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Die Chroniken von Khad-Arza - Die Herrscher der Geisterwinde

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Gäste

„Ihr hättet gar nicht passender hier auftauchen können, Leute!“ begrüßte Tabari seine vier Kollegen, die beiden Kohdar-Brüder, ihren Vater Hakopa und Henac Emo. Letzterer zeigte ein selbstgefälliges Grinsen.

„Was denn, die großartigen Lyras sind auf Hilfe von uns schwächeren Clans angewiesen…? Dass ich das noch erleben darf…“

„Streitet nicht, Himmel!“ meckerte Meoran und raufte sich die Haare. Ruja hatte die Barriere um den Turm aufgelöst und als die Flammen der Zuyyaner niedrig genug gebrannt waren, hatten Nalani und Meoran den Flammenring verlassen und standen jetzt mit erwähnter Ruja und den anderen Geisterjägern auf dem Feld herum. Aus dem Wachturm strömten die Dorfleute und jubelten über den Sieg. Keisha kümmerte sich um Puran, der allmählich wieder zu sich kam.

„Wie habt ihr uns hier gefunden, am Arsch des Landes?“ fragte Tabari verblüfft an Kohdars gewendet und zog es vor, Emo zu ignorieren, der außer einer frechen Klappe meistens nichts zu bieten hatte. Was Tabari bedauerte, Henac Großvater Minar Emo war ein hervorragender Magier und ein guter Mann gewesen. Sein Enkel hatte sich seit seinem Eintritt in den Rat bisher nicht allzu viele Sympathien eingehandelt. Er wurde stumm geduldet, aber nicht gemocht. Ebenso wenig schien er irgendwen zu mögen außer sich selbst.

„Wir haben Meorans Botschaft erhalten und haben uns gedacht, es wäre von Vorteil, wenn wir alle zusammen sind, je mehr, desto besser, da haben wir uns durch Dokahsan und Anthurien her gekämpft. Die ganze Provinz ist voller Zuyyaner, ich sag’s euch, das ist beängstigend. Und von allen Seiten kommen mehr, die sind wie Heuschrecken, die über eine Ernte herfallen. Auf dem Weg hierher haben wir fast nur Tote gesehen, und Zuyyaner, die rotten die gesamte Menschheit aus, wenn das so weiter geht,“ berichtete Hakopa Kohdar nüchtern.

„Emo haben wir unterwegs getroffen und gleich mitgenommen,“ addierte Tare Kohdar, der jüngere Sohn. Mit den Geisterjägern war auch der Rest des Kohdars-Clans gekommen, das, was übrig war – was Baraks Frau und seine vier Kinder waren, mehr nicht. Barak Kohdar überdies bot einen ungewohnten Anblick.

„Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?“ wollte Tabari bestürzt wissen und zeigte auf den Jüngeren, der eine provisorische Binde quer über seinem Gesicht trug.

„Mein rechtes Auge ist hin, sonst ist alles gut,“ meinte der Angesprochene leichthin und der Blonde hustete.

„Wie furchtbar, tut mir leid…“

„Vati ist tapfer, er ist halb blind und trotzdem toll!“ rief das kleinste der Kinder und klammerte sich stolz an Baraks Hand, worauf der Vater dumm lachte. Das vierte Kind war endlich mal ein Junge geworden, der einzige, noch sehr kleine Erbe des Clans für die Zukunft. Nalani beugte sich zu dem kleinen Jungen herunter und tätschelte ihm die braunen Haare.

„Ja, da hast du wohl recht, Kleiner. Du musst stolz sein.“

„Nun hört mal auf, ich lebe ja,“ brummte Barak verdrossen, „Vater hat nur noch acht Finger, das ist kaum besser.“

„Wollen wir jetzt jedes Wehwehchen erläutern oder lieber über wichtige Dinge reden?“ mischte Henac Emo sich genervt ein und Nalani fand, dass er ausnahmsweise mal etwas Vernünftiges von sich gab. Sie drehte das Gesicht zu ihm und nahm ihre Gedanken sofort wieder zurück, als er sie zweideutig angrinste. Er war und blieb eine Schlange, irgendwie.

„Lasst uns zurück ins Dorf gehen,“ schlug die Frau kaltherzig vor. „Ich hoffe, es ist Platz für uns alle.“
 

Der Dorfälteste war völlig aus dem Häuschen, weil jetzt der gesamte Rat der Geisterjäger in seinem bescheidenen Dorf kampierte. Er stellte für die Beratung seine eigene Stube zur Verfügung, nachdem alle zurück nach Iter gekehrt und die gröbsten Verletzungen provisorisch versorgt worden waren. Puran war auch wieder auf den Beinen und saß jetzt mit Leyya auf dem Schoß zwischen Keisha und Ruja auf einer Bank am Rand der Stube, während die Ratsmitglieder um den Tisch herum saßen. Ein paar Dorfmänner und natürlich der Älteste waren auch anwesend, an der Tür stand die jüngere Tochter, der Puran nur einen leicht verlegenen Blick schenkte, worauf sie grinste.

„Das habe ich noch nie erlebt!“ machte der Älteste entrüstet, „D-dass der Turm in Gefahr war, meine ich! Er steht hier ewig und keine Armee hat ihn je einnehmen können – und heute musste ich miterleben, wie es geschehen wäre, hätte die tapfere Frau Ruja nicht ihre Barriere gebaut! Wären die Geisterjäger nicht hier angekommen, wären wir jetzt alle tot, wir verdanken Euch unser Leben!“

„Nicht so hastig,“ nahm Nalani ihm den Wind aus den Segeln, „Es ist vielleicht anders, als Ihr-…“ Sie fing einen mahnenden Blick ihres Mannes, und sie verstand und brach ab. „Ah, schon gut.“ Verwirrt blinzelten einige Männer, Tabari jedoch räusperte sich.

„Das liegt daran, Herr, dass Ihr vermutlich nie gegen Zuyyaner gekämpft habt… wir vor diesem Krieg übrigens auch nicht. In der kurzen Zeit der Invasion hier habe ich folgendes gelernt. Zuyyaner sind anders als wir, sie kennen offenbar keine menschlichen Schwächen, sie sind gnadenlos und haben kein Gewissen, sie fliegen und ihre Magie ist anders als unsere. Sie sind hervorragend organisiert, vermutlich weit besser als es jemals ein Heer von Tharr war. Nach den Erzählungen meines Vaters aus dem Krieg zwischen Dokahsan und Anthurien vor vielen Jahrzehnten habe ich den Eindruck, dass hier alle munter drauf los gekloppt haben…“ Die Dorfmänner nickten zustimmend.

„Wir waren nicht dabei, aber zumindest war es nicht annähernd so ein Desaster wie das heute,“ sagte einer.

„Eigentlich halte ich sie jetzt nicht mehr für so eine Gefahr,“ bemerkte ein zweiter, „Immerhin haben die Schamanen mit nur fünf Leuten eine ganze Kompanie zerschlagen.“

„Was daran lag, dass die von uns keine Ahnung haben, die wussten nicht, worauf sie sich einließen,“ entgegnete Nalani scharf, „Nächstes Mal werden sie vorbereiteter sein.“ Alle zogen die Luft ein und Tabari erbleichte.

„Nalani!“ zischte er und sie senkte den Kopf.

„Was soll das meinen?“ mischte sich die Tochter des Ältesten ein, „Nächstes Mal? Die kommen zurück?“ Tabari gab sich halb geschlagen und seufzte.

„Sehen wir den Tatsachen ins Auge, Teuerste, sie wollen offenbar alles ummähen, was sie finden. Der Anführer ist entwischt, er wird Bericht erstatten, denke ich.“ Das löste allgemeine Unruhe im Raum aus. Leyya sah erschrocken zu Puran, der sie festhielt.

„Glaubst du auch, sie kommen wieder?“ flüsterte sie, „Das wäre furchtbar…“ Er seufzte.

„Ich weiß es nicht, Leyya… vielleicht. Auf alle Fälle müssen wir vorsichtig sein.“ Er fühlte sich müde und erschöpft nach dem Kampf auf der Wiese. Er hatte noch nie eine so gewaltige Macht in sich gespürt wie zuvor, noch nie war die Magie in ihm so stark gewesen… und noch nie war er nach einem Zauber so fertig gewesen, am liebsten hätte er sich ins Bett gelegt und drei Tage am Stück geschlafen. Leider bleib ihm das verwehrt…

„Ich denke, mehr gibt es im Moment nicht zu sagen,“ fiel Tabari nämlich ein, „Wir sollten das Dorf auf alle Fälle rüsten und gut bewachen lassen, der Turm muss Tag und Nacht bewacht werden. Wenn wir Pech haben, sind sie sogar hinter dem Wachturm her, so ein Aussichtsposten kann nie schaden…“ Er räusperte sich. „Ich würde Euch höflich bitten, Herr, uns jetzt alleine zu lassen, es gibt noch Dinge, die ich mit meinen Ratsmännern besprechen muss, die nur uns Magier tangieren und Euch wenig interessiere werden.“ Nach einem Blick des Ältesten verließen die Männer die Stube, der Dorfchef folgte ihnen artig.

„Und wenn es uns doch interessiert?“ fragte seine Tochter perplex, ehe ihr Vater sie ungestüm am Arm zog.

„Sei nicht unhöflich und komm mit raus!“ Sie seufzte und ergab sich, der Vater schloss die Tür hinter ihnen.
 

„Was denn jetzt?“ machte Hakopa Kohdar verdutzt, als der Blonde sich räusperte und eine Hand auf den Tisch legte, ehe er zu der Bank an der Seite sah.

„Puran,“ sprach er ernst den Namen seines Sohnes und der sah verwundert hoch, „Ich fordere, dass er die Prüfung macht und Mitglied des Rates wird, wo wir doch alle schon hier sind.“

Die Nachricht brachte alle zum Schweigen. Kohdars und Emo weiteten die Augen und Meoran und Nalani sahen sich verblüfft an. Puran blinzelte.

„Äh – was?“ war seine geistreiche Antwort.

„Ja, was?“ stimmte Henac Emo ihm zu, „Wie alt ist er gleich, sechzehn? Er ist doch viel zu jung dafür!“

„Ich bin fast achtzehn!“ entrüstete Puran sich beleidigt und Tare Kohdar warf ein:

„Ich bin mit fünfzehn Geisterjäger geworden…“

„Alter ist Schall und Rauch,“ entgegnete Meoran, „Wie kommst du auf die Idee, Puran wäre jetzt reif dafür, Tabari? Meinst du, er könnte die Prüfung bestehen?“

„Andernfalls würde ich es nicht fordern. Ich habe vorhin gesehen, zu was er fähig ist, es muss dir entgangen sein, aber ich habe nie, und ich sage das als erbe einer ohnehin protzigen Familie, nie ein derartiges Ausmaß an Magie gesehen, es hat mich dermaßen erschüttert, dass ich das jetzt unbedingt ansprechen musste.“

„W-was, ich?“ japste Puran und wurde jetzt rot, weil ihn alle ansahen – wie peinlich… „Ich habe gar nichts gemacht, also… doch, schon… aber ich habe das nicht hundert Prozent unter Kontrolle…“

„Keine Kontrolle ist schlecht, das wird nichts,“ orakelte Emo gehässig. Puran brummte. Was hatte der denn für ein Problem, er war zwar bescheiden, das hieß aber nicht, dass man seine Würde verletzen musste.

„Wie kannst du sowas sagen?“ schnappte Leyya da auch schon zu seiner Verteidigung, ehe Puran sie aufhalten konnte, „Puran ist ein guter Magier, ich weiß das!“

„Leyya, halt den Mund,“ dankte Puran ihr die Verteidigung barsch. Emo kicherte.

„Oh, du hast eine Verehrerin, die halb so alt ist wie du, wie niedlich…“ Es war Ruja, die in den Streit einfiel, indem sie sich erhob.

„Ich habe gesehen, was Tabari gesehen hat,“ sagte sie ernst, „Und was er gesagt hat, war nicht übertrieben. Es war… es war, als hätten die Geister von Himmel und Erde Purans Körper ausgefüllt, als stünden Vater Himmel und Mutter Erde persönlich vor mir, in der Hülle eines Menschen… es war unglaublich. Und wenn er sagt, er kontrolliert es nicht, so denke ich, dass aber nicht viel dazu gefehlt hat. Wenn es nicht ein Selbstbeschützungsinstinkt ist, der unwillkürlich aufkommt, isst es automatisch kontrollierter, denke ich.“ Darauf schwiegen alle und Tabari nickte ihr dankbar zu.

„Wenn Ruja das sagt, hat sie recht,“ meinte Meoran zuversichtlich und er musterte Puran. „Als ich ihn gelehrt habe, war er ein sehr talentierter und geschickter Junge, zutrauen würde ich es ihm schon. Und meine Frau irrt sich nicht in solchen Gefühlen.“

„Sagst du, weil du blind vor Liebe bist, hm?“ gluckste Henac Emo und Meoran zischte ihn an.

„Hüte deine Zunge, Henac, mein Geduldsfaden ist nach diesem Drama heute sehr strapaziert!“

„Nein, das sagt nicht nur Meoran, das sage ich auch,“ mischte Nalani sich ein, „Ruja hat ein Gespür für sowas. Vielleicht sogar mehr als wir Schwarzmagier.“

„Wirklich?“ machte Henac Emo belustigt, „Ist ja toll, ich sollte sie mal meine Hand lesen lassen, vielleicht sagt sie mir meine Zukunft voraus…“ Barak Kohdar mischte sich jetzt ein.

„Himmel, so kommen wir ja nie voran. Ist irgendjemand dagegen, dass wir Puran die Prüfung machen lassen?“

„Ja, ich,“ schnaufte Emo, „Noch mehr Lyras im Rat und wir haben eine Dynastie!“

„Wir haben im Rat mehr Kohdars als Lyras,“ sagte Nalani schroff, „Wenn du von deiner Sippe mehr hier haben willst, musst du wohl ein paar fähige Söhne zeugen, du Meckerpott.“

„Ach, ignorieren wir ihn, wir sind schließlich kein Telepathenrat, der alles demokratisch klärt… ich bin der Kopf des Rates, ich bestimme,“ meinte Tabari und setzte sich so über Henac Emo hinweg, auf den ohnehin keiner hörte. Der Jüngere schnaufte.

„Na, besten Dank für deine Weitsicht, Herr der Geister.“

„Wie jetzt, und wann passiert das?“ fragte Puran verblüfft, „Wenn ihr schon über meinen Kopf hinweg entscheidet, dass ich das mache…“ Er fragte sich insgeheim, ob das richtig war… und ob er das, was in seinem Inneren so lauerte, wirklich bändigen konnte. Auch wenn Ruja zuversichtlich war, war er skeptisch.

„Wir erholen uns erst mal von dem Gemetzel heute, da wir Keisha haben, die sich auskennt, müssten zwei Tage dafür reichen,“ meinte Nalani, „Das heißt, in drei Tagen fangen wir an mit der Isolation.“
 

„Du musst drei Tage weg und alleine durch die Gegend laufen?“ Leyya machte ein besorgtes Gesicht, während sie mit der Hausherrin zusammen in der Küche saß und ihr dabei half, Gemüse zu schneiden für das Abendessen. Die meisten Männer waren jetzt damit beschäftigt, den Zaun des Dorfes zu verstärken, aber Puran hatte man gesagt, er sollte sich lieber ausruhen, was ihm eigentlich entgegen kam. So saß er jetzt etwas gelangweilt bei den beiden in der Küche und hatte ihnen gerade erklärt, was in drei Tagen auf ihn zukäme.

„Ja, so ist das,“ meinte er und gähnte. „Aber das ist noch das Leichteste… danach werde ich gegen einen der anderen Geisterjäger antreten und ihn besiegen müssen, das wird harte Arbeit.“ Leyya keuchte und verlor die Karotte aus der Hand, die sie hatte schneiden wollen.

„Richtig kämpfen?“ machte sie entsetzt, „A-auf Leben und Tod?!“

„Ach, Unsinn…die werden schon aufpassen.“

„Und wer wird dein Gegner sein?“ wunderte sich die ältere Frau und schnitt emsig weiter, „Ich meine, wenn dein Vater der Herr der Geister ist, ist er der vermutlich mächtigste Schamane des Zentrums, oder zumindest Kisaras…“

„Na ja, mein Vater ist als Oberhaupt des Rates davon ausgeschlossen. Aber es wäre genauso schlimm, wenn es meine Mutter erwischt… das wird ausgelost, glaube ich. Hoffentlich überlebe ich das…“ Als er Leyyas Gesichtszüge darauf entgleisen sah, musste er leicht grinsen. „Ach, hab keine Angst, das wird schon. Irgendwie… hoffe ich.“

„Und wenn du den Kampf bestehst, bist du auch ein Geisterjäger?“ fuhr die Frau fort und er nickte dumpf. Ja… das wäre wohl so. Eine seltsame Vorstellung, plötzlich mit seinen Eltern auf einer Stufe zu stehen… plötzlich da hinzukommen, wo er als Kind niemals hatte hinkommen wollen.

Seine inoffizielle Liebhaberin hob grinsend den Kopf von ihrem Gemüse und sah ihm ins Gesicht.

„Viel Glück,“ meinte sie leise. „Wenn du deine Arbeit diesbezüglich nur halb so gut machst wie das, was du letzte Nacht gemacht hast, wirst du keine Probleme haben.“ Das war sehr direkt gesprochen und er errötete erschrocken und war froh darüber, dass Leyya noch so klein war und vermutlich nicht verstand, worum es ging – so glaubte er, die kleine Heilerin wusste ziemlich gut, worum es ging, und sie verzog jetzt das kleine Gesicht. Da hatte er also in der Nacht gesteckt, und sie hatte sich Sorgen gemacht… während die beiden Älteren weiter redeten, beachtete die Kleine ihre Gemüse nicht weiter und irgendetwas in ihr fühlte sich aus irgendeinem Grund plötzlich verletzt, sie wusste selbst nicht, was es war…

„Ich wünsche dir auch Glück, Puran,“ wisperte sie dann betreten, aber sie sprach so leise, dass die anderen sie nicht gehört hatten und ihr niemand antwortete.
 

„Warum willst du lügen, Tabari?“

Nalani stand bis zu den Knien im Fluss mit kaum mehr an als ihrer Unterwäsche und wusch das Blut vom Kampf aus ihrer Kleidung, während ihr Mann am Ufer saß und bei ihrem Anblick anderes im Kopf zu haben schien als das, was wichtig war. Sie stöhnte. „Tabari, hörst du mir zu?!“

„Was, äh, ja, klar,“ machte er dumm lachend und errötete etwas, als er auf ihre nur dürftig bedeckten Brüste sah und ihm gleich ganz anders wurde. Das Korsett, das sie aus Dokahsan mitgenommen hatte, war natürlich durch dauerhaftes Tragen längst kaputt gegangen und so hatte sie sich stattdessen als Halterung nur einfache Stofflappen um den Oberkörper gebunden. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sie ihm Wasser ins Gesicht trat.

„Hallo, ich rede mit dir!“ Er fuhr auf und meckerte erst einmal, weil er jetzt nass war, dann zeigte er ihr, dass er offenbar doch zugehört hatte:

„Denk doch mal, Nalani, was glaubst du, ist hier los, wenn du erzählst, dass sie unter Umständen gezielt hinter uns her sind? Was du gesagt hast, was dieser Heerführer so von sich gegeben hat, bestätigt unsere Vermutung dessen ja nur. Wir sind vermutlich die einzigen, die den Zuyyaner Widerstand geleistet haben und sogar eine Kompanie geschlagen haben, sie werden jetzt alles tun, um uns aus dem Weg zu räumen.“

„Das weiß ich,“ machte die Frau und zog ihren Rock aus dem Wasser, um ihn auszuwringen, ehe sie zu Tabari ans Ufer kam und sich in Unterwäsche wie sie war neben ihn setzte. Ehe sie weiter sprechen konnte, legte er schon ganz zufällig einen Arm um sie und zog sie etwas dichter an sich heran. „Deswegen meine ich doch, dass wir so schnell wie möglich hier verschwinden sollten, um die Leute nicht in Gefahr zu bringen! Wir können ihnen das nicht verschweigen… sie denken, sie sind mit uns gerettet, dabei kam die Gefahr für sie erst mit uns her…“

„Wir gehen so schnell wie möglich, Nalani,“ versprach ihr Gemahl ihr murmelnd, „Ich wollte nur… ich weiß, es ist irgendwie egoistisch, aber, denk doch an Ruja und das Baby. Hier im Dorf kann sie es sicher und in Ruhe gebären, wie soll das gehen, wenn wir jetzt aufbrechen und herum wandern? Ihr Bauch wird in wenigen Monden kugelrund sein und sie wird langsam sein im Gehen. Und am besten bekommt sie ihre Wehen mitten in einem Kampf oder so. Ich will aufbrechen, sobald Ruja und ihr Kind gesund und munter sind und sie stark genug ist, um weit zu gehen.“ Die Frau seufzte leise und legte den nassen Rock in die Kiesel am Ufer zum Trocknen, als Tabari sie fester umarmte und sie spürte, wie er ihren Hals zu küssen begann.

„Ja, das sehe ich ein… lass das…“ seufzte sie und versuchte energisch, ihn wegzuschieben, „Tabari, ich habe ein schlechtes Gewissen, diese Leute hier so in Gefahr-… Mann, hörst du zu?!“ Sie stöhnte empört, als er sie plötzlich umwarf und sich über sie rollte.

„Nein, jetzt nicht, wenn du so halb nackig vor mir herum rennst, musst du damit rechnen…“

„Lustmolch,“ brummte sie kalt, ließ aber zu, dass er sie küsste und mit den Händen begann, an ihrer Unterwäsche zu nesteln. Hauptsache, es kam niemand zufällig vorbei…
 

Leyya erwachte mitten in der Nacht durch ein Knarren des Holzbodens. Als sie müde den Kopf hob, sah sie die Zimmertür zu fallen und war sofort wach. Was war das gewesen? War jemand herein gekommen? Ein Blick auf die Matte neben ihr, die leer war, verriet ihr, dass stattdessen jemand hinaus gegangen war – Puran war nicht da. Die Kleine zog etwas unglücklich die Beine an. Plötzlich spürte sie das Bedürfnis, sich dicht an ihn zu kuscheln, wie sie es in der Höhle in den Bergen nachts oft getan hatte, besonders im Winter. Es war so schön warm gewesen… jetzt war es zwar heiß, weil Sommer war, aber sie wollte trotzdem kuscheln… leider war ihr verehrter Retter seit einer Weile nicht mehr davon angetan, mit ihr zu kuscheln, erst recht nicht mehr, seit sie in Iter waren.

Sie schnaufte beleidigt. Nachdem sie etwas gewartet hatte und er nicht zurückgekommen war, fragte sie sich, wo er stecken mochte… ihr fiel die Hausherrin ein und ihre Miene verbiesterte sich, ehe sie sich aufsetzte und tapfer beschloss, ihn zu suchen. Als sie die Tür erreicht hatte, wurde sie aufgehalten.

„Lass ihn, Leyya. Du wirst es verstehen, wenn du älter bist.“

Es war Nalani, die leise geflüstert hatte, und das kleine Mädchen drehte sich bedrückt zu ihr um.

„Du weißt, wo Puran hingeht?“ flüsterte sie zurück.

„Natürlich. Er ist mein Sohn, ich bemerke Dinge, die ein Außenstehender nicht sehen würde, wenn ich ihn beobachte. Sei ihm nicht böse… er ist erwachsen. Erwachsene brauchen das ab und zu.“ Die kleine Heilerin schmollte. „Ich sage ja, du verstehst das, wenn du eine Frau bist. Eines Tages wirst du einen Mann haben und dann auch sowas tun.“

„Aber die Herrin ist gar nicht Purans Frau…“ Nalani lächelte leicht.

„Du kannst zu uns kommen, wenn du magst, Leyyachen. Bei Tabari und mir ist genug Platz.“ Damit schlug sie ihre Decke zurück, um das kleine Mädchen über sie auf ihr Lager krabbeln zu lassen, wo sie sich zwischen Nalani und ihren Mann kuschelte. Tabari wachte dabei auf und blinzelte verwundert.

„Ach, und ich habe gerade geglaubt, meine Frau sei geschrumpft…“ Nalani verdrehte die Augen und legte mütterlich einen Arm um das Mädchen, das sich glücklich an sie schmiegte. Das war ein schönes Gefühl, von beiden Seiten gewärmt zu werden, als Tabari sich auch wieder zu ihnen drehte und seinerseits begann, Nalanis Arm zu streicheln, der um Leyyas Körper lag.

„Seit… ich bei euch bin, habe ich das Gefühl, ich habe… eine echte Familie,“ nuschelte die Kleine dann und die Erwachsenen warfen sich einen gerührten Blick zu, besonders Nalani nahm dieser Satz mehr mit, als sie zugegeben hätte. Tabari sah sie leicht erzittern, als sie ihren Arm von Leyyas Taille hob und ihr zärtlich durch die Haare strich. Es war wie vor Jahren, als sie den kleinen Puran bei sich im Bett hatten schlafen lassen… nur hatten sie dieses Mal ein kleines Mädchen.

„Wir werden eine Familie für dich sein, Leyya, wenn du es möchtest,“ wisperte Nalani, ihr Mann stellte fest, wie erstaunlich brüchig ihre Stimme mit einem Mal war, und er musste lächeln. „Ich würde… mich sehr freuen, eine Familie für dich sein zu können, kleine Leyya.“

Sie beherrschte sich noch, um nicht zu weinen, aber Tabari wusste, dass dazu nur wenig gefehlt hatte… er kannte seine Frau.

„Ich vermisse Kiuk, Sukutai und Alona,“ murmelte die Frau leise, als Leyya zwischen ihnen eingeschlafen war. „Ich denke, die Geister würden uns nicht vorenthalten, wenn ihnen etwas Ernstes zugestoßen wäre, oder?“

„Ich hoffe es,“ machte ihr Mann, „Ich weiß nicht… sie haben mir schon oft Sachen verschwiegen oder ich war zu dumm, um die Visionen zu deuten… oder beides. Ich sorge mich ernsthaft, ich meine… wenn selbst Kohdars und Emo hier sind, warum sind Kiuk und Sukutai nicht hier? Vielleicht haben sie Meorans Feder nie bekommen, aber… ich meine, irgendwo müssen sie doch sein…!“ Nalani beschwichtigte ihn vorsichtig.

„Shh… ja, gewiss. Sie werden leben und eines Tages werden wir sie wiedersehen. Dafür bete ich zu allen Geistern, die mich anhören wollen. Tu du dasselbe, dann… wird es vielleicht schon bald sein.“
 

Im Morgengrauen weckte ein merkwürdiges Ereignis das Aufsehen der Wachen am Turm. Zwei Menschen kamen auf das Dorf zugelaufen und schienen keinerlei Anstalten zu machen, anzuhalten.

„Wer sind die denn? Reisende um so eine Tageszeit?“

„Späher der Zuyyaner, knallt sie ab,“ schnaufte einer der Wachmänner im Turm und gab den Befehl zum Schuss. Der Pfeil aus dem Wachturm hätte die beiden komischen Vögel problemlos getroffen, aber im letzten Moment blitzte die Hand des einen plötzlich auf zerschmetterte den Pfeil.

„W-was…?!“ japste der Schütze oben entsetzt, „Was machen die mit meinem Pfeil?!“

„Schlag im Dorf Alarm, rasch!“

Der Gong ertönte und als die beiden in dunkle Mäntel gehüllten Gestalten den Zaun erreichten, bestand ihr Empfangskomitee aus einem Dutzend bewaffneter Bauern aus Iter. Sie bedrohten sie mit großen Messern und Speeren. Der kleinere der beiden Menschen trat keuchend einen Schritt hinter den größeren, besagter hob die Hände zur Abwehr.

„Keine Angst, wir sind keine Zuyyaner und wollen eurem Dorf nichts tun! Ich habe eine Botschaft, lasst mich ein!“ Daraufhin sahen die Bauern sich verblüfft an.
 

„Herr, wacht auf! Rasch, es ist wichtig!“ Tabari hustete perplex, als die Hausherrin an ihm rüttelte und ihn samt Nalani und Leyya aus dem Schlaf riss.

„Was ist denn jetzt passiert?“ wollte er wissen und setzte sich auf dem Lager auf. Leyya rieb sich die Augen. Die Frau räusperte sich.

„Verzeiht die Störung, aber es sind Menschen gekommen, sie wollen den Herrn der Geister sprechen, umgehend.“ Tabari warf Nalani einen Blick zu.

„Was denn, was für Menschen?“

„Ich habe sie nicht gesehen, der Sohn des Hirten kam eben und sagte mir, ich solle Euch holen. Es sollen zwei sein, die kamen im Morgengrauen her und sitzen jetzt in der Taverne.“ Die Magier sahen sich abermals an, ehe sich alle drei erhoben und sich flink fertig anzogen, um gemeinsam das Zimmer zu verlassen. In der Stube trafen sie auf Puran, der erstaunlicherweise schon wach war.

„Hast du die Fremden gesehen?“ fragte Tabari seinen Sohn überflüssigerweise und der seufzte und fuhr sich durch die definitiv ungekämmten Haare.

„Nein, ich habe es auch gerade erst gehört, ich habe doch geschlafen… ich komme mit euch, Vater.“ Er sah auf Leyya, die ihn irgendwie keines Blickes würdigte und sich an Nalani klammerte, was ihn verwunderte. Was war der denn über die Leber gelaufen?

In der Taverne war morgens kein Mensch, so waren die Fremden schwer zu übersehen, die als einzige an einem Tisch saßen und vor sich Krüge mit Ziegenmilch hatten. Sie hatten die Kapuzen ihrer Mäntel abgenommen und Tabari und die anderen erkannten einen jungen Mann mit schwarzen Haaren und ein sehr junges, blondes Mädchen, aber immerhin älter als Leyya, vermuteten sie.

„Ah,“ machte der Mann und winkte gut gelaunt, als er die Schamanen in die Taverne kommen sah. „Ihr seid also der große Tabari Lyra, der Herr der Geister?“

„Fangen wir doch lieber bei dir an, Bursche, wer bist du?“ fragte Tabari verblüfft zurück. Etwas Gepolter hinter ihnen ließ sie herumfahren. Meoran, Kohdars und Henac Emo waren ebenfalls gekommen, mit ihnen der Dorfälteste und der sehr erschöpfte Sohn des Hirten, der durch das halbe Dorf gerannt war, um alle zu holen.

„Was für ein Radau am Morgen, ist ja fürchterlich!“ entrüstete der Meckerpott Emo sich sogleich, „Ich hoffe, was du zu sagen hast, ist etwas wert, du komischer Knilch.“ Er fixierte missmutig den Fremden und das blonde Mädchen. Der Fremde trank in Ruhe seine Ziegenmilch aus und schien alle Zeit der Welt zu haben, es schien ihn auch nicht zu stören, dass die Gesichter der unausgeschlafenen Ratsmitglieder immer grantiger wurden.

„Toll, sind jetzt alle Geisterjäger da oder fehlt noch jemand?“ fragte er heiter. Nalani seufzte.

„Wir sind alle da, sag uns deinen Namen, Junge.“

„Mein Name ist Neron Shai!“ kam er ihrer Forderung brav nach und grinste, „Ich bin gekommen, weil die Geister mir gesagt haben, wo ich euch finden könnte.“

„Das tun sie mitunter,“ bemerkte Tare Kohdar stirnrunzelnd. Der Kerl mochte nur wenig älter als Puran sein. „Warum wolltest du uns finden, Neron Shai?“ Der Angesprochene grinste ihn an.

„Um euch zu bitten, mich die Prüfung machen zu lassen und eurem Rat beizutreten.“
 

Er erntete eisernes Schweigen und bestellte sich in der Zeit eine neue Ziegenmilch.

„Und, habt ihr sowas wie gebratenen Speck? Wäre großartig, ich mag euch Bauern,“ sagte er zu dem Wirt, der reichlich verwirrt dreinschaute. Dann sprach Meoran.

„Du willst was?“

„Ah, Ihr habt Eure Sprache wiedergefunden. Ich will die Prüfung machen, die Geisterjägerprüfung. – Wollt Ihr auch frühstücken?“ Nach frühstücken war gerade niemandem zumute. Henac Emo fing dämlich zu lachen an.

„Wie bitte?!“ höhnte er, „Du Knilch tauchst hier auf, stopfst dich mit Speck und Ziegenmilch voll und willst Geisterjäger werden? Was denkst du, wer du bist? Das ist doch kein Zirkus, der neue Söldner sucht!“

„Nein, denke ich auch nicht. Ihr glaubt mir nicht?“ Der Schwarzhaarige kratzte sich am Kopf und warf einen Blick auf seine Begleiterin. „Was meinst du, klang ich, als würde ich scherzen, Saja?“ Das junge Mädchen lächelte nur gezwungen in Richtung der anderen und schüttelte dabei wortlos den Kopf.

„Ehrlich gesagt ist… es etwas seltsam, dass du hier aufkreuzt, fröhlich einher spazierst und nebenbei behauptest, du wolltest in unseren Rat, Neron Shai,“ wagte Tabari jetzt auch, sich zu räuspern. „Ich fürchte, du unterschätzt das, ohne dir zu nahe treten zu wollen. Wie alt bist du?“

„Zwanzig geworden dieses Jahr,“ erklärte der Jüngere fröhlich, „Und keine Sorge, ich behaupte frei heraus, die Prüfung ohne Probleme schaffen zu können.“

„Wer’s glaubt,“ machte Tare Kohdar spöttisch und Henac Emo kriegte sich vor Lachen kaum noch ein.

„So ein Depp, darf ich dem eine in die Fresse hauen?!“

„Reiß dich am Riemen, Emo,“ machte Nalani gelassen, „Was weißt du von ihm? Vielleicht ist er ja so ein toller Hecht, wie er gerade behauptet. Was spricht dagegen, ihn es versuchen zu lassen? Wo Puran ohnehin übermorgen aufbrechen wird, kann der da ja gleich mitmachen.“

„Ach, ich bin nicht der Einzige? Ist ja toll, wer macht denn noch mit?“ Puran räusperte sich verhalten.

„Ich bin Puran, freut mich auch.“

„Großartig, ich freue mich schon. Heißt das, ich darf in den Rat?“ fragte Neron Shai naiv und Meoran verdrehte die Augen.

„Nein, du darfst die Prüfung machen, in den Rat darfst du erst, wenn du die bestanden hast.“

„Meine ich doch.“

„Du hast sie aber noch nicht bestanden,“ bemerkte Barak Kohdar glucksend und Henac Emo stützte sich inzwischen vor Lachen an der Wand ab.

„Na ja, aber das werde ich, verlasst euch darauf, ich habe keinerlei Zweifel daran,“ erklärte der seltsame Mann und nickte zuversichtlich.

„Das kommt ganz darauf an, mit wem du es zu tun bekommst im Kampf…“ versprach Emo feixend, „Unser Chef bleibt dir ja erspart, aber seine Frau ist übel, ich fräße einen Besen, wenn du gegen die großartige Königin Nalani gewinnen würdest…“ Nalani warf ihm nur einen grantigen Blick zu, welchen der Mann mit seinem üblichen, höhnischen Grinsen erwiderte. Sie wollte gar nicht wissen, was dem jetzt durch den Kopf ging, wenn er sie so ansah, sie sah stattdessen wieder auf Neron und das Mädchen. Sie bekamen jetzt Speck und mehr Ziegenmilch und frühstückten in aller Ruhe.

„Also gut, wir werden ja sehen,“ sagte Tabari dann und gähnte, „Wenn du so darauf bestehst, komm übermorgen im Morgengrauen zum Tor von Iter, wir treffen uns da zum Beginn der Prüfung. Mal sehen wie viel von deinem lobenswerten Selbstvertrauen noch übrig ist nach drei Tagen Einsamkeit in der Wildnis.“
 

Leyya schmollte. Puran hatte keinen Schimmer, was mit ihr war, aber sie redete nicht mit ihm, als er versuchte, sie anzusprechen. Da er das nicht auf sich sitzen lassen konnte und wollte, drehte er den Spieß also herum und rannte jetzt ihr hinterher, als sie beleidigt durch das Dorf stapfte.

„Leyya, warte doch! Wohin willst du überhaupt?!“

„Du sagst mir auch nie, wohin du gehst, mitten in der Nacht,“ meckerte sie, „Ich wache auf und du bist nicht da, warum sollte es dich also scheren, wohin ich gehe?“ Er verdrehte die Augen.

„Ist das dein Problem? Dass ich gestern Nacht weggegangen bin?“

„Nicht nur gestern Nacht, schon öfter,“ meckerte das kleine Mädchen erbost, „Findest du es wichtiger, mit der Frau, bei der wir wohnen, perverse Spielchen zu treiben, als dich um mich zu kümmern?“ Sie wurde immer lauter und schrie absichtlich durch das ganze Dorf, was er so machte, worauf Puran verlegen errötete, als einige alte Frauen, die an ihnen vorbei gingen, verstohlen kicherten. Er verdrängte seine Verlegenheit, er musste sich nicht alles bieten lassen.

„Das hat mit dir nichts zu tun, Leyya, du bist ein Kind, du klingst wie eine eifersüchtige Ehefrau! Um ehrlich zu sein habe ich es verdammt noch mal satt, mit Kindern zu kuscheln, weil ich erwachsen bin, und du wirst in nächster Zeit sehr gut ohne mich auskommen müssen! Ich hab dich gern, aber du hängst zu viel an mir, du bist ja vollkommen besessen von mir!“ Er sah mit Bestürzen, wie sie in Tränen ausbrach.

„Ja, weil du der allerliebste und wundervollste Mensch der Welt bist… warst! Bis eben! Ich komme hervorragend ohne dich aus, ja, das werde ich beweisen!“ Damit strafte sie ihn mit einem bösen Blick und lief davon, er folgte ihr nicht mehr und raufte sich genervt die Haare. Was war mit der denn los? Wäre sie einige Jahre älter, würde er vermuten, sie hätte ihre Tage oder wäre schwanger, da aber beides ausgeschlossen war, konnte er sich ihr bescheuertes Verhalten, wie er fand, nicht erklären.

„Ach, die beruhigt sich wieder,“ wurde er plötzlich von der Seite angequatscht. Als er sich umdrehte, sah er am Gatter eines kleinen Schweinestalls Neron Shai und sein bisher stummes Mädchen stehen. Der Jüngere seufzte tief.

„Ich hoffe. Sie ist mitunter etwas schwierig.“

„Deine Verlobte oder so?“ riet der Schwarzhaarige fröhlich, „Na ja, kein Wunder, dass sie nicht kapiert, wenn du bis sie alt genug ist mit ´ner anderen Spaß hast…“ Puran schnappte abermals errötend nach Luft.

„Sie ist nicht meine Verlobte, keineswegs! Himmel! Sie ist, na ja, wir haben sie im brennenden Makar gefunden und mitgenommen, seitdem hängt sie eben an mir.“

„Ach,“ machte Neron verdutzt, „Wenn sie nicht diene Verlobte ist, ist doch egal, wieso regt sie sich auf?“

„Ja, keine Ahnung… p-pass auf, die Schweine…!“ Weiter kam Puran nicht, denn Neron schrie bereits selbst auf, als plötzlich ein paar Schweine ihre Rüssel durch das Gatter steckten und an seinem Mantel knabberten. Empört schnaubend riss Neron sich los und zerriss dabei den Mantel, das blonde Mädchen fing an zu lachen und Puran zog eine Braue hoch, während Neron fluchte.

„Verdammte Schweine! Ist ja furchtbar!“ Er zeterte noch eine Weile und überraschend sprach das blonde Mädchen jetzt Puran an.

„Das passiert ihm immer. Seit wir in Skelrod aufgebrochen sind, ist das der vierte Mantel, den er kaputt bekommt.“ Sie kicherte und Neron schnaubte.

„Ja, Saja, du findest das lustig!“ Sein Gegenüber blinzelte erneut.

„Skelrod? Ihr kommt also aus Noheema im Osten von Kisara?“ Er erinnerte sich an die Karte von Noheema aus der Schulzeit, Skelrod war eine große Stadt und soweit er sich entsann die Kreisstadt von Uldun.

„Ja,“ machte der Schwarzhaarige jetzt maulig und betrachtete den zerfetzten Mantel. „Na toll. Mal wieder einen neuen besorgen… unsere Eltern sind aber nicht mehr dort, meine sind inzwischen beide tot – sie waren ziemlich alt – und Sajas Mutter starb im Kindbett, ihr Vater ist vor einem Jahr abgehauen und hat sich nicht mehr blicken lassen, seitdem sind wir zusammen. Wir waren Nachbarn in Skelrod.“ Der Braunhaarige sagte nichts und war verwirrt, dass er so viel doch sehr schmerzhaftes so frei heraus erzählte, obwohl sie sich gar nicht kannten. Tischte der jedem seine Familientragödie auf, als wäre es ein Märchen zum Einschlafen? Puran fand das schaurig… allein der Gedanke an den Tod seiner Eltern ließ in ihm eine furchtbare Übelkeit aufsteigen vor Angst. Das ging nicht, seine Eltern konnten nie sterben! Sie waren Geisterjäger…

Doch, sie konnten. Und sie würden, das wusste er natürlich. Aber es schmerzte zu sehr, daran zu denken…

„Das tut mir leid,“ druckste er so nur nervös herum und wusste nicht, wie er mit den Informationen umgehen sollte.

„Schon gut,“ Neron kicherte. „Sie kommen nicht wieder, wenn wir Trübsal blasen! Also lass den Kopf nicht hängen.“ Es entstand eine drückend stille Pause.

„Ihr seid von Skelrod hierher zu Fuß gekommen?“ fragte Puran dann, das Thema wechselnd. Der Ältere nickte.

„Ja, zwischendurch haben wir einfache Arbeiten in Dörfern oder Städten übernommen, damit wir etwas Geld hatten und Streckenweise von Wagen mitgenommen werden konnten. Oder um mir neue Mäntel zu kaufen…“ Er hielt dem Jüngeren seine Hand entgegen und der sah verdutzt darauf. „Viel Glück, wollte ich dir wünschen. Für die Prüfung, meine ich. Ich glaube, wir schaffen es beide. Du bist doch der Sohn der Lyras, für dich dürfte das doch ein Kinderspiel sein.“ Puran errötete beschämt.

„Das… ähm… übertreiben immer alle. Der Name macht mich nicht toll. Absolut nicht, ich halte mich ehrlich gesagt nicht für geeignet, dem Rat beizutreten…“

„Warum willst du dann die Prüfung machen?“

„War nicht meine Idee, mein Vater will das. Würde ich ihm sagen, dass mir das gerade über den Kopf wächst, würde ich ihn beschämen-… diese ganze Sache mit Ehre und Anstand hat mich schon immer angekotzt.“ Er setzte ein gespieltes Lächeln auf und reichte Neron freundlich die Hand. „Aber dir wünsche ich auch Glück. Gerade, weil du nicht aus einem dieser alten, konservativen Clans kommst, die irgendwie ihre Rats-Dynastie machen, würde ich dir wünschen, dass du es schaffst.“
 

„Und? Was hältst du von den Fremden?“ wurde Puran in der Nacht gefragt, als er bei seiner vorübergehenden Liebhaberin lag und sie einander noch leicht außer Atem umarmten. Sobald Rujas Kind auf der Welt und sie wieder auf den Beinen wäre, würden sie Iter wieder verlassen, von daher würde es keine Beziehung auf ewig werden. Beide wussten das, keiner störte sich daran, sie genossen einfach das bisschen ruhige Zeit, das ihnen bleiben würde.

„Was, wieso?“ gluckste er und begann, ihr durch die Haare zu streicheln.

„Na ja, meinst du, der Kerl ist so ein toller Hecht, wie er behauptet hat?“

„Keine Ahnung, aber ich glaube, er ist ein netter Mensch. Vorhin haben wir uns kurz unterhalten auf der Straße. Sie sind aus Skelrod hierher gelaufen!“ Er addierte, als er von ihr einen verwirrten Blick erntete, „Das, ähm, ist eine Stadt in der Provinz Noheema.“ Er hoffte, dass sie wenigstens Noheema kannte – wie hatte ihm entgehen können, dass sie als Dorffrau wohl kaum so eine gute Ausbildung gehabt hatte wie er. Natürlich war seine Schule in Gahti auch eine Dorfschule gewesen, aber Iter war doch noch kleiner und ländlicher. Von den Menschen hier konnten vermutlich nur wenige lesen und schreiben.

„Ah,“ sagte die Hausherrin und lächelte kurz, ehe sie den Kopf senkte und er sie dichter an sich heranzog, sich über sie rollte und wieder begann, sie zu küssen. „Ach, was wird das denn…?“

„Na, was wohl…?“ brummte er über ihr und grinste, als sie ihn gespielt konfus ansah. Ohne zu antworten umschlang sie seinen Nacken und zog ihn in einen neuen, innigen Kuss.

„Verstehe, die letzten Nächte vor der Prüfung sollten wir ausnutzen, du wirst drei Nächte weg sein…“

„Ja, eben, mir graust schon davor.“

„Denkst du… es wird leicht? Ich meine, weil du doch… ah…“ Sie unterbrach sich unwillkürlich, als seine Hände zwischen ihre Schenkel glitten und ihr ein erregtes Seufzen entfuhr. „Weil du doch… der Sohn zweier Geisterjäger bist…“ Puran seufzte ebenfalls leise.

„Ehrlich gesagt, ich denke nicht, dass es leicht wird…“ Jetzt etwas aus dem Konzept ließ er von ihr ab, rollte sich kurzfristig wieder von ihr herunter und sah schweigend an die Decke. Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Ich halte den Elan meines Vaters für übertrieben, ich meine… letzten Endes bin ich nur ein Mensch und… und…“ Er wusste nicht, was er sagen wollte.

Die Gefühle, die er bei den Gedanken an die Prüfung hatte, waren gemischt; er fürchtete sich davor, seine Eltern zu enttäuschen, es nicht zu schaffen, aber auch davor, was wohl werden würde, wenn er es schaffte. Er versuchte schon den ganzen Tag, in sich hinein zu horchen und herauszufinden, ob das seine Bestimmung war… ob das der Platz war, an den er gehörte. In dem Kampf gegen die Zuyyaner, als er diese mächtige Magie gerufen hatte, als das Innerste der geistigen Macht aus ihm herausgebrochen war wie aus einem ewig stabilen Käfig, hatte es sich richtig angefühlt… plötzlich hatte er gewusst, dass das der Wille der Mächte der Schöpfung war. Er war ein Schamane, er war dazu geboren, um die Geister zu rufen und sie zu beherrschen. Und er hatte sich jahrelang vor seinem Schicksal gefürchtet und versucht, davor zu fliehen… die Geister hatten recht behalten. Es hatte ihn wieder eingeholt… er konnte nicht fliehen.

Zum ersten Mal verspürte er nicht die übliche Verzweiflung bei diesem Gedanken, sondern akzeptierte den Willen der Himmelsgeister als das Schicksal, das ihm gegeben worden war. Das einzig Richtige war, das Beste daraus zu machen.

Mit diesem Entschluss drehte er sich wieder zu der hübschen Frau neben ihm um, rollte sich abermals auf sie und sah sie unter sich lächeln, ehe er sich über sie beugte und sie erneut küsste.
 


 

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Jah. Kurz und wenig Inhalt, aber Übergang eben xD



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kimiko93
2010-01-19T21:05:20+00:00 19.01.2010 22:05
ÜBERLEBENDE!

Oh mein Gott, Neron und Saja sind da! Und sie ÜBERLEBEN! Hurra! Hurra! Und sie haben pinkhaarige Urenkel... Oder so...

Was ist eigentlich it Soras Papi? Dürfte der nicht auch bald mal auftauchen? ôô

Und Leyya, ey, sie ist ja so geil XD ich meine... Lol? Und woher genau weiß sie eigentlich so genau, was Puranchen so treibt? Hm? Hmmm?

...Oh Gott, bitte nicht noch eine Kindheitsgeschichte... Äh, hab ich das gerade laut gesagt?

Und hurra, sinnlose Ratssitzungen. Und eine komische ÜBerleitung zu Puranchens Geisterjägerprüfung. Wieso auch immer Saja da nich nicht mitmacht... Kann die eigentlich auch sprechen?
Von:  Decken-Diebin
2010-01-10T11:48:04+00:00 10.01.2010 12:48
Ich fühl mich leicht verarscht, wieso wird mir nie angezeigt, dass ein neues Kapitel von Khad-Arza hochgeladen wurde? xD' Danke, dass du Bescheid sagst ^___^ Manchmal guck ich ja auch alleine xD
Neron und Saja sind ja auch lustig. Auf sie wäre ich jetzt gar nicht gekommen, als die beiden da in ihren Mänteln ankamen^^
Die arme Leyya tut mir leid xD Aber sie ist ja auch leicht frühreif, kein Wunder, dass sie jetzt schon eifersüchtig ist... was sich ja auch nicht großartig ändern wird (wobei wir wieder auf die Verwirrung bezüglich Yoki und Ripaka meinerseits kämen) xDD
Ich schätze, das nächste Kapitel wird mit Geisterjägerprüfung vollgestopft sein^^
LG, Hina
Von:  -Izumi-
2010-01-08T20:54:20+00:00 08.01.2010 21:54
So, nette Länge! ^___^
Ich fands schön!
Ich mag die Geisterjäger ja ohnehin sehr und jetzt sind sie endlich wieder da XD
Lol, Emo ist so ein Arsch, ich mag ihn XDD
Aber noch mehr mag ich Neron und Saja, sie sind einfach sooo toll *___*
Ich mochte sie ja in den anderen Büchern ja schon, jetzt sind sie gaaanz jung, süß!
Hm... ich weiß nicht, was ich schreiben soll oô
Ach ja, Leyya!
Lol, an der Szene bei Tabari und Nalani im Bett ist Takoda Schuld XD (gut gemacht, weil süß! *__*)
Aber sie tut mir so Leid, Puran ist doof, er muss mehr herzen mit ihr uû


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