – immerhin verspürte sie bei ihm nicht bei jeder Begegnung den Wunsch, seinen Kopf gegen die nächste Wand zu schlagen, in der Hoffnung, eine Neuanordnung seiner beiden Gehirnzellen würde eine Verbesserung bewirken.

„Ja... kann die Konferenz Sie für einen Vormittag entbehren?“ Der Botschafter betrachtete sie nachdenklich, so als ob er ahnen würde, in welche unbehagliche Richtung ihre Gedanken im Moment gingen, und sie rang sich ein schräges Lächeln ab. „Ich verzichte auf jeden Fall mit Freuden... der brasilianische Zaubereiminister treibt mich langsam in den Wahnsinn.“

Er schwieg, betrachtete sie auf diese nachdenkliche Art, die sie mittlerweile so gut kannte und von der sie sich niemals ganz sicher war, was sie zu bedeuten hatte, dann erhob er sich langsam, fast unschlüssig aus seinem Sessel. „Ich... ich hole Sie morgen früh ab, Mrs Weasley.“

„Ja... gute Nacht.“ Still begleitete sie ihn zur Tür.



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