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Tücken des Schicksals

Die Chronik der Unsterblichen
von

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Aufbruch

Kapitel 2 - Aufbruch
 

Nachdem sie sich von der Kräuterfrau verabschiedete hatte, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Vater. Die Schmiede war eines der größten Gebäude, das es im Dorf gab, denn die hinteren Räume des Hauses dienten gleichzeitig auch als Wohnraum.

Kiara betrat das zur Vorderseite halb offene Hauptgebäude und sah sich um. Seit einigen Wochen schmiedete ihr Vater an einem Schwert für einen Edelmann aus dem Inland, es interessierte sie sehr, wie weit er damit nun schon war. Doch die neue Waffe war nirgendwo zu sehen. Die Werkstatt war chaotisch aufgeräumt wie immer und das Feuer des Ofens loderte nur noch flach vor sich hin, so dass es nicht mehr genügte, um die sonst so erdrückende Hitze entstehen zu lassen.

Erst nach einer Weile fand sie ihren Vater schließlich auf der anderen Seite des Gebäudes, vertieft in ein Gespräch mit seinem Lehrling und Kiara trat dazu.

„Hat Ayden dich also gefunden. Warst du schon bei der alten Frau?“ fragte ihr Vater und schaute sie geduldig an.

„Ja, ich soll ihr etwas aus Callras besorgen. Morgen früh werde ich mich gleich auf den Weg machen“ meinte sie nur und bemerkte erst jetzt, dass er etwas Eingewickeltes in der Hand hielt.

„Oh, hast du es etwa schon fertig? Darf ich es bitte sehen?“ fragte Kiara aufgeregt. Ihr Vater reichte ihr lächelnd das Bündel hin.

„Es muss heute auch noch nach Callras damit auch der Griff fertig wird“ sagte er und nickte zu seinem Lehrling. „Er wird es hinbringen.“ Kiara schaute auf.

„Naja, ich könnte es auch abgeben, dann kann ich gleich beide Sachen erledigen“ schlug sie vor, dabei befreite sie mit zwei Handgriffen die wertvolle Waffe aus ihrer unscheinbaren Umwickelung.

Mit stockendem Atem betrachtete sie das Handwerksstück. Es war einfach einzigartig. Das Licht spiegelte sich auf der polierten Klinge und die in sich selbst zerfließenden Muster des Damaszenerstahls verliehen ihr einen Ausdruck, der mit Worten fast nicht zu beschreiben war. Der Einhänder lag viel leichter in der Hand, als er aussah und beim Hin- und Herschwingen konnte sie das Singen der Klinge hören, wenn sie durch die Luft schnitt.

Ihr Vater sah, wie verliebt sie seine Arbeit betrachtete. „Ich bin mir schon sicher, dass du es sicher hin bringst, aber ob du es dann auch wirklich wieder hergibst, ist die andere Frage.“ Kiara schaute empört auf und ihr Vater hob beschwichtigend die Hände, „Na gut, einverstanden, dann bringe du das Schwert nach Callras.“
 

Der Weg war nicht all zu weit, bis zum Abend würde sie schon wieder zurück sein und deshalb war alles, was sie brauchte, schnell zusammen gepackt.

Am Rande des Dorfes befand sich die große Koppel, dort angekommen stellte sie sich auf die Querstreben des hölzernen Zauns und pfiff einmal laut über die Weide. Daraufhin löste sich aus einer Gruppe von Pferden eine hellbraune Stute, die mit freudigem Wiehern auf sie zu galoppiert kam und Kiara begrüßte Alana ebenso fröhlich. Sie war eines ihrer beiden Arbeitspferde, jedoch war gerade sie in alle den Jahren zu einer treuen Gefährtin geworden, weil Kiara sie immer wieder auch für Ausflüge außerhalb ihrer Pflichten mitnahm.

Nachdem sie Alana mit dem mitgebrachten Zaumzeug gesattelt hatte brach sie sofort auf.
 

Ihre kleine Reise führte sie eine knappe Stunde zunächst über die Ebene Richtung Osten, erst einmal aus dem Tal hinaus in dem sich ihr Dorf befand. Schon mehrmals war sie diesen Weg geritten. Die Menschen in Callras kannte sie gut, da ihr Vater öfters Arbeiten auch für andere Dörfer in der Umgebung annahm. Am besten, dachte sie, wäre es, erst das Schwert zum Lederer zu bringen danach dann dem Warenhändler einen Besuch abzustatten. Im gemäßigten Tempo ritt sie, bis sich das Gelände wieder steil erhob und sie schließlich am Ende des Tales zu ihrem nächsten Wegabschnitt gelangte. Nun war sie fast da und sie wählte den Weg durch den Wald, denn dieser war zwar etwas länger, aber nicht so gefährlich, im Gegensatz zu dem um vieles kürzeren, aber auch sehr steinigen Gebirgspfad.

Alana jedoch war anderer Meinung. Mit jedem Schritt wurde sie immer unruhiger und langsamer, bis sie schließlich nur noch auf der Stelle trat.

„Was ist denn los, Alana?“ fragte Kiara verwundert, dabei streichelte sie ihr zur Beruhigung über den Hals. Aber selbst das konnte sie nicht besänftigen, sie sträubte sich dagegen, auch nur einen Fuß weiter voraus zu setzen. Da weder Zureden noch Streicheln etwas half, war Umkehren das Einzige, was noch übrig blieb. Doch wieder an der Kreuzung angekommen, entschied Kiara, den anderen Weg noch zu versuchen.

Alana blieb weiterhin sehr unruhig, folgte diesen Weg jedoch, ohne wieder stehen zu bleiben.

Als die beiden den obersten Punkt des Passes erreicht hatten, hielt Kiara das Pferd an, um eine kurze Pause einzulegen und Alana die Möglichkeit zu geben, sich noch ein wenig zu beruhigen. Sie stieg ab und lief ganz vor zu einer kleinen Plattform, die über den Abgrund hinaus ragte.

Von hier oben hatte man einen phantastischen Blick über das schmale Tal. Unter ihr erstreckte es sich sattgrün und dicht bewaldet. Sie konnte von hier aus jedoch weder Ballyvoge noch Callras sehen, dafür waren die Berge zu verwinkelt und hoch.

Es war noch genügend Zeit, hier kurz eine kleine Rast zu machen. Hinter ihr hatte sich Alana ein Fleckchen Grünes gesucht und graste genüsslich die seltenen Pflanzen der Bergfauna ab. Kiara genoss ihrerseits den Wind, der ihr durch das lange Haar wehte, dazu hatte sich ganz vorne bei der Klippe an einen Felsen gelehnt. Mit geschlossenen Augen nahm sie die angenehme Ruhe von hier oben in sich auf.

Bis zu dem Moment als ein Schwarm Vögel aufgeschreckt aus dem Wald unter ihr aufstieg und damit die Ruhe vertrieb.

Kiara öffnete die Augen. Plötzlich war sie hellwach.

Da war etwas.

Ein Geräusch, das nicht in diese Umgebung passte. Monoton, aber immer lauter werdend. Sie suchte genauer das Tal unter sich ab, doch der Wald war zu dicht, um irgendetwas zu sehen.

Das Geräusch wurde lauter.

Es kam ihr so bekannt vor, aber sie kam nicht darauf, woher sie es kannte. Ein zweites Geräusch mischte sich darunter. Gelächter, Rufe und unverständliches, aber fremd klingendes Stimmengewirr.

Jetzt fiel ihr es ein, es war das unverkennbare Klirren und Rascheln, das Metall verursachte, wenn es über Leder und Rüstung strich. Die Worte ihres Bruders kamen ihr ins Gedächtnis und ihr Magen krampfte sich zusammen. Was sollte sie nun tun? Alana wieherte hinter ihr verängstigt auf. Mit schnellen Schritten war sie wieder bei ihr, um sie zu beruhigen. Angespannt überlegte sie, ihre Gedanken rasten. Von hier aus war es nur noch das kleine Stück den Berg hinunter. Wenn sie jetzt zurück ritt, könnte sie den Männern genau in die Arme laufen. Vielleicht waren sie ja von einer anderen Richtung aus auf diesen Talweg abgebogen. Hoffentlich, dann könnte sie in Callras Hilfe holen. So entschied sie sich, auf diesem Weg weiter zu reiten.

In Eile, aber trotzdem vorsichtig, setzte sie ihren Weg fort, der Pfad endete wieder unten im Wald und kreuzte sich mit dem Weg, den auch die Bewaffneten eingeschlagen hatten. Überall war der Erdboden aufgewühlt von den Hufabdrücken ihrer Pferde. An der Tiefe der Spuren konnte sie sehen, wie schwer die Tiere beladen waren, scheinbar hatten sie mehr als nur ihre Waffen dabei.

An der nächsten Abzweigung folgte sie dann dem Weg der direkt ins Dorf hinein führte. Callras war entlang eines Flusses angesiedelt worden, der hoch aus dem Gebirge ins Tal lief. Fast schon zu groß, um als Dorf bezeichnet zu werden, hatte es schon mehr den Charakter einer Kleinstadt. Viele etwas wohlhabendere Bürger hatten sich hier niedergelassen.

Kiara folgte dem Flusslauf schon die ganze Zeit, doch erst auf dem letzten Stück wurde sie auf etwas aufmerksam, das in ihren Blickwinkel gelangte. Sie schaute nur einmal beiläufig neben sich auf den Fluss und stoppte daraufhin sofort Alana ab, welche sogleich protestierend die Vorderhufe anhob.

Sie musste sich vergewissern, dass sie sich getäuscht haben musste.

Ein eisiger Schauer durchfuhr sie, denn genauer hinzuschauen bestätigte nur ihren ersten Blick. Auf dem Fluss, der mittlerweile eine rötliche Färbung angenommen hatte, kamen immer wieder Teile aus Holz angeschwommen. Selbst die Luft war nun erfüllt von einem deutlich verkohlten Geruch.

Im strengen Galopp drängte sie Alana weiter. Erst als der Weg sich weitete und sie freien Blick auf das Dorf hatte, verlangsamte sie das Tempo.

Der Anblick, der sich ihr schon von weiten bot, war abschreckend, aber sie trabte trotzdem langsam weiter durch die letzten Reste der Haupttore. Bis zum ersten großen Platz, der einmal der Markt gewesen war, ritt sie hinein, dann blieb sie stehen. Kiara musste sich in das Leder der Zügel krallen, um das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken.

Der Teil des Dorfes, den sie von hier aus einsehen konnte, war total verwüstet worden. Viele Häuser brannten lichterloh, waren schon eingestürzt oder teilweise nicht einmal mehr als verkohlte, vor sich hin schwelende Holzgerippe.

Alle möglichen Gegenstände lagen quer verstreut herum, das grausamste jedoch war der Anblick der Toten. Ob in den Häusern oder auf dem großen Platz, überall lagen Menschen - blutverschmiert, geschändet, mit zerfetzten Kleidern und angstverzerrten Gesichtern, jedenfalls bei denen, wo noch eins zu erkennen war. Jung oder Alt, das hatte anscheinend keinerlei Bedeutung gehabt für die Meute, die sich hier ausgelassen hatten.

Ein brennendes Dach stürzte nicht weit von ihr entfernt in die Tiefe und begrub seine unglücklichen Insassen unter sich. Alana machte verunsichert ein paar Schritte rückwärts und Kiara musste sich die Hand vor den Mund halten, um sich nicht zu übergeben - Doch nur wenig später rebellierte ihr Magen endgültig.
 

Es lag eine unheimliche Stille über dem Dorf, nur das Wüten des Feuers war zu hören. Dieses Blutbad hier hatte keiner überlebt.

Nun schlich sich Angst in Kiaras Bewusstsein. Die Männer von vorhin, wie weit waren sie wohl schon gekommen? War auch ihr Dorf ein Ziel?

Kiara wendete Alana, zog die Zügel an und stürmte los. Den ganzen Weg spukten ihr alle möglichen Gedanken im Kopf herum. Ihr Dorf war jedoch nicht das Einzige auf diesem Weg, vielleicht gab es noch Hoffnung, vielleicht hatten die Männer ja eine andere Richtung eingeschlagen.

Der Weg durch den Wald würde Zeit kosten, aber Zeit war etwas, das sie nicht hatte. Also nahm sie wieder den selben Weg, den sie gekommen war. Jedoch konnte sie unmöglich deren Vorsprung aufholen und so drängte sie, mit dieser Sorge im Nacken, Alana diesmal ohne Rücksicht immer schneller vorwärts.

"Fast geschafft", dachte sie mit einem Hauch von Erleichterung, als der Bergpfad sich bereits wieder nach unten neigte. Bergab zügelte sie nun das Tempo doch etwas, denn es fiel Alana schwer, auf dem steinigen Untergrund sicheren Halt zu fassen. Felsbrocken versperrten ihr immer wieder den Weg und sie musste teilweise gefährlich nahe an den Abhang heran, um ihnen auszuweichen.

Alana setzte wieder einen weiteren, unsicheren Schritt auf. Doch diesmal gab der Untergrund knirschend nach, Stein zersplitterte unter dem Gewicht und das Pferd geriet ins Straucheln. Panisch riss Kiara noch die Zügel herum, doch Alana verlor endgültig den Halt und rutschte mit den Vorderläufen den Berg hinunter. Krampfhaft versuchte Kiara, sich im Sattel zu halten, wurde aber ruckartig aus diesem herausgerissen, als Alana mit den Hinterbeinen doch festen Boden erfasste und sich kraftvoll wieder nach oben abdrückte. Ungebremst rutschte Kiara den Hang hinunter, überschlug sich ein paar Mal und irgendetwas Hartes traf seitlich ihren Kopf. Ein stechender Schmerz, begleitet von Lichtfunken vor ihren Augen, raubte ihr die Orientierung. Dann wurde alles schwarz um sie herum…

Entferntes Rauschen…

Vogelgezwitscher…

Ein Schnaufen in der Ferne.

Sie öffnete die Augen. Mit dem Gesicht nach unten fand sie sich im feuchten Moosboden einer Senke wieder. Sofort versuchte sie, aufzustehen, doch der erste Versuch, sich aufzurappeln schlug fehl. Beim zweiten erst gelang es ihr, sich auf die Arme zu stützen, dann ließ sie sich rücklings fallen. Ein brennender Schmerz durchzog ihre Schläfen, immer noch leicht benommen schaute sie sich nun um. Aufgewühlter Dreck im Berghang markierte ihre Spur hier hinunter und oben auf dem Weg lief Alana unruhig auf und ab.

Ihre Kopfschmerzen wurden stärker, als sie sich taumelnd erhob, vorsichtig ertastete sie ihren Hinterkopf, doch fand sie nur Erde, die ihre braunen Haare noch ein wenig dunkler färbte. Kiara atmete auf, kein Blut. Doch dafür ein neuer Schwall pochender Kopfschmerzen, als sie sich vollends aufrichtete. Ihr wurde langsam bewusst, was für ein wahnsinniges Glück sie gehabt hatte. Der Hang war mit dichten Pflanzen bewachsen, trotz allem hätte es auf dem Weg nach unten mehr als genug Möglichkeiten gegeben, sich den Kopf anzuschlagen, ohne Aussicht, jemals wieder aufzustehen. Es war jedoch noch mehr, außer ein dumpfer Schmerz, begleitet von leichtem Taubheitsgefühl im linken Arm, schien sie sich nicht ernsthaft verletzt zu haben.

In Gedanken tadelte sie sich für ihr Verhalten, sie hätte vorsichtiger sein müssen!

Ein Frösteln lief ihren Nacken hinunter. Wie viel Zeit war wohl schon verstrichen? Den Stand der Sonne konnte sie von hier unten nicht bestimmen, dafür wuchsen die Bäume zu dicht. Irgendwie musste sie einen Weg zurück nach oben finden und in ihr Dorf gelangen. So schnell wie möglich.



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