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Lied des Winters

HitsuHina
von

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Lied des Winters

Kirschblütenbäumen wiegten sich leise im wehenden Wind und verteilten ihr Lied von Schönheit und Frieden, während die von weichem Gras erfüllten Felder sich im Takt zu dieser atmosphärischen Musik bewegten. Ein leichter Regen fiel von den Wolken herab, durchleuchtet von den Sonnenstrahlen, die die Soul Society in einem unnatürlichen Bild erstrahlen ließ und eine Illusion von Hoffnung entfachten.
 

Überall kündigte sich der Frühling an, mit seinen unverwechselbaren Düften: der Geruch nach Wald, der Süße des Flieders und dem von Tau, während die Farben nach der Dunkelheit des Winters zurückkehrten.
 

Überall erfüllte Glück die Luft und ließ uns fröhlich aneinander vorbeigehen, jedem ein Lächeln schenkend, dem wir begegneten.
 

Nur an einem kleinen Berghang, abseits vom frühlingserfüllten Seireitei im ersten Bezirks Rukongais, war die Jahreszeit des Auferblühens und des Neuanfangs noch immer dem Schnee unterlegen, der die Blumen durch seine frostigen Temperaturen in die warme Erde zurücktrieb.
 

Ich zitterte angesichts der Kälte und zog meinen Schal enger um mich, doch die erhoffte Wirkung des Wärmens blieb aus. Der Schnee hatte die Umgebung in ein Winterland getaucht, dass so schön wie einsam vor mir lag. Tief unter der weißen Pracht erkannte ich die alte Baracke, die unsere Kindertage bestimmt hatte und nun verlassen unter dem gängigen Gewicht des Schnees stöhnte. Der kleine Fluss, der uns immer mit seiner eigenen, fröhlichen Melodie erfreut hatte, war nun erstarrt vom Schnee und spielte unter dem Eis eine unterdrückte Symphonie der Trauer.
 

Nichts erinnerte mehr an das Leben und die Gefühle, die das kleine Stück Land einst umspielten. Nur noch der Geist der Erinnerung heulte durch die kleinen Risse der Binsenstängel, die einst die Wände bedeckten und nun, morsch und spröde geworden, langsam dahinschieden. Der Wind trug die Erinnerungen an vergangene Tage daher und entlockten meinen Augen eine Träne, die sich unauffällig aus meinem Augenwinkel stahl und noch während sie zu Boden fiel zu einem kleinen Eiskristall gefror, der sich in der unendlichen Weite des Schnees verlor.
 

Ich versuchte mit meinen Augen durch die eisige Wand des Windes zu blicken, doch sowohl der brennende Schnee, wie auch die Tränen ließen die Welt immer wieder vor meinen Augen verschwimmen. Mit jedem Schritt, den ich tat, hinterließen meine Füße kleine Spuren, die sofort vom Schnee verschluckt wurden, als seien sie nie da gewesen. Nur mit Mühe gelang es mir die Tür der alten Bambushütte entgegen der Kraft des Windes zu öffnen, so als wolle er meinen Eintritt verhindern.
 

Das Knatschen der alten Holzdielen empfing mich wie einen alten Freund und vermischte sich mit dem zischenden Geräusch des Sturmes, der draußen wütete und nun verzerrt durch die vielen Ritzen des Bambus klang; einzelne Schneeflocken fanden ihren Weg hinein und bedeckten den Boden bereits mit einer dünnen Eisschicht, sodass sich bei jedem meiner Atemzüge weiße Wölkchen in der Luft bildeten. Erst seine Stimme holte mich wieder in die Realität zurück: „Was willst du hier Hinamori?“ Ihr Klang schmerzte mir, es war dieselbe Trauer, die auch mich seit einer Woche quälte.
 

Ich schluckte und trat näher an ihn heran, immer darauf bedacht nicht auf dem eisigen Boden auszurutschen, und ließ mich leicht seitlich von ihm nieder. „Dein Reiatsu ist selbst in Seireitei noch spürbar. Ich mache mir Sorgen um dich, Shiro-chan.“ Meine Stimme war leiser geworden, doch ich wusste, dass er sie trotzdem gehört haben musste.
 

Ich spürte wie die Kälte des eisigen Bodens langsam durch mein aufgeweichtes Haori in meine Adern kroch und dort eine Kälte hinterließ, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. „Du kannst dich nicht ewig vor deinen Gefühlen verstecken.“, wisperte ich. „Und wer sagt, dass meine Gefühle dich zu interessieren haben?“ Er sprach mit seiner gewohnten, beherrschten Stimmlage, die mir einen Schauer einjagte, nur leicht war der Geschmack von bitterer Ironie zu schmecken, mit der er seine Worte untermahlte und die wie ein Messerstoß wirkten. Gefährlich und präzise gesetzt, um zu verletzten. „Die Tatsache, dass du mein Freund bist.“
 

Einen Moment lang sah ich die Verwunderung in seinen Augen, die sich breit machte, diese leichte Fassungslosigkeit, die jeden von uns ergreift, wenn wir merken, dass wir nicht alleine sind, dass es Menschen gibt, die unter denselben Gefühlen zu leiden haben und sie mit uns teilen. Und es war der Moment, der mir ein sanftes Lächeln auf die Lippen zauberte und neue Tränen in mir aufkommen ließ.
 

„Mir fehlt sie genauso wie dir.“, hauchte ich leise, jeden Augenblick in der Angst er könnte mich wieder zurückweisen, in dem Glauben es so einfacher machen zu können, wenn er seine Gefühle wegsperrte, „Jedes Mal, wenn ich hierher komme, muss ich daran denken, wie sie sich mit dieser liebevollen Art um uns gekümmert hat, wie sich uns mit ihrem Lächeln begleitet hat und uns zusah, wenn wir ihre Wassermelonen gegessen haben und über uns gelacht hat, wenn uns gestritten haben. Jeden Moment wünschte ich, dass ich, wenn ich um die Ecke sehe, sie wieder sehen kann, wie sie auf uns wartet.
 

Und je mehr ich mir das wünsche, desto mehr wird mir diese Endgültigkeit klar, die ihr Tod mit sich bringt und ich wünsche mir nur umso mehr, dass sie wieder bei uns ist.“ Meine Tränen liefen mir in freien Bahnen über die Wangen, fielen auf den vereisten Boden und dort wo sie aufkamen, war es, als vertrieben sie das Eis, was zuvor noch den Boden bedeckt hatte. „Ich weiß also, was dieser Verlust für dich bedeutet, denn ich fühle es auch. Diese Leere, die ihr Tod für uns hinterlassen hat, aber… ebenso sind da auch die Erinnerungen, die sie uns dalässt und die nie schwinden werden.“
 

Obwohl er den Blick wieder abgewandt hatte, wusste ich, dass er mir zugehört hatte und ohne es zu sehen, wusste ich, dass er seine Augen geschlossen hielt, dass der Schmerz, den er die ganze Zeit weggeschlossen hatte, drohte ihn zu überwältigen und er alle Gewalt, die er in sich hatte, aufbrachte, um sich nicht davon überwältigen zu lassen. Auch wenn es ihm gelang seine Gefühle, die er durch diese Trauer in sich trug, nicht bewusst zum Ausdruck zu bringen, wie doch immer, so gelang es ihm nicht dieses leichte Schaudern seines Körpers zu unterdrücken, dass jeden einholt, wenn er merkt, dass er seinen Gefühlen nicht länger standhalten kann, ohne, dass es ihn noch weiter zerbricht.
 

„Warum..?“, seine leise Stimme durchbrach die Stille und ich hörte das unauffällige Zittern heraus, welches wahrscheinlich keinem anderen Shinigami aufgefallen wäre und, würde ich ihn nicht schon so ange kennen, nicht einmal mir, das zeigte, wie sehr er mit sich kämpfte, „Warum nur musste sie uns verlassen?“ Es war eine Frage auf die wir beide die Antwort wussten: sie war alt gewesen. Auch Shinigamis sind nicht unsterblich und wenn wir auch erheblich langsamer altern, so können auch wir dem Tod irgendwann nicht mehr entfliehen und müssen unsere letzte Reise antreten.
 

Doch Worte waren hierfür unnötig, denn diese Frage diente nicht einer Antwort. Sie diente dazu dem unendlichen Schmerz, der einen in seinen eisigen Fängen gefangen hält, wenn der Verlust eines Menschen diese tiefe Trauer im Herzen zurücklässt, wie es hier bei ihrem Haus war, einen kurzen Augenblick Ausdruck zu verleihen. Dem Schmerz über die Endgültigkeit des Todes.
 

Ich legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter und blinzelte die neuen Tränen weg, die abermals drohten über mich zu kommen und ebenso vorsichtig ergriff er die Hand und drehte sich langsam zu mir um; seine Augen, wie ein Spiegelbild der Meinen, beide aus Trauer erschaffen. Eine einzelne Träne stahl sich aus meinem Auge und er hob seine Hand, um sie mir sanft wegzuwischen, doch noch während der Bewegung hielt er inne und wir wussten beide, dass er mir diese Träne nicht wegwischen würde, ohne dass er seinen Gefühlen weiter auf diese Weie standhalten konnte.
 

Und ich verstand es. Ließ ihm seinen Schutzwall und genoß das beruhigende Gefühl der Wärme, als er mich vorsichtig in seine Arme nahm, während ich mich leicht gegen seine Schulter lehnte und meinen Tränen still freien Lauf ließ.
 

Und irgendwann gab es einen kurzen Moment, in welchem ich selbst eine Träne auf meiner Schulter spürte, die nicht von mir stammte und ich ein so tiefes Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen uns beiden spürte, wie selten. Wir waren in diesem Augenblick für den Anderen da, ließen ihn nicht alleine und teilten den Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen und spürten die sichere Umarmung des Anderen.
 

Ich weiß nicht wie lange wir dort saßen. Still, in einer nicht endenden Umarmung, doch irgendwann erhoben wir uns und ohne ein Wort zu sagen, nahm er meine Hand in die Seine. Wir gingen hinaus und verließen das verschneite Häuschen. Und noch während wir zurück gingen, begann der Schnee zu schmelzen und die Blumen, die in dieser eisigen Umarmung gefangen waren, als wollte der Winter sie nicht gehen lassen, kamen vorsichtig wieder zum Vorschein und öffneten ihre Blüten zur Sonne. Und es schien, als würde ihre Präsenz immer noch über diesem Häuschen wachen und sanft auf uns hinunterlächeln…
 

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Nach langer Zeit wieder ein kleiner One-Shot von mir. Viele private Sachen haben mich so sehr beschäftigt, dass mein Kopf keine Worte mehr formen konnte. Ich hoffe, dass er euch gefällt. Es ist weniger ein One-Shot, der das Thema der Romantik darstellt, sondern das Dasein für den jeweils Anderen und das gemeinsame Teilen von Leid.

Ich freue mich natürlich wieder sehr über eure konstruktive Kritik :)
 

Liebe Grüße,
 

eure Kirschrose ♠



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  leistillie
2010-10-11T13:44:48+00:00 11.10.2010 15:44
das war soo toll
ich bin echt gerührt!
du hast wirklich sehr bewegend geschrieben
ich glaube deswegen ist der OS so schön
lg leistillie
Von:  Carameldream
2010-07-19T09:38:13+00:00 19.07.2010 11:38
Sehr schöne OS (:
du hast alles sehr schön formuliert und es war an einer Stelle zu tränen rührend.
Mir hat sie sehr gut gefallen, auch wenn ich mir so einen Toshiro nicht vorstellen kann xD

LG Ale


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