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Vandras Schreibübungen

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Schreibübung 3 - Körperwahrnehmung

Leben, Schreiben, Sein - Schreibübung: Körperwahrnehmung
 

Gebannt starre ich auf den Bildschirm. Da schwirren Worte vor meinen Augen, wie ein Echo dessen, was in meinem Kopf jemand nur Augenblicke vorher sagt – oder doch gleichzeitig? Einzelne Punkte, Schwaden von Helligkeit stören meinen Blick, lenken mich ab. Die Musik pocht im Takt mit meinen Fingern, bis sie stoppen. Meine Gedanken schweifen in dem Moment ab, suchen nach Worten, die nicht kommen. Doch dann fangen meine Hände wieder an, sich zu bewegen, aus irgendeinem unbekannten Grund, fliegen über die Tastatur. Der Druck jedes Anschlags rast bis in meine Knöchel, lässt meine Hand mit vibrieren und Zufriedenheit breitet sich aus.

Ich stoppe wieder. Was für ein Fehler. Meine Konzentration schwankt zwischen der Musik in einem Ohr, dem Kreischen, das mich in den Wahnsinn treiben will, und dem Rauschen, das jeden Moment des Lebens da ist. Wie ein Fernseher ohne Ton, doch mit Bild, wie ein altes Röhrending, wippt das Geräusch stetig auf und ab. Ein Wort kommt mir in den Sinn, ein Wort, das mich an schlechte Zeiten erinnert, das alles nur noch deutlicher macht. Und ich denke nur, dass es ein Fehler war, daran zu denken. Es wird immer schlimmer. Ich starre wieder auf den Bildschirm, versuche es zu vergesse und mich auf die Geschichte zu konzentrieren.

Sollte ich nicht etwas fabrizieren, etwas schaffen? Verzweifelt versuche ich in mein Unterbewusstsein einzudringen, zu erfahren, was ich produziere, was vorgeht, was die „innere“ Stimme sein soll. Manisch, wie ein fremdes Wesen, bewegen sich meine Finger weiter, ziehen leicht. Schließlich muss ich das Denken aufgeben, mir die Wahrheit eingestehen: Da ist nichts für mich, da entsteht ständig etwas.

Mein ganzer Lohn ist ein Pochen in den Schläfen, Text, den ich nicht verstehe und der einfach nur entsteht. Weiter rasen meine Finger, immer wilder, immer toller, wie gesteuert und verspannen meine Unterarme. Langsam drückt der Rand der Tastatur in meine Haut, irritiert, juckt. Ich widerstehe dem Drang mich zu kratzen, schreibe weiter.

Wie lange noch folge ich dem Nichts, das sich hier entspinnt? Wie lange noch produziere ich einen Gedankenschwall, der so gar nicht meinen Gedanken entspricht? Mein Kopf spannt wieder, meine Augen blinzeln. Und wieder springt mehr in die Existenz.

Meine Schultern verspannen sich, meine Muskeln ziehen. Mich drängt es nach Bewegung, nach Änderung, doch ich kann meine Finger nicht von der Tastatur zerren. Die Musik, erst so störend, pulsiert inzwischen und treibt mich immer weiter an. Aufhören, ich will aufhören, doch ich kann nicht.

Jetzt, jetzt habe ich es geschafft. Schwärze wird mir plötzlich bewusst, hinter der flimmernden Kiste, dort wo die zweite steht. Zwei Bildschirme, und meine Aufmerksamkeit schwankt hin und her. Der zweite, der Schwarze zieht mich schließlich in seinen Bann und unbewusst, wie von selbst, bewegt sich mein Arm zu der Maus. Meine Finger legen sich darum, mein Arm schüttelt sich und Helligkeit kehrt zurück. Damit ist der Bann wieder da und alles kehrt wieder zurück zu der verführerischen Tastatur.

Anspannung verfliegt in dem Moment, gebrochen der Zwang, dieses wahnsinnige Gefühl „tun“ zu müssen. Ich frage mich etwas, weiß nicht was. Meine Augen suchen die Umgebung ab, wissen nicht wonach. Mein Schuh bohrt sich in mein Bein, das sich dagegen drückt. Jucken kommt, mein Gefühl kehrt zurück. Und dann lauert da noch etwas, etwas das meine Lider nach unten drückt.

Befreit von dem Zwang entspanne ich, überlege ich, fühle die neue Musik. Tränen sammeln sich in meinen Augen. So schnell der Wechsel, so rasch, dass ich meine Fassung fast verliere. Da, in dem einen Moment vergesse ich alles, verliere den Halt. Jedes Gefühl verliert an Bedeutung, Muskeln zerren, doch ohne jede Bedeutung. Ich schwebe, ich gehe auf in den erhebenden Tönen.

Ich lebe, ich existiere – das ist alles, was ich weiß. Das ist alles, was ich bemerke.

Und es ist genug.

Muskeln in meinen Wangen ziehen, mein Kiefer spannt.

Ich lächle.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  sunshishi
2010-09-13T17:50:02+00:00 13.09.2010 19:50
Hallo Vandra,

ich finde deinen Schreibstil wunderbar mitreißend, fast schon treibend. Du hast eine hervorragende Wortwahl und kannst damit erstaunlich klare Bilder vor meinen Augen entstehen lassen.
Ich bin mir jedoch nicht so sicher, wie gut du die Aufgabenstellung "Körperwahrnehmung" erfüllt hast. Du beschreibst viele deiner Gedanken bzw. den Denkprozess als solches... Andererseits ist das Gehirn ja auch Teil des Körpers ^.~
Ich bin nur der Meinung, dass ein genauerer Einblick auf Körperhaltung und das Gefühl in den einzelnen Körperteilen ein besserer Ausgangspunkt für diese Schreibübung gewesen wären. Aber vielleicht stehe ich damit ja allein da...

Liebe Grüße
SuShi
Von:  animegirl8
2010-08-31T18:14:53+00:00 31.08.2010 20:14
Ganz ehrlich?!
Das war eine der besten Körperwahrnehmungen die ich je gelesen habe.
Ich hatte fast schon das Gefühl dass ich das nicht nur lese sondern bin und das finde ich sollte man mit dieser Übung eigentlich erreichen.
Mir hats sehr gut gefallen ^^
MfG animegirl8


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