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One-Shot-Sammlung 19

One-Shots über Loveless
von

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Pairing 1-Die erste Blume des Winters, ist immer das Schneeglöckchen

Die erste Blume des Winters , ist immer das Schneeglöckchen
 

Die erste Blume des Winters, ist immer das Schneeglöckchen!, hatte ich einmal in einem Buch über Pflanzenkunde gelesen, als ich als kleines Kind einen Steckbrief über meine Person mit einem Partner erarbeiten sollte, indem unsere ganzen Lieblingssachen standen. Ich wusste es nicht, darum hatte ich Bücher gewälzt, um es herauszufinden, dabei war ich dann auf das Schneeglöckchen gestoßen.

An sich eine kleine, fast unscheinbare Pflanze, aber sie bürgte eine große Überraschung in sich, denn sie war die erste Pflanze des Winters. Sie strotzte der Kälte. Dort wo keine Wurzeln durch den gefrorenen Boden drangen, konnte sie sich ansiedeln, ihre Äste in die Erde schlagen und wachsen. Sie bezwang den Schnee, schob ihn beiseite und streckte sich der Sonne entgegen, gierig ihre Strahlen aufnehmend.

Wenn ich sie mit einer Person aus meiner näheren Umgebung vergleichen sollte, würde ich sagen, dass Soubi am besten zu ihr passte. Er hatte eine Art an sich, die mich jedes Mal aufs Neue zu tiefst beeindruckte. Seine ganze Art, sein Wesen, verzauberte mich, sobald ich in seiner Nähe war und es gelang mir nicht, mich so schnell wieder aus seinem fesselnden Bann zu befreien. Es war wie verhext!

Selbst meine Schulkameraden reagierten vollkommen normal auf ihn, wenn er mal wieder auf die schwachsinnige Idee kam mich in der Schule besuchen zu kommen. Nur ich lief dann noch ohne Kopf sprichwörtlich herum. Ich konnte in seiner Gegenwart nicht denken, nicht ruhen, ich konnte gar nichts, ohne an ihn denken zu müssen. Es war für mich einfach nur beängstigend, da ich ja ansonsten nicht wirklich viel Nähe gewohnt war, wenn ich einmal von den wenigen Freunden und meiner Mutter sowie Psychotherapeutin, bei der ich nur noch einmal die Woche kommen musste, da ich mich stark in meinen Beziehungen verbessert hatte, einmal absah.

Aber es machte auch Spaß zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen, sich einfach mal fallen lassen zu können, wenn man eine Pause brauchte. Allein das Wissen, das Jemand hinter mir stand, beruhigte mich ungemein und vernichtete alle trüben Gedanken, die mich in dem Moment depressiv machten, es war wundervoll.

So viel Wärme hatte ich das letzte Mal verspürt, als mein Bruder noch am Leben war, als er noch nicht in der Klasse meiner alten Grundschule auf meinem eigenen Platz bei einem Feuer ums Leben kam, obwohl ich mich noch heute fragte, was er dort verloren hatte, da keine Familienveranstaltungen zu dem Zeitpunkt anstanden oder irgendwelche schulischen Aktivitäten. Mir wurde immer noch das Herz schwer, wenn ich daran dachte, wie schlimm dieser Tod war.

Es lief mir kalt den Rücken runter, wenn ich mir die Flammen auf der Haut vorstellte, die sich heiß und unerträglich an sie schmiegten, um sie zu verbrennen, sie in ein verkohltes Etwas zu verwandeln, wo sie doch vorher samtig weich gewesen war. Grausam so etwas, egal wem dies widerfuhr, dass wünschte ich keinem Menschen, selbst meinen Feinden nicht.

Ich schreckte aus meinen trüben Gedanken auf, als das Handy, welches mir Soubi vor einem Jahr geschenkt hatte und welches ich seitdem bequem um einen Hals trug, da es an einem Band befestigt war, es so überall mit hinschleppen konnte, anfing rhythmisch zu vibrieren. Ein kleines Lächeln schlich sich unwillkürlich auf meine Lippen, ohne das ich mich dagegen wehren konnte. Also war er bereits mit seiner Uniaufgabe für heute fertig und wollte, dass wir uns trafen. Das Angebot würde ich jedenfalls nicht ablehnen, viel zu selten waren unsere letzten Begegnungen gewesen, ich hatte schon richtig Sehnsucht nach ihm bekommen, okay das passierte zugegeben etwas häufiger bei mir, aber so extrem, dass ich mich auf gar nichts mehr konzentrieren konnte, hatte ich schon lange nicht mehr gehabt.

Es schien so, als würde jede einzelne Faser meines Körpers nach ihm schreien und dabei war ich nur das Sacrifice, dass Opfer, welches den Schaden innerhalb der Kämpfe, die auch jetzt noch manchmal stattfanden, den Schaden trug.

Eigentlich sollte es genau anders herum sein.

Soubi sollte nach mir rufen, nicht ich nach ihm. Aber ich vermochte mich nicht gegen meine Wünsche zu stellen, sonst wäre ich dasselbe Kleinkind wie damals gewesen, was sich so hartnäckig gegen seine Anwesenheit gewehrt hatte, obwohl ich sie doch mehr als alles andere brauchte, wie ich selbst später seufzend mir eingestehen musste.

Ich klappte das Handy auf, ignorierte dabei den nervtötenden Klingelton, der eine neue Nachricht ankündigte, stellte es schnell auf lautlos, damit meine Lehrerin vorne an der Tafel nichts davon bemerkte. Eigentlich interessierte mich nur der Inhalt der Nachricht, aber der Verbindungsaufbau dauerte immer verflucht lange. Gierig saugte ich jeden einzelnen technisch hergestellten Buchstaben ein, der mir unter die Finger kam.
 

„Mach eher in der Schule Schluss , ich hole dich in zwei Minuten ab.“
 

Lautete die Nachricht, die mich allerdings die Stirn irritiert runzeln ließ. Seit wann bestand Soubi darauf, dass ich eher Schluss machte? Sonst regte er sich immer auf, wenn ich am liebsten sofort zu ihm stürmen wollte, um ihn den restlichen Tag zu beanspruchen. Merkwürdig, aber okay, für die erste Zeit würde ich mir keine Sorgen machen, es sei denn, er würde sich in irgendeiner Weise anders verhalten als sonst und es würde mir auffallen, wenn er sich anders benahm, so viel stand fest.

In den seltensten Fällen konnte er mir etwas vormachen. Er war meine Waffe und ich würde immer spüren, wenn mit ihr etwas nicht in Ordnung war, sowohl seelisch als auch psychisch, schließlich hing in manch verkorksten Situationen unser Leben davon ab, obwohl ich zum Glück sagen konnte, dass ich mich mit den meisten anderen Paaren mittlerweile so gut verstand, dass wir uns keine bösen Blicke mehr zu warfen und auch ansonsten vernünftig miteinander umgehen konnten, ohne uns gleich an die Kehle zu gehen, was wohl auf beiden Seiten ein wenig Ruhe füreinander verschaffte, selbst Kiyo, Soubis Studienkollege und bester Freund, betrachtete mich nicht mehr als zu feindselig.

Er war deutlich lockerer geworden, aber es verwunderte mich, dass er sich in letzter Zeit eher von meinem Freund distanzierte, aber ich konnte mir schon denken, wer genau daran Schuld war. Ich war mir fast zu hundert Prozent sicher, dass das an zwei Jungen lag, die Soubi einmal für eine Weile bei sich aufgenommen hatte. Die verdrehten ihm anscheinend gehörig den Kopf, wenn ich zu meinem Leidwesen manchmal mit ansehen musste, wie sie versuchten ihn mit ein wenig Sake abzufüllen, aber ich wich vom Thema ab.

In dieser Gesichte ging es nicht um irgendwelche Freunde oder Verwandte, sondern spezial um meine Waffe und mich. Und unsere Namen lauteten:

Ritsuka Aoyagi

Soubi Akasuna
 

Ohne weiter darüber nachzudenken, log ich meine Lehrerin so geschickt an, dass es mir schon selbst unheimlich wurde. So gutgläubig wie sie nun einmal war, sehr zu meinem Leidwesen, da sie sich einfach nicht durchsetzen konnte, selbst wenn sie es aufrichtig versuchte, tat meine Klasse, was sie wollte. Sie tanzten ihr bei jeder Gelegenheit auf der Nase herum, sehr zu meinem Missfallen, da sie mich mit vom Lernen abhielten und ich brauchte einen guten Abschluss, wenn ich selbst einmal studieren wollte, sonst würde ich nie ein Stipendium bekommen, bei schlechten Noten, dass Geld für eine Uni hatten wir nicht, schon vor der Zeit, als mein Vater abgehauen war und ich mich und meine Mutter, nach Selmeis Tod, mit allem allein gelassen hatte.

Schnell flitzte ich mit meinen gepackten Sachen aus der kleinen Klasse, für heute würde ich es bleiben lassen mich zu konzentrieren und mir von Yumiko, mit der ich mittlerweile richtig dicke war, die Sachen mit den Notizen dazu bringen lassen, als ihr Lernpartner konnte ich mir das ruhig erlauben, ich tat es oft genug für sie, wenn sie mal wieder krank war, was sich gerade im Winter anscheinend, sehr zu meinem Missfallen, zu häufen schien.

Draußen war es kühl, richtig kalt, als ich aus dem Schulgebäude trat und deshalb schlang ich meinen schönen Wollschall um mich, damit die Kälte wenigstens ein bisschen abgehalten wurde. Mein Atem zeichnete sich in Form von kleinen Wölkchen vor meinem Mund ab. Die Hände in den Hosentaschen vergraben, schlenderte ich über den menschenleeren Schulhof, was natürlich nicht überraschend war, wenn man bedachte, dass normaler Weise jetzt Unterricht wäre.

Diese Stille gefiel mir. Keine nervigen Schulkameraden um einen herum, denen du irgendetwas erklären oder zeigen solltest, keine aufdringlichen Mädchen, die sich verzweifelt an deinem Arm festklammern wollten, damit du sie wenigstens ein bisschen beachtest, nur damit du sie in ihr Klassenzimmer oder zum Mittagessen begleitest.

Stattdessen das angenehme Vogelgezwitscher in der Nachbarschaft, der Wind, der durch meine Haare wehte und die Laut des Waldes, der sich um das Geländer erstreckte, bis er schließlich in einen riesigen Wald mündete, aus dem man ohne Hilfe nicht mehr herauskommen würde, hätte man sich dort erst mal verlaufen.

In der Vergangenheit war dies schon öfters vorgekommen, aber nach spätestens drei Tagen hatte man die Schüler wieder gefunden, die sich einen gehörigen Schrecken bei ihrer Erkundungstour eingefangen hatten, gepaart mit einer heftigen Lungenentzündung, die noch Wochen danach am heilen war, nachdem sie sich chronisch in den beiden Lungenflügel festgesetzt hatte.

Einen kurzen Augenblick hing mein Blick noch an der Grenze zum Wald, ehe ich mich dem Schultor zuwandte, in der Hoffnung schon eine mir geliebte Person dort vorzufinden, nach der ich mich jeden Tag sehnte. Und meine Hoffnung bewahrheitete sich. Ein mir nur zu bekannter hellbrauner Haarschopf, gepaart mit einem dunklen Mantel, der seine Figur sehr grazil betonte, lehnte am metallenem Schultor und schien die Gegend mit seinem Blick zu röntgen. Eine dampfende dünne Fahne Rauch zog sich von einer Zigarette in seiner Hand in den Himmel, ehe sie wenige Meter über seiner Gestalt spurlos verschwand, als hätte es sie nie gegeben.

Er rauchte einfach zu viel, dass musste ich ihm irgendwann noch einmal austreiben.

Auf Zehenspitzen schlich ich mich an ihn heran, während er mit seinem Rücken zu mir stand. Er schien mich nicht zu bemerken, aber besser für mich, vielleicht gelang es mir dann endlich mal ihn zu erschrecken, bei mir schaffte er das immer wieder, wenn er plötzlich unerwartet an meiner Seite auftauchte.

Als ich fast mein anvisiertes Zielobjekt erreicht hatte, drehte Soubi sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu mir um, einen sanften Ausdruck in den Augen, die mich jedes Mal aufs Neue fesselten.

Ein Seufzen unterdrückend erwiderte ich seinen Blick, der so viel Wärme ausstrahlte, dass es mir manchmal schwer ums Herz wurde, wenn ich meine Gefühle nicht so stark nach außen hin tragen konnte, wie er, auch wenn er es noch nie angesprochen hatte, selbst er konnte seine Gesichtzüge nicht immer kontrollieren, ganz besonders in den Momenten, wenn er glaubte, er wäre unbeobachtet.

Diese Situationen trafen meistens ein, wenn ich wieder einmal bei ihm übernachtet hatte. Meistens stellte ich mich dann schlafend, um diesen Anblick nicht ertragen zu müssen. Es war für mich nun einmal schwierig, aus meiner alten Haut herauszukommen, aber das wusste er auch.

Deshalb bedrängte er mich nicht.

Meine Ohren zuckten unruhig bei dieser Erinnerung. Manchmal fragte ich mich, wie viel Kumme ich ihm noch bereiten konnte. Soubi zog eine seiner elegant geschwungenen Augenbrauen hoch, anscheinend hatte ich meine Mimik nicht genug unter Kontrolle gehabt, als das er nichts bemerkt hätte. Mist!

Um meine Gefühle zu überspielen, verbarg ich sie hinter meiner Maske, der Maske, die ich vor meinen Klassenkammeraden aufgesetzt hatte, außer Yumiko und Yamato, der immer noch an ihrem Rockzipfel hin, wie ein verloren gegangenes Schoßhündchen, dass es sie gar nicht nervte, wunderte mich.

Mein Gegenüber scannte mich mit seinem berühmten Röntgenblick, dem nichts entgehen wollte. Wenn ich mich nicht schnell am Riemen riss, dann fand er noch heraus, dass ich wusste, was er wusste und dann würde es kompliziert werden, womöglich im Streit ausarten und das wollte ich auf keinen Fall. Es sollte alles so bleiben, wie es jetzt war, denn so war es gut. Wollte Gott etwas ändern, würde er es sowieso früh genug sagen durch irgendwelche Ereignisse, die unser Leben total auf den Kopf stellten.

Um vom Thema abzulenken, zog ich ihn in ein Gespräch, fragte gezielt an seine Schwachstelle: Die Uni.

„Hallo Soubi“, begleitet mit einem aufgesetzten, falschen Lächeln, gepaart mit der Frage, was sie denn heute in der Uni gemacht hatten. Ich stellte dies Fragen oft, aber es wurde ihm nie langweilig, mir über seine Arbeiten einen ausführlichen Bericht zu geben und ganz unter uns: Ich interessierte mich wirklich für seine Arbeiten. Er wählte immer so außergewöhnliche Themen aus, die nicht nur mich, sondern auch seine Studentenkollegen in Hellbegeisterte Verblüffung warf.

Da seine Universität nicht weit von meiner Schule entfernt lag, hatte er mich ganz leicht abholen können und zusammen machten wir uns auf den Weg in Richtung seiner Wohnung, die nur ein paar Straßen weiter war, zumindest hatte ich das gedacht, bis er jedoch nach rechts abbog in das Waldgebiet, welches meine Schule umrahmte.

Ich wollte schon etwas sagen, mich irgendwie bemerkbar machen, aber Soubi lenkte mich unbeirrt weiter. Unterwegs konnte er es nicht lasen, den Arm um meine Taille zu legen, innerlich störte es mich keineswegs, aber für mich war es trotzdem immer wieder ein eigenartiges Gefühl, es breitete sich ein Kribbeln auf meiner Haut aus, obwohl mich Soubis Hand nur durch den Stoff berührte.

Aber leider gefiel mir gerade das.

Tief durchatmend spitzte ich meine Ohren, bevor ich noch etwas wichtiges von seiner Berichterstattung verpasste. Mir war zwar bei dem Gedanken, dass wir in den Wald gingen, nicht ganz wohl, aber er würde nie etwas tun, dass mir schaden würde, es würde gleichzeitig auch ihm schaden.

Ich sog seine gegebenen Informationen wie ein trockener Schwamm in mich auf.

Dabei sah ich die ganze Zeit in sein ebenmäßiges Gesicht, achtete kaum auf den Weg und war ihm deshalb sehr dankbar, dass er mich an meiner Hüfte führte, sonst würde ich wahrscheinlich gegen den nächsten Laternenfahl blindlings rennen.

Die Kälte ließ die Röte in mein Gesicht steigen, wenn auch unbeabsichtigt, da sich automatisch die Haut bei Kälte rötlich färbte.

Fehlte nur noch, dass sich meine Nasenspitze genauso färbte, dann machte ich Rudolf mit der roten Nase Konkurrenz.

Soubis Körper schien förmlich mit Wärme gefüllt zu sein, er strahlte so viel aus, dass mir kein bisschen kalt war, gar nicht kalt werden konnte, außer vielleicht die Wangen. Seine samtene Stimme vibrierte in meinen Augen, daraufhin zuckten sie nur noch mehr in alle Richtungen. Leicht schmiegte ich mich an seine Seite, es fiel beinahe gar nicht auf, was mich doch beruhigte, weil ich in einigen Fällen nicht mit der Nähe einer anderen Person klar kam. Ich vertraute nur den Leuten, mit denen ich am meisten zu tun hatte. Und da ich am meisten mit Soubi zu tun hatte, vertraute ich ihm am meisten, verständlich oder?

Er tat fast nie etwas.

Ich fand das ehrenvoll von ihm, aber es kamen auch mal jene Gedanken, die es schade fanden, dass nichts passierte oder getan wurde. Es war halt immer ein deutlicher Zweispalt in mir, den ich hoffentlich auch bald überwinden würde, allmählich nerve er sogar mich, wie musste sich da erst mein Partner fühlen?

Die Grenze zum Wald behagte mir nicht, der Übergang war beinahe wie ein Eingangstor aufgebaut, als würde man uns erwarten. Die Bäume waren durch die Kälte bereits kahl, so wirkten sie noch gruseliger und ich hatte fast Angst, dass uns in ihren Schatten jemand auflauern würde, aber dann schalt ich mich selbst, meine Fantasie ging deutlich mit mir

durch.

Trotzdem zuckte mein Katzenschweif durch die Gegend, als säße ich in einem Karussell, er wollte gar nicht mehr still stehen, also kein gutes Zeichen, doch meine Begleitung bestand darauf, dass ich mit ihm ging, was ich im übrigen auch durch die Zugbewegungen seines Armes um meine Hüfte machen musste.

Zwar vertraute ich ihm, aber warum schlugen dann alle Instinkte in mir Alarm, dass ich mir meine inneren rot aufleuchtenden Alarmsiren schon bildlich vorstellen konnte?

Es war zum verrückt werden. Ein Zwiespalt, aus dem man erstmal heraus kommen musste, ohne den ein oder anderen mit seinen Gefühlen zu verletzen. Mir wurde die Entscheidung abgenommen, wenn auch nicht ganz freiwillig.

„Kommst du Ritsuka? Ich möchte dir etwas zeigen.“, wie sollte ich mich gegen so eine Aussage stellen, die förmlich nach Aufmerksamkeit schrie? Eben, gar nicht!

Wir setzten uns in Bewegung, die Schritte verstummten, gedämpft durch das farblose Gras und der Laubdecke, die noch stellenweise das Gras verdeckte. Schon bald wurden wir vom Wald verschluckt, links und rechts ragten hohe Bäume auf, die einen kleinen Park zu bilden schienen. Die Dunkelheit nahm zu, nicht viel, aber doch so, dass es auffiel. Den Eingang in den Wald sah ich schon nach kaum zwanzig Metern mehr, die Bäume schienen ihn verschluckt zu haben. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, der mir das Luftholen erschwerte.

Etwas stimmte hier ganz und gar nicht und ich hoffte für Soubi, dass es nicht zum Nachteil für uns war, sonst würde ich ihm nach dieser ganzen Misere gehörig die Levitenlesen, wenn irgendetwas passieren sollte.

„Was willst du mir denn zeigen?“, versuchte ich von meiner aufkommenden Furcht abzulenken, die, wenn sie zu weit vorschritt, in einer Panikattacke enden würde, dass hatte ich schon einmal erlebt und, weil ich neugierig war, nur selten verheimlichte Soubi mir etwas, meist ging es dabei um meine Aufgabe, dass Sacrifice zu spielen, aber diese Augenblicke waren seltener geworden.

Manchmal fragte ich mich, ob es überhaupt noch Leute wie uns gab, die sich gegenseitig bekämpften. Die Schule war damals beim Endkampf ja vernichtet worden und die alten Schüler machten sich nichts mehr aus ihr, sie war für sie Vergangenheit geworden.

Anderes Thema.

Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber ich wusste, dass er mich mit einem warmen Lächeln bedachte, dass mich wie Butter in der Sonne schmelzen ließ, wer das schon einmal abbekommen hatte, wusste wovon ich sprach.

Eine Antwort würde er mir, so wie ich ihn kannte, nicht geben.

Also lief ich still neben ihm her, versuchte meine Gefühle sowohl für ihn als auch vor dem Unbekannten in den Griff zu bekommen. Warum machte ich mir überhaupt Sorgen? Solange er bei mir war, bestand nicht der leiseste Anlass dafür, deshalb schlang ich meinen aufgewühlten Katzenschweif um seine Mitte und schmiegte mich an seine Seite, da die Kälte doch allmählich ihre Pforten fand, um durch meine Kleidung zu kommen, um sich dann in meinen Knochen festzusetzen.

Aufmerksam beobachtete ich meine Umgebung, falls doch irgendetwas Unvorhergesehenes geschehen sollte, selbst Soubi konnte nicht alle Attacken und Angriffe voraussehen, er war auch nur ein Mensch, ein verdammt attraktiver dazu, warum er gerade mich als seinen neuen Meister erwählt hat, war mir noch immer schleierhaft, er hätte sich jeden aussuchen können, ich glaube nicht, dass da irgendjemand nein gesagt hätte.

Ich wusste nicht wie lange wir durch den Wald gingen, aber irgendwann sah ich am Horizont neues Licht, helleres Tageslicht, welches darauf zu deuten vermochte, dass der Wald endete. Gott sei Dank, diese Dunkelheit schlug nämlich gar nicht gut auf mein Gemüt.

Leider konnte ich aus der Entfernung noch nichts erkennen, was sich außerhalb des Waldes befand, aber ich war gespannt, was mich oder besser gesagt uns dort erwartete.

Die Zeit, bis wir den Rand dieses unheimlichen mit Bäumen bewucherten Wald erreichten, kam mir wie eine gefühlte Ewigkeit vor.

Mit jedem Schritt spürte ich, wie ich langsamer wurde, bis ich vor dem Ende stehen blieb. Mein Partner löste sich von mir, als ich stehen blieb und ging die restlichen Schritte ohne mich, bis ich sehen konnte, wie sein Antlitz mit Licht bestrahlt wurde, das seine Haut hypnotisierend schimmern ließ.

Ich hatte schon Angst, er würde mich allein lassen, aber einen Moment später streckte er mir einladend seine große, feingliedrige Hand entgegen, die mich an seinen Körper ziehen würde, sobald ich sie ergriff, aber ich zögerte. Ich zögerte lange, vielleicht zu lange, aber ich war mir mit einem Mal nicht mehr sicher, ob ich wirklich wissen wollte, was mich auf der Lichtung erwartete.

Nicht nur, dass ich erstaunt war, dass Soubi sich in dem Waldstück auskannte, nein, mein Gefühl sagte mir, dass mir Gefahr drohte. Kennt ihr das? Ihr spürt dieses unerträgliche, beängstigende Magenziehen und wolltet am liebsten umdrehen und davon laufen? Dieses Gefühl hatte mich fest im Griff, ich konnte mich kaum bewegen, schien auf der Stelle fest gewachsen zu sein wie ein Baum. Ich fühlte mich, als würde ich den letzten Weg zu meinem eigenen Schafott entlang schreiten.

Von alleine hätte ich den Weg sehr wahrscheinlich nicht bestritten, aber mein Partner half mir aus dieser Krise, indem er sanft auf mich einredete.

„Ritsuka, dir wird nichts passierend, dafür sorge ich.“, erklangen die ruhig ausgesprochenen Worte, die mich aus meiner Starre rissen. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ja, ich hatte wirklich nichts zu befürchten, darum nahm ich seine Einladung an und ließ mich bereitwillig über die Schwelle zwischen Hell und Dunkel führen. Ich musste meine Augen vor der Helligkeit zukneifen, ich hatte das Gefühl zu erblinden, als wenn ein Bergarbeiter nach mehreren Tagen in den Stollen an die Oberfläche zurückkehrte, nur um sich dann in der schrecklich blendenden Umarmung der Sonne wieder zu finden.

Furchtbar und das obwohl noch nicht einmal Schnee lag, der würde diesen Effekt nur noch verschlimmern.

Soubi hielt mich fest umklammert, als würde er befürchten, ich könnte es mir wieder anders überlegen. Seine zweite Hand strubelte mir zärtlich durch meinen schwarzen Haarschopf und über meine empfindlichen Ohren, was mich verzückt Schnurren ließ, wie ein kleines Kätzchen. Manchmal fand ich es ausgesprochen nervig, bei jeder kleinen Gelegenheit loszuschnurren, wenn Soubi mich hinter den Ohren krauelte, dann nutzte er diese Gelegenheit, um mich für irgendwelche Sachen zu überreden und wenn ich in dieser samtig schönen Dämmrigkeit war, sagte ich zu jedem Scheiß ja.

Die letzte Misere, die mir da in den Sinn kam war der Tag, an dem mein Freund unbedingt meine Familie, sprich meine Mutter, kennenlernen wollte. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass das in einer Katastrophe geendet war! Eine andere Geschichte von vielen, deren Geheimnis ich euch auch irgendwann anvertrauen würde, aber jetzt ging es um etwas wesentlich anderes.

„Lass mich los.“, murmelte ich gepeinigt von den Berührungen, die mir einen heißen Schauer das Rückrat runter trieben, mich dazu brachten mich völlig zu entspannen, obwohl ich das in dieser Situation gar nicht wollte. Eigentlich müsste ich böse auf ihn sein, dass er mich wieder hinters Licht geführt hatte, aber gerade fehlte mir der Willen dazu.

Ich verschob es auf später.

Sein erheitertes Brummen machte es nicht unbedingt besser, als er mich aus seiner Umarmung ließ, die vor dem Tageslicht geschützt hatte, an das ich mich schnell gewöhnte.

Als ich meine Augen über die Lichtung gleiten ließ, musste ich mich stark zusammenreißen meine Gesichtszüge zu behalten und eben diese nicht entgleisen zu lassen.

Die Lichtung entpuppte sich als eine weit gefächerte Wiese, die mit unzähligen, wunderschön erblühten Schneeglöckchen bedeckt waren. Jede einzelne war einzigartig in ihrer Form, Größe und Farbe und doch hatten sie die Gemeinsamkeit ihres Namens. Sie glitzerten leicht in der Sonne, da sie noch vom Morgentau bedeckt waren, der besonders im Winter, erst zur späten Mittagszeit vollends verschwand.

Aber woher konnte er wissen, dass diese Wiese existierte? Zu fast jeder Tageszeit war ich mit ihm zusammen, ansonsten war er in der Universität, die auch nicht gerade wenig Zeit seines Tages für sich beanspruchte. Es kam sogar schon vor das, als ich bei ihm war, er noch eine Staffelei als Projekt fertig stellen musste, um sie am nächsten Tag seiner Klasse

vorzustellen.

Es war verstörend.

„Warum hast du mich hierher gebracht?“, fragte ich mit zitternder Stimme, nicht wissend, ob ich die Antwort hören wollte. Ich spürte seinen Blick auf mir liegen, traute mich jedoch nicht.

Seine Antwort überraschte mich sehr. „Du hast mir doch einmal erzählt, dass deine Lieblingsblumen Schneeglöckchen sind. Ich dachte mir, dass dir dieser Ort gefallen könnte. Außerdem erwartet dich noch jemand.“

Ich realisierte seine Worte erst, als ich eine schwarz gekleidete Person in der Nähe der anderen Baumgruppe im Schatten erspähte. Innerlich freute ich mich darüber, dass Soubi sich diese Kleinigkeit an Informationen gemerkt hatte, damit hatte er mir eine große Freude gemacht, aber wen kannte ich, der mich an so einem Ort erwarten könne?

Die Furcht wollte sich wieder in mir Hochpuschen, eine kleine gehässige Stimme sagte zu mir, dass er mich verraten und verkauft hätte, aber ich zwang sie mit aller Macht zurück. Die Person, die zu uns herübersah, war ungefähr genauso groß wie Soubi, die Statur konnte ich nur schemenhaft erkennen, zum größten Teil wurde seine Figur durch den schwarzen Mantel verdeckt und ich konnte nur erahnen, wie er aussah.

Alleine schon, dass er nur in unsere Richtung sah, bereitete mir Unbehagen. Meine Gedankengänge fingen an zu rasen. Es musste eine Person sein, von der Soubi zu einhundert Prozent wusste, dass sie mir und ihm nichts tun würde, im physischen und psychischen Sinne. Aber wer? Genauso wie ich hatte mein Partner nur bedingt Kontakt mit anderen Leuten, selbst in seiner Klasse galt er her als Außenseiter. Wir hatten somit fast denselben Freundeskreis, zumindest würde mir niemand anderes mehr einfallen.

„Geh zu ihm ihn, er hat lange gewartet dich wieder zu sehen.“, ein sanfter Stoß in den Rücken gebend, stolperte ich ein paar unbeholfene Schritte nach vorne, ehe ich mich fing. Kurz schaute ich zurück, begegnete dem Blick meiner Waffe, der bestimmend auf mir lag. Ich diesem Punkt ließ er sich nicht reinreden.

Tief Luft holend, da es sich auf einmal so anfühlte, als würde ich ersticken, zwang ich meinen Kopf Befehle an meine Gliedmaßen zu geben, damit sie sich vorwärts bewegten. Kleine Schritte machend, ging ich zu der Gestalt, die sich weiterhin im Schatten hielt, als möchte sie nicht, dass ihre Identität vorher schon gelüftet wird.

Mit jedem neuen Schritt schlug mein Herz schneller, ob vor Angst oder Aufregung vermochte ich nicht genau zu definieren. Meine Beine schienen aus Wackelpudding zu bestehen, denn sie zitterten leicht. Meine Augen waren auf den Fremden gerichtet, schienen sich jeden Zentimeter Detail getreu ins Gedächtnis zu brennen, selbst das Blinzeln wagte ich nicht, sonst könnte er ja verschwinden oder sich in den Schatten zurückziehen, aus dem er

hinausragte.

Und da merkte ich, dass die Stimmung anders war.

Die Stimmung zwischen ihm und mir, so…

Naja, vertraut, als wäre er mir bekannt. Ich begann mein Gedächtnis zu durchforsten. Hatte ich diese Person schon einmal gesehen? Auf der Straße, im Park oder in der Schule? Meine Schritte trugen mich weiter und ich versuchte in der Finsternis sein Gesicht auszumachen, welches sich unter einer dicken Kapuze verbarg. Leider erhaschte ich nicht viel, zu präsent war der Schatten.

Bei zwei Metern machte ich Halt, wollte kein Risiko eingehen. Soubi schien ihm zwar zu vertrauten, aber ich brauchte das trotzdem nicht. Es war ein Selbstschutz der mich auch dann noch misstrauisch machte, wenn meine Freunde mit mir mit fremden Leuten unterwegs waren und einander nebenbei kurz vorgestellt wurde.

Dann nahm der Mann, eine Frau konnte es bei der Größe und Breite kaum sein, die Kapuze ab und alles änderte sich für mich, meine Welt schien Kopf zu stehen. Das Gefühl des Verrates war präsenter denn je. Meine Vergangenheit und Gegenwart schienen zu verschmelzen, ihre Konturen verschwammen. Ich wurde in ein Gefühlschaos gestürzt, das mich in meinen Grundmauern zu tiefst erschütterte. Die Welt begann sich um mich zu drehen, mir war mit einem Mal so schwindelig, dass ich mich am liebsten einfach hingelegt hätte.

Nach einer mir gefühlten Ewigkeit, dabei konnte es nicht mehr als eine Minute gewesen sein, sackte ich schließlich in die angenehm willkommene Ohnmacht, trotzdem spürte ich noch, wie ich durch zwei kräftige Arme aufgefangen wurde, bevor ich auf den Boden stürzen konnte.

Die Stimme, welche ich schon so lange nicht mehr gehört hatte, seit sie vor über einem Jahr für immer verstummt war, klang so reuevoll, dass sie mir in einem anderen Moment die Tränen in die Augen getrieben hätte. „Entschuldige, dass ich dir Sorgen bereitet habe Ritsuka.“, waren lange die letzten Worte, die ich vernahm.

Wenn die Finsternis einen im Griff hielt, fühlte man sich wie im Meer, man schwamm an der Oberfläche und ließ sich von den kleinen Wellen davon treiben. So glaubte man es und es traf auch fast haargenau zu, aber um mich herum schwebten Bilder, einzelne Szenen, die ich im Laufe meines Alters erlebt hatte. Gute wie auch Schlechte. Erinnerungen an Freunde, Familie, Schule, Kämpfe und Tod. Auch wenn ich noch jung war, hatte ich durch den Bund mit Soubi schon mehr erlebt, als manch andere Jugendliche in meinem Alter, Dinge, die ich selbst heute noch nicht zur Gänze verstand, die meinen Horizont um Längen schlugen.

Plötzlich blitzte ein Bild auf.

Es drängte sich hartnäckig in den Vordergrund, aber ich wollte es nicht sehen. Es war so schmerzlich für mich, dass man mich nicht hätte besser verletzen können, wenn man mir das Herz bei lebendigem Leibe herausgerissen hätte.

Ich hatte mich so sehr bemüht ihn zu vergessen, in die hinterste Tür meines Kopfes zu drängen, alles auszulöschen was ich mit ihm verband, aber nun lagen die Tatsachen anders. Er war zurückgekehrt, wie wusste ich nicht, Tote waren Tote, sie konnten nicht zu neuem Leben auferstehen, wie es ihnen beliebte, warum, ich hatte keinen blassen Schimmer. Gönnte er es mir nicht ihn zu vergessen? Das Bild tat weh, war so lebendig, als wäre er nie von uns gegangen, hatte nie meine Mutter und mich alleine gelassen, mich ihren Aggressionen und ihrer Verzweiflung ausgesetzt. Es war zum verrückt werden. Einerseits wollte ich ihn schlagen, erdrosseln, jede mögliche Todesart oder den Tod selbst an den Hals wünschen, vielleicht sogar Soubi auf ihn hetzen, doch andererseits hätte ich mich ihm am liebsten in die Arme geworfen, mich so nahe an seinen Körper gedrängt, bis ich darin zu ertrinken

drohte.

Und ich hätte geweint, nach all der langen Zeit hätte ich meinem Staudamm, den ich, wenn es um ihn ging, errichtet hatte, damit er die Gefühle dahinter sorgfältig eindämmte, den Befehl gegeben zu brechen und ich würde das Ereignis genießen, die Last von meinen Schultern zu nehmen, die mir aufgebürdet waren, seitdem er „Scheintod“ war.

Wieder blitzte das Bild aus meiner Vergangenheit auf, aber dieses Mal ließ ich es zu, es genau zu betrachten. Semei hatte sich nicht verändert, wenn man einmal vom Alter her absah, schließlich hatte er sich fast zwei Jahre nicht blicken lassen.

In gegen meiner Erwartung besaß er keine Ohren mehr, galt also als erwachsen. Seine ebenmäßigen Gesichtszüge verrieten nichts von seinen Gefühlen und die seidig schwarzen Haare, die sich in Wellen um seinen Kopf wanden, waren ein guter Kontrast zu seiner blassen beinahe marmornen Haut, die keinen Makel aufzuweisen schien.

Dafür, dass ich vorhin vor Schock umgekippt war, erholte meine Seele sich relativ schnell davon, denn sie befreite mich aus meiner Ohnmacht. Es kam mir vor, als würde mich jemand an der Hand packen und an die Oberfläche zerren, obwohl ich in dem Fall gegen Schlaf nichts einzuwenden gehabt hätte, da ich meinen älteren Bruder nicht sehen wollte.

Er hatte mich verlassen und ich hatte das Recht wütend auf ihn zu sein!

Stimmen wurden laut, die sich leise unterhielten, zu leise, ich vermochte nicht den genauen Wortlaut herauszuhören. Erst einmal machte ich meine Position aus, dass wir nicht mehr auf der Wiese mit den Schneeglöckchen waren, war mir durch die schwingenden Bewegungen bewusst, die sich durch meinen erschlafften Körper bahnten.

Anscheinend trug mich einer der beiden, ich hoffte es war Soubi, irgendwohin, aber ich konnte mir schon denken wo genau es hinging. Jeden Tag nach der Schule schaute ich dort mindestens einmal vorbei: Soubis Wohnung.

Sie war niedlich und klein eingerichtet, passend für eine einzelne Person, obwohl ich da auch fast jeden Tag anzutreffen war, wenn meine Mutter Zuhause nicht wieder einen Terz darauß machte, dass sie mir Stubenarrest gab, damit ich in ihrer Nähe war und diesen gefälligst einzuhalten hatte.

Ich hatte es sogar schon einmal gebracht gegen diesen Verbot zu verstoßen, alleine schon um ihr als Mutter zu trotzen, da sie alles tat, nur nicht wie so eine zu verhalten. An dem Tag, an dem ich es absolut nicht mehr ausgehalten hatte, war ich dann zu meinem Partner gelaufen, der mich Gott sei Dank die Nacht dort hat schlafen lassen, selbst als wir uns das Bett teilen mussten, hatte es mir nur wenig ausgemacht. Das meine Mutter am nächsten Tag getobt hatte wie eine Furie, brauchte ich hier wohl nicht erwähnen. Jeder, der sie schon mal zu Gesicht bekommen hatte wusste, wozu sie fähig war. Ihre Grenze hatte sie noch nicht erreicht, was sie mir alles antun konnte, und ehrlich gesagt hoffte ich, dass das so bleib. Ich wollte kein neues Folterinstrument für sie werden.

Erst nach und nach kam das Gefühl in meinen Körper zurück, es kribbelte unangenehm, zog sich meine Nervenbahnen hinauf, bis ich mich traute, meine Seelenspiegel einen Spalt breit aufzumachen, um mich zu orientieren. Das Tageslicht blendete gleißend, sodass dieser Vorgang scheiterte, dass helle Licht jagte Stromstöße in meinen Kopf und verursachten Kopfschmerzen. Der Tag wurde von Minute zu Minute immer blöder, wie ich am eigenen Leibe feststellen musste.

„Er wird wach.“, stellte Semei überflüssiger Weise fest, schließlich konnte ich es noch am besten beurteilen, ob ich aufwachen wollte oder nicht. Momentan wurde ich nur daran gehindert, dafür nahm ich aber endlich die Position war, in der ich durch die Gegend getragen wurde.

Huckepack, sinnvoll, bequem und auf längeren Strecken zu ertragen. Zu meinem Glück passierte dies alles auf dem Rücken meines Partners anstatt auf Semeis, vielleicht wäre ich bei ihm versucht gewesen, meine Krallen an ihm zu schärfen.

„Möchtest du mit zu mir Ritsuka?“, wurde ich gefragte, was mich doch überrascht aufsehen ließ, dieses Mal ohne das mich das Tageslicht blendete. Seit wann fragte Soubi mich, ob ich mit zu ihm kommen wollte? Aber egal, ich freute mich natürlich darüber und gab mein Einverständnis dazu, indem ich an seinem Rücken nickte. Warum er extra fragte, würde ich nachher noch aus ihm rausquetschen, egal wie, ich fand immer irgendeine Möglichkeit Leuten ihr Geheimnis zu entlocken, obwohl sie es sich vorher selbst geschworen hatten, es niemandem zu sagen.

Ob er das alles wegen Semeis Anwesenheit tat?

Jedenfalls schenkte ich meinem Bruder keine Aufmerksamkeit.

Das Blockhaus in welchem Soubi wohnte, kam schon nach kurzer Zeit in Sicht. Seine Wohnung befand sich im zweiten Stock, mit einem Balkon, der Richtung Straße zeigte. Im Sommer konnte man dort wundervoll frühstücken, aber die Offenheit missviel mir, sodass wir zum größten Teil darauf verzichteten. Erst jetzt bemerkte ich, wie müde ich eigentlich war, Ich hatte die Nacht nicht gut geschlafen und die Abwesenheit von ihm, machte mir zu schaffen, aber meine Mutter erlaubte es aufs verrecken nicht, dass er mich Zuhause besuchen durfte, egal wie oft ich sie fragte, es war jedes mal dieselbe Antwort:

NEIN.

Zumal mein Kopf schwirrte, als wäre ich mit ihm gegen eine Betonwand gerannt, ungebremst wohlgemerkt, alles nur wegen meinem Bruder, der nach Jahren endlich mal wieder auf der Bildfläche aufzutauchen dachte.

Bei meiner Mutter lag es vielleicht daran, dass sie noch unter ihren Depressionen litt, seit mein nun wieder gekommener Bruder gestorben war, schließlich war er ihr Lieblingssohn gewesen und nach seinem Tod hatte uns zudem auch noch Vater verlassen, deswegen konnte sie sehr wahrscheinlich keine neuen Fremdlinge ertragen, da sie dachte, nach dieser neuen Bekanntschaft würde man sie eh wieder verlassen oder ich würde sie verlassen, obwohl ich auf die Idee niemals kommen würde.

Immerhin war sie meine Mutter, auch wenn sie mich nicht gut behandelte.

Aber wie gesagt waren das alles nur Vermutungen, in ihren Kopf konnte ich ja schlecht reingucken, wobei das gar nicht mal schlecht war. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was für ein Chaos dort herrschen musste.

Stark musste ich an mich halten, um ein müdes Gähnen zu unterdrücken, was sich hartnäckig meine Kehle Hochschleichen wollte. Gott sei Dank brauchten wir keine fünf Minuten mehr zu Soubis Wohnung, dass Aufschließen nahm noch weniger Zeit in Anspruch, doch dann ließ mein Partner mich von seinem Rücken gleiten, damit ich auf meinen eigenen Füßen stehen konnte, noch völlig belämmert im Kopf dankte ich dem festen Griff meines Partners, der seinen Arm um meine Taille gelegt hatte, um mich in die innere Wohnung, in der ich erst ein paar Mal zu Gast war, zu ziehen.

Es war für mich jedes Mal aufs neue spannend seine Wohnung, sein Reich zu erkunden, ständig änderte er etwas an der Einrichtung, hang hier und dort ein Bild auf, wechselte einen Bezug, so etwas größeres z.B. trat eher seltener auf.

Drinnen begrüßte uns eine mollige Wärme, in der man sich am liebsten verkriechen würde, um bis zum nächsten Morgen durchzuschlafen. Die Eingangstür schloss sich mit einem lauten Klicken, nachdem wir alle eingetreten waren. Ich hang mich widerstandslos an Soubi, indem ich meine Arme um seinen Nacken legte, die ich ineinander verschränkte, damit er mich nicht mehr so leicht los wurde und ihm somit deutete, mich weiter zu tragen. Den Kopf in seine Jacke vergrabend, schloss ich meine Augen, die schmerzten, als hätte ich die ganze Nacht pausenlos Playstation gespielt.

Von Soubi her erklang ein schönes, aufgelöstes Lachen, dass seine Brust vibrieren ließ wie ein Massagesessel. Es war toll den sonst so ernsten Mann mal etwas anderes entlocken zu können, als ein scharfes aufblitzen seiner ausdrucksstarken Augen. „ Du bist heute aber sehr anhänglich Ritsuka.“, tadelte er mich gespielt, aber ich wusste, dass er nur Spaß machte. Im Gegenteil, es gefiel ihm, wenn ich so anhänglich war, dass kam nicht alle Tage vor und wenn, dann genossen wir es beide, zumindest tat ich das.

Wie um meinen Klammergriff zu bestätigen, hob Soubi mich in seine Arme hoch und trug mich wie ein Baby Richtung Wohnzimmer, in dem er wie ich ihn kannte, ein kleines Feuer im Kamin entzünden würde, damit die Wohnung ordentlich durchgeheizt wurde, gerade im Winter war das wichtig, damit er sich nichts wegholte.

Auf dem breiten Sofa, welches bereits zu seiner vollen Größe ausgeklappt war, legte er mich ab, löste sanft aber bestimmend den Griff um seinen Nacken und ging, wie zu meiner innerlichen Bestätigung, zum Kamin. Während er nun an eben diesem rum hantierte, was durchaus dauern konnte, da bei zu großer Kälte die warme Luft nach unten gedrückt wurde, bis man endlich eine einigermaßen Temperatur hohe Flamme erzeugte, die dagegen halten konnte.

Ich lümmelte mich wie eine Kugel zusammen, wickelte die Decke, die bereits am Fußende bereit gelegen hatte, um meinen schmalen Körper, damit ich nicht fror, was zu diesen Zeiten eher ein Wunder sein sollte. Ich fror bei jeder Kleinigkeit, ein ziemlicher Nachteil.

Provokant drehte ich mich auf die Seite mit dem Rücken zu Semei.

Ich spürte zwar seine Blicke im Nacken, aber die waren längst nicht so schlimm, als das er mich direkt anschauen würde, dann würden sehr wahrscheinlich meine Gefühle überschwappen und ich würde entweder gute oder schlechte Dinge sagen, auf jeden Fall einige, die mir hinterher Leid täten.

Ich zuckte zusammen, als sich eine große Hand auf meine Seite legte und beruhigend über sie fuhr. Es konnte nur eine Person sein und ich war sehr stark versucht seine Hand wegzustoßen, er sollte am eigenen Leib erfahren, wie es war verletzt und weggeworfen zu werden, wie ein kaputtes Spielzeug.

„Lass das!“, fauchte ich, meine Katzengene in dem Moment nicht unterdrückend.

Kurz hielt die Hand inne, so dass ich dachte, dass sie sich zurückziehen würde, aber sie machte nach der kleinen Pause unbeirrt weiter, als wäre nichts geschehen.

Semeis belehrende Stimme ertönte über mir, die voller Erinnerungen geprägt war.

„Ich kann dich verstehen Ritsuka. Es tut mir Leid, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe, aber ich hatte keine andere Wahl. Hätte ich das getan wärst auch du und alle anderen, die dir nahe standen, in Gefahr geraten.“

Automatisch wanderten meine Hände zu meinen Ohren, um diese zuzuhalten. Ich wollte das nicht hören, seine Ausreden, seine Lügen, hatte er auch nur einen Moment daran gedacht, wie es mir in der Zeit erging, als er plötzlich für tot erklärt war?!

Bestimmend wurden meine Hände in einem eisernen Griff von Soubis eingefangen, um sie auf die Polsterung zu drücken. Dabei war ich gezwungen eine halbe Drehung auf den Rücken zu machen, ansonsten hätte mir meine Waffe noch die Arme ausgerenkt. Nun noch mehr irritiert, blickte ich zweifelnd zwischen den beiden unterschiedlichen Männern hin und her. Was wurde hier gespielt?

Das etwas gespielt wurde, stand fest, aber welches Spiel? Auf jeden Fall eines, wovon ich die Spielregeln noch nicht kannte.

Soubi richtete seinen Blick auf Semei.

„Sag es ihm. Er findet es sowieso raus, ob nun von uns oder von irgendeinem der anderen Kleinen.“

Seufzend wandte sich Semei wieder an mich und mittlerweile musste ich sagen, dass ich Angst vor der Antwort hatte. Was würde mich erwarten? Würde sich etwas ändern? Würde ich Soubi womöglich verlieren?!

„Ritsuka das, was ich dir jetzt erzähle, ist für dich sehr wichtig. Als du Soubi das erste Mal getroffen hast, hat er dir erzählt, dass ich durch meinen Tod ihn an dich „überschrieben“ habe.“ Ich nickte, dass hatte ich verstanden.

„Soubi ist die Waffe von mir, Beloved. Du hattest dich doch einmal gefragt, wer deine Waffe sein wird. Dein Name ist Loveless, also gibt es irgendwo auf der Welt eine Waffe, die deinen zweiten Namen in sich trägt und die du nur noch finden musst. Soweit verstanden?“

Wieder nur ein Nicken, ich hatte nicht den leisesten Schimmer, worauf er genau hinauswollte. Es stimmte, dass es noch eine Waffe für mich gab, MEINE Waffe. Aber diese hatte ich bis heute weder richtig gesucht, noch gebraucht, die Waffe von Beloved war immer an meiner Seite gewesen und hatte auf mich aufgepasst.

„Deine Waffe wurde gefunden.“, jetzt horchte ich interessiert auf. Wer das wohl war?

Ein leichtes Lächeln umspielte die Mundwinkel meines Bruders, als er das aufleuchtende Interesse in meinen Pupillen ausmachte.

„Sie war die ganze Zeit bereits bei dir, bis sie vor zwei Jahren untertauchen musste, als sie herausfand, dass du ihr Sacrifice bist. Und jetzt rate, der Rest ist einfach.“

Den Kopf leicht schräg legend, betrachtete ich Semei. Er hatte mir einen entschiedenen Hinweis mit der Zeitangabe gegeben, aber ich kam nicht wirklich klar damit, dass zu derselben Zeit auch mein Bruder verschwunden war. Konnte es da einen Zusammenhang geben? Aber das würde ja bedeuten, dass…

Ich hörte ein imaginäres Klicken in meinem Kopf, als wenn eine Glühbirne, die Glühbirne des Einsteins in mir, dass Bedürfnis verspürt hatte, den Streber raushängen zulassen, indem er mir die Antwort zuwarf. Mehr als ein ersticktes „Oh“ bekam ich nicht aus meinem plötzlich spröde anfühlenden Hals. Dann viel es mir wie Schuppen von den Augen.

Schneeglöckchen, ich hatte Schneeglöckchen so lieb gewonnen, dass ich mich einmal darüber gewundert hatte, warum Semei auf dem Unterarm, nahe des Handgelenkes, eine Hautverfärbung in Form eben dieser Pflanze aufwies. Damals, als ich noch klein war, hatte ich mir nicht mehr dabei gedacht, im Gegenteil, fand es toll, mehr jedoch nicht. Wäre mir das schon früher aufgefallen, hätte ich vielleicht etwas unternehmen können, anstatt die Situation fast zwei Jahre auszusitzen.

„Warum…warum hast du nie etwas gesagt?“, fragte ich pikiert.

„In diesem Fall durfte ich dir nichts sagen, da ich zu engen Kontakt zu dir hatte. Es ist noch nie vorgekommen, dass ein Sacrifice zwei Waffen hat, daraufhin wurde ich zum Gejagten und musste mich deswegen zwei Jahre im Untergrund verstecken. Doch nun ist alles geregelt. Ich habe das zuständige Sacrifice-Gericht kontaktiert und die Sachlage ausgebreitet, sie waren auf meiner Seite. Nun bin ich wieder ein freier Mann und kann zu dir zurück, für immer.“

Hätte man mir gesagt vor einer Woche gesagt, dass dies alles möglich war, hätte ich diesen direkt in die psychiatrische Abteilung unseres Bezirkskrankenhauses einweisen lassen. Diese Geschichte klang beim ersten Zuhören so unglaubwürdig, dass es schon an ein Wunder grenzte, sie überhaupt am Ende zu glauben.

Jeder normale Menschenverstand würde da streiken.

„Und was geschieht jetzt?“, fragte ich, da ich wirklich neugierig war, wie wir Beispielsweise Mutter beibringen sollten, dass Semei wieder zurück war. Ob sie dann vollends den Verstand verlor? Ich betete, dass dies nicht der Fall sein würde, sonst hatten wir ein erhebliches Problem am Hals.

Ein viel sagender Blick streifte Soubi und ich sah nur verwirrt zwischen den beiden umher. Irgendetwas heckten die doch schon wieder aus und ich wusste sehr genau, zumindest verklickerte mir das mein protestierender Magen, der sich schmerzlich zusammenzog, dass dies nicht gut für meine Gesundheit war, in deren Augen vermutlich das genaue Gegenteil.

Als sich beide zu mir runterbeugten beschloss ich für mich, dass diese Fragen, auf die ich noch immer eine Antwort haben wollte, warten konnten. Jetzt genoss ich erst einmal die Zeit, die mir mit den Beiden blieb, denn ich wusste, lang würde sie nicht sein.
 

Ende
 


 

So^^

Das wars auch schon von meiner Seite, ich hoffe euch hat der One-Shot gefallen, habe das erste Mal etwas über Loveless geschrieben^^

Gebt mir doch bitte eine Rückmeldung, damit ich weiß, ob ich etwas an meiner Schreibart verbessern muss oder ob sie so bleiben kann wie sie ist, ich bin für alle Vorschläge offen^^

Dann wünsche ich euch nachträglich ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2010!!^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hikaru-Chan
2010-01-04T21:21:07+00:00 04.01.2010 22:21
Hallo^^
Ich finde, die FF ist dir wirklich gut gelungen.
Ritsuka ist so verdammt niedlich, wenn er schnurrt xD
Ach, und Soubi ist wie immer sehr....*keine Worte für seinen wertvollen Charakter finde*

Semei auf einmal wieder zu sehen, hat mich ja geschockt.
Im Anime und im Manga wird er ja als der totale Bösewicht dargestellt, aber nach der FF finde ich ihn gar nicht mehr so schlimm.

Alles in allem eine sehr gelungener One-Shot^^
Hat mir gut gefallen und ich nehme es in meine Favoriten-Liste auf ;)

LG
Ancel


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