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Riiiiiiiiiiing! Riiiiiiiiiiiing!
 

Ich hasste es, wenn ich im Treppenhaus war und hörte, dass mein Telefon klingelte. Ich wusste, dass ich unmöglich rechtzeitig reinkommen, die Katze vom raus rennen abhalten und ans Telefon kommen konnte, bevor dieses nervende Klingeln endete. Es nervte mich nur, weil ich nicht rangehen können würde. Ich mag es nicht, wenn man mich nicht erreicht, wenn man es versucht. Schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt, in dem sich so viel verändert hatte.
 

Ich stürmte hinein, schmiss die Einkaufstaschen auf den Flur, pflückte meinen Kater vom Boden auf, der sich geschickt an mir vorbei schleichen wollte, schmiss die Tür zu und erreichte das Telefon im letzten Augenblick. Ich sah die Nummer, es war meine Mutter. Sie fehlte mir so sehr.
 

„Hallo Mama!“, flötete ich in das Telefon und setzte mich, völlig außer Atem, auf den Sessel und schälte mich aus meiner Winterjacke.

„Hallo Mäuschen, ich wollte gerade auflegen.“, erklärte sie und ich hörte, wie sie lächelte.

„Ich war gerade Weihnachtsgeschenke holen und morgen geh ich zum Bahnhof und kaufe mein Ticket. Ich komme am Zweiundzwanzigsten, habe ich mir überlegt, zu deinem Geburtstag.“

„Deswegen rufe ich an. Wir dachten, dass du vielleicht nicht nach Hause kommst, sondern mit deinem Freund Weihnachten verbringst.“ Stimmt, ich hatte ihr noch nicht gesagt, dass Constantin mich verlassen hatte. Ich hatte es verdrängt, wollte mir die Vorfreude auf mein zu Hause nicht verderben lassen. „Wir wollen dieses Jahr verreisen zu Weihnachten, weißt du? Wir kommen doch nie weg…“
 

Autsch! Das konnte ich ja jetzt gebrauchen. Aber sie hatte Recht, sie kamen nie weg. Sie saßen immer fest und das war nicht fair. „Okay. Wo wollt ihr denn hin?“, fragte ich, bemüht, meine Enttäuschung nicht rausplatzen zu lassen.“ Und sie erzählte mir, dass sie nach Österreich fahren wollten und wie süß das Hotel sei, in dem sie schlafen würden. Ich gönnte es ihr und sie versprach mir, dass sie mich noch einmal anrufen würde, bevor sie los führen.
 

Als wir aufgelegt hatten, lehnte ich mich zurück und seufzte. Na das war ja wieder mal alles super gelaufen. Ich war erst diesen Sommer in die Stadt gekommen, ich studierte hier und hals über Kopf verliebte ich mich in Constantin. Meine Freunde zu Haus mochten ihn alle, aber ich versäumte, mir in dieser Stadt hier ein paar Freunde zu suchen. Und jetzt war nur noch eine Woche bis zum heiligen Abend und meine Freunde zu Haus hatten alle schon etwas vor. Ich sollte dieses Weihnachten wohl allein mit meiner Katze und dem Fernseher verbringen. Mir war zum Heulen.
 

Ich sammelte meine Einkaufstüten ein und machte mich daran, die Geschenke einzupacken. Meine besten Freundinnen und meine Eltern, für sie alle hatte ich perfekte Geschenke gefunden, um sie ihnen zum perfekten Wiedersehen unterm Baum zu überreichen. Nun würde ich ihre Geschenke unter meinen kleinen Plastikbaum legen und sie ihnen bei meinem nächsten Besuch zu Haus erst geben.
 

Meine Katze kuschelte sich auf meinen Schoß und versuchte das Geschenkband zu fangen. Während ich die Geschenke einpackte, dachte ich über die letzten Monate nach. Meine Freunde und meine Familie hatten mir so sehr gefehlt und ich war nicht sicher, wie ich das ausgerechnet zu Weihnachten aushalten sollte. Ich bin der totale Weihnachtsmensch. Ich meine das nicht im kitschigen Sinne, sondern im Sinne von: Ich bin gerne zu dieser Zeit mit meinen Liebsten zusammen und genieße das in vollen Zügen. Und dieses Jahr sollte ich das erste Mal allein sein.
 

Die Woche zum Heiligen Abend verging unheimlich schnell und ich hoffte einfach, dass die Feiertage genauso fix vorbei wären und bald Silvester sein würde, dass ich definitiv zu Haus mit meinen Freunden feiern würde. In der vergangenen Woche hatte ich viel mit ihnen telefoniert, aber ihnen nicht gesagt, dass ich allein sein würde. Ich hatte einfach gar nichts gesagt, wenn sie mir erzählten, dass sie ganz altmodisch mit ihren Eltern feiern würden und dass es für mich ja bestimmt ein Erlebnis sein würde, diese Tage in meiner neuen Heimat zu verbringen.
 

Am Vormittag folgte ich allen Traditionen, die ich von zu Haus gewohnt war, ich räumte die Wohnung auf, stellte meinen künstlichen Baum auf, schmückte ihn und legte die Geschenke für meine Freunde und Familie darunter.
 

Später ging ich raus, ich würde noch genug in meiner kleinen Bude versauern, so dachte ich. Ich ging im Schnee spazieren und gab mich meinem Weihnachtsblues hin. Ich war traurig und bereute meinen Irrglauben in Bezug auf Constantin, mit dem ich ein gemütliches Fest zu zweit genießen wollte. Ich war mir sicher, dass er nun doch mit seiner Familie Ski fahren war.
 

Als ich traurig und durchgefroren nach Haus ging, war es schon dunkel und ich wusste, dass die meisten gleich mit der Bescherung anfangen würden. Ich hatte mir vorgenommen, mich in meine Wanne zu kuscheln und den sechsten Teil meines Lieblingsromanes endlich zu lesen, ich hatte durch Constantin und das Studium bisher einfach noch nicht die Zeit gefunden gehabt.
 

Als ich aufschloss und mich bückte, um meine Katze vom Fluchtversuch abzuhalten, roch ich, dass jemand in meiner Wohnung gekocht hatte. Ich roch den Duft von Kerzen und hörte leise Musik. Vorsichtig schlich ich ins Wohnzimmer, ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit ihnen.
 

Auf meinem Sofa saßen meine beiden besten Freundinnen und lachten mich an.

„Ich habe gelesen, dass Constantin geblogt hat, dass er sich von dir getrennt hat und ich wusste, dass deine Eltern weg wollten. Also haben wir geplant, dich hier zu besuchen und mit dir den heiligen Abend zu verbringen!“, rief Anna aus und knuddelte mich durch.

„Süße, warum hast du denn nicht einfach mal was gesagt?“, auch Ewa drückte mich an sich und struwwelte mir durch das Haar.

„Ihr wart so voller Vorfreude auf eure Familienfeier! Das wollte ich euch nicht verderben.“, gab ich kleinlaut zu.

„Du dumme Nuss!“, riefen sie aus und drückten mich wieder an sich.
 

Es war nicht mein traditionelles Weihnachten, aber es war ein Weihnachtsfest. Ich war glücklich und vor Allem war ich einfach nicht allein. Ich bin so dankbar, dass ich solche Freunde habe und dass sie mir bewiesen haben, dass wahre Freundschaft auch über Distanz funktioniert!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Fray
2011-01-01T09:36:38+00:00 01.01.2011 10:36
Schön, dass die Geschichte so ein gutes Ende nimmt und der weibliche Hauptcharakter doch noch ein schönes Weihnachten mit ihren Freundinnen verbringen konnte.
Von:  Phase
2010-12-30T15:42:03+00:00 30.12.2010 16:42
Meiner Ansicht nach eine sehr schöne, weihnachtliche und einfühlsame Geschichte. Die Protagonistin verschafft sich bei mir sowieso schon Pluspunkte, dass sie sich selbst und ihre Bedürfnisse zurücknimmst und die Wünsche der anderen respektiert. Wirklich sehr schön! Umso schöner ist dann das Ende, wenn die Freundinnen gemeinsam Weihnachten verbringen, auch wenn es wohl ein wenig vorhersehbar war. ;)
Ansonsten sind mir ein paar kleine Logikfehler aufgefallen. Z.B. frage ich mich: Wie sind die Freundinnen eigentlich in die Wohnung hineingekommen?
Ansonsten wirklich eine sehr süße Weihnachtsgeschichte!

Liebe Grüße,
CaSi^^


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