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Wie eine Motte das Licht sucht

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Wie eine Motte das Licht sucht

Wie eine Motte das Licht sucht
 

Zwei Jahre ist es her, seit diese Beziehung ihren Anfang nahm, und jetzt? Jetzt stehen ihre Koffer im Flur. Niemals hätte man gedacht, dass diese Wohnung so trostlos wirken könnte. Die Lichter ausgeschaltet und die Sonne untergegangen, so beleuchtete nur noch das schwache Moonlicht, das durch das Wohnzimmerfenster in den Flur fiel, ihn. Kalt, schwere Dunkelheit lag im Raum.

Sabine schaltete das Licht an. Sofort fluteten mehrer Watt den kleinen Flur und tauchten alles in falsches, künstliches Licht. Sie wollte einen der Koffer packen und sah noch einmal hoch. „Hatte ich nicht gesagt, du sollst nicht da sein, wenn ich komme!“, meinte sie unfreundlich und richtete sich wieder auf.

„Du bist auch zwei Stunden zu spät, Sabine“, sagte Vincent lächelnd und hob den Blick zu ihr. Er saß auf der Fensterbank und lehnte gegen das Fenster.

„Du müsstest mich trotzdem nichts so erschrecken! Warum sitzt du denn hier im Dunklen?“, fragte sie empört über seine Unbekümmertheit.

„Im Dunklen zeigen die Menschen ihrer wahren Gesichter, meine Liebe. Außerdem“, er machte eine Pause um sie noch einmal anzulächeln, „Wärst du nicht hergekommen, wenn Licht gebrannt hätte.“

„Das stimmt wohl!“, schnaubte sie, „Aber egal! Ich hole sowieso nur meine Koffer! Dann bin ich weg!“ Sie griff nach dem ersten Koffer und hob ihn an.

„Interessant…“, er sah aus dem Fenster auf die leeren, dunklen Straßen, „Du hättest nicht gedacht, dass es so kommt, oder?“

„Was meinst du damit?“, sagte sie wütend und ließ den Koffer wieder zu Boden fallen.

„Na ja… Hättest du gedacht, dass ich jemals pleite sein würde? Mit logischem Denken wäre das nicht zu begründen gewesen und das ist der Grund warum du mich ausgesucht hast, oder? Weil ich immer Geld haben würde…Interessant…“, er klang völlig ruhig, er sah sie nicht einmal an, und das brachte sie zur Weißglut! Das hatte er schon so oft getan!

„Was soll das bedeuten? Dass ich dich nur wegen deinem Geld geheiratet habe?“, zischte sie gereizt.

„Wer redet von heiraten? Ich war noch bei dem Tag an dem wir uns kennen gelernt haben, mein Liebling“, sagte er und sah sie wieder mit einem freundlichen Lächeln an.

„An dem Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben?“, wiederholte sie, leicht verwirrt, aber immer noch wütend.

„Ja, sag nicht, du hättest es vergessen. Ich weiß es noch genau, unser erstes Gespräch. Was ist der Sinn des Lebens?“, meinte er und wandte den Blick erneut in die Dunkelheit.

„Natürlich weiß ich das nicht mehr! Das ist doch blöd und verschone mich mit deiner dämlichen Philosophie! Immerhin hat die dich pleite gemacht!“, meinte sie und schrie ihn beinahe an.

„Nein, mein Schatz, ich habe mir mein gesamtes Geld selber genommen, daran ist niemand sonst Schuld. Und dämliche Philosophie? Das ist wirklich interessant, als ich damals darüber sprach, sagtest du es würde dich faszinieren“, überlegte er laut und sah mit leeren Blick in den Nachthimmel und den runden Mond, „Du sagtest, Männer, die nur gut aussehen und Geld haben, seien langweilig, du interessierst dich nur für, die, die wirklich was im Kopf haben. Das ist lustig, dabei hat dein Freund aus dem Coffeeshop, mit dem du geschlafen hast, doch die Schule abgebrochen, weil er es nicht geschafft hätte… Wie schon gesagt, sehr interessant.“ Es klang kein bisschen beleidigt oder verbittert, mehr so als würde er das tatsächlich faszinieren finden. Sabine zuckte zusammen. „Sabine? Mein Liebling? Geht es dir nicht gut?“, besorgt sah er sie an, sie schüttelte den Kopf. Vincent zuckte nur mit den Schultern und sah wieder nach Draußen.

„Was willst du?“, die Wut hatte sich in Angst verwandelt, Angst, von der man nicht sagen konnte, ob sie berechtigt war oder nicht.

„Ah… Ich wollte nur das Gespräch, unsere erste Unterhaltung aufgreifen, ich muss mich nämlich korrigieren. Ich glaube, ich sagte damals, das Leben hätte keinen Sinn, aber ich konnte es kaum begründen. Dieser Schluss war vielleicht ein bisschen voreilig…“, murmelte er gedankenverloren.

„Ich will nichts von deiner Philosophie hören! Du hast ja Recht, das hat mich damals nicht interessiert und heute tut es das auch nicht!“, langsam hatte er es wieder geschafft sie zu reizen.

„Ich weiß… Damals war der hübsche, reiche, junge Mann, die perfekte Partie. Jetzt bin ich pleite und du fliehst, Glückwunsch, so ist es richtige verlasse das sinkende Schiff, ist ein Zeichen des Selbsterhaltungstriebes. Aber ich wollte es nur richtig stellen, vielleicht hilft es dir und deinem neuen Mann ja… Wahrscheinlich nein, aber ich mag es nicht wenn Unterhaltungen unbeendet sind und diese kam mir ewig so offen vor…“, sie konnte sehen dass er dabei lächelte, „Könntest du so freundlich sein und das Licht ausschalten, mein Schatz?“

„Wieso?“, stotterte sie, schaltete das Licht im Flur jedoch gleich aus, obwohl sie zitterte.

„Viele Danke, du bist ein Schatz. Was ist der Sinn des Lebens? Hast du dich das ganz ehrlich noch nie gefragt? Du armes Ding, es ist belebend, selbst wenn man dazu kommt dass es keinen Sinn gib. Es gibt einfach zu viele Dinge auf dieser Welt, die leider keinen tieferen Sinn haben, wie sollte also das, was sie alle umschließt einen Sinn haben, der von uns Menschen erfassbar ist? Schwierig oder? Aber genau so interessant. Was sagst du?“, er sah aus dem Fenster und lächelte so selig, als würde ihm nichts mehr Freude bereiten als darüber zu sprechen.

Sabine zitterte und konnte nichts sagen, es war alles irgendwie unwirklich. Sie dachte nicht über so etwas nach, nie. Aus einem ganz einfachen Grund…

„Aber bei dir hat ja alles seinen logischen Grund, richtig?“, er drehte den Kopf und noch nie hatten seine Augen sie so klar angesehen, es lief ihr ein Schauer über den Rücken. Genau das war das, worauf sich ihr Leben immer aufgebaut hatte, Logik. Aber sie hatte nicht gemerkt, dass er das wusste. „Tja, so seid ihr, ihr sucht immer einen Grund… Alles hat seinen erklärbaren Grund, und nur den einen, der mit Zahlen und Fakten belegbar ist.“, er griff in seine Hosentasche, Sabine konnte sich nicht mehr bewegen und beobachtete ihn nur. Lächelnd zog er die Faust heraus und hielt sie ihr hin.

Während er sie langsam öffnete, erklärte er auch gleich was es damit auf sich hatte. „Sieh zum Bespiel das hier“, murmelte er und betrachtete fasziniert den Leuchtstab in seiner Hand, „Motten, die Biologie, der du so verfallen bist, hat bewiesene und logische Gründe, warum sie zum Licht fliegen. Warum sie es suchen. Logisch, das sehe ich auch ein“, er wartete einen Moment, da schwirrte tatsächlich ein kleines Insekt auf seine Hand und den Leuchtstab zu. „Faszinierend und es klappt“; meinte er bewundernd.

„Auf jeden Fall, orientieren sich diese kleinen Viecher an Licht, wie auch immer, so viel versteh ich nicht davon. Aber egal Fakt ist sie fliegen zum Licht, einer Gefahr, die den Tod bedeuten kann, aber auch genau so lebenswichtig, beziehungsweise hilfreich ist. Fällt dir was auf, Sabine?“, er wandte seinen Blick von dem Insekt, das um seine Hand schwirrte, ab und sah sie an. Verwirrt blickte sie zu ihm. „Natürlich verstehst du mal wieder nicht…“, er seufzte, „Ich versuche dir zu erklären, dass Sachen mehrer oder im Unkehrschluss auch keine Bedeutung haben könne. Nimm ´Licht` zum Beispiel, es bedeutet sowohl Leben als auch Sicherheit und gleichzeitig auch den Tod. Korrigiere mich, sollte ich falsch liegen, aber entzieht sich dass nicht deiner Logik, wie kann etwas Leben und Tod symbolisieren? Und das nur in den ersten zwei von hundert Bedeutungen? Sagt Logik nicht, es gibt nur eine Bedeutung? Eine Zahl hat doch auch nur einen Wert, oder nicht?“ Er lächelte sie wieder an.

„Vincent… Ich weiß nicht, was du willst, das ich sage… Ja, das entzieht sich der Logik, na und?“, sie war verwirrt und hatte gleichzeitig Angst.

„Heißt das, dass du auch Sachen fern ab von Logik betrachten kannst? Das hätte ich nicht gedacht“, er klang erfreut, „Gut, dann hör gut zu! Fern von mathematischer Logik oder biologischen Gesetzen, wie handelt die Motte?“

„Was?“, schockiert wich sie zurück, „Ich spiele doch nicht die Psychoanalytiker für eine Motte!“ Sie war empört und glaubt mittlerweile ihr noch Ehemann hatte einen psychischen Schaden. Und ihre Freundin hatte ihr noch angeboten mitzukommen!

„Sollst du auch gar nicht. Dein normaler Menschenverstand sollte dir nur sagen, wäre diese Motte ein Mensch, was wäre sie dann?“, sagte er ganz ruhig, aber das waren die unberechenbarsten!

„Ich soll wa-“, da kam ihr die Idee, dass es vielleicht besser war, einfach mitzuspielen, „Ein dummer?“

„Ja, das ist die Antwort, die ich von dir erwartet hatte. Ein naiver, dummer Mensch, das ist der einzige, der in seinen eigenen Tod läuft, richtig? Da muss man nicht lange überlegen, was?

Ach, du bist ja immer noch auf dem Logiktrip! Denk doch mal ein bisschen menschlich!

Natürlich ist es riskant und dumm in seinen Tod zu fliegen, aber sie braucht das Licht, es ist ihre Aussicht auf Ruhe und Zuflucht, irgendwie. Nicht, Kleine?“, er sah tatsächlich lächelnd diese Motte an, „Es ist ebenfalls auch nur ein Selbsterhaltungstrieb. Licht kann Tod bedeuten, bedeutet aber auch Leben, weil ohne Licht definitiv kein Leben ist. Den Tod bringen aber nur manche Lampen mit sich. Verstehst du?“ Er schloss die Hand um das Tierchen.

Sabine war immer noch geschockt.

„Gut, ich sag es noch einmal. Licht wird benötig um zu Leben, um es der Motte nun den Weg weißt oder ihr Zuflucht spendet, völlig egal. Gleichzeitig kann falsches Licht wie von Feuer oder einer Straßenlaterne zum Beispiel sie auch töten. Klare Gleichung, oder? Könnte man also sagen dass diese Motte gar nicht dumm ist, sondern aus Selbsterhaltungstrieb, das Risiko annimmt, zu Sterben oder sich auch Schmerz aufbürgt?“

Sie wich noch einen Schritt nach hinten und stolperte fast über ihren Koffer. „…Ja. Das könnte man.“

„Ich bin dir unheimlich. Es verwirrt mich allerdings, dass dir das erst jetzt auffällt… Na ja, was ist der Sinn des Lebens? Um darauf zurück zukommen; Du ähnelst dieser Motte. Obwohl du wusstest, dass wir uns nicht lieben und dass es gefährlich ist in meiner Nähe zu sein –ich hätte dich ja jeder Zeit rauswerfen können- bist du zum Licht geflogen. Dieses Licht war mein Geld. Und jetzt wo es weg ist, fliegst du frei nach dem Prinzip des Selbsterhaltungstriebs zur nächsten Lichtquelle. Verbrenn dich nicht, mein Schatz. So handeln die meisten Menschen in den meisten Dingen“, er lächelte und betrachtete seine Faust. Sabine hatte mittlerweile tatsächlich wirklich Angst. Es war unheimlich, Logik war alles voran sie bis jetzt gedacht hatte, und jetzt wusste sie auch warum, Philosophie war unheimlich!

„Der Sinn des Lebens ist ein Selbsterhaltungstrieb. Der Sinn des Lebens ist das Überleben. Auf jeden Fall zu einem Teil, ich sagte doch bereits das Bedeutungen immer sehr zwiespältig sind. Was soll’s ich wollte es dir nur mal erklären, Sabine. Du solltest jetzt besser deine Koffer nehmen und gehen, du wolltest mich doch verlassen. Ist auch besser so, schließlich bin pleite und habe keinen Nutzen mehr für dich.“ Er lächelte seine Faust an. Sabine griff alle Koffer auf einmal und öffnete die Tür.

Vincent öffnete sein Faust. Die Motte flog immer noch um den Leuchtstab. „Ja, mein Schatz, du wirst dich nicht ändern, such das Licht…“, flüsterte er und Sabine bemühte sich mit jedem Schritt schneller zu werden…



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Chiisette
2010-01-01T21:18:05+00:00 01.01.2010 22:18
Wow, ich fand die Geschichte wirklich toll O.O
Echt geilo geschrieben, hat mir total gut gefallen und konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen.
Von:  Kureimeiji
2009-09-22T15:01:11+00:00 22.09.2009 17:01
*gänsehauthab* oh man!!!! Ich hab ja echt was verpasst! Das is genial! Du hast dir echt gedanken gemacht, man merkt, wie sehr du dich mit dem Thema auseinander gesetzt hast. Ich find´s gut nein großartig! auch wenn meine Auffassung vom Sinn des Lebens anders ist...wobei, wenn ich so drüber nachdenke kann man des auch gleich nennen^^ oder ähnlich oder...ach ich muss da drüber nachdenken XD Tya du hast ed geschafft, jetz muss ich erstmal darüber nachdenken *kichert* Ich liebe deine FF´s ob mit Story, oder auf Grundlage einer Philosophischen Überlegung♥

Love You♥
Von:  _an-chan_
2009-08-30T15:53:11+00:00 30.08.2009 17:53
hey. jop, das ist super.(Endlich ein Mensch, der seinen Sinn des Lebens erklären kann!!!)
Ich bin da ungefär der gleichen Meinung. Allerdings ist das nur ein Teil von meinem Sinn, der sich aus dem Rest ergibt.(Wir können ja mal diskutieren^^) Ich denke, wir wären da ungefär beim gleichen Gedanken.
Wenn du Bock hast schreib ne Ens.
PS: ...Warum hat Si-chan Angst vor Vincent. Der denkt doch nur...???
Anja
Von:  Purrgatory
2009-08-26T08:43:30+00:00 26.08.2009 10:43
Oh.Mein.Gott. Wie.Geil.War.Das.Denn?
Die is ja richtig ut! Vivi, du hast dich selbst übertroffen! ^~^ (alle deine geschichten sind supiii!!!)
Aber das hier? Ein Meisterwerk! Das erkenne ja sogar ich!^^
Vincent ist so gut rüber gebracht worden! Ich hatte auch fast ein bisschen Angst vor ihm!

HDGDL Sinje

PS: Hast du das mit der Motte aus Lift? xP


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