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Wolfswege

von

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Tage vergehen

Er begann leise zu grollen, als Maya näher zu ihm ging. Sie mochte ihn gerne streicheln, das wusste er, doch er wollte es nicht. Er wusste nicht wieso, aber er hatte eine fast schon panische Angst davor berührt zu werden. Ihr Vater hatte ihn berührt, als er ihm den Strick umgebunden hatte, um ihn vor dem Haus anzuleinen, und obwohl er ihm nicht weh getan, ja, kaum berührt hatte, war es eine kaum zu ertragende Qual für ihn gewesen.

Er fragte sich, ob es jedem Hund so gehen mochte, doch das konnte nicht sein. Sie kamen freiwillig einzig zu dem Zweck, gestreichelt zu werden, da konnten sie keinen Schmerz empfinden.

Doch er empfand ihn und begann deswegen zu knurren, wenn ihm jemand zu nahe kam. Nicht einmal bewusst, aber immer so laut, dass keiner mehr näher an ihn herangehen mochte.

Außer dem Mädchen. Nach wie vor hatte sie das offensichtliche Bedürfnis ihn zu liebkosen, denn sobald ihre Eltern außer Sicht waren, stahl sie sich unauffällig zu ihm. Sie berührte ihn nie, denn wenn sie in der Hocke vor ihm saß, bleckte er die Zähne und knurrte und grollte so böse, dass sie es nicht wagte, doch ging sie erst, wenn ihre Eltern zurückkehrten.

Auch andere Menschen, die hin und wieder vorbei kamen, gruppierten sich um ihn und starrten ihn mit großen Augen an und redeten mit dem Mann oder seiner Frau. Und sie alle bemerkten, dass er ein außergewöhnlich hübsches Tier war, und welcher Rasse er wohl angehören mochte, doch der Mann konnte es ihnen nicht verraten. Einige mutmaßten gar, dass er gar kein Hund war, sondern ein Wolf und rieten dem Mann, er solle ihn so bald wie möglich vom Strick befreien und laufen lassen, denn einen Wolf im Haus zu halten musste gefährlich sein, das wusste jedes Kind.

Und in gewisser Weise hatten sie auch recht. Auch er selbst hatte schon gemerkt, dass er für einen gewöhnlichen Hund ein zu dichtes Fell hatte, zu große Pfoten und zu ausgeprägte Sinne. Außerdem war er zu groß und niemals hatte er von einem gewöhnlichen Hund gehört, der ein so außergewöhnlich weißes Fell hatte. Das war ihm sogleich aufgefallen, als er das erste Mal hinausgekommen war. Seine Pfoten hatten geglitzert wie frisch gefallener Schnee, nachdem zum ersten Mal das Sonnenlicht hinauf gefallen war.

Der Mann jedoch hatte ihn trotzdem nicht freigelassen, stattdessen hatte er ihn angebunden und ihn damit regelrecht zur Show gestellt. Ihn hatte das Anfangs herzlich wenig gestört, er hatte versucht, den Strick zu zerbeißen, hatte jedoch bald feststellen müssen, dass es nicht ging. Es war, als wäre er mit einer Kette angeleint. Danach hatte er sich schlecht gelaunt den Leuten gewidmet und sie angegrollt, damit sie bloß nicht auf die Idee kamen, sich ihm zu nähern.

Ein Junge hatte es doch getan, ihn hatte er zwar nicht gebissen, aber doch gezwickt, weswegen jetzt außer Maya niemand mehr in seine Nähe kam. Mit einem Seufzen stand er auf, streckte sich gähnend und ließ ein Wuffen hören. Wie üblich zog er an dem Strick, biss hinein, doch es tat sich nichts. Er schüttelte sich unwillig und schaute gelangweilt zu dem Mädchen hin, das noch immer in seiner Nähe saß und ihn mit glänzenden Augen anblickte.

Da fiel ihm der Mann auf. Wie er die letzten beiden Tage schon mitbekommen hatte, waren Leute, die einfach so hier vorbei kamen, nicht ungewöhnlich, doch er sah nicht so aus, als würde er aus der Gegend stammen. Er trug andere Kleider, die auch aus einem sehr viel teureren Material zu bestehen schienen und er hatte nicht den kleinen, gedrungenen Körperbau der nordischen Völker, im Gegenteil. Er war groß und schlank, hatte einen sorgfältig gestutzten Bart und schwarzes, sehr kurzes Haar. Er spürte instinktiv, dass der Mann Ärger bedeutete, so bleckte er die Zähne und knurrte so laut er konnte. Das beeindruckte den Mann herzlich wenig, er lächelte sogar.

»Ist das dein Hund?«, fragte er Maya, die sich nun ebenfalls umgedreht hatte.

»Ja, Schneeflocke gehört mir«, bestätigte sie. Das war zwar eine faustdicke Lüge, was ihm im Moment aber nur recht war.

Der Mann nickte nachdenklich und kam langsam näher.

»Darf ich ihn mir einmal genauer anschauen?«, fragte er.

»Natürlich«, antwortete sie voller Stolz, ihren >Besitz< vorführen zu können.

Er war damit jedoch so ganz und gar nicht einverstanden und fletschte ängstlich die Zähne und begann in seltsam hoher Stimme zu bellen. Der Mann blieb stehen und schaute noch nachdenklicher, als sowieso schon. Da kam der Vater des Mädchens um die Hausecke.

»Wer sind Sie und was wollen Sie hier?«, herrschte er den Fremden sofort an.

»Oh, ich bin nur zufällig hier vorbei gekommen und habe dabei ihren Wolf gesehen. Ein wirklich ganz und gar ungewöhnliches Tier«, erklärte der Unbekannte sogleich und trat zu dem Mann. Hierbei kam er ihm zu nahe und mit einem schrill quietschenden Laut stürzte er sich auf den Fremden.

Der Strick war nur eine Winzigkeit zu kurz, nur einen Zentimeter länger, und er hätte seine scharfen Zähne im Arm des Mannes versenkt. Der sprang mit einem erschrockenen Keuchen instinktiv zur Seite, nur, um noch ein paar Schritte weiter zurück zu weichen, als er bellend und geifernd wie besessen am Strick zerrte, um das zu beenden, was er begonnen hatte.

Er wusste nicht, warum er es tat, aber er wusste, dass der Mann böse war, dass er hier nichts zu suchen hatte, dass er wollte, dass er weg war und nun alles tun würde, um eben dies zu erreichen.

»Ich glaube, er mag Sie nicht besonders«, bemerkte der Vater.

»Ja, das denke ich auch. Er ist trotzdem ganz und gar außergewöhnlich. Ich habe nur einmal zuvor solche Augen bei einem Tier gesehen«, erklärte der Fremde.

»Wie schön für Sie. Ich muss Sie bitten zu gehen, denn vorher wird sich der Wolf nicht beruhigen und ich bin nicht erpicht darauf, dass er meine Tochter beißt«, antwortete der Vater mit kühler Stimme.

»Oh, ja, natürlich. Entschuldigt, Ihr habt recht«, antwortete der Fremde und verließ das Grundstück, wobei er jedoch einen großen Bogen um den Wolf machte.

Am Eingang blieb er jedoch noch einmal stehen und schaute zu ihm hinüber.

»Denkt Ihr... meint Ihr, dass Ihr mir den Wolf verkaufen würdet?«, fragte er und Gier blitzte in seinen Augen auf.

»Nein, ich denke nicht«, antwortete der Vater und obwohl er es bis eben nicht für möglich gehalten hätte, war seine Stimme noch kühler.

Der Fremde nickte, in seinen Augen jedoch war eine gewisse Unzufriedenheit zu sehen. Dann ging er.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte, und selbst dann spürte er eine noch tiefere innere Panik, wann immer er an diesen Mann dachte. Er hatte wirklich Angst vor diesem Menschen und er wusste, dass er ihn wieder sehen, dass der Mann vielleicht auch sein Verderben sein würde.

Und er behielt recht. Zwei Tage später war er wieder da. Er kam nicht wieder zu ihm, er fragte auch nicht wieder, ob der Wolf zu verkaufen war, aber er stand da und starrte ihn an, über Stunden hinweg. Und er seinerseits beobachtete den Mann ebenso stumm und ebenso verbissen, jedoch mit einem Herz voller Angst, während in den Augen des Mannes die Gier blitzte. Er wollte ihn haben, besitzen und konnte nicht akzeptieren, dass er im Besitz dieses Bauern war. Mit jedem Tag der verging, wurde er immer nervöser.

Und dann beging er seinen Fehler. Die Anwesenheit des Fremden hatte ihn in den letzten Tagen so zugesetzt, dass er nun bei jeder Kleinigkeit schier explodierte. Maya wurde immer seltener mit ihm allein gelassen, denn auch ihren Eltern war dies nicht verborgen geblieben. An diesem Tag war er so nervös, dass er bei jedem Knacken eines Zweiges aufsprang und wie besessen um sich blickte. Maya saß in seiner Nähe und spielte mit einer Puppe, ihre Mutter flickte Kleidung in den letzten wärmenden Sonnenstrahlen.

Da trat der Fremde auf den Hof. Sofort sprang er mit einem schrillen Schreien auf und drängte sich an die Hauswand, an der er angebunden war. Verwundert schaute die Mutter zu ihm hinüber, legte dann aber ihr Nähzeug beiseite und wandte sich dem Besuch zu. Maya dagegen stand auf und kam zu ihm, wohl, um ihn zu beruhigen. Sie setzte sich neben ihn auf den Boden, berührte ihn jedoch nicht.

»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte die Mutter.

»Nun, ich habe schon einmal mit Ihrem Mann gesprochen, ich möchte ihren Wolf kaufen«, antwortete der Mann und deutete auf ihn, sodass er ängstlich zu knurren begann.

»Und er hat Ihnen zugesagt?«, fragte sie misstrauisch.

»Leider ein >Nein<, Gnädigste, aber ihr habt auch nicht mein Angebot gehört. Ich würde euch 10 Goldlinge für ihn geben«, antwortete der Mann.

Die Frau dachte einen Moment nach, blickte dann aber zu ihrer Tochter und dem Wolf hinüber.

»Nein, ich denke nicht, dass wir uns einig werden«, sagte sie bestimmt.

»Aber Madam, Ihr wollt doch nicht wirklich ein so verstörtes, nervöses, ja unberechenbares Tier Eurer Tochter aussetzen, oder? Wer weiß, wie er reagiert, wenn sie versehentlich auf seinen Schwanz tritt oder dergleichen!«, säuselte er und kam auf sie zu.

Er stand auf, knurrte so böse, wie er irgend konnte. Der Mann jedoch kam immer näher, blieb in seiner Reichweite stehen, und deutete auf das Mädchen.

»Das ist unsere Sache, das geht Sie nichts an«, antwortete die Frau, setzte sich wieder und nähte weiter.

»Nun, ganz wie Ihr meint«, antwortete der Mann unwillig. Da sprang Maya auf, stürzte sich auf ihn und brüllte so laut sie konnte, während sie ihn kratzte und trat: »Sie bekommen meinen Schneeflocke nicht!«

Verblüfft griff der Mann zu und bekam ihren Arm zu fassen, den er festhielt. Allerdings so dolle, dass sie vor Schmerz aufschrie. Und nun meldete sich sein Beschützerinstinkt. Plötzlich hatte er keine Angst mehr, er wollte den Mann nur noch ausschalten. Er stürzte sich mit gebleckten Zähnen auf ihn und biss im Sprung zu. Unglücklicherweise bewegte sich in genau diesem Augenblick der fremde Mann so ungünstig, dass er stattdessen Maya erwischte.

Was dann geschah nahm er kaum war. Es ging so schnell, dass er es gar nicht richtig begreifen konnte. Er hörte die Mutter schreien, Maya weinen und den Fremden sagen: »Sehen Sie, was ich meine? Er hat sie gebissen! Aus bloßer Willkür heraus!«

Die Antwort der Mutter bekam er nicht mit, aber er spürte, dass der Fremde ihn am Strick zog und wegging. Sie hatte ihn wirklich fort gegeben! Er wehrte sich nach Kräften, doch irgendwann musste er doch einsehen, dass er verloren hatte, dass er mit diesem schrecklichen Mann gehen musste. Und er folgte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2010-10-26T12:21:52+00:00 26.10.2010 14:21
Ich verstehe bis heute nicht, wieso es ihm weh tut, wenn Maya ihn berührt und wenn jemand Dinge über den hübschen Burschen weiß, die sonst keiner weiß, dann bin vermutlich ich es... Liegt es daran, das sie ein Mensch ist?
Schön find ich auch dieses Sozialkritische. Seine Angst wird grundlegend missverstanden und er muss dafür büßen.
Von:  Cat-girl
2010-10-12T17:02:19+00:00 12.10.2010 19:02
Kann ich verstehen, dass er nicht gestreichelt werden will
Was! Der kleine Wolf ist angebunden! Wie gemein! *knurrt* für die Menschen nur gut so
Es gibt durchaus Hunde, die angeleint sind. Die Wachhunde, oder solche, die böse waren...
die kleine Maya muss den Wolf ja richtig lieb haben... O.o er sie aber nicht
das ist ja auch ein Wolf!
Cool! Die Pfoten glitzern
zur Show gestellt! Wie gemein! *knurrt*
also ich wäre dennoch zu ihm gegangen, egal ob er jemanden gebissen hat...
was ist das für ein Typ? o.o
der arme Wolf...
Yeah! Wie ein echter Wolf!
Mist! Dieser blöde Strick!
Oh, warum war der Mann böse?
Wenn die den Wolf an den Verkaufen, krieg ich ne Klatsche *wütend knurrt*
zum Glück...
oh je, der arme Wolf
der arme Wolf... dieser Mann hat ihn ganz verrückt gemacht
wow! Ein mutiges Mädchen! Respekt!
Scheiße! Das war dumm! Dieser blöde Idiot! Der Wolf wollte nicht Maya beißen! Oh, Tor! Was jetzt?
Oh nein! Der arme Wolf... jetzt muss er mit diesem Mann mitgehen *wütend knurrt* Halte durch!

Was für ein nicht sehr schönes Kapitel... der arme Wolf, er wollte Maya nicht beißen, das war alles die Schuld von diesem Mann! Was den armen Wolf jetzt wohl erwartet? Was für eine Zukunft wird er bei diesem Mann haben?

Von:  IntoTheDeath
2009-06-12T18:59:35+00:00 12.06.2009 20:59
WAS???
der typ aht ihn bekommen...
oh gott was jetzt wohl passieren wird

ich bin voll angetan von deiner FF

Tennys_Qualli


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