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On the other side...

von

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Sirius streckte sich und lies sich ins weiche Gras am Ufer des Sees auf dem Schulgelände fallen. "Ach, komm schon, Krone, hör auf, so rumzunölen. Es gibt noch tausend andere Frauen auf der Welt. Da wird schon die Richtige für dich dabei sein."

James saß neben ihm und rupfte büschelweise Halme aus dem grünen Untergrund. "Das sagst du so einfach. Natürlich gibt es Tausende von Frauen, aber keine ist wie sie."

"Oho, da hat aber einer Liebeskummer", kam eine neckende Stimme von hinten. Remus kam mit Peter im Schlepptau zu ihnen, beide beladen mit Fressalien. "Hier, nimm das. Das hilft am Besten gegen schlechte Laune. Hab ich aus der Küche geklaut." Er warf James ein großes Stück Schokoladenkuchen zu, das sofort einen ausgedehnten Fleck aus James' Umhang hinterließ.

"Geklaut ist gut", meinte Sirius. "Wie ich die Hauselfen kenne, haben sie ihn dir hinterher geschmissen."

"Hast mich erwischt", antwortete Remus und pflanzte sich neben James. Peter setzte sich daneben.

"Was soll ich denn nun machen?", jammerte James. "Ich und mein loses Mundwerk. Wenn es euch nichts ausmacht, ich gehe mich im Klo ersäufen." Er wollte aufstehen, aber er rutschte aus und fiel zurück auf seinen Hintern.

"Was ist denn los, James?", fragte Peter verwundert und biss in seinen Kürbiskuchen.

"Er hat Lily gegenüber erwähnt, dass wir das mit den Stinkbomben im Kerker waren. Was für ein Trottel", kommentierte Sirius und machte sich über einige Muffins her. "Gibst du mir mal bitte das Butterbier, Moony?"

"Seitdem spricht sie nicht mehr mit ihm", fügte Remus hinzu und reichte eine Flasche herüber. "Woher sollte er auch wissen, dass sie danach eine Doppelstunde Arithmantik da unten hatte, um die Wichtigkeit der Zahlen beim Zaubertrank brauen zu erforschen?"

"Professor Slughorns Gesicht sah trotzdem klasse aus", meinte Sirius und tat einen kräftigen Schluck. "Er konnte uns nichts nachweisen."

"Punkte abgezogen hat er uns trotzdem", wandte Peter ein.

"Ja, aber dafür, dass wir zu laut waren, und nicht dafür, dass wir erwischt wurden. Das ist ein großer Unterschied", behauptete Sirius. Dann zückte er seinen Zauberstab und verwandelte einen Stein in eine Vase mit Blumen.

"Sind die für ihn, oder hast du dir wieder ein neues Opfer ausgesucht?", fragte Remus grinsend.

"Eigentlich wollte ich ihm diesen Trick beibringen, der kommt bei den Mädels ganz gut an. Aber wenn du mich so fragst..." Sirius verfiel in gespieltes Nachdenken und fütterte den Kraken aus dem See mit Keksen. "Es gibt schon eine Menge Mädchen, die auf mich stehen. Da könnte ich mir doch eine von aussuchen."

"So?", fragte Remus. Peter sah ihn ungläubig an. "Alter Angeber."

"Hey, ich übertreibe nicht! Wisst ihr, wer auf mich steht?"

"Alle Schülerinnen und die halbe Lehrerschaft", antwortete Remus ironisch. "Nein, wen meinst du?"

Sirius sah sich um und sagte dann: "Ihr kennt doch die kleine Aeris, nicht wahr?"

"Die Erstklässlerin?", überlegte Remus stirnrunzelnd. "Die, die wegen irgendwelcher besonderen Begabungen zwei Jahre zu früh eingeschult wurde?"

Sirius nickte grinsend.

"Was, die?!"

"Echt jetzt?"

"Uh-hum."

"Jetzt verarschst du uns doch."

"Würdet ihr bitte über etwas anderes reden?", meldete sich James zu Wort. "Ich bin gerade damit beschäftigt, zu sterben, und ihr macht's mir nicht gerade einfacher, wenn ihr über Mädchen redet."

"Gut dann. Schau mal, Moony, der Krake taucht unter", wechselte Sirius demonstrativ gelangweilt das Thema.

"Uuuui, toll...", antwortete Remus sarkastisch und verdrehte die Augen.

Sie schwiegen eine Weile, bis sie es nicht mehr aushielten. "Und, Tatze, was hältst du von ihr?", fragte Peter aufgeregt.

"Ich bitte dich, Wurmschwanz", entrüstete sich Sirius. "Die Kleine ist doch höchstens erst neun, das wäre Verführung Minderjähriger! Sowas mache ich nicht."

"Ich möchte aber trotzdem wissen, was du von ihr hältst.", bestand Peter.

"Ja, sie ist schon ganz süß und so, aber zu jung. Viel zu jung. Wenn sie nur etwas älter wäre..."

Sie erschraken allesamt, als der Krake plötzlich mit großem Geplatsche etwas ans Ufer setzte und sie alle nass spritzte. Sogar James vergaß seine Sorgen für einen Moment und stand auf. "Was soll das jetzt?" Wütend starrte er das Wassertier an. "Ist er jetzt völlig durchgedreht?"

"Nein, sieh mal, er hat jemanden aus dem Wasser gefischt!", rief Remus, nachdem er sich die Feuchtigkeit aus den Augen gewischt hatte. "Sieht aus wie ein Mädchen."

Und tatsächlich, das, was keuchend und Wasser hustend auf dem Strand hockte, war wirklich eine junge Frau. Sie trug ein rosa Kleid und ihre tropfnassen Haare kamen mit den Spitzen auf den Boden, obwohl sie sich mit den Armen aufstützte. Die Brünette hatte die vier Jungs noch nicht bemerkt, so sehr war sie damit beschäftigt, nach Luft zu schnappen.

"Das ist aber nicht die Schuluniform", bemerkte Peter. "Wer ist sie?"

"Gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden", meinte James und wrang einen seiner Ärmel aus. "Wir fragen sie einfach."

"Keine Sorge, Moony macht das schon", sagte Sirius. "Er war schneller als wir."

Remus war gleich, nachdem er erkannt hatte, was dort am Strand los war, hingelaufen und hatte sich nicht erst mit Spekulationen aufgehalten. Jetzt kniete er neben der Unbekannten und fragte: "Bist du in Ordnung?"

Sie nickte und setzte sich auf. "Ja, danke... ich glaube schon..." Dann wurde sie sich ihrer Situation bewusst und sah sich verwirrt um. "Was zum...?"

Jetzt kamen auch James, Sirius und Peter angetrabt. "Na, das nenne ich mal einen Auftritt." kommentierte Sirius. "Wo kommst du denn her?"

"Ich...äh..." Sie versuchte, die neue Umgebung zu verarbeiten "Nun... das wüsste sich auch gerne... äh...Wo bin ich hier?"

Die vier sahen sich erstaunt an. "Das weißt du nicht?", fragte James und kratzte sich im wilden Gewuschel seiner Haare.

"Sehr hilfreicher Kommentar", meinte Sirius. "Du bist hier auf dem Gelände von Hogwa–"

"Psst", ermahnte James ihn. "Was ist, wenn sie ein Muggel ist? Dann dürfen wir ihr nichts erzählen!"

"Das ist doch leicht herauszufinden", behauptete Remus. "Ihr habt eindeutig die Geschichte unserer Schule nicht gelesen. Bitte, beantworte mir eine Frage", sagte er zu dem Mädchen. "Was für ein Gebäude steht dort hinten?"

"Was ist denn das für eine seltsame Frage?", wunderte sich Sirius, erntete aber dafür nur einen Ellenbogenstoß in die Rippen.

Das Mädchen war zwar genauso verwundert wie Sirius, aber diese Verwunderung bezog sich nicht nur auf diese Frage, sondern auf ihre ganze Situation. "Ein Gebäude?" Sie lehnte sich vor, um an Peter vorbeizusehen, der im Weg stand. "Meint ihr dieses schöne Schloss dort drüben?"

"Ist es eine Ruine oder nicht?", bohrte Remus nach.

"Hm?", das Mädchen blinzelte erstaunt wegen dieser Frage. "Eindeutig ein Schloss, keine Ruine. Aber wieso...?"

"Seht ihr? Sie ist kein Muggel", stellte Remus fest.

"Hä?", machte Peter.

Sirius runzelte die Stirn und dachte nach, dann schlug er sich mit der Hand auf die Stirn. "Ach ja, für Muggel sieht Hogwarts ja wie irgendeine Ruine aus! Das hatte ich vergessen!"

Die junge Frau sah sie fragend an. "Ich bin also kein Muggel. Ist das gut? Was ist ein Muggel?"

"Äh..." Aus dem Augenwinkel sah James Remus und Sirius an. "Wenn sie kein Muggel ist, warum weiß sie das dann nicht?"

"Tja..." Diesmal hatte Remus keine Erklärung parat.

Als sich eine unangenehme Stille ankündigte, sprang James in die Bresche. "Hey, wer bist du überhaupt?", fragte er geradeheraus.

"Nun, ich...", stammelte sie zögerlich. " Ich bin... Aeris–"

"Aeris' große Schwerster! Das wusste ich sofort!", fiel ihr Sirius ins Wort. "Meine Gebete wurden erhört!"

"Öh...." Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber sie nieste nur laut.

"Holla", sagte Sirius und schüttelte sich wie ein Hund. "Gesundheit."

"Ich glaube, wir sollten sie in den Krankenflügel bringen, bevor sie sich erkältet", meinte Remus. " Außerdem möchte ich mir auch gerne trockene Klamotten anziehen, bevor ich krank werde."

"Feigling", neckte ihn Sirius. "Frostbeule. Ich für meinen Teil werde mich nicht erkä-hä-HATSCHI!!!"

"Gesundheit", meinte Remus trocken, und alle lachten, sogar das Mädchen. Dann stand sie auf. "Ja, wir sollten besser..." Sie sah kurz Sternchen und schwankte, wobei sie gegen Sirius stieß.

"Vorsicht, meine Hübsche", sagte er und lächelte sie an. "Wir wollen doch nicht, dass du dir weh tust."

"Danke", sagte sie und lächelte zurück. "Aber ich schaffe das schon. Bin nur zu schnell aufgestanden."

Als sie sich dann auf den Weg ins Schloss machten, stieß Sirius James seinen Ellenbogen in die Seite. "Du, Krone, ich glaube, sie steht auf mich", sagte er grinsend.

"Träum' weiter", kommentierte James missmutig. "Schließ nicht von dir auf andere."

"Hey, kannst du mich nicht in dem süßen Glauben lassen, dass sie mich mag?"

"Die Zuneigung einer Frau ist nicht leicht zu erringen", grummelte er. "Lily zum Beispiel..."

Sirius stöhnte. "Fängst du schon wieder damit an!"

Weiter vorne unterhielt Remus sich mit dem Mädchen. "Bitte entschuldige Sirius' Verhalten. Er hat dich unterbrochen. Du heißt also Aeris?"

Sie lächelte und winkte ab. "Ist schon okay. Ja, ich heiße Aeris. Und ihr?"

"Ich bin Remus", stellte er sich vor. "Das da neben dir ist Peter."

Sie nickte Peter freundlich zu und dieser errötete leicht. "Hallo, Peter."

"Die beiden da hinten", fuhr Remus fort und deutete auf seine Freunde, die damit beschäftigt waren, sich gegenseitig mit dem Ellbogen zu pieksen, "das sind Sirius und James."

"Sehr erfreut", meinte James und wich einer Ellbogenattacke von Sirius aus.

"Meine Güte, was für ein Zufall", sprudelte Sirius los. "Ich hätte schwören können, dass du die Schwester von der Kleinen aus der ersten Klasse bist. Du siehst Aeris Gainsborough schließlich wie aus dem Gesicht geschnitten aus – Hoppla!"

Bei der Erwähnung dieses Namens war sie gestolpert und beinahe hingefallen. Sie hatte den Sturz nur verhindern können, indem sie sich an Remus festgehalten hatte. "Oh, Vorsicht", meinte dieser.

"Entschuldigung", sagte sie und richtete sich wieder auf. "Ich habe für einen Moment nicht aufgepasst."

"Ach, schon gut", antwortete er und ging durch das schwere Eichenportal des Schlosses. "Hier, du betrittst jetzt Hogwarts, unsere Schule. Bleib dicht bei uns, sonst verläufst du dich noch."

"Das brauchst du mir nicht zu sagen...", meinte Aeris und sah sich staunend um. Sie hatte ja das Shinra-Hauptgebäude schon für groß gehalten, aber dies hier war überwältigend. Von der Eingangshalle führten mehrere Türen fort, davon stand eine offen und lies den Blick auf lange Tischreihen in einer riesigen Halle frei.

"Das dort ist die Große Halle", erklärte Remus, ohne dass sie gefragt hatte. "Da wollen wir aber nicht hin. Hier entlang."

Er ging durch eine der Türen, durch einen langen Gang, eine Treppe hoch, durch noch einen Gang, eine weitere Treppe... Schon bald hatte Aeris die Orientierung verloren, sie wusste nicht, ob sie nach Osten oder Westen gingen, sie hatte nur das Gefühl, dass dieses Gebäude von innen größer war als von außen. Irgendwann kamen sie dann in einen Raum, der mit mehreren Betten ausgestattet war.

"Da wären wir, der Krankenflügel", sagte James. " Aber wo sind Madam Rosa und Madam Pomfrey?"

"Was? Ist da jemand?", kam eine weibliche Stimme hinter einem Sichtschutz hervor. "Warte mal kurz", sagte sie leise zu jemandem hinter dem Sichtschirm, dann zeigte sie sich den Neuankömmlingen. Es war eine junge Krankenschwester, die die fünf interessiert musterte. "Was kann ich für euch tun?"

"Madam Pomfrey, wir möchten, dass sie sie untersuchen", sagte Remus geradeheraus. "Sie wäre beinahe ertrunken."

"Der Krake hat sie aus dem See gefischt", fügte Sirius hinzu. "Und uns dabei total nass gemacht."

"Du meine Güte", rief Madam Pomfrey und begann, um Aeris herumzuwuseln. "Du bist ja ganz nass! Einen Moment bitte", bat sie und zückte ihren Zauberstab. Aeris beäugte den kleinen Stock verwundert und war entsprechend erstaunt, dass sie nach einem "aquam degero" wieder vollkommen trocken war.

"Hinsetzen", befahl Madam Pomfrey und deutete auf das nebenstehende Bett. Aeris gehorchte. Sirius pflanzte sich uneingeladen auf das Bett gegenüber.

"So, jetzt schieß' mal los", verlangte er. "Wie bist du in den See gekommen?"

"Ich glaube nicht, dass du mir das glauben würdest", murmelte Aeris und lies Madam Pomfrey ihrem Puls messen.

"Lassen wir's auf einen Versuch ankommen", sagte James. "Wir sind Ungewöhnliches gewöhnt, wir sind schließlich mit Sirius befreundet."

"Was soll das heißen?" Sirius starrte James mit gespielter Wut an.

"Das soll heißen, dass dir immer die unmöglichsten Ideen kommen."

"Ach so..." Sirius grinste. "Das fasse ich jetzt als Kompliment auf. Also, Aeris, erzähle uns deine Geschichte."

Da sie von allen Seiten neugierig beäugt wurde, kam sie nicht umhin, es zu erzählen, sogar die Krankenschwester hörte zu. "Na ja, nun..." Sie holte tief Luft und ihre Gedanken rasten, auf der Suche nach einem Ausdruck, der ihre verrückte Geschichte glaubhafter klingen lies. "Meine Freunde und ich haben gegen einen Mann gekämpft, der den Planeten zerstören wollte.". So weit, so gut. Jetzt kam der heikle Teil. "Ich habe dafür gebetet, dass die Alten den Planet retten würden. Doch dabei wurde ich..." Ihr fiel nichts ein. Nachdenklich befingerte sie das Loch, das auf Bauchhöhe in ihrem Kleid war, sie wusste, dass sich auf ihrem Rücken noch so eines befand. Aber wie sollte sie ihnen das erklären?

"Du wurdest?", bohrte Sirius nach, wurde aber von Remus geellbogt. "Sie muss nachdenken", flüsterte er ihm zu. "Lass sie doch."

Aeris seufzte, sie musste ihnen wohl die direkte Version erzählen. "Ich wurde getötet. Und als Bedingung dafür, dass sie den Planeten vor dem Meteor retten, haben mich die Alten hierher zurückgeschickt."

"Du meine Güte!", wiederholte Madam Pomfrey und produzierte aus einer ihrer Taschen ein Fieberthermometer. Sie steckte es Aeris in den Mund, wie um sie zum Schweigen zu bringen.

Es bildete sich eine unangenehme Stille. Schließlich sagte Sirius: "Du hattest recht."

"Hm? Wie meinst du das?", nuschelte Aeris durch das Thermometer hindurch.

"Du hast recht. Ich glaube dir wirklich nicht." Er strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und grinste. " Aber nett war deine Geschichte schon. Hast eine gute Fantasie. Und wie bist du wirklich in den See gekommen?"

"Ich habe keine andere Erklärung", bestand Aeris, als Pomfrey ihr das Thermometer aus dem Mund genommen hatte. "Aber, wenn du etwas haben willst, das glaubhaft klingt, dann glaub einfach, dass ich es nicht weiß."

"Nicht gerade besser, diese Erklärung.", kommentierte James.

Aeris rieb sich die Schläfen, es bahnten sich Kopfschmerzen an. Sie wusste nicht, woher diese kamen, war sie müde, oder lag das an etwas anderem?

"Stopp, stopp, stopp", unterbrach Madam Pomfrey. "Sie hat leichtes Fieber, und ich will sie heute Nacht hier behalten. Sie braucht Ruhe, also ab mit euch."

"Wie jetzt, wir wollten doch nur–"

"Keine Widerrede."

"Och menno", beschwerte sich Sirius. "Dann reden wir eben morgen weiter. Ciao!" Damit schloss Madam Pomfrey die Türen hinter den Vieren.

"So", sagte sie. "Ich würde ja Madam Rosa holen, um dich unter die Lupe zu nehmen, sie hat noch mehr Erfahrung als ich, aber sie ist gerade in St. Mungos. Seit der neuesten Anschlagsserie der Todesser wird jeder ausgebildete Heiler benötigt, der zur Verfügung steht."

"A-anschlagsserie?", wiederholte Aeris erschrocken. "Wie bitte?"

"Mach dir keine Sorgen, Hogwarts ist sicher", behauptete Madam Pomfrey. Sie wuselte ins Nebenzimmer und kam bald mit einer dampfenden Tasse zurück. "Trink das, dann leg dich hin. Ganz austrinken. Morgen sehen wir weiter." Dann widmete sie sich wieder der unsichtbaren Person hinter dem Sichtschirm.

Aeris sah die Tasse an und überlegte. Der Inhalt roch seltsam, das sollte sie trinken? ‚Na ja, wird schon nicht giftig sein', dachte sie und nippte daran. Sofort breitete sich ein Gefühl der Wärme in ihr aus. ‚Gar nicht so schlecht.' Sie leerte den Becher und bereute es fast sofort. Ihr wurde heiß und als sie dachte, sie würde kochen, kam mit einem Pfeifen Dampf aus ihren Ohren geschossen. Übrig blieb nur eine angenehme Restwärme.

"Oje, wenn das so ist, muss ich wohl zu Professor Slughorn", hörte sie Madam Pomfrey weiter hinten sagen. "Schön hierbleiben, während ich in den Kerker gehe und einen Zaubertrank in Auftrag gebe."

"Als ob ich mich so hier wegbewegen würde", antwortete eine missmutige Stimme hinter dem Sichtschirm. "Die Freude werde ich denen nicht machen."

"Da bin ich ja beruhigt." Mit einem Stückchen Pergament in der Hand flitzte Madam Pomfrey zur Tür hinaus.

Aeris fummelte an ihrem Kleid herum. Sie hatte so vieles, worüber sie nachdenken musste. Aber komischerweise verspürte sie den Drang, mit irgend jemandem zu reden. Ob die andere Person im Raum – vermutlich ein Junge, der Stimme nach zu urteilen – sich wohl mit ihr unterhalten wollte?

‚Warum zögere ich überhaupt? Das passt doch nicht zu mir', ermahnte sie sich selbst und stand auf.

Noch bevor sie allerdings mehr als zwei Schritte in seine Richtung gemacht hatte, sagte er bereits: "Bleib, wo du bist. Komm nicht her."

Irritiert blieb sie stehen. "Warum? Was ist mit dir?"

Die andere Person antwortete erst nach einer Pause. "Ich will nicht, dass... Sagen wir, ich bin kein schöner Anblick."

"Oh..." Enttäuscht lies Aeris die Schultern hängen. "...Kann ich mich wenigstens auf die andere Seite des Schirms setzen?", fragte sie, einen neuen Versuch startend.

"Tu, was du willst", war die gleichgültige Antwort.

Sie setzte sich auf das entsprechende Bett und begann: "Ich bin Aeris. Wer bist du?" Als ihr Gegenüber nicht antwortete, setzte sie nach: "He, ich hab dich was gefragt!"

"Und ich habe nicht die Pflicht, dir zu antworten", meinte der Junge. "Aber wenn du es so unbedingt wissen willst, ich heiße Severus."

"Aha..." Sie wusste nicht, wie sie auf solch eine schlechte Laune antworten sollte, also schwieg sie.

"Ich habe vorhin deine Geschichte mit angehört", sagte Severus nach einer Weile unvermittelt.

"So?", antwortete Aeris unschlüssig, nicht sicher, was er damit sagen wollte.

"Sie ist... interessant...aber schlecht. So eine miese Ausrede habe ich noch nie gehört. Am Anfang dachte ich, du würdest von Du-weißt-schon-wem sprechen, aber als du dann sagtest, du seist getötet worden..." Sie hörte ihn kurz lachen. "Du widersprichst dir selber. Wenn du tot bist, kannst du nicht hier sitzen und mit uns sprechen. Oder bist du ein Geist?"

"Äh, nein", gestand Aeris ein. "Zugegeben, ich fühle mich recht lebendig."

"Na bitte."

"Ähm..." Wieder wusste Aeris nicht so recht, was sie sagen sollte. Sie hörte, wie sich Severus bewegte und sah eine knallpinke Feder unter dem Sichtschirm hindurchrutschen. Was auch immer Severus' Problem war, wenn es mit dieser Feder zu tun hatte, konnte sie sich gut vorstellen, dass es ihm peinlich war...

In diesem Moment kam Madam Pomfrey wieder hereingewackelt, bewaffnet mit einem kleinen Fläschchen und einer Tasse. Hinter ihr betrat ein älterer Mann den Raum. Sein silberweißer Bart und seine Haare reichten beinahe bis zum Saum seines violetten Umhangs. "Guten Tag", grüßte er Aeris und setzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber. "Wenn ich mich vorstellen darf, ich bin Albus Dumbledore. Madam Pomfrey hat mir berichtet, dass du ganz überraschend im See erschienen bist, und da dachte ich, ich schau mal vorbei. Wer bist du?" "Aeris Gainsborough", antwortete sie und bemerkte, dass der Mann sie über seine Halbmondbrille hinweg betrachtete. "Und, ich, äh..."

"Keine Angst, sprich dich ruhig aus", meinte Dumbledore und nickte ihr zu. "Madam Pomfrey hat mir erzählt, dass du ihr eine unglaubliche Geschichte aufgetischt haben sollst, aber ich möchte sie von dir selbst hören."

Seltsamerweise fiel es ihr diesmal nicht so schwer, die richtigen Worte zu finden, während sie ihre Geschichte erzählte. Nur konnte sie ihren Blick nicht von Dumbledore wenden, er schien sie beinahe hypnotisiert zu haben. Als sie mit ihrer Schilderung fertig war, nickte er nur. "So, und was machen wir jetzt mit dir? Auf welche Schule bist du denn gegangen?"

"Äh, auf keine. Ich bin in den Slums aufgewachsen, meine Mutter hat mir alles beigebracht, was ich weiß."

"Dann kannst du gar nicht zaubern?", kam die Frage von Severus auf der anderen Seite des Sichtschirms. Dann hörte man ihn laut niesen und eine Wolke aus rosanen und hellblauen Federn schwebte durch den Raum. Anscheinend hatte er zugehört.

"Natürlich kann ich. Das heißt, ich könnte, wenn ich meine Materia hätte. Aber die habe ich bei Cloud gelassen..."

"Materia?", echote Severus, aber Dumbledore sagte: "Hmm... Hier braucht man aber keine 'Materia', wie du sie nennst, um zu zaubern. Hast du keinen Zauberstab?" Als Aeris den Kopf schüttelte, lehnte er sich zurück und strich sich über den Bart. "Hmmm...", wiederholte er. "Aber ich spüre, dass du Talent hast, das man nicht verkommen lassen sollte. Weißt du denn, wo du bist?"

"Remus sagte, das hier sei eine Schule namens Hogwarts, aber mehr weiß ich auch nicht."

"Ja, ganz genau", bestätigte Dumbledore und lächelte ihr zu. Sie fühlte sich gleich viel geborgener, als wäre er ihr Großvater, den sie nie kennen gelernt hatte. "Das hier ist Hogwarts, Schule der Hexerei und Zauberei, und ich bin der Schulleiter. Wir nehmen dich gerne als neue Schülerin auf, wenn du möchtest."

Überrascht über dieses Angebot stutzte Aeris. Eine Schule der Magie? Dort, wo sie herkam, bedeutete Magie, sich mit Hilfe der Materia das Wissen der Cetra zu Nutze zu machen. Jetzt bot dieser Mann ihr an, die Magie zu erlernen, ohne Materia? Wer war er, einer von den Alten? Hatte er vielleicht eine Ahnung, was die Aufgabe war, die ihr von den Alten gegeben wurde? Die Frage lag ihr auf den Lippen, aber irgendwie traute sie sich nicht, sie auszusprechen. Nicht, wenn noch andere Leute im Raum waren.

"Denk darüber nach, ich komme morgen wieder", sagte Dumbledore und erhob sich, aber Aeris sagte: "Nein, ich habe mich schon entschieden. Ich... ich möchte Magie erlernen. Nur..."

"Nur?" Dumbledore warf ihr einen gutväterlichen Blick zu.

"Ich habe kein Geld...", sagte sie und zuckte hilflos die Schultern. Dumbledores Augen flackerten amüsiert.

"Das macht nichts", meinte er. "Wenn es dir nichts ausmacht, lege ich dir etwas aus und du zahlst es mir zurück, sobald du dann einen Job hast. Ich würde sagen, du besuchst morgen mit unserem Wildhüter Hogsmeade oder die Winkelgasse, das Schuljahr hat nämlich schon angefangen. Währenddessen überlege ich, wie wir weiter vorgehen. Wie alt bist du denn?"

"Zweiundzwanzig", meinte Aeris. "Was ist denn das Normale für ihre Schule? Remus und die anderen schienen viel jünger zu sein."

"Gewöhnlicherweise verlassen die Schüler unsere Schule mit 18. Und wenn du die Herumtreiber meinst, an die ich denke, dann sind sie im vierten Jahr von sieben."

"Bin ich dann nicht schon zu alt?"

Dumbledore lachte gütig. "Man ist nie zu alt, um etwas zu lernen." Kurz bevor er den Raum verließ, fügte er noch hinzu: "Oh, und solltest du etwas auf dem Herzen haben, kannst du gerne zu mir kommen."

"Jetzt ist aber gut", meldete sich Madam Pomfrey wieder. "Zeit zu schlafen. Moment, ich suche dir kurz ein Nachthemd. Oh, Snape, sie können gehen. Kommen sie wieder, falls die Federn wieder nachwachsen sollten."

Hinter dem Sichtschirm stand Severus auf und Aeris sah ihn endlich als er hervortrat. Er guckte sehr grießgrämig und wirkte durch seine fettigen Haare etwas ungepflegt, aber ansonsten war er normal, fand Aeris. "Du siehst gar nicht so schlimm aus", sagte sie. Er zuckte mit den Schultern und meinte nur: "Du hast mich vorhin nicht gesehen."

"Oh, aber pass auf", wies sie ihn an. "Du hast da was hinterm Ohr hängen."

Beiläufig zupfte Severus sich die rosane Feder, die Aeris gemeint hatte, aus. "Danke für den Hinweis", murmelte er und musterte sie. "Ich denke nicht, dass du nach Slytherin kommst", urteilte er. "Du siehst nicht danach aus." Mit diesen Worten ging er aus dem Zimmer.

Verwirrt sah Aeris ihm nach, bis Madam Pomfrey ihr ein weißes Hemd reichte und meinte "Zieh dich um und schlaf. Wie ich Hagrid kenne, will er bestimmt lieber mit dir in die Winkelgasse als nach Hogsmeade. Das ist aber ein Stückchen, also müsst ihr früh los."

Kaum hatte Aeris sich umgezogen und hingelegt, ging auch das Licht aus. Da es so früh war, konnte sie nicht sofort einschlafen. Lange noch brütete sie darüber, warum sie sich so unwohl fühlte. War es, weil sie Cloud und die anderen so plötzlich verlassen hatte? Nein, damit hatte sie gerechnet. Weil sie plötzlich in einer ganz anderen Welt aufgetaucht war, die ganz anders zu sein schien als ihre eigene? Gut, zugegeben, damit hatte sie nicht gerechnet, aber so schlimm war das nun auch nicht. Und kurz bevor sie einschlief, fiel ihr auf, warum sie sich unwohl fühlte:

Sie konnte den Planeten nicht hören...



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