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Dear Boss- Die Geschichte von Frederick Abberline

von

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Annie Chapman

Die Ermittlungen waren in vollem Gange, doch stand noch immer Ratlosigkeit an der Tagesordnung und es machte mich wahnsinnig, nicht zu wissen wer hinter diesem grausamen Mord steckte. Doch es sollte nicht der erste und letzte Mord sein. Am Morgen des 8. September 1888 klopfte es wie beim ersten Mord an meiner Tür. Es konnte nur Godley sein, also erhob ich mich schlaftrunken von dem kleinen Sofa und wankte auf die Türe zu. Mein Kopf hämmerte vom Absinth und Laudanum am Vorabend.

Als ich jedoch die Tür öffnete und Godley tatsächlich vor dieser stand, blickte er mich ernst an und musterte mich eine Weile. Als ich so an mir herunter sah, erkannte ich das ich wohl in der Nacht auf dem Sofa eingeschlafen sein musste, denn ich trug noch die Kleidung vom Vortag. Wiedem auch sei. Godley unterrichtete mich das eine Frauenleiche in irgendeinem Hinterhof von Whitechapel gefunden wurde.

Mit einem mal war ich schlagartig wach, machte mich kurz frisch und begleitete dann Godley auf ein weiteres mal nach Whitechapel.
 

Die Leiche lag in einem Hinterhof der Hanbury Street. Dieses mal schien sich der Ripper selbst übertroffen zu haben. Langsam und bedächtig näherte ich mich der Leiche und hielt ein Taschentuch vor meine Nase und Mund. Der Gestank war jetzt schon unerträglich gewesen und Fliegen surrten durch die Luft und ließen sich immer wieder auf der Leiche nieder.

Der Ripper war dieses mal mit äußerster Brutalität vorgegangen. Die Kehle der Frau war durchgeschnitten, doch nirgendwo an den Hauswänden waren Blutspritzer zu erkennen. Ein tiefer Schnitt der die Organe freilegte war am Bauch der Prostituierten zuerkennen. Die Organe waren über ihre rechte Schulter geworfen worden und ruhten neben ihrem Kopf.

Ich musste sehr an mich halten und drehte mich einmal kurz weg um durchatmen zu können. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte machte ich mich daran die Leiche zu untersuchen. Es wirkte als wäre sie wieder nur an diesem Ort abgelegt worden, denn nichts wies darauf hin das man sie an selber Stelle auch ermordet hatte.

Und dann, die Parallele zum ersten Opfer... unter dem Arm der Leiche entdeckte ich Traubenstiele.
 

„Wieder Traubenstiele. Aber warum?“ kam von Godley der vorsichtig über meine Schulter zu der Toten blickte.

Ein bekannter Geruch drang an meine Nase als ich mich über die Tote beugte. Ich schloss kurz die Augen konzentrierte mich auf den Duft, es dauerte einen Moment bis ich diesen erkannte. Behutsam führte ich meine Hand an ihre Lippen und wischte einen Tropfen an ihrer Lippe ab und roch an diesem.

„Absinth“ roch ich heraus doch da war noch eine andere Note in dem Geruch, eine mir wohlbekannte. Laudanum. Doch nur jemand der dies täglich zu sich nahm, konnte diesen Geruch erkennen. Sicher, Godley wusste von meinen Problemen, doch die umherstehenden Polizisten sollten davon nichts erfahren. Also warf ich Godley einen vielsagenden Blick zu, der wohl zu verstehen schien.
 

„Er wiegt die Frauen in falscher Sicherheit. Wer würde Trauben als Geschenk skeptisch betrachten. Ein reicher Mann kann wohlkaum gefährlich sein.“ kam es mir mit einem mal in den Sinn.

„Sie meinen er nutzt es als Lockmittel?“

„Exakt“

„Mistkerl“

„Dem kann ich nur zustimmen, Godley“
 

„Sir, wie Sie sicherlich schon erfahren haben, wurde heute in der Hanbury Street eine weitere Leiche gefunden. Wie ich durch sichere Quelle erfahren habe, handelte es sich bei der prostituierten um Annie Chapman. Sie wurde heute Morgen von zwei Arbeitern im Hinterhof des Arbeiterhauses gefunden.“ begann ich meinem Boss zu erzählen.
 

Charles Warren, der Polizeichef der Metropolitan Police London, und kein sehr angenehmer Zeitgenosse. Im Gegenteil.

Es war eine furchtbare Person, der ich nur zu gerne meine Meinung gegeigt hätte, doch verpackte ich diese immer höflich und geschickt in meinen Ausführungen über das Geschehene. Doch er hatte dem Haftbefehl der Nickles-Bande stattgegeben und sie waren frühen Mittag von Godley und ein paar Männer gefasst worden. Man würde sie zwar nur kurzweilig festhalten können, doch was es schon einmal ein Anfang.
 

„Und ... wer denken Sie steckt dahinter? Eine Rothaut.. oder ein Jude.. vielleicht?!“ platze es dem Polizeichef ohne weiteres heraus. Ja, die Gesellschaft war engstirnig, vor allem die Art der Gesellschaft in der sich Warren bewegtet.

„Bei allem Respekt, Sir, Aber ich halte es für unklug solche Vermutungen zu äußern, wenn sie nicht belegt werden können“ bat ich ihn. Wenn etwas dieser Art an die Öffentlichkeit gelangen würde, so wäre ein Aufstand in Whitechapel nicht mehr aufzuhalten gewesen. Denn in dieser Gegend gab es eine Menge Geschäfte die von jüdischen Mitbürgern mit jahrelanger harter Arbeit aufgebaut wurde.

„Ich bitte Sie Inspektor. Ihnen mögen, so manche Lösungen eines Falles im Traum einfallen, aber es geht hier um Tatsachen. Es wurden zwei Dirnen ermordet. Weisgott bin ich niemand der solche Dienstleistungen für gut heist, und je mehr Dirnen sterben umso besser. Doch kann dies nur das Werk eines Wahnsinnigen sein“ wetterte Warren weiter.

„Scharf beobachtet, Sir“

„Ich bin kein freund von Sarkasmus, Inspektor.“

„Das weis ich, Sir. Verzeihung. Aber es kommt nur jemand in Frage der sich mit der menschlichen Anatomie auskennt. Denn es wurde mit äußester Genauigkeit vorgegangen, das dies das Werk eines Chirurgen sein kann“

„Oder einem jüdischen Metzger, hieß es nicht das ein Stück Leder im Mund der Leiche gefunden wurde?“ kam wieder von Warren.
 

~Nur zu gerne würde ich Ihnen mit einem Stück Leder das Maul stopfen~ dachte ich bei mir und meine Lippen verzogen sich kurz zu einem Lächeln.

„Sir, dies war ein Hingespinst eines Journalisten der vor Ort war, und von Sergeant Godley sozusagen eine Bestätigung eines nicht vorhandenen Gegenstandes erschleichen wollte. Doch es wurde kein Lederstück gefunden, Sir. Lediglich Traubenstiele wurden wie auch bei der ersten Leiche gefunden.“

„Wer würde denn einer Hure Trauben schenken, die kosten ein Vermögen“

„Sehen Sie Sir. Es kann nur ein Bürger sein der vermögend ist und der über die nötigen Kenntnisse des menschlichen Körpers verfügt“

„Wollen Sie etwa damit sagen das es ein braver Bürger der Oberschicht ist?!“ nun wurde Warren laut. und Irgendwie genoss ich diesen Moment. Warren schien innerlich schon derart zu brodeln, das es nun endlich nach außen durchdrang.

Ich hatte mein Ziel erreicht, ich hatte ihn wieder einmal auf die Palme gebracht.
 

„Ein Bürger Londons, ein Engländer wäre wohlkaum im Stande zu solch einer Tat. DAS ist die Tat eines Monsters, eines Barbaren, nicht die eines Chirurgen oder eines reichen Bürgers“ donnerte er nun weiter.

„Nun gut, Sir, aber wir müssen bedenken das in Whitechapel der ideale Schauplatz für solch eine tat ist, und wir müssen die Wachen aufstocken.“

Warren hielt bei meinen Worten inne, doch lehnte er wie so oft ab.

„Das würde nur zu viel Aufsehen erregen. Wir möchten keine Panik erzeugen“

„Glauben Sie mir, es dauert nicht mehr lange, bis diese Panik durch unsere Machtlosigkeit ausbrechen wird, Guten Tag“

Ich erhob mich, nahm meinen Hut und meinen Mantel den ich sorgfältig über die Schulter legte.

„Inspektor. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, kümmern Sie sich um die Angelegenheiten die für Sie bestimmt sind“

knurrte Warren leise und verzog seine Augen zu Schlitzen.
 

Ich hatte beschlossen nichts mehr zu sagen, und den Triumph zu genießen, denn Warren fuhr nur aus der Haut wenn er sich unterlegen fühlte, und das fühlte er sich wohl in meiner Gegenwart ununterbrochen, denn aus irgendeinem mir unerkennbaren Grund fuhr er nur bei mir aus der Haut.
 

Am Abend hatte ich mich dazu entschlossen mich mit Mary Kelly zu treffen. Durch einen weiteren besuch in der Gerichtsmedizin, mit ihrem Magenschwachen Leichenbeschauer, hatte ich mich etwas verspätet, doch aus irgendeinem unerklärlichen Grund war ich erleichtert das Mary noch am verabredeten Ort auf mich wartete.

„Ma´am“ hauchte ich leise neigte den Kopf.

„Sie... haben Annie gefunden“ gab Mary mit belegter Stimme zurück. Sie musste geweint haben, denn im fahlen Licht der Straßenlaterne glänzte ihre Wange als würden noch immer Tränen über diese kullern.

„Ja, das ist richtig“

„Sie haben gesagt, das Sie uns helfen werden“

„Ma´am ich tue alles was in meiner Macht steht, und wir sind wieder ein ganzes Stück weiter in der Ermittlung“

„Wie viele von uns müssen noch sterben ehe wir hier raus geholt werden“
 

Meine Hände packten sie an der Schulter und ich sah sie eindringlich an. Mary schien kurz zusammen zu zucken, denn sie blickte mich erschrocken an. Kurz schloss ich meine Augen.

„Sie haben gesagt das Sie etwas unternehmen werden“ sagte sie noch einmal leise, aber nicht minder eindringlich. Und genau dieses Versprechen, und diese Machtlosigkeit machten mich wahnsinnig.

„Für den Moment kann ich nichts weiter tun als Ihnen und Ihren Freundinnen zu raten, das nächtliche Geschäft zu meiden, bis der Mörder gefasst ist. Sie Nickles-bande wurde verhaftet aber wir können sie wohl nicht länger als ein paar Tage festhalten.“

„Die Nickles-Bande ist gefasst worden? Wann?“

„Heute Mittag. Godley hatte dafür gesorgt, das Chief Warren dem ganzen stattgibt.“

„Aber, das heist wenn die Nickles es waren dann...“

„Es ist nicht sicher das es die Nickles- Brüder waren, noch ist garnichts sicher Mary. Ich bitte Sie einfach, sich für eine kurze Zeit aus dem Geschäft zurück zu ziehen“ unterbrach ich sie und blickte sie eindringlich an.

„Und wie soll ich das tun? Ich habe kein Geld, kein Dach über dem Kopf.“

Auf dieses Gespräch war ich vorbereitet, Ich zog meine Geldbörse aus der Manteltasche und drückte ihr etwas Geld in die Hand.

„Kaufen Sie sich und ihren Freundinnen etwas zu Essen und mieten Sie sich in eine Wohnung ein. In ein paar Tagen werde ich im Ten Bells eine Nachricht für Sie hinterlassen. Sagen Sie niemandem wo Sie hingehen, mir auch nicht“ hauchte ich leise und Mary sah auf. Ich wusste nicht was in ihr vor sich ging. Sie schien nachdenklich gestimmt zu sein.

„Was ist mit Ihnen, reicht das Geld nicht aus?“ wollte ich dann wissen und sah mich kurz wieder um ehe ich dann wieder in ihre Augen sah.
 

„Doch das tut es, aber... wieso helfen Sie mir? Ich meine, das hat noch nie jemand für mich getan, ich weis garnicht wie ich mich bei ihnen Bedanken kann “

„Mary... befolgen Sie meinem Rat, das ist Dank genug.“
 

Mary nickte nur knapp und trat ein paar Schritte von mir zurück. Auch ich nickte ihr zu und verabschiedete mich. Ein längst vergessenes Gefühl stieg in mir auf. Ein Gefühl das ich seit dem Tod meiner geliebten Frau nicht mehr empfunden hatte, und doch wusste ich das es ein Fehler war... jedenfalls für diesen Moment.



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