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Die Sterne über Dalaran

World of Warcraft-Fanfiction
von

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4. Eiseskälte

Eiseskälte
 

Trotz der beissenden Kälte, die sie umgab, waren Schweisstropfen auf Imenias Stirn getreten, als sie in grösserer Hast wie sonst üblich die Beschwörungsformel für einen feurigen Ball gesprochen hatte. Der Zauber hatte dann auch weniger Durchschlagskraft als üblich, doch hatte es gereicht. Der Frostwyrm liess von seinem Opfer ab.

„Da kommt das Vieh“, rief sie. „Hammerschmied, macht euch bereit“. Leireth und Verian standen rechts und links neben ihr, hatten ein schützendes Schild um sie gehüllt, während sie begann, einen zweiten Zauber zu wirken. Sie sah nicht, wie Connell das Schwert aus der Scheide zog, sie hörte nur das metallische Geräusch, dass das Visier des schweren Plattenhelms machte, als Connell es mit einem „Aye, Ma'am“ zuklappte. Hätte sie hingesehen, hätte sie ein Grinsen auf seinen Lippen gesehen.

Das Brüllen, welches aus der frostigen, zerfallenen knochigen Schnauze des Wyrms kam, fuhr jedem durch Mark und Bein. Brionna wich einen Schritt zurück.

„Seid standhaft, Tallys“, rief Verian ihr zu.

Immer grösser wurde das angesammelte, fast schon flüssig anmutende Feuer zwischen Imenias Händen.

Der Frostwyrm hatte die Distanz zu dem Trupp zur Hälfte überwunden, als das untote Wesen abrupt bremste, sich in der Luft aufstellte. Imenia schien es fast schon, als würde es sich umblicken. Die Flügel des Frostwyrms bewegten sich in mächtigen Schwüngen, wirbelten Neuschnee in ihre Richtung. Die Schnauze des Wyrms stand weit offen.

Leireth legte die Hände auf die Ohren in der Erwartung eines neuen, durchdringenden Kreischens, doch nichts kam.

Einige elfische Atemzüge lang hielt sich das Tier in der Luft, und öffnete die Schnauze immer weiter. Imenia war es, als würde sich Magie im mächtigen Maul des Drachen sammeln, doch in diesem Moment wurden ihre Gedanken auch schon unterbrochen. Der Drache wandte den Kopf etwas ab von der Truppe und entliess einen wahren Sturm an frostigen Winden und Schnee aus seiner weit aufgerissenen Schnauze.

Imenia liess den Feuerzauber aus ihren Händen, lenkte ihn auf die massige Brust des Wyrms. Der Atem traf mit voller Wucht auf den Schildzauber. Verian und Leireth hatten Mühe, ihn aufrecht zu halten. Eisige Winde umhüllten sie, Schneegestöber behinderte ihre Sicht.

Imenia war es, als würde sie zu einem Eisklotz gefrieren, während sie die Hände hob, und den Schildzauber versuchte zu verstärken.
 

Zur selben Zeit, weiter östlich
 

„Sire, Sire“. Ivarsson zog hart an den Zügeln des Greifen, und mit einem Satz kam dieser zu Boden, schlitterte über die gefrorene Fläche und rammte fast einen Kanonier, der sofort anfing zu fluchen. Das kümmerte den Menschen nicht. Er sprang aus dem Sattel und eilte zu seinem Kommandanten, als ob ihm tausend Dämonen auf den Fersen wären.

Aus den Augenwinkeln sah er Duane, der ihn anstarrte, doch er hatte keine Zeit. Er kam bei Tyralion an. Dieser wollte ihn gerade anschnauzen, doch Ivarsson schnitt ihm sofort das Wort ab, obwohl er vor Anstrengung kaum Luft bekam.

„Sire..“ presste er hervor, „Elfen. Greifen.. Im.. Flugweg.. Frostwyrm.“ Tyralion starrte ihn an. „Sprecht deutlicher, Ivarsson“, blaffte er. „Die Greifen haben wir gesehen.“

Duane war mittlerweile zu ihm geeilt und drückte ihm einen Schlauch in die Hand, bereits geöffnet. Ivarsson nahm einen Schluck, dann versuchte er einen zusammenhängenden Satz zu bilden. „Da sind Greifen.. In der Flugbahn.. des Wyrms.. Er hat..“

„.. sie angegriffen?“, beendete Duane seinen Satz. Ivarsson nickte. „Voll abgedreht, Sire. Ich konnte nix machen.“

Er keuchte noch immer.

„Dreimal verfluchte Dämonenpforte“, donnerte Tyralion los. „Anfänger, Idioten, was hat sich die Feste dabei nur gedacht, solche Hohlköpfe..“

„Sire, Befehle?“ Duane fiel seinem Kommandanten ins Wort. Er wusste, täte er das nicht tun, würde die Tirade noch einige Minuten weitergehen. Kostbare Zeit, die sie nicht hatten.

Tyralion unterbrach den Monolog und starrte ihn an. Dann räusperte er sich.

„Ivarsson, ihr fliegt schnell zu ihnen, gebt ihnen Bescheid, dass sie sich verflucht noch eins herbewegen sollen, wenn ihnen ihr Leben lieb ist.“ befahl er dann geschäftsmässig. „Duane, schnapp' dir die Leuchtfeuerpistole und folg' ihm, lenk' das Mistvieh ab, und gefälligst hierher.“

„Aber Sire“, wagte Duane einzulenken.

„Widerspreche mir nicht! Sie wird dieses Mal nicht explodieren, das hat mir dieser Gnom dreimal versichert. Schnapp' dir die verdammte Pistole und lenk' den Wyrm zusammen mit Ivarsson hierher. Na los!“

„Ja, Sire!“ Die beiden Männer salutierten und eilten sofort zu ihren Greifen, um die Befehle auszuführen.
 

Zur gleichen Zeit, weiter südwestlich
 

„Ylaria, bring den Greifen sofort zu Boden, wenn du überleben willst“ - Daireans Worte hallten in ihrem Ohr nach. Der Greif war nach dessen Sprung einige Schrecksekunden lang zu Boden gesackt, ehe er sich hatte fangen können. Ylaria hatte sich nur mühselig festhalten können. Sie wollte dem Greifen schon den Befehl geben zu landen, als sie sah, wie der Frostwyrm sich auf etwas stürzte, was am Boden lag. Ein Greif. Ein leiser, spitzer Schrei des Entsetzens entfuhr ihrer Kehle, ehe ihr Verstand wieder die Oberhand gewann. Sie konnte jetzt nicht landen. Sie würde eine Ewigkeit brauchen, um zu Fuss zu den anderen zu kommen, geschweige davon, dass sie Lorethiel da unten im Stich lassen würde. Das konnte sie einfach nicht.

Sie gab dem Greifen das Zeichen, schneller zu fliegen, direkt auf den Frostwyrm zu, schlang die Zügel um den Sattelknauf.

Dann sprach sie hastig die Worte für einen Zauber.
 

Es war nur ein mickrig kleiner Zauber gewesen, den Imenia auf den Frostwyrm gewirkt hatte. Einige Salven reiner, purer Magie, ihre Spezialität. Es hatte sie fast zu viel Zeit gekostet, und sie sah, wie der Frostwyrm bereits vorher von Lorethiels Greif abliess, von irgendetwas getroffen wurde. In dem Moment liess sie die Salve los.

Der Frostwyrm entwickelte eine ungeahnte Geschwindigkeit und schon fast sah Ylaria die Geschosse ins Leere gehen, doch dann erwischten sie das untote Tier doch. Sie rissen ein Loch in die Seite des Frostwyrms. Ein Ruck fuhr durch das ekelerregende Wesen, Knochen barsten, untotes Fleisch wurde in Fetzen weg geschleudert. Der Drache hielt im Fluge inne und schwebte an Ort und Stelle. Fast schon dachte Ylaria, ein erneutes Kreischen würde ihre Ohren zum Klingeln bringen, doch nichts geschah.

Ylaria verlor keinen Augenblick mehr, ergriff wieder die Zügel und drückte die Haken mehr denn je in die Seite des Greifen, steuerte mit ihm Imenia und den Rest der Gefährten an. Sie musste ihnen zu Hilfe eilen. Nur gemeinsam waren sie stark.
 

Als der Greif an Geschwindigkeit gewann, trotz seines protestierenden Krächzen, rauschte Imenia die kalte Luft um die Ohren. Sie sah nur undeutlich, wie sich das Maul des Drachen immer weiter öffnete. Sie sah nur, wie der Körper des Tieres weiterhin offensichtlich nicht in ihre Richtung gewandt war.

Sie sah nicht, wie der Drache in dem Moment, indem er seinen frostigen Atem aus der Schnauze entliess, den Kopf zu einem Grossteil in ihre Richtung drehte.

Ihr Greif kreischte auf, als ihn der frostige Atem seitlich erwischte. Innerhalb weniger Atemzüge war dessen linke, dem Drachen zugewandte Seite, zu Eis gefroren. Den Flügel überzog ein feines Muster aus Eiskristallen. Ylaria schrie auf, liess sich etwas zur Seite fallen. Dennoch frass sich die Kälte sofort durch ihre Glieder, traf sie bis ins Mark, so schien es ihr.

Sofort verlor der Greif an Halt, und trudelte samt Reiterin ungebremst Richtung Boden, einem fallenden Eisklotz ähnlich.
 

Zur selben Zeit weiter nördlich
 

Tyballin hörte das Kreischen, bevor er den Frostwyrm sah. Ebenso die fünf Hochelfen, die mit ihm flogen, auf ausgeruhten Greifen.

„Achtung“, rief er. „Da ist irgendwas“.

Sie waren die letzten zwei Tage durchgeflogen, und hatten vor zwei Stunden die Kristallschlucht im Norden der Drachenöde durchflogen. Er erwartete, die Reisegruppe jeden Moment anzutreffen, wenn sie – wie der Plan aussah – zeitig aufgebrochen waren. Wenn nicht, dann.. er wollte eigentlich gar nicht drüber nachdenken, was es bedeutete, wenn er Feuerblüte und den Rest des Trupps nicht antraf. < Dann beginnt wohl das grosse Suchen >, dachte er, während er nach dem Vergrösserungsrohr griff, das er in seinem Umhang verborgen hatte. Mit einer Hand hielt er weiterhin die Zügel, mit der anderen hob er es an ein Auge und blickte hindurch.

Was er sah, beunruhigte ihn. Ein Frostwyrm war nichts ungewöhnliches in der Drachenöde. Ein Frostwyrm, der abseits von der Front und der Feste von einem derart grossen Feuerball getroffen wurde, schon.

„Schneller“, rief er seinen Gefährten zu, und trieb seinem eigenen Greifen die Fersen in die Seiten. „Schneller, da unten ist etwas, wir..“ Als sein Auge endlich gefunden hatte, was er suchte, brach er den Satz mittendrin ab.

Er kniff die Augen zusammen, obwohl es nichts brachte. Er sah dadurch nicht klarer. Er sah nur, wie der Drache aufbäumte, nachdem er von dem Zauber getroffen worden war, und Kurs auf eine versammelte Gruppe Gestalten nahm, die er aus dieser Distanz nicht genau bestimmen konnte. Er zählte vier.. oder waren es fünf?

„Das könnten sie sein. Bereitet euch auf einen Kampf vor“, rief er den Hochelfen zu, und steckte das Fernrohr wieder ein.
 

Zur selben Zeit, weiter östlich
 

Die Kälte hatte ihnen nichts anhaben können. Zwar fröstelten sie, doch der magische Schild hatte das meiste abgehalten. Imenia meinte, etwas weiter südlich zu Boden fallen zu sehen, kümmerte sich in dem Moment aber schon wieder nicht mehr darum.

Der Frostwyrm war vor ihnen gelandet. Hammerschmied war einem Klauenhieb erstaunlich geschickt ausgewichen, den zweiten hatte er mit dem Schild abgefangen. Dabei war dieses zerbrochen. Hammerschmied warf es dem Frostwyrm an den Kopf und stiess einen grimmigen Schrei aus. Der dritte Klauenhieb verfehlte Hammerschmied, als Leireths Zauber den Frostwyrm mitten in die Brust traf, und diesen erneut schmerzerfüllt aufkreischen liess.

„Verian, versuch seinen Kopf zu treffen“, befahl Imenia, während sie versuchte, tief Luft zu holen. „Tallys, was TUT ihr da?“, schrie sie dann in die Richtung der Menschenfrau, die ihre Hände aneinander gedrückt hatte, und ängstlich blickte. Sie antwortete nichts, aber hob dann ihre Hände, die leicht golden schimmerten. Ihr Blick ruhte auf Hammerschmied.

Imenia verstärkte den Schild mit mehr Magie, und versuchte es vor Hammerschmied besonders stabil zu machen. Der Krieger stand auch im Schutzschild, doch natürlich war es nicht allmächtig. Das goldene Licht ging auf Hammerschmied über, und er lachte schallend, hieb mit dem Schwert nach dem Frostwyrm.

Imenia wog gerade ab, ob sie es wagen konnte, einen weiteren Zauber zu sprechen, als zwei Dinge auf einmal passierten.

„Brionna!“, brüllte Verian in Tallys' Richtung. „Bekämpft ihn mit eurem heiligen Licht“. Er hatte die Augen auf die Menschenfrau gerichtet, die ihn nur anstarrte. „Na macht schon! Das ist ein untotes Wesen. Tut es.“ Einen Atemzug lang reagierte sie nicht. Verian wollte schon dazu ansetzen, noch einmal etwas in ihre Richtung zu brüllen, als sie sich bewegte, zwei Schritt nach vorn trat, und dann erneut ein Gebet murmelte.

Im selben Moment landete ein Greif neben dem Trupp. Ein in Leder gehüllter Mensch sass darauf. „Helft mit“, japste er, holte Luft. „An der Front sin' Kanonen. Wir versuch'n das Ding wegzulocken. Geht in Deckung.“

Noch bevor Imenia etwas erwidern konnte, hörte sie einen dumpfen Knall, und sah ein leuchtendes Feuerwerk im Himmel explodieren.

„Du hast gut reden“, fuhr Leireth den Boten an. „Wir wissen nicht mal wo das ist.“

„Da lang“, deutete der Bote in die Richtung und hob dann sofort wieder ab.

Ein zweiter Knall dröhnte durch die Luft, und ein Feuerwerk explodierte in der Brust des Frostwyrms. Ein weiteres schrilles, fast schon schmerzerfülltes Kreischen waberte durch die Luft und hinterliess ein schrilles Klirren in Imenias Gehörgängen.

„Stirb, unheiliges Geschöpf“. Brionna hob beide Hände synchron, und ein #@*#er Strahl des goldenen Schimmern stob in schwindelerregender Geschwindigkeit auf den Frostwyrm zu, traf ihn mitten zwischen die 'Augen', nur Bruchteile nach der Explosion, die seinen Brustkorb zerrissen hatte. Hammerschmied hackte mit seinem Schwert nach der Klaue, die erneut auf ihn zugeschossen kam , und trennte einen Teil davon ab.

„Ja, weiter so“, stiess Imenia hervor, und begann dann wider besseren Wissens einen erneuten Zauber zu beschwören, um ihn dem Frostwyrm entgegen zu schleudern.

Das untote Tier entliess ein weiteres Kreischen, schlug mit den mächtigen Flügeln und machte einen Satz, um sich in die Lüfte zu erheben. Mit dem Schwanz wischte es über den Boden, und verpasste Hammerschmied einen mächtigen Hieb, der ihn einige Meter zur Seite war.

Als der Frostwyrm erneut das Maul öffnete, ohne zu kreischen, waren die drei Magier besser vorbereitet. Imenia brach die Beschwörung für den Zauber ab, und versuchte, so gut es ging, das Schutzschild zu stärken. „Deckung“, krächzte sie mit langsam heiser werdenden Stimme.

„Für das heilige Licht“, schallte es von Tallys.

Erneut brach ein eisiges Chaos über sie hinein, während der Frostwyrm sich ganz in die Lüfte erhob, und dazu überging, die Quelle der Explosion anzufliegen, sie in blinder Wut zu zerstören.
 

Zur selben Zeit, weiter östlich
 

„Frostwyrm nähert sich“, warnte einer der Wachposten. Die Kanoniere an der Front machten sich bereit. Die Zündstöcke, die sie schon die ganze Zeit gut gehütet hatten, wurden hervorgeholt.

„An die Arbeit Leute“, röhrte Tyralions Stimme trotz ihrer eigentlich hohen Stimmlage durch die Gegend. „Machen wir das Vieh zu gehacktem Untotenmist.“

Duane landete derweil direkt neben dem Lager, kurz darauf auch Ivarsson, der ihm wohl gefolgt war und dessen schneller Greif ihn fast aufgeholt hatte.

„Guter Schuss, Duane“, lachte der 'Wyrmköder', „Ich hätt's nicht besser gekonnt.“

„Danke“, grinste dieser.

„Quatscht nicht, geht in Deckung“, fuhr ein Soldat der Front die beiden Scherzkekse an.

Der Frostwyrm sah nur, wie die zwei Greifen landeten. In freudiger Erwartung der Beute, die ihn nun so lange genarrt hatte, fuhr er mir ausgestreckten Klauen voran aus der Luft nieder, um mit voller Wucht die kleine Zahl an Menschen zu töten, in der Luft zu zerreissen, und sich endlich zu rächen.
 

„FEUER“, gab Tyralion den Befehl. Sechs Kanoniere entzündeten die Lunten an ihren Harpunenkanonen.

Fast zeitgleich durchlöcherten die sechs Harpunen den sowieso schon arg zerfledderten und von den Zaubern und der Explosion in Mitleidenschaft gezogenen Körper des Frostwyrms, und kamen auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinaus. Der Frostwyrm wurde durch die Wucht der Harpunen zurückgeworfen, kreischte erneut schmerzerfüllt auf, und wollte sofort fliehen.

„Ziehen, ziehen.. LOS ZIEHT DAS MISTVIEH HERAN. Bodentruppen bereit machen“, schallten Tyralions Befehle durch den Trupp.

Sofort begannen die Kanoniere der Kanonen die Harpunen, die an langen Stahlketten befestigt waren, wieder einzuziehen, zusammen mit fleissigen Helfern.

Der Drache wurde an der Flucht gehindert, und die schweren Stahlketten zwangen ihn unweigerlich zu Boden.

„Erledigt ihn“, schrie Tyralion, und warf sich dann als allererstes auf den Frostwyrm, gefolgt von einer Handvoll seiner tüchtigen Soldaten, während der nachtelfische Priester 'Elunes Licht' auf den Wyrm warf.
 

Es dauerte kaum zwei Minuten, da war der Frostwyrm besiegt. Tyralion schlug ihm eigenhändig mit der schweren Stangenwaffe den Kopf vom untoten Körper. Der Körper zuckte noch etwas, doch hörte bald auf sich zu bewegen, ohne die leitende Energie des untoten Kopfes.

„Verbrennt das Vieh“, keuchte Tyralion, und rümpfte die Nase. Es war doch immer dasselbe mit diesen Frostviechern. Eklig rochen sie, und wenn man ihnen den Kopf vom Rumpf trennte, lebten sie immer noch weiter.

Das einzige, was man da tun konnte, war Feuer. Viel Feuer. Und das Lichtgefunkel von Priestern.

Rasch befestigten zwei seiner Soldaten eine Handvoll gnomischen Sprengstoff am Kopf und Körper des Frostwyrms. Dann gingen alle in Deckung.
 

Mit einem mächtigen 'Rums' explodierten die Überreste des Drachen in hunderte, tausende kleiner stinkenden Fetzen, die sich über die ganze Umgebung verteilten.
 


 

XXXX
 

Es dauerte nicht lange, und Dairean hatte gefunden, was er suchte. Neben einigen kleinen Rationen Lebensmittel grub er schliesslich einen rechteckigen, aus Holz gefertigten Kasten aus der vom Greifenkadaver begrabenen Satteltasche. Es hatte ihn fast seine gesamte übrige Kraft gekostet, den schweren toten Körper zur Seite zu hieven, doch mit nachdem er sich mit seinem ganzen Gewicht hinein gestemmt hatte, schaffte er es schliesslich.

Er gestattete sich einen kleinen Blick auf den Inhalt, der unscheinbar wie der Kasten selbst war. Ein fast schon verrosteter, dreckig wirkender Griff, der wohl einmal zu einem Schwert gehört hatte. Runen waren in den Stahl geprägt worden, die Dairean immer noch erkennen konnte.

Er klappte den Deckel zu, und hievte sich wieder hoch. Er konnte auch später noch einen Blick darauf werfen. Jetzt war es wichtig, dass er von hier wegkam.

Es dauerte viel zu lange, bis er die wenigen Meter zu Phönix gestapft war. Der Schnee schien an seinen Füssen absichtlich zu verklumpen, und ihn zu hindern. Keuchend kam er bei Phönix an. Eine Satteltasche war noch übrig geblieben – Dairean konnte nur hoffen, dass sie das enthielt, was er hoffte. Er machte sich keine Illusionen über den Verbleib seiner persönlichen Besitztümer, vor allem der Kommunikationsscheibe, aber er hoffte..

Noch während er nachdachte, die Hände in der Satteltasche vergraben, flatterte Phönix auf einmal mit den Flügeln und kreischte auf. Dairean drehte sich sofort um, nur um zusehen, wie der Frostwyrm sich plötzlich von der Stelle abgewandt hatte, auf die er stetig mit seinen Klauen eingedroschen hatte, nachdem er Lorethiel erfolgreich erwischt hatte.

Der Frostwyrm wandte sich in die Richtung von Ylaria!

„Närrin", fluchte Dairean leise und wandte sich wieder Phönix zu. „Still jetzt, wir verschwinden hier gleich." Seine Hand ertastete endlich, was er suchte, und schnell zog er den Beutel mit Blutdistelpulver aus dem Geheimfach in der Satteltasche.

Während er versuchte, mit zitternden Fingern den Beutel zu öffnen, drehte er sich wieder um. Der Frostwyrm war zu weit weg, um ihn und seinen Falken mit seinem Frostatem ernsthaft zu gefährden, doch spürte er den eiskalten Wind, der auch in seine Richtung flog, doch er ging nicht in Deckung. Es war nicht notwendig, und gerade zählte etwas anderes viel mehr.

Er strich sich zwei grosse Portionen Pulver ins Zahnfleisch und rieb es hinein. Die beissende schärfe des Pulvers trieb ihm Tränen in die Augen, aber gleichzeitig spürte er sofort, wie sich Wärme aus seinem Kiefer im ganzen Kopf verbreitet, wie sie weiter hinabfuhr, seinen Hals erfasste, und dann den Brustkorb. Ein leiser, zischender Laut entfuhr ihm, und er blinzelte, rieb sich die Stirn. Blinzelte noch einmal, und verschloss das Säckchen dann.
 

Der erste Schub wärmte seinen ganzen Körper. Der zweite Schub weckte ihn auf. Energie floss durch seinen ganzen Körper bis in jede Zehenspitze. Seine Handflächen kribbelten, und seine Nase hörte auf zu fliessen. Er blinzelte erneut, und hielt sich an Phönix' Sattel fest. Die Wirkung war fast zu überwältigend. Einen Moment befürchtete Dairean, zu viel genommen zu haben.

Sein Schwindel schwand, und auch die Kopfschmerzen, die ihn geplagt hatten. Stattdessen spürte er auf einmal seinen Magen knurren. Er grinste. Dann lachte er schallend.

Nein, es war nicht zu viel gewesen. Es war genau richtig gewesen.

Belebt mit neuer Energie stopfte er den Kasten mit dem Schwertgriff in eine der Satteltaschen, schloss sie und schwang sich leichtfüssig auf den Drachenfalken.

„Na dann wollen wir mal, Phönix." Er gab Phönix das Zeichen, sich in die Lüfte zu erheben, und der Drachenfalke antwortet mit einem leisen Laut der Zuneigung, ehe er einen Satz machte, und sich in die Lüfte erhob. Dairean blickte sich in der Umgebung um und versuchte sich zu orientieren. Er musste wissen, wohin er Phönix lenken sollte, um möglichst schnell in ein sicheres Gebiet zu kommen. Er machte sich keine Illusionen – der Drachenfalke war zwar kurzzeitig belebt davon, dass Dairean ihn wieder führte, aber das Tier musste ebenso erschöpft sein wie die Greifen. Er konnte nicht allzu weit reisen. Zumal er keinen Proviant dabei hatte, der für den Falken passend gewesen wäre. Er wagte es nicht, dem Drachenfalken vom Greifenkadaver Stücke abzuschneiden, dann er wusste nicht, wie viel Verseuchung der Frostwyrm hinterlassen hatte, als seine dreckigen Klauen die Seite des Greifen aufgerissen hatten.

Phönix schlug mehrmals mit den Flügeln, um an Höhe zu gewinnen, während Dairean sich weiter umschaute. Zu seiner Rechten sah er den Wyrmruhtempel, wie er sich elegant in die Höhe wand, selbst auf diese weite Distanz. In der Ferne nahm er die Bergketten wahr, die die Drachenöde östlich und nördlich eingrenzten. Er kniff die Augen zusammen.

Irgendwo hinter der Bergkette befand sich ein Lager der Verlassenen. Es lag sehr nahe. Allerdings kam er dabei der Feste ziemlich nahe, in der die 7. Legion stationiert war.

Er wand den Kopf herum, während er Phönix etwas nördlich fliegen liess. Im Westen erkannte er kaum etwas, was ihm einen Anhaltspunkt gegeben hätte. Dairean seufzte. Er wäre lieber gen Agmars Hammer geflogen, nicht zuletzt, weil er Orcs den Verlassenen eindeutig bevorzugte.

„Horde", murmelte er verächtlich, und liess Phönix weiterhin langsam über die Landschaft gleiten. Es wäre allerdings eine Wahl zwischen Dreck und Schlamm gewesen, beides etwa gleich schlimm. Er war sich nicht sicher, in welchem der beiden Stellungen der Horde er möglicherweise Kontakt nach Dalaran aufbauen konnte.

Sein Blick fing im Westen nur eine undurchdringliche, fast schon düster wirkende Wolke auf, die langsam in Nebel überging, und ihn immer noch nichts erkennen liess, weder das Gebirge, welches die Drachenöde von der Tausendwintersee abgrenzte, noch die Ausläufer der dunklen Feste des Lichkönigs, die sich im südlichsten Punkt des Eiskronengebirges in dessen Ausläufer gebohrt hatte, und deren dunkles Tor von Stellungen der Allianz und der Horde gleichermassen belagert wurde.

Er seufzte. Dann würde es also nach Osten gehen. Er drehte den Kopf wieder. Um das Verlassenenlager zu erreichen, musste er sich deutlich weiter südlicher ausrichten – es befand sich am südlichen Ende der Gebirgskette.

„Phönix, Süden", sagte er und zog an Phönix Zügeln. „Fliegen wir unserer Rettung entgegen."

Er grinste. Das Blut pochte in seinen Adern, er war erfüllt von einem Hochgefühl, welches er seit Tagen nicht mehr verspürt hatte.
 

Ylaria versuchte sich abzufangen, aber der eisig kalte Schmerz des frostigen Atems hatte sich so präsent in ihren Geist gefressen, dass sie es nicht schaffte, in der kurzen Zeit, ihn der sie und der Greif in die Tiefe trudelten und schliesslich hart auf den Boden aufschlugen. Dass der Greif ihren Sturz etwas abfederte, nützte auch nicht mehr viel. Sie kam mit dem Fuss zuerst auf. Das Gelenk verdrehte sich und sie stürzte zur Seite. Schmerz durchfuhr sie. Ein Knacksen eines Knochens zuckte ihr bis ins Rückenmark.

Sie schrie, fasste sich mit den Händen an ihr Bein, hielt es fest, versuchte den Schmerz zu stillen.

Der Greif zuckte noch ein paar Mal, ehe er schliesslich verendete.

Sie wünschte, ihr würde schwarz vor Augen werden, aber nichts geschah. Wie glühende Speere fuhr ihr der Schmerz weiterhin durch den ganzen Körper, trieb eiserne Spitzen in ihr Fleisch.

Sie versuchte sich etwas aufzurappeln, aber jede Bewegung schickte neue Stösse durch ihren rechten Unterschenkel. „Hilfe" entfuhr es ihr, doch niemand hörte sie. Niemand würde sie hören.

Das schrille Kreischen des Frostwyrms drang ein weiteres Mal durch ihren Körper, ein zweites und schliesslich ein drittes Mal. Nichts geschah. „Hilfe", wimmerte sie erneut. Zu leise, viel zu leise, so konnte das nicht.. Sie brauchte Hilfe..

Keuchend versuchte sie sich aufzusetzen, hielt inne und biss sich auf die Lippen, als erneut Schmerz durch ihren Körper schoss. Schlimmer als alles, was sie bisher gespürt hatte.

Sie wagte einen Blick und sah ihren Unterschenkel in einem unnatürlichen Winkel abstehen, sah ihren eigenen Knochen, der sich durch den Stoff gebohrt hatte.

Dann wurde ihr endlich schwarz vor den Augen.
 

Phönix flog einen weiten Halbkreis, um die Flugrichtung wie von Dairean befohlen gen Süden abzudrehen. Dairean schaute mehr zufällig als bewusst in die Richtung des Frostwyrms. Er nahm an, dass die Silberbundler längst alle tot waren, doch dem war offensichtlich nicht so. Der untote Drache war weitergeflogen, weiter östlich. Dairean wunderte sich nur einen kurzen Augenblick darüber. „Phönix, schneller", befahl er, und drehte den Kopf wieder. Dann fiel ihm etwas ins Auge. Ein Greif und eine ausgestreckte Gestalt lagen am Boden.

„Was bei allen.." Er zog an Phönix Zügeln, und der Drachenfalke protestierte leicht kreischend, als er innerhalb weniger Atemzüge ein zweites Mal die Flugrichtung wechseln musste. Dairean kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, wer dort lag. Aber eigentlich gab es keinen Zweifel.

Er hatte nicht mitbekommen, wie der eisige Atem des Frostwyrms Ylaria und ihren Greifen getroffen hatte, aber er konnte es sich denken.

Ein leichtes Grinsen überzog sein Gesicht. < Wunderbar, mehr Vorräte für mich. >, dachte er. „Und Futter für dich, Phönix. Schnell, die Zeit reicht noch, lass uns hin fliegen und zusammenraffen, was geht." Er tätschelte Phönix die Halskrause. Beim Wort „Futter", welches Dairean extra betonte, flatterte der Falke schneller mit den Flügeln. Phönix wusste, was das Wort bedeutete.
 

Nur wenige Momente später erreichten sie die Stelle. Dairean sprang geschmeidig aus dem Sattel. Sein Blick wanderte sofort zum Greifen, dessen halbe Seite dunkel gefärbt und mit Eiskristallen bedeckt war. Es gab keinen Zweifel, dass er fast noch im Flug erfroren war. Der Atem eines Wyrms hatte eine solche Wirkung.

Er griff in seine Satteltasche, aber fand den Dolch nicht, der sich immer darin befunden hatte. Leise fluchte er. Das hatte er nicht bedacht. In seiner Gier nach dem Pulver hatte er gar nicht geprüft, ob er noch Waffen besass.

„Drachenfalkenpisse", fluchte er, und stapfte ohne Waffe zu dem Greifenkadaver, um dessen Satteltaschen zu durchsuchen.

Lorethiels Leichnam lag jetzt viele Schneewehen weiter südwestlich .- er hätte ihn vorher um seine Waffen erleichtern sollen, denn nun war die Zeit zu knapp, um noch einmal zurückzufliegen. Es konnte nicht mehr lange dauern, und der Wyrm hätte entweder alle Anwesenden eliminiert, und würde sich auf die Suche nach ihm machen, oder die Kämpfer waren erfolgreich. Im letzten Falle würde auch nicht viel Zeit vergehen, ehe sie nach Ylaria, ihm oder Lorethiel suchten.

Ein leises Stöhnen drang an sein Ohr. Er fuhr herum. Ein schmerzerfülltes Wimmern kam von der Gestalt, die bisher leblos im Schnee gelegen hatte. Er hatte gemieden, sie anzusehen.

Ein erneutes Stöhnen, das in einem Keuchen endete.

Sie lebte noch?

Er liess ab von der Satteltasche, in die er gerade seine Hand hatte gleiten lassen, und überwand durch das Blutdistelpulver beflügelt die Distanz zu Ylaria, kniete sich neben ihr nieder.

Nur wenige Blicke genügten ihm, um zu sehen, dass sie ihr Bein stark verletzt hatte. Es war nicht der erste Knochenbruch, den er zu Gesicht bekam, aber es war definitiv einer von der übleren Sorte.

Phönix scharrte mit den Klauen im Schnee herum, und glitt langsam näher zu ihm.

„H.. hilf.. Hilfe." Ylaria schlug die Augen auf, und murmelte das Worte, ehe sie schluchzte und keuchte. Der Schmerz musste kaum aushaltbar sein.

Er stand auf und blickte auf sie nieder.

Sie erkannte ihn und riss die Augen auf, hob eine Hand, wie um ihn abzuwehren. Lächerlich. Als ob er ein Dämon oder so etwas war. „Da.. nicht.. was.. Hilfe.." murmelte sie schwach.

Phönix hielt sich dicht neben ihm in einem schwebenden Zustand. Er drehte sich weg von Ylaria und blickte den Drachenfalken an.
 

Er wusste, was er tun sollte. Er sollte Ylarias Greifen nach ihrem Schwert durchsuchen, die verbliebenen Rationen Proviant zu sich nehmen und für Phönix einen Brocken Fleisch aus dem Greifenkadaver hinaus schneiden. Dann sollte er sich auf Phönix schwingen und zusehen, dass er hier wegkam.

Er wusste, was er zu tun hatte. Und doch tat er es nicht.

Mit einem Seufzen drehte er sich wieder um und kniete sich erneut neben sie.
 

Brennender, glühender Schmerz durchzuckte sie, selbst als sie lag. Sie wimmerte nach Hilfe,und schwieg dann, öffnete die Augen. Bereits dachte sie, Schritte gehört zu haben, aber es war nicht möglich. Ihr Verstand gaukelte ihr in den letzten Momenten ihres Lebens Halluzinationen ein, so musste das sein.

Sagte man nicht immer, dass kurz vor dem Tod das gesamte Leben als Erinnerungsfolge vor dem Auge erschien? Eine richtige Lüge war das. Sie sah nichts, sie spürte nur diese brennenden Schmerzen.

Sie öffnete die Augen, als sich jemand neben ihr hinkniete und starrte ihn an. Starrte den an, den sie nicht sehen wollte. Nicht so. Nicht der. Der sollte sie nicht retten.

Nein, nein, wollte sie schreien, aber nur ein Krächzen kam aus ihrem Mund. Er erhob sich wieder. Nichts anderes hatte sie erwartet. Er würde sie hier liegen und sterbenlassen, nichts anderes hatte sie..

Als Dairean sich erneut neben sie hinkniete, und mit einer Hand ihren Knöchel packte, mit der anderen ihr Knie, wogte eine Welle von Schmerz über sie, die alle bisherigen Schmerzen in den Schatten stellten. Ein unangenehmes, hässliches knacksen fuhr durch ihren Körper, und sie schien fast zu spüren, wie ihr Knochen zurück ins Bein fuhr, dorthin, wo er hingehören sollte, wie sich die zackigen Stellen des Bruches ineinander fügten, wie wenn sie nicht mehr gebrochen wären. Sie spürte die Kälte nicht mehr, nur noch glühende Lava, so schien es ihr, die über ihr zusammen schwappte, und sie in einen Strudel mitriss. Sie schrie, als er ihr das Bein notdürftig richtete und etwas fest darum band. Als er sie auf den Drachenfalken lud, sank sie erneut in eine Ohnmacht.

Sie bekam nicht mit, wie Dairean Phönix' Zügel in die Hand nahm, und begann, durch den dichten tiefen Schnee zu stapfen, Phönix mit seiner lebenden Fracht in Bodennähe hinter sich herziehend.
 


 

XXXX
 

Imenia fror am ganzen Körper. Sie zitterte. „Nur einen Moment hinknien“, murmelte sie, und sank in die Knie, in den kalten Schnee. Sie war erschöpft. Zuviel Magie war durch sie hindurch geströmt, und bereits spürte sie, dass sie drohte, instabil zu werden. Magie war gefährlich, Magie war machtvoll. Zuviel Magie innerhalb kurzer Zeit – selbst von der reinen Leylinienmagie – war eine Gefahr für jeden Wirker.

Sie schloss die Augen und versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren, legte ihre Hände in den Schoss.

Nachdem der Frostwyrm von ihnen abgelassen hatte, war Brionna sofort zu Connell geeilt. Verian hatte den Schild weiter aufrecht behalten, während Leireth dem Wyrm einen weiteren Zauber hinterher geschleudert hatte.
 

Sie hörte ein Geräusch. Es hörte sich fast wie das Flattern von Flügeln an. Aber das konnte nicht sein. Ihre Greifen waren doch mit ihnen gelandet.

Ruckartig öffnete sie die Augen und stand auf. Nur wacklig kam sie auf die Beine, aber sie drehte sich sofort zu den Greifen um. Wenn die Tiere flüchten würden, dann wären sie hier verlo..
 

„Tarnel, Vyen, fliegt zur Unterstützung an die Front. Seht zu, dass ihr diesen Wyrm erledigt.“ Arkanist Melodir Tyballin rief die Befehle an seine Leute, woraufhin sich ein Elf und eine andere Elfe weiterflogen. „Der Rest bleibt hier!“

Die Flügelschläge waren von Tyballins Greifen gewesen! Imenia atmete auf und lächelte, während Tyballin seinen Greifen landen liess. Nur wenige Momente brauchte er, um die Distanz zu ihr zu überwinden, und ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. Die anderen Elfen sicherten sofort die Umgebung, auch wenn der Drache längst weg war, einer versuchte die scheu gewordenen Greifen zu beruhigen, ein anderer eilte zu Brionna und Connell, und versuchte zu helfen.

„Tyballin.. Ihr seid.. hier. Sehr gut“, brachte Imenia noch zustande, versuchte möglichst ruhig zu klingen.

„Imenia, verzeih, wir flogen so schnell wir konnten, als wir den Drachen gesehen haben“, seufzte Tyballin. Imenia gewann langsam etwas an Standfestigkeit.

„Gibt es Verletzte?“, fragte Tyballin.

„Ja.. es hat.. Hammerschmied erwischt. Tallys kümmert sich um ihn.“

Tyballin nickte. „Gut, wir schaffen ihn in die Feste der 7. Legion. Das sind zwar noch einige Stunden Flug, aber wenn er ordnungsgemäss versorgt wird, dürfte das möglich sein. Sonst bauen wir ihm einen Schlitten.“

Imenia klammerte sich an Tyballins Arm, der ihr auf der Schulter lag, und hielt sich fest.

„Dämmerpfeil.. Er.. war hinter uns. Und Silbersang mit dem.. Spion.“

„Also hatten wir Recht“, seufzte Tyballin. „Zum Glück hat euch unsere Nachricht rechtzeitig erreicht.“

„Mhm“, sagte Imenia.

„Wir reden später.“, entschied Tyballin und drehte sich etwas von ihr weg, um Befehle zu erteilen. Es dauerte nicht lange, da war der Mensch, der aus seiner Plattenrüstung geschält worden war, auf einen Greifen gesetzt worden. Er hatte zwar Verletzungen davongetragen, aber offensichtlich keine derart schweren, dass er nicht schon wieder grinsen konnte. Imenia hörte ihn sagen, dass es ein guter Kampf gewesen wäre. Brionna nahm wie selbstverständlich hinter ihm auf dem Greifen Platz. Tyballin befahl seinem Gefolge, den beiden zu folgen und sie bis zur Feste zu eskortieren. Die Silberbundler stiegen auf ihre Greifen und nahmen zusammen mit dem Greif von Brionna und Connell Kurs auf auf die Feste im Osten der Drachenöde.

Tyballin drehte sich zu Imenia, die mittlerweile zu ihrem Greif gegangen war, und sich mühsam auf dessen Sattel gehievt hatte.

„Wo hast du sie zuletzt gesehen?“ Er näherte sich Imenias Greif und nahm die Zügel in die Hand.

Imenia stockte einen Moment. „Hinter uns. Lorethiels Greif.. war langsamer, weil.. er überanstrengt war, glaube ich.“

„Und Silbersang?“

„Noch weiter hinten, glaub ich. Ihr Greif musste doppeltes Gepäck tragen. Ich weiss nicht.. Ich habe mich nicht umgeschaut.“ Imenia liess den Kopf hängen. Wie konnte sie das nicht wissen? Sie schämte sich. Sie war für ihre Leute verantwortlich gewesen, aber sie hatte es zugelassen, dass sowohl Lorethiel als auch Ylaria viele Meter hinter ihnen geflogen waren. Sie hatte angenommen, dass nichts geschehen konnte. „Es tut mir leid, ich sollte das wissen. Ich weiss auch nicht..“

„Und ob du das wissen solltest“, erwiderte Tyballin. „Warum hast du sie überhaupt so weit hinter dir fliegen lassen?“, wollte er wissen.

Verian trat neben Imenia. „Verzeihung, Arkanist. Wir hatten alle wenig Schlaf. Und wir haben alle Ylaria vertraut, dass sie jede Situation bewältigen kann.“

Tyballin brummte. „Das ist keine Antwort, aber lassen wir das vorerst und sehen zu, dass wir die anderen finden, und auch zur Feste schaffen. Inklusive dem Spion.“

„Ja, Sire“, salutierte Leireth, die hinzugetreten war, und eilte zu ihrem Greif.

Imenia wusste nicht, ob Leireths Geschwindigkeit daran lag, dass sie begierig war, den Spion zu erwischen, oder ob sie wirklich pflichtbewusst war. < Früher hätte ich gedacht, sie wäre zweiteres.. Heute.. bin ich mir nicht so sicher >, dachte sie und überhörte eine Frage von Tyballin

„Imenia?“, durchbrach der Arkanist ihre Gedanken.

„Eh.. ja..?“

Tyballin seufzte. „Konzentrier' dich noch einen Augenblick, ihr könnt heute Abend alle ausruhen. Himmelswispern, setzt euch auf euren Greif, na los.“

Verian salutierte, und eitle fort. Erst dann fixierte Tyballin Imenia mit seinem Blick. „Wo ist er?“

Imenia blickte zu Tyballin. Sie wusste, er meinte den Schwertgriff. „Dämmerpfeil hatte ihn“, sagte sie schliesslich. Vermutlich würde sie das ihren Rang kosten, aber sie hatte sich ihre Entscheidung gut überlegt. Tyballin blickte sie immer noch durchdringend an.

„Hör mir zu, wir hatten Kontakt zu..“

„Du kannst es mir nachher erklären, wenn wir das Artefakt wieder in unseren Händen haben. Ich gehe davon aus, dass du einen guten Grund hattest. Ich gehe davon aus.“ Er wandte sich von ihr ab, und stapfte zu seinem eigenen Greif, der aufgeregt mit den Flügeln schlug.

Seine letzten Worte enthielten eine offene Drohung. Imenia wusste, dass er ihr zuhören würde. Sie hoffte nur, dass er ihre Begründung auch akzeptieren würde. „Heiliges Licht sei mir gnädig“, seufzte sie.

Sie gab ihrem Greifen den Befehl, in die Luft abzuheben, und flog dann voran, ungefähr in die Richtung, in der sie Dämmerpfeil und Silbersang erwartete
 

Es dauerte nicht lang, da erblickte Verians scharfes Auge die Schneewehe, in der ein toter Greif lag. Daneben, nur wenige Meter entfernt, lag eine Gestalt, das Gesicht im Schnee. Imenia konnte in der Luft erkennen, dass der Greif tot sein musste – sein Brustkorb war aufgerissen, und Blut hatte den Schnee weitflächig gefärbt.

Sie liessen ihre Greifen landen.

Imenia hatte die Hoffnung gehabt, dass Lorethiel noch lebte, doch ihre Hoffnung zerstörte sich, als Tyballin die Finger an Lorethiels Hals legte und dann den Kopf schüttelte.

„Er ist tot.“, sagte er, und drehte den Körper des Elfen schliesslich herum.

„Möge die Sonne ihn auf seinem Weg begleiten“, murmelte Verian, und wandte sich etwas ab. Keiner von ihnen hatte Dämmerpfeil wirklich gekannt, aber jeder tote Silberbundler war ein herber Verlust.

Tyballin erhob sich wieder. „Wir nehmen ihn mit“, entschied er. „Himmelswispern, Himmelsflamme, nehmt aus meinem Gepäck die Seilrolle und bindet den Leichnam auf Feuerblütes Greif. Sie wird mit mir fliegen.“

Imenia war zu erschöpft um zu protestieren. Sie hatte sich dem Greifenkadaver genähert, und sich niedergekniet. Es war ihr egal, dass sie mit den Knien in blutgetränktem Schnee aufkam, sie wollte dies hier nur zu Ende führen. Den Kasten zu sich nehmen, aufsitzen, in die Feste fliegen und an ein Feuer sitzen. Nicht mehr. Ein Feuer erschien ihr in diesem Moment wie eine Verlockung, die ihresgleichen suchte. Sie fror, sie war müde, sie war erschöpft, die Versuchung der Magie brannte in ihren Adern.

Ihre Finger fuhren durch die eine Satteltasche und fanden.. nichts?

Sie erhob sich und suchte nach der zweiten Satteltasche, fand sie losgelöst vom Sattel am Boden liegend. Als ihre Hand hineinfuhr, und auch hier nichts fand, starrte sie eine Weile dumpf vor sich hin.

„Hast du den Griff?“, fragte Tyballin, der sich ihr genähert hatte.

Das konnte nicht sein. Sie hatte ihn doch.. „Nein, er ist.. weg.. wie.. kann das.. Ich habe ihn hier hinein getan, ganz sicher.. Ich..“

Tyballin trat einige Schritte näher an den Greif. „Hier sind Fussspuren“, sagte er ruhig und blickte dann in ihre Richtung.

Sie blickte zurück. Sie mussten sich nicht verständigen, um zu wissen, dass sie beide dieselbe Vermutung hatten.

„Sag den anderen vorerst nichts“, befahl Tyballin, und zerrte sie dann mit sich zu seinem Greifen.
 

Etwas später, viel weiter östlich
 

Phönix protestierte. Das zweite Mal in wenigen Minuten. Die Abstände zwischen den Flügelschlägen hatten sich immer weiter vergrössert.

Dairean seufzte. Der Drachenfalke war am Ende seiner Kräfte. Er wusste es, und er konnte es nun nicht mehr ignorieren.

Er sah sich um. Noch immer hatte er nicht gefunden, was er suchte.

Trotz der grossen Dosis Blutdistelpulver wurden seine Füsse langsam müde, als er durch den Schnee stapfte. Er wagte es nicht, zurückzublicken. Seit er sie auf den Drachenfalken geladen und sie darauf festgebunden hatte, so gut es ging, hatte sie keinen Ton mehr von sich gegeben.

Er blickte zurück zu ihr, nur um zu sehen, dass sie wohl noch immer ohne Bewusstsein war.

„Na komm Phönix.. Noch ein Stückchen.. Hier um den Felsen, es müsste hier..“

Er brach ab, denn vor ihm tat sich ein Abgrund auf. Nicht tief, vielleicht drei oder vier Meter, aber es war wie eine Schlucht, gehauen direkt aus dem steinernen Untergrund. Die Wände der Schlucht waren reiner Fels, so glatt, dass nicht einmal der Schnee daran haften blieb.

Dairean lächelte.

„Siehst du.. Da unten.. Wir müssen nur noch den Abstieg finden.“

Er zog Phönix mit sich, als er sich umdrehte und begann, der Schlucht zu seiner linken Seite zu folgen.

Wenn ihn nicht alles täuschte, würde dort ein Zugang hinab in die Schlucht führen. Er kniff die Augen zusammen, doch der grelle Schnee blendete ihn, so dass er nicht viel erkannte.

Er hoffte, es war noch so, wie er es damals vorgefunden hatte. Damals, vor wenigen Monaten, als er vom Schneesturm überrascht worden war. Er erinnerte sich ungern an die Stunden zurück, in denen er orientierungslos durch die unendlich wirkende Schneeödnis gestapft war, Phönix an den Zügeln hinter sich her führend, peitschende Winde, die ihm bis ins Mark fuhren. Er hatte gegen den Drang, sich in den Schnee zu legen, ankämpfen müssen, wusste er doch, dass dies für jeden den Tod war, der sich diesem Bedürfnis hingab.

Nach wenigen Minuten und einem weiteren protestierenden Kreischen von Phönix hatte er gefunden, was er suchte – ein Zugang.

Das Hinuntersteigen in die Schlucht war ein Krampf an sich. Phönix schwebte hinunter, doch er rutschte mehr, als er wirklich ging, und landete schliesslich unten Kopf voran im Schnee.

Fluchend erhob er sich wieder, und wischte sich den Schnee aus dem Gesicht.

Damals war es ihm nicht so gut gegangen. Er war hinuntergestürzt, denn er hatte den Abgrund nicht gesehen, der sich vor ihm abrupt aufgetan hatte. Der Schnee hatte seinen Sturz zwar abgefangen, aber seine Schulter ausgekugelt. Dennoch hatte ihm dieser Sturz damals das Leben gerettet, denn er war direkt vor einer kleinen Höhle gelandet, in die er sich geschleppt hatte.

Sie war nicht warm gewesen, sondern eiskalt, hatte nach verendenden Tierkadavern gestunken aber sie war wenigstens trocken gewesen, und zusammen mit Phönix hatte er ausgeharrt, bis der Sturm endlich vorbei gewesen war.
 

Und nun stapfte Dairean ein zweites Mal diese Schlucht entlang. Ylaria wimmerte leise, aber ein prüfender Blick von ihm verriet, dass sie immer noch nicht bei Bewusstsein war. Das war wohl auch besser so – er wollte sich gar nicht vorstellen, wie sehr sie schreien würde, wenn sie aufwachte.

Ein Felsen kam ihm bekannt vor, und nachdem sie eine leichte Kurve in der Schlucht hinter sich gebracht hatten, sah Dairean endlich den Zugang zur Höhle. Fast hätte er ihn übersehen, soviel Schnee war davor angehäuft, aber er fand sie.
 

Er schaufelte den Schnee vom Eingang weg und verfluchte die Ironie des Schicksals, die ihn ein zweites Mal in diese verlassene, elende Höhle geführt hatte. Er wollte nicht darüber nachdenken, warum das so war, denn das würde Fragen aufwerfen, denen er sich nicht stellen wollte.

„Ich hätte hier sowieso halten müssen, nicht wahr, Phönix“, sagte er zu dem Drachenfalken, als er das Tier in die Höhle hinein zerrte. Phönix wehrte sich natürlich, aber gab schliesslich nach, und flatterte durch den engen Zugang.

„Du bist nämlich müde. Sehr müde. Du hättest auch mich nicht die ganze Strecke tragen können, nicht wahr?“

Der Drachenfalke rollte sich auf dem Boden zusammen, und gab ab und zu Laute des Protests von sich, während Dairean Ylaria hinein trug, und sie auf den Boden legte.

Einzig ihren Kopf bettete er auf seinen Oberschenkel, ehe er seinen Umhang stärker um sich zog und sich an den kahlen Felsen lehnte.

„Nur ein paar Stunden ausruhen“, murmelte er. „Dann.. dann..“

Er beendete den Satz nicht, schloss die Augen.
 


 

XXXX
 



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