Auf nach Hamburg
Seto starrte aus dem kleinen Fenster des Flugzeuges – er war nervös. Irgendwie schaffte er es dieses vor Joey zu verbergen... aber es änderte nichts an der Tatsache, dass er es war. Die vergangenen drei Wochen vergingen im Flug, sie waren angefüllt mit vielen Terminen und Arbeit, so dass er den Besuch bei Joeys Eltern verdrängen konnte – aber jetzt ging es nicht mehr. Eine Stunde noch, dann würden sie in Hamburg landen und er Herrn und Frau Wheeler gegenüberstehen.
Der Blauäugige sah zu seinem Freund, selbst dieser schien ein wenig angespannt zu sein – der Brünette wollte ihn nicht auch noch mit seinen Bedenken belasten, also flüchtete er sich hinter eine Maske. Gefühle und Gedanken verbergen war eine Sache, die er beherrschte, vielleicht konnte er sie ja nach ein paar Tagen fallen lassen, aber im Augenblick gab sie ihm Sicherheit.
Es herrschte eine angespannte Stille zwischen den Beiden, doch Joey wusste nicht, wie er sie auflockern sollte – ihm war grade selbst nicht unbedingt nach Scherzen zumute. Den Flug bis Frankfurt hatte er weitest gehend verschlafen, doch jetzt, nach dem Umsteigen, konnte er das Unbehagen seines Freundes ziemlich deutlich spüren. Begütigend legte er seine Hand auf den Oberschenkel des Brünetten – und krallt sich leicht in der Hose fest. Joey fürchtete sich ein wenig vor dem Zusammentreffen mit seiner Mutter – sie hatte sich am Telefon wiederholt darüber beschwert, dass sie alles immer erst durch Serenity erfahren müsse. Joey zuckte bei der Erinnerung an dieses letzte Gespräch innerlich wieder zusammen.
Automatisch legte Seto seine Hand auf die des Blonden, umschloss sie fest, zog sie hoch und hauchte einen Kuss in die Handinnenfläche. „Hey alles in Ordnung?“, fragte der Brünette sanft. Ihm war nicht entgangen, dass sein Freund nach den Telefonaten mit dessen Mutter immer bedrückt war. Das schien sich nun zu verstärken, denn so schweigsam kannte er den Blondschopf nicht. Joey nahm dankbar den Druck auf seiner Hand wahr und die zärtliche Geste die darauf folgte und blickte seinem Freund offen ins Gesicht. „Ja, genau wie bei dir.“ Ein schiefes Grinsen zierte sein Gesicht. Er erwiderte den Druck der warmen Hand des Brünetten.
„Vor dir kann ich wohl kaum noch was verbergen.“, bemerkte Seto seufzend, „Aber DU musst dir doch keine Gedanken machen. Es sind deine Eltern, sie werden dir den Kopf schon nicht abreißen.“, versuchte der Blauäugige seinem Partner den Rücken zu stärken. „Du hast Recht, es sind MEINE Eltern – du hast dich ja auch brav die letzten Jahre immer bei ihnen gemeldet und sie stets über die neuesten Ereignisse informiert.“, meinte Joey ironisch.
„Sie lieben dich... es ist doch verständlich, das sie wissen wollen wie es dir ergeht. Du kannst es ihnen nicht übel nehmen, wenn sie säuerlich sind – alles was dir passiert ist, hätten sie lieber von dir selbst erfahren und nicht nur aus zweiter Hand.“, entgegnete der Brünette ruhig. Aufmunternd lächelte er den Mann an seiner Seite an. „Du schaffst das schon.“ „Aber eigentlich sollte ja ich derjenige sein, der DICH aufmuntert.“, stellte Joey schuldbewusst fest und erwiderte den Blick der blauen Augen zärtlich. Im nächsten Augenblick kündigte der Pilot die bevorstehende Landung an und die beiden Freunde drückten noch einmal ihre Hände, bevor sie sich, wie gefordert, für die Landung zurecht machten.
Endlich hatten sie ihr Gepäck und steuerten auf den Ausgang zu. Dem Brünetten wurde es immer unbehaglicher zumute, hätte er es nicht gelernt sich zu beherrschen, würde er ganz sicher zittrige und feuchte Hände bekommen... so schlug 'nur' sein Herz hart in seiner Brust. Als sie aus dem Zollbereich heraus waren, wäre Seto am liebsten gleich wieder umgekehrt... aber das ging ja nicht.
Joey fasste nach der Hand seines Liebsten, er konnte sich schon vorstellen, wie es in ihm aussah – zum Glück hatte Seto keine Eltern mehr, ihm blieb der Antrittsbesuch bei den ’Schwiegereltern’ erspart. Und Mokuba – nun, der wollte ja seine Schwester haben, vor dem brauchte er ja nicht zu bestehen... Trotzdem war er sich nicht sicher, wer nun mehr Halt beim Anderen suchte – solange er mit Serenity zusammengewohnt hatte, hatte sie immer mit den Eltern telefoniert, und er hatte stets nur Grüße aufgetragen. Der Klumpen in seinem Magen war auch nicht gerade klein... „Du hast ja richtig kalte Hände.“, stellte Joey verblüfft fest. „Deine sind nicht viel wärmer.“, verteidigte sich Seto schwach.
„Sie werden dich schon nicht auffressen.“, flüsterte der Braunäugige mit einem schiefen Grinsen. „Da bin ich mir nicht so sicher. Um ehrlich zu sein – ich wäre jetzt lieber nicht hier, aber ich schaff das schon. Mach dir keine Gedanken um mich, freu dich lieber, das du deine Eltern wieder siehst.“, lenkte der Blauäugige von sich ab. Der Blondschopf hatte mit sich selbst genug zu tun, da musste er sich nicht noch mit seiner Unsicherheit befassen. „Das sollte ich wohl.“, seufzte Joey ergeben auf.
Mittlerweile hatten sie die Sperre erreicht, und gleich würden sie seinen Eltern gegenüberstehen, die sie vom Flughafen abholen wollten. Joey gab sich einen Ruck, straffte seine Schultern, drückte Setos Hand ein wenig fester und schritt durch die Schranke hindurch, um nun endgültig dem Unausweichlichen gegenüber zu stehen. Es dauerte einen Augenblick, bis er in der Menge ein bekanntes Gesicht entdeckte – zu seiner grenzenlosen Erleichterung EIN Gesicht, wenn es auch bedeutete, dass das Treffen mit seiner Mutter immer noch vor ihm lag. „Dad.“, rief der Blonde erleichtert durch die Menge und winkte nun mit seiner Hand, die Setos aus diesem Grunde losgelassen hatte. „Hier sind wir.“
Kyle Wheeler war erleichtert, als er eine Hand winken sah, die zu einem gewissen Blondschopf gehörte und winkte zurück. Herzlich umarmten sich Vater und Sohn, als sie sich endlich gegenüberstanden. „Das ist Seto Kaiba, du kennst ihn doch sicher noch?“, stellte Joey seinen Liebsten vor. „Seto – mein Vater.“ „Angenehm.“, antwortete Kyle Wheeler und verbeugte sich formvollendet vor Seto. „Sie kommen doch gewiss auch in der Filiale vorbei, ist es nicht so?“ „Dad, doch nicht so förmlich.“, bat Joey etwas beklommen. „Das ist doch Seto, mein Freund. Wo ist eigentlich Mum?“ Joeys Vater warf einen verwirrten Blick seinem Sohn zu. „Sie ist schon seit drei Wochen nicht mehr zu gebrauchen. Das ganze Haus hat sie auf den Kopf gestellt, und hegt die Befürchtung, dass unsere bescheidene Behausung dem Chef nicht zusagen könnte.“
Eine leichte Röte zog über das Gesicht des Blonden – nein, das war ihm ganz und gar nicht bewusst gewesen, dass Seto nun der Chef seines Vaters war, nachdem er das Erbe Gozaburo Kaibas angetreten hatte. Verlegen blickte er zu Seto...
Dieser war selbst auch überrascht, sicher, er hatte sich die letzten Wochen zusammen mit seinem Bruder um die Erbschaftsangelegenheiten gekümmert, doch waren diese recht umfangreich, so dass ihm diese Tatsache völlig entgangen war. Jetzt so deutlich darauf hingewiesen zu werden, verstärkte sein Unbehagen nur. Seto verbeugte sich ebenfalls, „Sehr erfreut sie kennen zu lernen, Herr Wheeler. Ihr Sohn hat recht, bitte nicht so förmlich. Ich bin nicht deswegen hier.“, entgegnete er höflich. Dieser Aspekt machte seinen Antrittsbesuch als Freund ihres Sohnes nicht leichter... vielleicht sollte er doch gleich wieder zurückfliegen.
Kyle Wheeler nickte erleichtert. „Dann kommt mal ihr Beiden.“, forderte er die Reisenden auf. „Mein Auto steht gleich am Ausgang.“ Er wollte gerade nach dem Gepäck Setos greifen, so wie er es bei jedem Vorgesetzten tun würde, als die beiden jungen Männer schon wieder ihr Gepäck ergriffen hatten. „Wo geht’s lang, Dad?“, wollte Joey nun von seinem Vater wissen. „Wir folgen dir.“
~~~
Joeys Mutter sah andauernd zur Uhr, bald müsste ihr Mann mit ihrem Sohn und dessen Freund eintreffen. In Gedanken ging sie noch einmal alles durch, ob sie auch ja nichts vergessen hatte. Selbst wenn, jetzt war es zu spät noch etwas zu ändern. Endlich hörte sie den Wagen zurückkommen... Im Haus hielt sie es nicht mehr aus, sie riss die Haustür auf und lief ihrem Sohn entgegen.
„Joseph... endlich bist du da.“, rief sie freudig, das würde ihn aber nicht vor einer Strafpredigt retten, die würde er bekommen, das hatte sie sich fest vorgenommen.
Nach der herzlichen Umarmung ihres Sohnes, stellte dieser seiner Mutter nun Seto vor. Auch sie begrüßte den Chef ihres Mannes mit allem nötigen Respekt und, wie schon zuvor, bat der Blauäugige diese Formalität zu lassen, da er nicht in dieser Funktion hier sei. Die jungen Männer wurden nun ins Haus gebeten und Joey Mutter zeigte ihnen die Gästezimmer im obersten Stockwerk der Villa.
Nachdem die Freunde sich eingerichtet hatten, begaben sie sich nach unten ins Wohnzimmer und dort wartete Joeys Mutter bereits auf die Beiden. Frau Wheeler erhob sich sofort und hakte sich bei ihrem Sohn ein. Zu Seto gewandt meinte sie: „Entschuldigen sie bitte, aber ich muss ihnen ihren Freund entführen. Ich habe noch ein ernstes Wort mit ihm zu reden und das will ich gleich erledigen, damit es vom Tisch ist. Fühlen sie sich derweil wie zu Hause.“
„Solange sie ihn mir in einem Stück wieder bringen habe ich nichts dagegen.“, lächelte der Brünette leicht. Mit seinem Freund wollte er jetzt bestimmt nicht tauschen, Joey sah aus, als sollte er hingerichtet werden. Bevor seine Mutter ihn aus dem Zimmer ziehen konnte warf er noch einen letzten Hilfe suchenden Blick auf seinen Freund, doch dieser konnte nur mit den Schultern zucken und ihm aufmunternd zuzwinkern.
~~~
Seto fühlte sich etwas verloren, als er so allein in dem fremden Wohnzimmer stand – Joey war ja bei seiner Mutter, die ihn um ein Gespräch unter vier Augen gebeten hatte. Sein Blick fiel auf die Familienbilder an der Wand, er trat dichter heran und betrachtete sie. Bei manchem Kinderbild von Joey musste der Blauäugige unwillkürlich schmunzeln, doch dann kamen Bilder von Joey und Mahou in sein Blickfeld. Bei diesem Anblick musste er hart schlucken, die beiden sahen so glücklich aus.
„Ein schönes Paar, nicht wahr?“, kam die Feststellung von Herrn Wheeler, der unbemerkt an Seto herangetreten war. Dieser zuckte leicht zusammen, er wusste nicht was er darauf erwidern sollte, aber Joeys Vater schien auch keine Antwort zu erwarten – sondern fuhr einfach fort: „Es war wirklich ein Glück, das die Beiden sich begegnet sind. Etwas Besseres als Mahou hätte Joseph gar nicht passieren können. So ein charmanter, kluger und zuvorkommender Mann. Als wir Japan verließen, wussten wir Joey in guten Händen.“ Herr Wheeler schwärmte ungeniert von dem Grünäugigen, er bemerkte nicht, wie verletzend seine Worte für seinen jungen Gesprächspartner waren. Diese Schwärmerei für den Mann, der den Brünetten und auch Joey so tief verletzt hatte, raubte Seto fast die Luft zum Atmen.
Dachte er doch, dass er den Zauberer der Zeit hinter sich gelassen hatte, nie hätte er gedacht gegen den Grünäugigen bestehen zu müssen.
„Eigentlich dachten wir, die Zwei würden für immer zusammen bleiben, wir waren sehr überrascht als wir von ihrer Trennung erfuhren.“, holte der Ältere den Brünetten in die Wirklichkeit zurück. Zum ersten Mal richtete Joeys Vater seinen Blick voll auf den neuen Freund seines Sohnes, der auch gleichzeitig sein Chef war, doch diese Tatsache hatte er gerade verdrängt. Welch ein Unterschied zwischen dem Ex und dem jetzigen Freund seines Jungen. Mahou strahlte ein ungewöhnliche Warmherzigkeit und Offenheit aus. Der junge Mann vor ihm wirkte dagegen sehr kühl und verschlossen.
„Haben sie mit der Trennung zu tun?“, fragte der Ältere unvermittelt. „Sind sie für die Trennung der Beiden verantwortlich?“ Kaum hatte er seine Fragen gestellt, merkte Joeys Vater, dass er einen riesigen Fehler gemacht hatte. Die blauen Augen seines Gegenübers weiteten sich geschockt, mit so einem Vorwurf hatte Seto nicht gerechnet. In der nächsten Sekunde war sein Blick nur noch abweisend. „Entschuldigen sie mich, Sir, nach dem langen Flug brauche ich ein wenig Bewegung.“, kam es sehr reserviert von dem Blauäugigen, schon drehte dieser sich um, zog sich in Windeseile Schuhe und Mantel an und verließ fluchtartig die Villa.
Herr Wheeler wollte gleich hinter ihm her, doch klingelte in diesem Augenblick das Telefon, und ein Blick auf das Display zeigte, das es ein Dienstgespräch war, somit nahm er das Gespräch entgegen. Entschuldigen konnte er sich auch noch später... wenn nötig.
Seto hatte keine Ahnung wohin ihn seine Füße trugen – es war ihm auch egal. Irgendwann fand er eine Bank am Elbufer, dort ließ er sich nieder und starrte auf den Fluss. Welch eine verzwickte Situation – er war der Chef seines 'Schwiegervaters' und dieser warf ihm indirekt vor, die Beziehung seines Sohnes auseinander gebracht zu haben. Das schlimmste daran aber war, dass ausgerechnet Joey zwischen den Stühlen saß. Wenn die Wheelers ihn nicht mochten, war der Blondschopf womöglich gezwungen sich zwischen ihm, Seto, und seinen Eltern zu entscheiden.
Der Blauäugige vergaß die Zeit, merkte nicht, wie sich langsam die Dunkelheit über die Elbe senkte und spürte auch nicht die Kälte, die langsam in ihn kroch.
~~~
Wie früher, als kleiner Junge schon, wurde Joey von seiner Mutter aus dem Wohnzimmer hinaus und ins Schlafzimmer hinterher gezogen. Er schluckte heftig – Schlafzimmer, das bedeutete, seine Mutter war wirklich sehr sauer auf ihn... Sie dirigierte ihn zum Bett und bedeutete ihm, sich hinzusetzten – dann legte sie los... Joey klingelten die Ohren, denn er konnte ihrer Empörung und ihrer Lautstärke nicht ausweichen, immer tiefer sank sein Kopf, immer größer wurden seine Schuldgefühle, immer größer wurde der Kloß in seinem Hals. Denn seine Mutter hörte nur kurz auf, wenn sie Luft holen musste, aber nicht, um ihm Raum zu lassen, etwas zu sagen, oder gar zu antworten. Eine geschlagene Stunde saß Joey auf der Bettkante und bekam all seine Versäumnisse der letzen Jahre vorgepredigt, immer untermalt von den Sorgen, die seine Mutter sich hin und wieder gemacht hatte – von dem Glück, dass sie wenigstens durch Serenity immer wusste, wie es ihm ging. Als sie schließlich bei dem Wohnungsbrand angekommen war, fühlte Joey sich bereits kleiner als eine Maus – doch seine Mutter setzte immer noch einen drauf.
„Was ist das eigentlich für ein Unsinn, von wegen, du verwandelst dich in einen Drachen und führst Kämpfe auf Leben und Tod?“ Joey schreckte auf und überlegte krampfhaft eine Antwort, als sich zwei Arme um seinen Hals schlangen und er an die Brust seiner Mutter gezogen wurde. „Gott sei Dank, dass du noch lebst, mein Junge. Was bin ich froh, dass du hier bist.“ Joey fühlte sich etwas unbehaglich, am liebsten hätte er sich aus der Umarmung seiner Mutter herausgewunden, doch das musste er noch über sich ergehen lassen – es war ihre Absolution...
Die Umarmung seiner Mutter endete ebenso abrupt, wie sie begonnen hatte, mit roten Wangen und glänzenden Augen stand die resolute Frau vor ihrem erwachsenen Sohn und richtete sich die Haare.
„So, du hast also Seto Kaiba wieder getroffen... Das hat dir sicherlich sehr gut gefallen...“ Ein schelmischer Blick schlich sich in ihre Augen. „Und Mahou war Vergangenheit...“ Joey konnte ob der Logik seiner Mutter nur noch nicken. „Na, dann will ich dich nicht länger aufhalten – geh hin zu deiner großen Liebe, ich hab jetzt noch in der Küche zu tun.“ Damit entließ sie ihren Sohn, drehte sich um, verließ das Schlafzimmer und ließ die Tür dabei offen stehen.
Erleichtert erhob sich Joey vom Bett seiner Mutter, schloss die Tür hinter sich und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer. Gerade als er an seinem telefonierenden Vater vorbeigehen wollte, hielt dieser ihn zurück. „Wenn du deinen Freund suchst, er meinte, er müsse sich nach dem Flug ein bisschen die Beine vertreten. Aber er wird sicher gleich wieder zurück sein, immerhin kennt er sich hier ja überhaupt nicht aus.“ Damit wendete sich Kyle Wheeler wieder seinem Telefongespräch zu.
Joey betrat das Wohnzimmer und schaute es sich erst einmal interessiert an. Immerhin besuchte er auch zum ersten Mal seine Eltern in Deutschland. Auch er betrachtete sich ebenfalls die Bilder, die dort aufgestellt waren. Lächelnd nahm er den einen oder anderen Bilderrahmen in die Hand und verweilte ein wenig in der Vergangenheit. Auch die Bilder mit Mahou entlockten ihm ein Lächeln – er wusste noch genau, wann und wo und zu welchem Anlass diese Bilder aufgenommen wurden. Noch ein wenig in die Vergangenheit entrückt, stand Joey am Kamin, als sein Vater das Wohnzimmer wieder betrat.
„Schöne Bilder, nicht wahr? Doch wie kommt es, dass du nun mit Seto Kaiba zusammen bist? Ihr wart doch ein Herz und eine Seele, du und Mahou...“, wollte der Ältere von seinem Sohn wissen. Joey löste sich von der Vergangenheit, und erst glitt ein Lächeln über seine Züge, als er sich erinnerte, wie er Seto wieder getroffen hatte, abgelöst von leichtem Schmerz, bis schließlich Verbitterung in seinen Zügen zu lesen war. „Das hat verschiedene Gründe.“, meinte Joey nur kurz angebunden. „Jetzt bin ich mit Seto zusammen, das allein zählt, und ich bitte dich, erwähne Mahou besser nicht wieder. Überhaupt solltet ihr all diese Bilder forträumen. Sie gehören nicht in dieses Zimmer.“ Mit diesen Worten sammelte der Blonde alle Bilder ein, die ihn mit Mahou allein zeigten und drückte sie seinem perplexen Vater in die Hand.
Jetzt erst fiel Joey auf, dass es draußen schon langsam dunkel wurde, und dass Seto noch nicht wieder zurück war. „Wohin sagtest du, wollte Seto gehen?“, erkundigte er sich besorgt bei seinem Vater. „Er brauche etwas Bewegung meinte er, als er ging. Ist er denn noch nicht zurück?“ „Nein, er ist noch nicht zurück.“, meinte Joey, der reichlich besorgt aus dem Flur zurückkam. Jetzt war es an Joeys Vater ziemlich verlegen dreinzuschauen. „Es könnte sein, dass ich vorhin etwas sehr dummes gesagt habe.“, meinte Kyle Wheeler ziemlich kleinlaut. Alarmiert blickte Joey seinen Vater an. „Und was genau hast du bitteschön zu ihm gesagt?“, kam es nicht ganz so freundlich von dem Jüngeren. „Ich wollte wissen, ob er der Grund dafür sei, dass du dich von Mahou getrennt hast.“, gestand der Ältere. „Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“, brauste Joey entsetzt auf, rannte ebenfalls in den Flur, schnappte sich seinen Mantel, schlüpfte in seine Schuhe und begann nach seinem Liebsten zu suchen.
Lange irrte Joey in der Gegend umher und rief immer wieder Setos Namen, bis auch er schließlich den Weg an die Elbe fand. Fast hätte er die in sich versunkene Gestalt übersehen, doch eine dicht über ihn hinweg fliegende Möwe erschreckte ihn so sehr, dass er einen spitzen Schrei ausstieß. Die Gestalt hob ihren Kopf, drehte sich etwas, rief müde und verwundert: „Joey, Joey, bist du das?“
Seto war sich nicht sicher – in der fortgeschrittenen Dämmerung konnte er nur die Umrisse des Mannes erkennen, nicht sein Gesicht. Aber die Stimme kam ihm doch sehr bekannt vor... der Blauäugige wusste nicht ob er sich freuen sollte, dass sein Partner hier war oder nicht. Seto wandte sich wieder dem Fluss zu und hing seinen Gedanken nach. Der Blondschopf setzte sich neben Seto auf die Bank.
„Ich weiß das Mahou zu deiner Vergangenheit gehört, aber deinen Vater so von ihm Schwärmen zu hören... das war einfach zu viel. Bevor ich etwas sagte, dass ich nicht wieder zurücknehmen konnte, bin ich lieber gegangen.“, durchbrach der Brünette die Stille.
Joey schluckte. Ihm war überhaupt nicht bewusst gewesen, WIE sehr sein Vater Mahou schon zur Familie zählte... Dass er ihn schätzte – nun das lag auch an Mahous Natur, er konnte andere Menschen sehr von sich einnehmen. Ein wehmütiges Lächeln zog flüchtig über die Züge des Blonden, nur um durch einen schmerzhaften Ausdruck abgelöst zu werden. Mahous Verrat schmerzte noch immer... Vorsichtig legte er eine Hand auf das Bein seines Liebsten. „Geht es dir gut?“, wollte er leise wissen. „Mein Vater ist ein Idiot.“ „Dein Vater kann nichts dafür, er kennt Mahou nicht so gut wie wir.“, antwortete Seto leise, legte seine Hand auf die seines Freundes. „Mir geht es gut, keine Sorge.“
Joey streichelte sanft über Setos Oberschenkel. „Du bist ganz kalt, lass uns ein Taxi rufen und uns zurückbringen – ich hab keine Ahnung, WO wir hier sind.“ Der Blauäugige lächelte leicht. „Wo sind deine Dracheninstinkte? Soweit ist es gar nicht, lass uns lieber zu Fuß gehen. Mal abgesehen davon, das ich mein Telefon nicht mit habe.“ Eine leichte Röte zog um die Nase des Blonden. „Ich hab dich doch überall gesucht.“, versuchte er sich zu rechtfertigen und war froh, dass Seto seine Röte nicht sehen konnte. „Du hast wahrscheinlich recht.“
Dieser umfasste die Hand seines Geliebten mit beiden Händen. „Hm, viel wärmer bist du auch nicht gerade.“ „Aber immer noch wärmer als du.“, grinste der Blonde verlegen und genoss den Kontakt zu seinem Liebsten. Seto stand auf und zog den Blondschopf mit hoch, und bevor sie sich abwandten, fiel sein Blick noch mal auf den dunklen Fluss. „Siehst du das auch? Das ist doch ein Segelschiff.“, machte der Blauäugige auf ein Segelschiff aufmerksam, dass sich nahezu geräuschlos auf dem Wasser bewegte. Einige der Segel blähten sich leicht im Wind. Joey blickte in die Richtung, auf die sein Freund zeigte. „Du hast recht, da ist ein Segelschiff.“, nickte er. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Joeys Eltern und Joey vertraute sich voll und ganz der Führung seines Liebsten an.