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All Your Other Ways

von

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- John -

John folgte verwundert dieser jungen Frau, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Plötzlich hatte sie da vor der Tür gestanden und ihn mit diesen unergründlichen, tiefbraunen Augen angesehen. Richtiggehend gemustert hatte sie ihn, so als ob sie ihn mit Blicken maß. Ein bisschen nervös hatte sie ihn schon gemacht, diese Frau, die sich ihm als Liz vorstellte. Und an ihrer Geschichte von einem Interview war auch etwas seltsam. Warum hatte sie so plötzlich das Interesse an der Band verloren?

John's Interesse hingegen war geweckt. Er folgte ihr in das Innere des Club und nahm auf einem Barhocker neben ihr Platz. Er musste zugeben, dass ihr Lächeln atemberaubend war, aber vielleicht fand er das auch nur, weil ihn schon lange keine Frau mehr so angelächelt hatte - als wollte sie ihn auf der Stelle flachlegen. Er schob diesen Gedanken schnell beiseite. Was immer diese Liz von ihm wollte, das war es ganz sicherlich nicht.

"Also... Johnny", begann sie und blickte ihn interessiert an. "Du bist Musiker, hm?" Sie musterte sein Outfit. "Ich muss sagen, ich bin überrascht."

Und ich auch, dachte John sich. Sie hielt ihn für einen Rocker! In diesem Aufzug! Was für eine unterhaltsame Wendung der Ereignisse.

"Ach", unterbrach sie sich dann selbst und deutete auf den Barkeeper, der schon zur Stelle war und mit treudoofen Augen zu ihnen hinüberblickte. Zum Dienen geschaffen. "Was möchtest du trinken? Mein Freund Bo hier-" Sie warf besagtem eines dieser Lächeln zu und sein Blick wurde sofort weich wie Butter, "bringt dir alles, was du willst."

Eigentlich hatte John überhaupt keine Lust mehr, noch etwas zu trinken, vor allem was den Alkohol anging, aber er wollte nicht, dass sie ihn für ein Weichei hielt und bestellte deshalb ein Bier. Cocktails, fand er, waren eher was für Mädchen. Dieser bunte Fruchtsaft-Mix konnte ihn absolut nicht locken. In Wahrheit aber bevorzugte er hin und wieder ein Gläschen Wein. Es ließ ihn nach einem anstrengenden Tag schneller einschlafen. Und heute Abend hätte er sich vermutlich auch eins gegönnt, wenn er nicht hier gelandet wäre. Wie auch immer er das angestellt hatte. Es war ihm noch immer schleierhaft.

"Liz", sagte er, nur um irgendetwas zu sagen, "ist eine Abkürzung für...?"

Sie verzog das Gesicht. Das Thema war wohl nicht eines ihrer liebsten. "Elizabeth", antwortete sie dann.

John betrachtete sie unauffällig. Wer war diese Frau? Mit der Queen hatte sie nicht viel gemein, außer vielleicht dem Namen. Und Liz passte wirklich besser zu ihr. Den Barkeeper hatte sie wohl schon um ihren Finger gewickelt, aber was wollte sie von ihm? Er beschloss, er herauszufinden. Langsam fing es an, interessant zu werden mit dieser schönen Unbekannten.

"Meine Eltern waren nicht besonders einfallsreich gewesen bei der Namenswahl", fügte sie dann mit schiefem Grinsen hinzu.

Was sollte er dann bloß sagen?, dachte John. Sein Name war auch nicht gerade ein Ausbund an Originalität.

"Und wie lange spielst du schon Gitarre?"

Mein Gott. Sie dachte wirklich, er wäre ein Musiker! Jemand, der eine eigene Band hatte und wahrscheinlich ständig auf Tour war. Herrje. Es war so komisch, dass er fast losgelacht hätte, aber er begnügte sich mit einem versteckten Grinsen.

"Ziemlich lange", antwortete er wahrheitsgemäß und in diesem Moment stellte Bo das Bier vor ihm ab. John nahm einen Schluck. "Mit elf habe ich angefangen."

Mit elf. Nachdem sein Vater sie verlassen und sich eine neue Familie gesucht hatte. Seine Mutter hatte damals gedacht, dass John ein neues Hobby gut täte und ihn zur Musikschule gesucht. Er hatte es mit Klavier, Saxophon - das er überhaupt nicht leiden konnte -, und Schlagzeug versucht, aber letztendlich war er bei der Gitarre gelandet. Ihre Töne, so fand er, klangen immer so melancholisch. Das hatte ihm damals gefallen. Bei jedem einzelnen dieser traurigen Akkorde stellte er sich vor, dass das ein kleines Stück aus seinem Inneren war, das an die Oberfläche gelangte und davonschwebte und ihn immer mehr und mehr heilen ließ. Natürlich waren seine Gedanken nicht genau diese gewesen, dafür war er noch viel zu klein, aber das Gitarrenspiel hatte ihn beruhigt und gleichzeitig hatte er das Gefühl gehabt, nicht vollkommen allein mit seiner Traurigkeit zu sein.

Letztendlich, dachte er sich nun, hätte er beim Schlagzeug bleiben sollen. Diese lauten, aggressiven Drums, das Immer-Draufhauen - das hatte er damals gebraucht. All seine Wut hätte er damit ausdrücken können. Aber da hatte er noch nicht gewusst, dass er wütend war. Erst später kam die Erkenntnis.

Liz stützte das Kinn in ihre Hand und sah ihn bewundernd an. "Wow", hauchte sie.

Und da traf John die Erkenntnis. Sie flirtete mit ihm! Und sie war verdammt gut.

Verflucht. Wieso war ihm das nicht schon früher aufgefallen? Lag es an seiner Müdigkeit, dem Alkohol, oder diesem seltsamen Tag? Oder war er einfach nur schon so total durch den Wind, dass er solche Avancen gar nicht mitbekam?!

"Sie... Du... schreibst gar nicht an einem Artikel, oder?", stellte er verdattert fest.

Sie lächelte, legte den Kopf schief und ihre braunen Augen ruhten geduldig auf ihm. "Ich dachte schon, du würdest nie darauf kommen", erklärte sie ihm schamlos in ihrer reizvollen Art.

John schluckte. Normalerweise waren die Frauen, mit denen er bis jetzt ausgegangen war, eher zurückhaltend und subtil gewesen. Diese hier war ganz anders. Das irritierte ihn.

"Was... warum wolltest du dann mit der Band sprechen?", wollte er wissen und schüttelte verwundert den Kopf. Oder wollte sie gar nicht...?

"Nein", lachte sie. "Eigentlich war ich auf der Suche nach dir." Das hatte er sich schon gedacht. Trotzdem konnte er es sich nicht erklären.

"Nach mir", sinnierte John zweifelnd und sah sie dann noch einmal prüfend von oben bis unten an. "Kennen wir uns etwa zufällig schon? ich kann mich nicht an dich erinnern... und... ich meine, ich würde mich bestimmt an dich erinnern, weil..."

Liz grinste. Es schien, sie verstand mehr, als er sagte. "Nein, ich denke nicht. Ich fand deinen Auftritt sehr interessant, das ist alles. Ich wollte dich mal persönlich kennen lernen."

John schwieg und schwenkte sein Bier in der Flasche hin und her.

Dann blickte er wieder auf. "Okay, dann... lernen wir uns kennen. Was machst du beruflich?"

"Journalistin", sagte sie. "Das hab ich ja schon gesagt. Und ich schreibe wirklich für den London Talk. Allerdings würde meine Chefin - in Fachsprache auch 'die alte Hexe' genannt-, niemals auch nur einen Gedanken daran verschwenden, etwas über Musik herauszubringen. Aber..." Ihre Augen nahmen einen Ausdruck von Fernweh an und glänzten sehnsüchtig, "ich hab nicht vor, ewig bei diesem Klatschmagazin zu bleiben. Mein Ziel ist die Times."

"Oh", sagte John, leicht beeindruckt, "das nenn ich mal sehr... ambitioniert."

Liz warf ihm einen skeptischen Blick zu, als wäre sie mit seiner Wortwahl nicht einverstanden. "Natürlich ist es nicht zu vergleichen mit einem Leben als Rockstar. Immer auf Achse, immer was zu tun", räumte sie dann ein.

John wusste nicht genau, ob sie das im negativen oder im positiven Sinne meinte, also antwortete er nicht darauf und zuckte nur gleichmütig mit den Schultern. Er hatte nicht die geringste Lust, sie aufzuklären, dass er "nur" Anwalt war und ein - ihrer Meinung nach wahrscheinlich - ziemlich langweiliges Leben führte. Er würde sie einfach in dem Glauben lassen, denn er rechnete sowieso nicht damit, sie nach dem heutigen Abend noch einmal wiederzusehen. Sie war so... extravagant. Allein schon ihr Aussehen bewies das.

Liz trug eine lange grau-braun-karrierte Tunikabluse und dazu eine enge Jeans mit grauen Stiefeln. Ihr Haar war von dieser honigblonden Farbe, gewellt, und hätte ihr fast das Aussehen eines engelsgleichen Wesens verleihen können, blitzten nicht dauernd kupferrote Strähnchen auf, die ihren braunen Augen schmeichelten. John seufzte. Dass sie schön war, konnte er nicht bestreiten. Im Gegensatz dazu fühlte er sich im Moment furchtbar unattraktiv mit seinem Anzug, den er nun schon seit mehr als zwölf Stunden am Leib trug und seinen ungekämmten Haaren. Eine Dusche könnte er auch gut vertragen - jedenfalls würde er sich danach erheblich besser fühlen.

"Hier ist es sehr laut", sagte John, um sie vom Thema abzulenken. Nicht, dass sie nach seine, Werdegang oder gar seiner Band fragte.

Liz nickte. "Ja. Ich glaube, dass ich sowieso nur die Hälfte verstehe von dem, was du sagst." Sie lachte kurz. "Wir könnten woanders hingehen?"

John dachte kurz nach. Er wollte nach Hause. Aber diese Frau reizte ihn. Wie alt sie wohl war? Auf jeden Fall jünger als er, das konnte er sehen. Und sie war auch kleiner. So eine zierliche Person, die anscheinend genug Energie für eine ganzen Mustangherde in sich trug. Wenn er sie so ansah, meldete sich irgendwo tief in seinem Gehirnwindungen sein Beschützerinstinkt, aber in ihren Augen konnte er sehen, dass sie alles andere als hilflos war. Sie war... ein reißender Fluss, der niemals still stand.

John hingegen würde sich möglicherweise mit einem See vergleichen. Ein perfekter Gegenpol...

Er schüttelte seine Gedanken ab und nickte. Hier im Club fühlte er dauernd Blicke auf sich ruhen, manche heimlich, manche stachen ihm regelrecht in den Rücken. Alles würde er tun, um endlich von hier zu verschwinden, und wenn er dabei auch noch eine attraktive Frau an seiner Seite hatte - umso besser!
 

Liz hatte ihre Strickjacke und Handtasche von der Garderobe geholt und lächelte ihm nun zu, während er am Ausgang auf sie wartete.

"Und was... wo möchtest du gerne hingehen?", fragte er sie ein wenig nervös. Ihm war noch immer schleierhaft, was sie von ihm wollen könnte. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass es kurz vor zwölf Uhr nachts war.

Liz warf ihm einen vielsagenden Blick zu. "Ehrlich gesagt... wie wär's mit..."

Sie kam im ziemlich nahe und John wäre gerne eine Schritt zurückgewichen, aber ihr Blick, der seien Augen gefangen hielt, hinderte ihn daran. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, lächelte geheimnisvoll und legte ihre Hände... auf seine Krawatte. Sie lockerte den Knoten, sodass sie nur lose an seinem Hals herunterging und schaute ihn ziemlich zufrieden an.

"Schon viel besser", nickte Liz und klopfte ihm dann mit der Handfläche sachte gegen die Brust. Aber sie machte keine Anstalten, sich wieder von ihm zu entfernen.

Viel zu dicht stand sie bei ihm, registrierte John. Und er merkte auch, wie sein Atem schneller wurde. Er roch, wie sie duftete. Irgendwie nach Shampoo und Parfum und noch... etwas anderem. Nach... Frische. Anders konnte er diesen Duft nicht benennen. Es raubte ihm fast den Verstand und er wagte es nicht, sich zu bewegen, andernfalls hätte er vermutlich irgendetwas Dummes getan. Etwas wirklich, wirklich... Unangemessenes.

Wie zum Beispiel...

Sie küsste ihn! Sie legte ihre Arme um seine Hals, drängte ihn gegen die Hauswand und presste ihren Körper an seinen und ihre Lippen gegen die seine.

Überrumpelt und verdattert ließ John es geschehen, am Rande seines Bewusstseins nahm er ihre Süße wahr, und nur zögerlich legte er seine Hände auf ihre Hüften. Eine Hand wanderte ihrem Rücken nach oben und er drückte sie enger an sich. Ihre Hände fuhren durch seine Haare, und dann drehte John sie herum, sodass sie nun zwischen dem Gebäude und ihm eingeengt wurde.

Sie wollte mit ihm spielen? Das konnte er auch.

"Wo wohnst du?", hauchte sie leise, als er ihren Hals liebkoste.

John wusste jetzt, was sie von ihm wollte – und soeben hatte er festgestellt, dass ihre Wünsche ganz offensichtlich identisch waren.

"Ein paar Blocks weiter", antwortete er ihr leise und ließ von ihr ab. Sie sahen sich lange in die Augen und Liz lächelte nicht mehr, sondern blickte ihn ernst an. Dann nahm er ihre Hand und führte sie mit sich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Monsterseifenblase
2011-05-25T22:12:48+00:00 26.05.2011 00:12
Olala.
Da weiß aber jemand was er will :D Aber angeblich soll das Leben ja einfach sein, wenn man weiß was man will. Ist bei mir momentan nicht so ganz der Fall...ich geistere immer nur so durch die Gegend und - ach keine Ahnung. Auch egal :D
Ich finds gut wie John dieses mal rüber gekommen ist, da war einfach ein bisschen mehr hinter. Was beide Charaktere noch einmal besonders gut definiert ist meiner Meinung nach das Ende des Kapitels, das sie ihn an die Hand nimmt und nicht anders herum. Das unterstreicht die Bilder, die du von ihnen geschaffen hast. Bin mal gespannt wie sich vor allem John entwickelt und worauf die Story im Ganzes so hinausläuft :) Vielleicht wird er ja selbstbewusster und übernimmt irgendwann mal mehr die Alternative in allen Dingen, weil er sich ja vor allem von anderen Leuten drängen lässt und auch zu Dingen, die er eigentlich will gedrängt werden muss (wie das mit dem Einspringen für den Gitarrenspieler). Einfach zwei wunderbar gegensätzliche Charaktere die da zueinander finden...aber pass auf das du dich nicht zu sehr da rein verrennst, dass sie immer das Gegenteil vom anderen darstellen. Eigentlich hab ich da bei dir zwar nicht die Befürchtung, aber so was habe ich schon einmal gelesen...das war ne FF die versuchen wollte die Beziehung die ganze Zeit über spannend zu beschreiben, in dem die Charaktere einfach immer und in jeder Hinsicht das Gegeneteil voneinander waren und hat damit irgendwie genau das Gegenteil erreicht. Ist nach einer Weile ein wenig langweilig geworden ;D
Also obacht :)

Stil wie immer. Wunderbar flüssig zu lesen. So viel dazu.

Und jetzt muss ich ins Bett. Bin wieder so spät dran *auf die Uhr schiel*. Ich sollte mir das abgewöhnen :)

Allerliebste Grüße,
Monsterseifenblase
FCY



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