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Von Rosen und Sternen

und einer goldenen Kette
von

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Von Rosen und Sternen

Die Luft im Freien war zu süß, zu viele unbekannte Blumen spendeten der Atmosphäre einen allzu friedlichen Schein. Neras trat nach draußen und war froh, den beengten Räumlichkeiten von Reyjous´ Festung entkommen zu sein. Er nahm einen tiefen Atemzug und ging langsam in Richtung der Bäume, die seit ungezählten Jahren auf diesem Balkon wuchsen. Soviel Sinn für die wahre Natur hätte er den Elben gar nicht zugetraut, jede einzelne Pflanze hier war wild gewachsen und keine Hand hatte je gewagt, etwas von dieser natürlichen Schönheit zu ruinieren, in dem sie sie beschnitt, ordnete oder in Reihen pflanzte.
 

Neras ließ diesen Tag in seinen Gedanken Revue passieren, während er seine Umgebung, jeden einzelnen Schatten, genau im Auge behielt. Er befand sich trotz allem in Feindesgebiet und seine Instinkte ließen nicht zu, dass er sich entspannte, auch nicht, wenn kein Elb in Sicht- oder Hörweite war. Er blieb an den Zinnen der Festungsmauern stehen, die bis zu diesem Balkon hoch reichten, und starrte in die Ferne der sternenklaren Nacht. Dies hier war ein Ort, in dem er bisher nur in seinen schlimmsten Träumen gewandelt war. Nie hätte er gedacht, sich jemals tatsächlich innerhalb der Mauern eines Elbensitzes zu befinden. Außer, fügte er in Gedanken mit einem schiefen Grinsen hinzu, außer ich stünde im Thronsaal des Elbenkönigs selbst mit seinem Kopf in der Hand.
 

Der Albenkrieger seufzte und fand Trost in dem Wissen, dass sich Sephastol ebenso unwohl fühlte wie er. Während er mit scheinbar tödlicher Ruhe inmitten der Freunde und Verwandtschaft Reyjous´ befunden hatte, jederzeit dazu bereit mit seinem Schwert zuzustoßen sollte auch nur ein Elb dumm genug sein, in seine Reichweite zu kommen, war Seph verkrampft, mit geballten Fäusten und grimmiger Miene durch das Tor geschritten. Was auch immer der Grund für seine Ablehnung war, es tat gut zu wissen, dass er hier wenigstens einen Verbündeten hätte. Nicht, dass einer der Bewohner eine Herausforderung für ihn gewesen wäre. Innerhalb einer Stunde hätte er im Alleingang diese Festung einnehmen können, sobald er sich in ihrem Inneren befand. Er glaubte in seinem Stolz nicht, dass auch nur ein einziger der hiesigen Soldaten an seine Schwertkunst und Geschicklichkeit heran reichen würde. Reyjous selbst war eine Unbekannte in dieser Gleichung. Auch wenn Neras es nie zugegeben hätte, dieser Mann war gut mit dem Schwert, fast schon zu gut. Es wäre interessant gewesen, ihm auf dem Schlachtfeld zu begegnen und ihn heraus zu fordern. Die paar Schläge und Streiche, die die beiden bei ihrem ersten Treffen ausgetauscht hatten, waren zu wenig gewesen, um sich absolut sicher ein Bild darüber machen zu können. Doch die Führung seiner schmalen Elbenklinge war ausgezeichnet, wann immer sie auf einen Feind getroffen war. Das selbe galt für Sephastols Zweihänder. Neras runzelte die Stirn, er war die zweite Unbekannte in dieser Gleichung. Mit absolut tödlicher Waffenkunst verstand es der Sterbliche meisterhaft, sich eine Bresche durch ein Heer von Feinden zu schlagen, ohne im Schritt innehalten zu müssen. Dazu kam, dass er seinen Zweihänder nur mit einer Hand schwang, als sei er nichts weiter als ein Stock für ein Kind. Gegen ihn würde er vorsichtig sein müssen, man durfte diese scheinbare Ruhe und Grimmigkeit im Kampf nicht unterschätzen.
 

Neras wandte gequält den Blick von dem Wald in der Ferne ab. Seine Gedanken schwirrten einzig und allein um den Kampf. Er war ein Alb und sein albischer Stolz war ungebrochen. Er war Gast in diesem Haus und er hatte in den letzten zwei Monaten zuviel durchmachen müssen, um nun alles in den Wind schlagen zu können, indem er sich am besten vorstellte, wie er die Bewohner hier alle in den Tod schicken konnte. Immerhin war er schon seit einiger Zeit mit Reyjous und Seph auf Reisen, wenn auch nicht ganz freiwillig. Sein Blick wanderte zu den Sternen empor, die in trauter Tröstlichkeit die mondlose Nacht erhellten. Schon seit er denken konnte war das Sternenlicht sein Freund gewesen, wann immer er sich in schwierigen Situationen befand. Egal wo man sich aufhielt, es waren immer die selben Lichter, die auf einen herab sahen. Er erhob seinen Kopf vollends Richtung Himmel und genoss das Gefühl seines den Boden berührenden Haares. Ein Wasserfall aus tiefschwarzen Strähnen floss ihm über Rücken und Beine. Mittlerweile reichte es ihn bis knapp an den Anfang seiner Stiefelabsätze und er hätte es gern noch länger wachsen lassen, doch wenn es den Boden berührte würde es ihm beim Gehen nur behindern. Zu schade, er war eitel, was seine schwarze Pracht anbelangte.
 

Der Alb wusste nicht, wie lang er so da stand, die Welt um ihn herum vergessend und in seinen Gedanken verloren, als er ihre Präsenz wahr nahm. Plötzlich angespannt und mit jeder Faser seines Körpers in Alarmbereitschaft drehte er langsam seinen Kopf nach rechts zu den wilden Bäumen und Blumen und sah sie ruhig dazwischen stehen, seinen Blick erwidernd. Hass stieg in ihm auf, dort zwischen all der Vegetation stand sein natürlicher Feind, scheinbar unbewaffnet und machtlos. Neras biss die Zähne zusammen und zwang sich zur Ruhe. Er wusste nicht, wie lang die Elbe schon da stand und ihn beobachtete, in seinem intimen Moment mit den Sternen und seinem Haar. Allein dafür hätte sie schon sterben müssen! Sein zweiter Gedanke war, sie stehen zu lassen, mit erhobenem Haupt den Balkon zu verlassen. Doch das ließ sein Stolz nicht zu, wäre gleichbedeutend mit einer Flucht, einer Niederlage auf des Feindes Feld gewesen.
 

Seine Instinkte ignorierend drehte er sich vollends um und schritt langsam auf sie zu. Noch immer rührte sie sich nicht, beobachtete ihn nur mit ausdruckslosem Blick wie er sich ihr näherte. Er selbst bewegte sich langsam, den Kopf gesenkt blickte er ihr von unten tödlich entgegen. In den gut drei Dutzend Schritte zu ihr nahm er seine Umgebung unnatürlich genau wahr, das Rascheln der Blätter der Birke zu seiner Linken; der Duft der weißen Rosen, der die Luft schwängerte; das sanfte Streichen seines Haares an seiner Hand; das meerschaumweiße Gewand der Elbe, verziert mit auffallend wenig Goldstickereien; ihre schlichte goldene Kette; ihr Haar, wie es sich im sanften Wind leicht bewegte. Vier Schritte vor ihr blieb er stehen, hob den Kopf und sah sie ebenso ausdruckslos an wie sie ihn, er würde nicht als Verlierer von diesem Schlachtfeld ziehen! Nach nahezu einer Ewigkeit wie ihm schien, senkte die Elbe den Blick und wandte sich halb von ihm ab. Sie ließ ein mittellautes „Willkommen“ vernehmen, welches Neras das Gefühl gab, gegenwärtiger Sieger zu sein. Befriedigt darüber legte er den Kopf schief und meinte in seiner arrogantesten und beleidigsten Art: „Verzeiht mir, ich wollte Euch nicht erschrecken.“ Sie sah wieder zu ihm auf, wieder mit diesem ausdruckslosem Blick. Er hatte hier keine schwache Maid vor sich. Vielleicht auch keine Kriegerin aber immerhin eine Kämpferin. Nun gut, wenn sie sich mit einem Alben messen wollte, er war bereit, er hatte noch nie einen Kampf verloren.
 

Neras war ihr heute Abend bereits begegnet, unten in der großen Empfangshalle, als Reyjous sie stürmisch und zärtlich zugleich begrüßt und umarmt hatte. Beide hatten dieses lichtblonde Haar und viel zu helle graue Augen, sie musste seine Schwester oder doch zumindest eine sehr nahe Verwandte sein. Eine große Begrüßung hatte es nicht gegeben, da der Schock, einen Alben inmitten der Mauern vorzufinden, zu groß gewesen war. Nun musterte sie ihn aufmerksam, auf jedes Zeichen seines Körpers achtend, bis sie sich schließlich geschlagen gab, Blick und Kopf erneut neigte und einen Schritt zurück trat: „Verzeiht....“ Der Krieger behielt seine Konzentration bei, während seine Stimme den tödlichen Ton ablegte, den sie vorher noch gehabt hatte: „Entschuldigt Euch nicht. Auch jede Albe wäre entsetzt, wenn sie mitten in der Nacht einen Elben in ihrem Anwesen antreffen würde.“ Sie wandte sich vollends ab und trat zu den Zinnen, die den gesamten Balkon umgaben. „Ihr seid der persönliche Gast meines Bruders, ich wollte nicht unhöflich sein und Euch stören.“ Verdammt, wie viel von ihm hatte sie gesehen? „Doch ist es schwer seinen Feind inmitten des Ortes des Trostes anzutreffen.“

„Waren Euch die Räumlichkeiten des Tanzsaales auch zu eng?“

„Ja.“

Neras betrachtete sie von schräg hinten. Ein Teil ihres Haars war sanft hochgesteckt und floss ihr lang über den Rücken. Ihr Kleid war aus einem einfachen aber zarten Stoff, das ihre Schultern frei ließ und sich ihr in langen Bahnen über Arme und Taille legte. Sie war schön, zerbrechlich und vor einigen Momenten noch stark wie eine alte Eiche. Ihre Hände hatten sich ineinander verkrampft, damit das Zittern weniger auffiel. Doch anstatt Mitleid mit ihr zu haben baute sich sein albischer Stolz nur weiter auf. Als Herr über die Lage und selbstzufrieden über den Schrecken, den er verbreitete, stellte er sich direkt neben sie und stützte die Arme auf die Zinnen und sah in die Ferne. Er konnte förmlich hören, wie sie sich an einen anderen Ort wünschte; er konnte hören, wie ihr Atem etwas zu schnell ging; er konnte riechen, wie sich ihr Duft um ihn legte, gepaart mit dem der weißen Rosen....
 

Verwirrt hielt er inne, er stammelte „Wie lautet Euer Name?“ Verdammt, was tat er da? Er wollte sich nicht mit ihr unterhalten, ihm hätte es genügt wenn er ihr weiterhin hätte Angst einjagen können! Er wollte, dass sie sich in ihr Bett schlich und wegen ihm weinte!
 

Mit gläsernen Augen sah sie ihn an, sah in ihm nur den kalten und undurchdringbaren Alben. Wie lange sie ihn so anblickte vermochte er nicht zu sagen, die Zeit stand still. „Liliales“ antwortete sie ihm nach schier einer Ewigkeit und ihm war, als bestünde dieses eine Wort gepaart mit ihrer sanften Stimme aus all den Rosenblüten um ihn herum. Er wandte sich ihr direkt zu, blickte auf sie hinab wie sie zu ihm hinauf, zwischen ihnen nur der letzte Nachhall ihres Namens. In diesem einen Augenblick zerbrach sein gesamter albischer Stolz. Seine Selbstbeherrschung und seine kalte innere Verteidigung zerbarsten in unzählige winzige Splitter. Ohne sein Zutun, absolut machtlos über seinen Körper und der Elbe völlig ausgeliefert beging er den größten Fehler seines Lebens. Er lächelte sie an.
 

Ein schriller Knall durchschnitt die Luft und den Augenblick, Alb und Elbe zuckten in Richtung des fernen Waldes, an dessen Rand sich nun fremde Gestalten tummelten.

„Verdammt“, entkam es Neras, wieder ganz der Krieger. Trotz Feindesnähe hatte er gehofft, wenigstens eine Nacht der Ruhe zu finden. Von unten ertönte bereits Sephastols Stimme, die nach Reyjous suchte. Mit einer einzigen Bewegung drehte sich Liliales um und wandte sich Richtung Tür, hinein in die fragwürdige Sicherheit ihres eigenen Heimes. Als sich der Schwertmeister nach einem weiteren Blick auf die Gestalten am Wandrand umdrehte sah er, wie ihre Hand an ihren Hals glitt, mit einem Ruck dort an etwas zerrte und dieses Etwas zu Boden gleiten ließ. Noch bevor sie im Inneren verschwinden konnte um ebenfalls nach ihrem Bruder zu suchen kniete sich Neras nieder und hob ihre zerrissene Kette auf. Die Glieder schienen aus einem beständigen Material zu bestehen und es musste sie einiges an Mühe gekostet haben, das Schmuckstück mit einem einzigen Ruck an ihrem Hals zu zerreißen; an den Enden hafteten ein paar Tropfen ihres Blutes. Er sah ihr hinterher und er musste ihr nicht ins Gesicht blicken um zu wissen, dass ihre Augen tränenfeucht waren. Als er allein war und die ersten Befehle des Gegners zu ihm herauf schallten legte er sich Liliales´ Kette um den Hals und befestigte sie mit geschickten Bewegungen, damit sie sich trotz zerbrochener Glieder nicht würde lösen können. Er schwor sich, ihr goldenes Schmuckstück nie wieder abzulegen.
 

Als er sich mit wehendem Haar Richtung Tanzsaal begab fluchte er innerlich. Vorhin noch wollte er, dass Liliales heute Nacht in ihrem Bett wegen ihm weinen würde. Ja, das würde sie nun gewiss tun, ebenso wie er nun ungeweinte Tränen zurück schluckte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2009-12-14T10:48:32+00:00 14.12.2009 11:48
^^

Mir gefällt die Story richtig gut. Du scheinst nicht nur zeichnerisches Talent zu haben, immerhin ist das deine erste Geschichte und Wortwahl sowie Stil sind wirklich gut.
Ich finde es interessant, wie du den Unterschied zwischen den verschiedenen Rassen darlegst - Alben und Elben waren in meiner Vorstellung immer dasselbe, da ist deine Version mal eine willkommene Abwechslung.

Schon schade, dass du die Story nicht weiterführen willst, ich glaube dass sich wirklich Leute gefunden hätten, die gerne Fantasy lesen. Da wäre deine Geschichte bestimmt vorne dabei.
Von:  Taroru
2009-12-09T17:46:28+00:00 09.12.2009 18:46
wow o.O
das ist ja klasse geschrieben ^^
irgendwie mitschwingend und denn noch ruhig XD
weiß gerade nicht wie das das besser sagen soll ^^°
jedenfalls hat es mich mitgerissen ^^
bin schwer beeindruckt ^^

und das soll wirklich schon zu ende sein? o.O
mag noch mehr lesen ^^
es ist so 'ruhig' und 'bedächtig' geschrieben ^^
ist mal was anderes für mich und es gefällt mir wirklich gut ^^


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