Zum Inhalt der Seite

Grandia II: Der Pfad zur Seele

Eine Tragödie in 5 Akten
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

4. Akt: Das retardierende Moment

Als für Elena die Welt weiterging, sah sie sich durch einen dichten Nebel wandeln. Es war ein warmer Ort, ein leichter Ort. Nichts mehr war von den Schmerzen übrig, nichts mehr von der Angst, die sie fast zerrissen hatte, nein, sie war frei und unbeschwert und – wie sie sich erst bewusst wurde, als sie ihre Füße auf dem warmen, weichen Boden spürte - nackt. War dies hier etwa…? Konnte das etwas anderes heißen, als…? Ja, sie musste am Ziel sein. Wahrhaft gerettet. Vergnügt sprang sie umher und bemerkte lange nicht die Stimme, die sie rief. „Elena? Elena.“, tönte es von hinter den Nebeln und mit einem Male war sie sich dessen bewusst. „Lord Granas? Wo bist du, mein Lord?“ Sie blieb stehen und begann, zu winken. War es denn wirklich…?

„Meep, leider falsch.“, klang es da schon deutlich ungehaltener und leider auch bekannter. Ihr Arm sank herab. „Millenia“, verstand sie, dann wusste sie nichts zu sagen. Der Nebel blieb. Es wurde kälter… oder kam es ihr nur so vor? So fragte sie: „Millenia, wo bin ich?“ - „Du liegst auf einem Berg auf Garland und verblutest. Oder willst du hören, wo sich dein kleiner, dummer Geist gerade hinsehnt?“ Elena seufzte. „Klar, dass du niemals Granas Paradies erreichen wirst. Klar, dass du es nicht verstehen kannst. Aber kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen? Ich finde es wunderschön hier, nur etwas kühl…“ – „Dann zieh’ dir doch was an, oder aber du tust etwas dagegen, dass dein Körper, der immer noch auf dem Berg auf Garland liegt, noch mehr Blut verliert und noch weiter auskühlt.“ – „Ach ja?“, Elena wurde langsam wütend, „Das ist doch nur ein billiger Trick. Dann schaue ich weg und du reißt dir dann sicher einfach meinen Körper unter den Nagel… oder noch schlimmer, Granas Paradies.“ – „Mädchen!“, Die Geduld der Stimme kam langsam zu ihrem Ende. „Ja, ich könnte aus deinem auf dem Berg auf Garland verblutenden Körper meinen auf dem Berg von Garland verblutenden Körper machen, spielend sogar. Aber dann sage mir mal, was ich dadurch gewonnen hätte.“ – „Du würdest viel gewinnen“, schrie Elena zurück ins Nichts. „Du bist so mächtig. Du wirst damit doch ganz schnell fertig.“ Die Stimme wusste nichts darauf zu sagen, es herrschte Ruhe für einige Sekunden. Dann konnte sie Elena wieder hören, beherrscht freundlicher. „Elena, was weißt du über Valmars Macht?“ Endlich eine sinnvolle Frage. „Das sie böse ist und nichts Gutes tut und niemandem Glück bringt.“ – „Und was bedeutet das?“ – „Das sie böse ist und nichts Gutes tut und niemandem Glück bringt.“ – „Und was bedeutet das…“, brachte Millenia mit Blick auf ihren schwindenden Geduldsfaden raus, „… im Hinblick auf einen auf einen auf einem Berg auf Garland verblutenden Körper?“

Elena dachte nach. Und auf einmal… „Was?“ - „Braves Kind.“ – „Aber das heißt dann ja… Das heißt ja, ich sterbe.“ Elena war auf einmal ganz aufgebracht. Blind stürzte sie voran, weiter in den Nebel. „Ryudo? Melfice? Wo seid ihr? Rettet mich!“

Lange sah sich die Stimme es nicht an. „Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass es kein ‚Hier’ gibt? Du wirst auch nicht erwachen. Kannst du dich blind heilen?“ – „Ich weiß nicht, wie.“, klang Elena panisch, „Ich kann doch nichts sehen. Und mein Körper hier ist nicht verletzt.“ – „Ruhig, Mädchen, bitte“ Die Stimme bemühte sich, versöhnlich zu klingen. „Versuche bitte, deinen Körper hier zu heilen, als hätte er eine tiefe Wunde an der Seite. Versuche das bitte. Und wenn dir die Kraft fehlt, dann zapfe meine Kraft an. Du magst sie nicht mögen, aber es ist Energie, trotz allem.“ – „Aber das… Okay, ich versuche es.“ Elena konzentrierte sich. Sie konzentrierte sich auf das Gebet, auf die Musik, spürte die Macht und doch... Sie hielt plötzlich inne. „Es funktioniert nicht.“, sagte sie. „Weil du zu weit weg bist? Oder weil du Angst hast?“ – „Ein bisschen von beidem“, musste Elena zugeben. „Dann müssen wir etwas anderes versuchen. Elena, bereite eine Heilung vor. Ehe du sie aber wirkst, versuchen wir, aufzuwachen. Denkst du, das bekommst du hin?“ Elena nickte, doch Millenia war noch nicht fertig. „Hier mag es dir angenehm erscheinen, weil du keinen Schmerz spürst. Doch er wird zurückkommen, sobald du aufwachst. Eine Welle an Schmerz. Kannst du sie aushalten? Wenigstens kurz?“ Elena wollte nicken, dann erst verstand sie… „Ich muss.“, gab sie knapp wieder.

„Gut“. Millenia wirkte zufrieden. „Dann mache dich bereit. Und gib mir ein Zeichen. Dann bringe ich dich zurück ins Licht.“
 

Zwischen Elena und dem Gedanken an die beiden Männer, die doch gar nicht so weit von ihr entfernt im Staub waren, verging einige Zeit. Zu lange verbrachte sie damit, zu merken, dass sie trotz allem überlebt hatte. Sie spürte ihren Körper, verschnaufte und dachte gar nicht daran, etwa Millenias Stimme wahrzunehmen, die ihr flüsterte: ‚Das Horn ist vernichtet, doch wo ist Ryudo? Bitte, finde Ryudo.’ Auch Mareg, der zu zäh zum Sterben war, blieb ihr ganz verborgen. Stattdessen suchten ihre Augen rastlos nach dem Mann mit dem Horn.

„Sieh’ dir mal den Kerl an“, hörte sie da Mareg in der Ferne lachen, „Melfice, die Bestie, hatte keinerlei Rückgrad im Leib. Was für ein Dämon.“

Melfice? Der starke Mann mit den schönen Augen? Konnte er wirklich…? Schon sprang sie auf. Zwei Männer am Boden, Mareg vor ihnen kniend. „Was ist mit ihnen?“, fragte sie, als sie zu ihnen hinstürmte. „Leben sie noch?“

Sie hörte Millenia etwas sagen, aber sie hörte nicht zu. Melfice lag vor ihr, sein schönes Gesicht, sein langes Haar, seine Reife… sie hatte ihn zwar nur kurz gekannt, aber er hatte ihr helfen wollen, also schmerzte sie, zu sehen, dass er sie wieder verlassen hatte. Sie blickte an ihm herunter und erkannte dann, was Mareg so freute. Tatsächlich, hinter den Wunden lag weder Fleisch noch Blut, sondern nur nasse Erde, die langsam auszutrocknen schien. Melfice, das spürte sie, würde schon bald zusammensinken wie eine Sandburg in der Sonne. „Iiiiieh“, quietschte sie und sprang auf. Sie kam sich richtig betrogen vor.

Dann kam ihr ein Gedanke und sie musste lachen. ‚Bist du auch so?’, schickte sie Millenia entgegen, während sie noch den unverletzten, aber genauso reglos danebenliegenden Ryudo registrierte. Irgendwas war ihm widerfahren.

Nach einigen Tritten hatte Mareg den Erdhaufen seinem Schicksal überlassen und sich zu Elena begeben. Er schuldete ihr, das wusste er, eine Erklärung, also begann er gleich damit: „Der große Krieger Ryudo hat den Dämonenmeister erschlagen. Heil dem Ryudo. Heil.“ Das half ihr aber doch alles nichts. Was sollte sie denn jetzt machen?

Sie setzte sich auf den Boden und fragte sich, wo sich dieses ominöse Siegel befinden musste, von dem Melfice gesprochen hatte. Ob sie es alleine bedienen konnte? Nur am Rande nahm sie wahr, dass Millenia zu ihr sprach und Maregs Erklärung eine eigene anführte: ‚Ryudo hat erkannt, dass er selbst das Horn Valmars trägt. Er hat es sich gezogen. Ryudo war Melfice. Er ist nur…’

Das klang interessant, also klinkte sich Elena ein. „Das ist doch Unsinn. Wie kann ein Mensch zwei Körper haben?“ – ‚Das hatte er nicht. Ryudo wies die zweite Seele von sich und das Horn schuf ihr aus Wasser und Erde ein eigenes Gefäß.’ Sie verstand kein Wort, aber es ging um hohe und finstere Magie, da musste sie nicht mehr wissen.

Plötzlich fiel ihr etwas auf und sie fragte schnell: „Millenia, Moment. Wenn Ryudo das Horn zerstört hat, warum lebt er dann noch? Müsste seine Seele nicht ebenso vernichtet sein wie die von Aura?“ Die Stimme brauchte einige Zeit, um zu überlegen. ‚Er hatte Melfice weit genug von sich gewiesen. Er kann überleben. Wichtig ist, wie weit beide miteinander verbunden sind.’

Treffer. Elena lachte: „Dann kann ich dich ja auch einfach loswerden. Mareg, würdest du vielleicht…“ – „… und dich wieder in einen verblutenden, ohnmächtigen Körper verwandeln? Wer soll dich denn diesmal retten?“ – „Ach, Mist“ Elena trat einen Stein und sah, wie er die Klippe herunterrollte. „Aber ich werde den Gedanken beibehalten. Ich sage dir, ich bekomme dich schon aus mir raus.“

Elena setzte sich auf die Erde. Ihrem Körper ging es inzwischen wieder richtig gut, mit ihrer Heilung hatte sie sich selbst übertroffen. Wenn es hier doch nicht so kalt wäre…

Nach einer Weile kam Mareg zu ihr. „Es wird bald dunkel werden“, erklärte er, „Wir müssen fort von hier. Was machen wir mit Ryudo?“ Sie sah herüber und dann zurück. „Was können wir machen? Bist du denn stark genug, ihn in die Stadt mitzunehmen?“ Der Bestienmann schnaubte. „Ich bin. Das wäre das Mindeste.“

Elena war viel zu sehr mit dem Aufbruch beschäftigt, um Millenias Stimme zu überhören. ‚Möchtest du ihn nicht retten?’
 

‚Ich kann dich in Ryudos Geist führen’, hatte Millenia gesagt. ‚Ich kann dir das Tor öffnen in seinen Geist, aber ich kann dich nicht begleiten.’ All das schien sie noch einmal in ihrem Innersten zu hören, als sie durch Ryudos Nicht-Ort wanderte. Um sie herum wurde es heiß und dämmrig und ein angenehmer Dampf erfüllte den Raum. Ihre Füße wurden gewärmt vom feuchten Holz des Bodens und ihr wurde klar, dass sie nackt war. Nur mit einem Handtuch konnte sie sich bedecken. Sie wickelte sich darin ein.

Der Raum war endlos und bot ihr keine Richtung. Sie rief, um irgendwas zu tun, hatte aber das Gefühl, nicht durch den Dampf durchzukommen. Sie musste in einer Sauna sein, ging es ihr auf, in einer riesigen garländischen Sauna. Sie war in Ryudos Gedanken und sie fühlte sich unwohl. Sie wollte ihm nicht so wie sie war gegenübertreten. Erst Millenia brach das Schweigen, doch Elena überschrie sie. Sie wollte sie nicht hören. So rief sie noch einmal seinen Namen.

Der Weg führte ins Endlose. Warum war sie eigentlich hier, fragte sie sich und dachte dann: Dann wird mir Ryudo aber eine Menge schuldig sein. Sie wollte fluchen und sie erkannte: Sie war allein, weitab von allem außer von Millenias Botschaften, und es gefiel ihr gar nicht.

Nur was sollte sie tun? Ergab es einen Sinn, endlos in eine Richtung zu gehen in einem Ort ohne Raum oder sollte sie sich lieber hinsetzen und warten, dass man sie fand? Doch wenn sie sich hinsetzte, könnte sie dann nicht einem Mann, der aus dem Nebel kam, plötzlich viel zu tiefe Einblicke gewähren? Sie schluckte, wenn sie daran dachte. Das wollte sie… nicht. Also musste sie voran. „Ryudo? Melfice? Seid ihr hier?“

War es so, als würde plötzlich ein Schatten flackern? Ein Blick nach links und rechts, nein, nichts. Doch ihr Kopf wanderte nach oben und da sah sie ihn. Weit hinter den Wolken zog ein Adler seine Kreise und blickte sie dabei an. Erstaunlich klar konnte auch sie ihn erkennen, ihn und sein kleines Horn. Sie schluckte und klammerte sich am Handtuch fest. Was sollte sie nur tun? „Hab keine Angst“, sagte er mit einer sanften und klaren Stimme. „Ich tue dir nichts. Elena. Ich habe dich so oft gesehen und du kennst mich nicht. Lass mich dir ein Führer sein.“ Dann kam Bewegung in seine Kreise. Er wollte nicht direkt zu ihr, sondern ließ sich Zeit. „Wer bist du?“, schrie sie in die Wolken. „Ich bin Skye. Ich bin Ryudos Freund in Not und ich bin sein Beistand. Wir haben viel über dich gesprochen.“ Der Vogel flog und Elena folgte ihm mit ihrem Blick. Auch wenn sie es alles noch nicht verstand, so fühlte es sich doch stimmig an. Dann erkannte sie ihn. „Du bist die Totemfigur, richtig? Ich habe Bilder von dir in Büchern gesehen.“ – „Ich bin auch das“, antwortete er und ihr kamen immer neue Gedanken. „Ryudo hielt dich für real, nicht wahr? Er hat manchmal gesprochen, so als gäbe es noch jemanden in seiner Nähe. Ich habe immer gedacht, er redet mit den Monstern.“ – „Wahrheiten und Wirklichkeiten sind nicht immer eins“, sagte Skye und beließ es dabei. „Ich bin dir dankbar, dass du gekommen bist. Ich hoffe, du kannst ihn noch erreichen. Ich kann es nicht mehr.“ Mit diesen Worten flog er heran und landete auf Elenas nackter Schulter. Sie musste lachen, als sie seine Klauen spürte, die doch keine Kratzer in ihrem Fleisch hinterließen. Er war so leicht. „Aber wohin?“, fragte sie, als sich nichts änderte. „Ich wollte wissen, wie du dich anfühlst, Elena. Ich bringe dich zu ihm, indem ich dich verlasse. Mein Horn erinnert ihn an Melfice.“ Damit erhob er sich und verschwand.

Elena durchwanderte den Nebel. Langsam zeichnete sich eine Silhouette ab. Sie hatte ein Ziel gefunden. Nur musste sie hoffen, dass es auch Ryudo war.
 

Irgendwo zwischen Nacht und Welt wollte er eine Statue bauen. Er wollte so verzweifelt behalten, was er verloren hatte, dass er den Boden aufriss, bis die Welt zu Ende war und tiefe Abgründe entstanden, und so setzte er sich auf die Klippe an der Grenze von Sein und Nichtsein und lamentierte. So war es, als Elena ihn fand.

Das Erste, was sie hörte, war seine Stimme. „Er hat schon einen Freund“, schallte es, „und du bist nicht sein Typ. Die Religion steht zwischen euch und dich braucht er nicht in seinem Leben. Er liebt dich nicht und du liebst ihn auch nicht. Er ist noch nicht für eine Beziehung bereit.“ Elena wusste nicht, ob sie damit gemeint war, doch ging sie einfach voran.

Er saß da, ließ die Füße über den Abgrund baumeln und blickte sie nicht an. Er sprach weiter, immer weiter, doch sie hörte ihm nicht zu, sondern merkte nur, wie oft das Wort ‚Nein’ in seinem Sermon vorkam. Ryudo war nicht mehr Herr seiner selbst und Elena wusste nicht, was sie tun sollte. Sie fühlte sich unwohl. Statt von ihm begafft zu werden, wie sie es befürchtet hatte, nahm er sie gar nicht wahr. ‚Millenia, hilf mir.’, schrie sie in ihr Innerstes und hoffte auf die Stimme. Sie wartete eine Weile.

„Du kannst seine sexuellen Wünsche nicht befriedigen. Du hast nichts zu bieten. Du kannst nur eine Last sein. Du bist nur du.“ – ‚Halte bitte aus, Elena’, hörte sie Millenia flüstern. ‚Versuche, mit ihm zu reden oder rufe Skye.’ – ‚Aber was soll ich denn erzählen? Von Granas wollte er doch nie etwas hören.’ – ‚Du musst ihm nichts erzählen. Höre ihm einfach zu, halte es durch und blicke ihm in die Augen. Niemand verfällt in einen Sermon, wenn er nicht reden will.’

So stand Elena da. Das erste Wort war kläglich. „Ryudo, bist du wach?“ Der zweite Versuch war gewagter. „Ryudo, da vorne ist ein Monster.“ Dann kam ihr eine ganz andere Idee. „Ich glaube, er verzeiht dir.“ Damit war das Eis gebrochen.

„Nein“, sagte er. „Er kann mir nicht verzeihen. Er ist tot. Ich habe ihn getötet.“ Seine Stimme war schwach, doch sich langsam findend. Langsam schien er auch zu begreifen, dass er nicht alleine war. „Elena, ich wollte ihm eine Statue bauen“, sagte er hilflos. „Ich wollte ihn greifen und wieder finden und doch brach die Welt um mich zusammen. Ich weiß, ich habe ihn verloren.“ Er verstummte und Elena stammelte irgendwas. Was sollte sie sagen? Sie verstand ihn nicht. Sie atmete auf, als das im Moment nicht notwendig zu sein schien. „Ich habe ihn gehasst. Zumindest glaubte ich das für eine lange Zeit. Ich dachte, ich müsste ihn hassen für all das, was er mir angetan hat und was ich wegen ihm tun musste. Jetzt sehe ich, wie viel Halt er doch meiner Welt gab. Er hat mich erschaffen, weißt du?“ – „Aber Valmars Kräfte erschaffen nichts.“, wandte Elena ein. In ihrem Innersten protestierte Millenia gegen diesen ungeschickten Zug, doch Ryudo lächelte nur. „Ach nein? Ich erinnere mich noch gut an meine Jugend auf Garland, in diesem kalten Land im Griff des Ordens. Ich fühlte mich so klein, so eingeengt, dass ich kaum atmen konnte. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen wäre, wenn er nicht gekommen wäre. Ohne ihn hätte ich nie Mut und Gelegenheit gefunden, aufzustehen und von dort wegzukommen. Ich weiß nicht, was dann gewesen wäre.“ – „Aber das hat viele Menschen getötet, Ryudo. Den ganzen Orden. Ich habe die Spuren gesehen, die ganze Insel…“ – „Ja, hat es. Aber er tat es aus Liebe. Elena, ich habe mit ihm gesprochen. Er bedauert es nicht und ich mache ihm keinen Vorwurf. Diese Menschen wählten ihr Schicksal selbst.“ Er verstummte und machte seine Pause, ein erstes Zeichen, dass er über seine Worte nachdachte. „Es ist die Regel des Kampfes. Wenn jemand mit einer Waffe auf dich zukommt und dich töten will, dann schonst du ihn nicht. Sie wollten Melfice töten. Er hatte keine Wahl.“ Elena schauderte. Sie wollte nicht vom Töten sprechen, zu leicht konnte sie das nächste Opfer sein. Sie rückte auf ihrem Handtuch hin und her.

„Weißt du, wie ich Geronshund wurde? Ich zog von Garland Melfice hinterher, nur mit einem Schwert in der Hand. Ich war wütend und voller Hass und wollte ihn vernichten. Ich sollte ihn nicht erreichen. Als mein Geld zur Neige ging, musste ich irgendwie neues verdienen. So erinnerte ich mich an mein Schwert und wurde zum herumziehenden Söldner. Nur so konnte ich ihm folgen.“ Er schwieg eine Weile und blickte in den Abgrund. Seine Stimme wurde schwächer. „Die ersten Monster, die ich schlachtete, fielen mir schwer. Man kann nicht einfach so lebende Wesen töten. Dann aber erinnerte ich mich an Melfice und wusste, ich musste es tun. Seltsam, dass bei allem, was ich tat, ich stets der Überzeugung war, ich müsste es tun. Ich brauchte es einfach für den Kampf gegen eine noch größere Bestie. Seltsam, wie rein doch mein Gewissen war.“ Er schluckte, dann drehte er sich um. „Elena, wenn Melfice nur ein Teil vom mir war, dann habe ich sie getötet. Dann habe ich den Orden ausgelöscht.“ Er musste lachen. „Und trotzdem bist du hier.“

Elena sprang auf. Was sollte sie sagen? Nur mit einem Handtuch bekleidet unterhielt sie sich mit einem Mörder übers Töten. Er musste ihr Zögern spüren. „Draußen sitzt Mareg und wartet auf dich. Wenn du willst, dann wird er meinen Platz einnehmen. Ich bin sicher, dem Schlächter von Melfice wird er gerne und getreu seinen letzten Wunsch erfüllen. Wenn du gehen möchtest, dann geh.“

Sie wollte sich abwenden, doch ihre Beine waren wie versteinert. Neben ihr wartete der Abgrund und unter ihr Ryudos Blick. „Ich möchte doch nur wieder heil sein.“, wimmerte sie.

„Dafür brauchst du mich.“, sagte er ruhig. „Dafür brauchst du einen Mörder. Du brauchst jemanden, der deine Probleme löst.“ - „Nein, das stimmt nicht. Es gibt nur ein Ding, das dafür entfernt werden muss, und das ist kaum als Person zu bezeichnen. Du machst dir etwas vor. Melfice habe ich gebraucht.“

Das verletzte ihn, doch ihr war es genug. „Ich sollte besser gehen.“, sagte sie fest und bemerkte, dass Ryudo seinen Blick wieder in den Abgrund richtete. Viel zu schnell schritt sie davon. Er war doch ein Verrückter. Musste sie eben doch zu Mareg greifen, der war wenigstens ehrlich. In ihrem Zorn überrumpelte sie die Stimme und kaum hatte sie begriffen, hatte sie deren Worte schon ausgesprochen.

„Ryudo“, sagte sie laut und wandte sich um. „Millenia lässt dich etwas wissen. Sie sagt, wenn du zurückkommst, dann wird sie dafür sorgen, dass du dich so lebendig fühlst wie noch nie in deinem Leben.“ Ryudo blickte sie an, während Elena langsam dämmerte, was sie eben gesagt hatte. Dann verblasste die Klippe und Ryudo trat zurück ins Licht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Miyu-Moon
2010-03-01T17:09:24+00:00 01.03.2010 18:09
Langsam frage ich mich, ob du dafür bezahlt wirst, Werbung für Saunagänge zu machen. Skye das Totem? Hm, bist du etwa ein Feind abstruser Tierwelten? Da hätte ich mir eher die Carros vorgeknöpft. Ich meine einen Adler mit `nem Horn kann man sich noch halbwegs erklären, aber diese Tierchen die lebende Taschenlampen sind. (wenn sie fluoriszierendes Pflanzenpartikel im Fell hätten, wäre das noch halbwegs logisch.)
Elena lässt ihn stehen?
Weil sie glaubt das er verrückt ist? Und Mareg ist ne sichere Wahl? Gott, woher bezieht das Mächen ihre Menschenkenntnis? Mareg würde sie doch bei der ersten Gelegenheit stehen lassen. Unter den Bedingungen kann ich mir kaum vorstellen, dass da noch ne Beziehung entstehen soll.



Zurück