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Feuer innen drin

Man braucht zwei Steine, um Feuer zu machen
von

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Man braucht zwei Steine

Feuer innen drin
 

Man könnte ebensogut Feuer im Schnee entzünden wie den Versuch machen, das Feuer der Liebe mit Worten zu löschen.

[William Shakespeare]
 


 

Seamus sah nur noch Schnee. Weiß, überall war es weiß, er fühlte sich wie blind. Seine Füße stolperten von Schneewehe zu Schneewehe, er fluchte nur noch in Gedanken, weil das kalte Zeug sonst nur wie feuchte Staubflocken in seinen Mund flogen.

Kalt. Ihm war so kalt. Sein Mantel war schon durchweicht gewesen, bevor diese Lawine von den Bäumen gekracht gekommen war. Wie hätte er auch ahnen können, dass er ihm Verbotenen Wald gelandet war?

Alles. Sah gleich aus.

Und dunkel wurde es auch so langsam.

Inzwischen torkelte Seamus eher, als dass er ging. Das Zeitgefühl hatte er schon vor einer halben Ewigkeit verloren, irgendwo auf dem Weg zwischen dem See und der Peitschenden Weide.

Der Wind zerrte an seinem Umhang, an seiner Kapuze. Die auch nicht mehr schützte als seine Haare.

Scheiße, es war so verdammt kalt.

Und wofür das Ganze? Um nicht im Schloss sein zu müssen, um nicht dort im warmen Gemeinschaftsraum, am prasselnden Kaminfeuer, im weichen Sessel sitzen zu müssen. Nur deswegen.

Nur ganz nebenbei lag es an Dean. Nur ganz nebenbei konnte er seinen besten Freund in letzter Zeit nicht mehr ertragen.

In letzter Zeit?

Untertrieben.

Manchmal fragte er sich, ob irgendjemand es auf ihn abgesehen hatte. Irgendjemand, Gott vielleicht oder das Schicksal oder die verdammten Schrumpfhörnigen Schnarchkackler.

Denn erstens: Seamus war… nicht gerade ein Riese. Gut, er gab es selbst zu, er war wirklich nicht groß, aber das war nie wirklich wichtig gewesen.

(Dean war groß.)

Zweitens: Er sprengte alles in die Luft. Ja, das hatte sich auch gebessert, aber erst vorgestern hatte er es wieder geschafft, sein Wachstumstrank (Achtung! Ironie!) war im einfach um die Ohren geflogen.

War ja ganz lustig gewesen. Demütigend, aber lustig.

Und Dean… na ja… Dean hatte ihn ausgelacht, über ihn mit ihm gelacht, wasauchimmer. Hatte gegrinst, breit und fast schon herausfordernd.

Ts.

Und drittens – und das war das wahre echte richtige Problem hier. Das war der Grund, warum er hier draußen war, im Schnee, irgendwo auf dem Gelände und er hatte keine Ahnung wo genau.

Denn drittens: war er sich ziemlich sicher, dass er angefangen hatte, Dean zu mögen. Also. Mögen mögen.

Das Mögen mit Herzklopfen und bescheuertem Grinsen. Das Mögen mit schlaflosen Nächten und wenn er dann mal schlief mit… tja.

Seamus strich sich mit dem Ärmel über die laufende, eingefrorene Nase, achtete nicht mehr auf seine Füße und schlug prompt der Länge nach in den Schnee.

Sehr kurz dachte er darüber nach, einfach liegen zu bleiben. Aber ganz so ver…rückt war er dann doch nicht.

Inzwischen war es einfach nur noch stockfinster. Blind war er also immer noch. Aber da, in der Ferne, war da nicht ein Licht? Hell und warm und versprechend. War da nicht ein Licht?

Hoffentlich kein Irrwicht, dachte Seamus. Hoffentlich.

Mit gezogenem Zauberstab – Lumos brachte bei dem Wetter auch nicht viel, nur ein Flackern im Schneetreiben – kämpfte er sich weiter. Weiter.
 

Es war kein Irrwicht. Obwohl das ja wohl zu seinem Glück gepasst hätte. Nicht?

Seamus’ Schritte gewannen wieder etwas hoffnungsvolle Kraft zurück, als er den schwarzen Türmen Hogwarts’ immer näher kam. Die schwarzen Türme mit den Fenstern, hell erleuchtet und sie zwinkerten ihm zu, lächelnd lockend.

Da konnte er nur zurücklächeln.

Ganz trocken fühlten seine Lippen sich an, trocken und rissig und blau. Sehr blau, violett sicherlich. Aber hey. Er konnte sie fühlen!

Er riss die Tür förmlich auf, die Wärme kam ihm entgegen wie ein Schwall heißes Wasser. Kurz stockte ihm der Atem vor so viel Angenehmlichkeit. Aber Seamus fing sich schnell wieder und hinter ihm fiel die Tür zu. Herrliches Geräusch.

„Wie siehst du denn aus?“ Der fetten Dame stand der Schock ins Gesicht geschrieben. Sie musterte ihn von oben. Bis unten und wieder zurück.

„Junger Mann. Wo kommst du denn her? Bei dem Wetter, also wirklich, da schickt man doch keine Eule vor die Tür…“

„Hornissenhonig“, murmelte Seamus.

„Fürchterlich“, entgegnete die fette Dame, ohne sich zu rühren. „Und den Boden tropfst du auch ganz voll.“

„Hornissenhonig“, wiederholte Seamus, er hatte jetzt wirklich keine Lust auf Diskussionen. Sein gesamter Tag war zum Wegwerfen gewesen.

Sein ganzes Leben… okay, jetzt wurde er melodramatisch, er brauchte sein Bett. Schnell. Und Essen, sein Magen knurrte schon seit Stunden.

„Ich hoffe für dich, dass du dir keine Lungenentzündung geholt hast. Madam Pomfrey wird dich das auf die Muggleweise auskurieren lassen. So eine Dummheit…“

„Lass mich einfach rein“, stöhnte Seamus. Seine Ohren tauten gerade auf, kein angenehmes Gefühl.

„Schon gut, schon gut.“ Das Bild schwang zur Seite. Während Seamus in den Gemeinschaftsraum kletterte, rief sie ihm noch hinterher, dass „ein bisschen Ingwerwurzel im Tee“ einer Erkältung vorbeuge.

Seamus nieste.

„Na, der Rat kommt n bisschen spät.“

Seamus zuckte zusammen. Bei Merlins Bart. Das hatte ihm noch gefehlt.

„Was ist n hier los?“

„Was hier los ist, fragt er“, wiederholte Ron, schlug ihm mit der flachen Hand kräftig auf den Rücken, es fegte Seamus fast von den Füßen.

Moment.

Ron?

Aber… wieso…?

„Was machst du denn hier?“ Wahrscheinlich sah er grade ziemlich bedröppelt aus der Wäsche.

„Nicht du“, verbesserte Parvati. „Sie sind alle da!“ Es war laut im Gemeinschaftsraum, unwahrscheinlich laut, er verstand sie kaum. Aber da war Ron Weasley und alle schienen eine riesige Party zu feiern. Mit Butterbier und Bergen von Essen, Seamus glaubte kurz, einen Hauselfen zwischen den ganzen Gryffindors umherhuschen zu sehen.

Da war Ron und alle feierten. Hermine und Harry konnten nicht weit sein. Wahrscheinlich da hinten, wo so viele standen, wo am lautesten gelacht, am lautesten gerufen wurde.

„Na, dann.“ Seamus grinste. Schief, weil ihm sein ganzes Gesicht vorkam wie eingefroren. „Willkommen, Mann!“

Ron lachte, drückte ihm mit einem „Siehst aus, als könnteste eins gebrauchen“ ein Butterbier in die Hand. Schon mit dem ersten Schluck schien wieder Wärme in seinen Körper zu fließen.

„Wo warst du denn? Haben Ewigkeiten gewartet, Dean wusste auch nichts.“

Dean.

Seamus verkniff sich das Zusammenzucken. Gerade so. Er zuckte mit den Schultern, nippte scheinbar gelangweilt an seinem Butterbier und sah sich um. Sein Herz spielte anscheinend Snape explodiert, so sehr. So sehr hämmerte es gegen seinen Brustkorb.

Verdammt, das musste aufhören.

„Spazieren.“

Es klang bescheuert. Selbst hier hörte man die Schreie des Windes, der gegen die Schlossmauern drückte, das Klatschen des Schnees an die Fenster.

„Spazieren?“ Ron runzelte die Stirn. „Bei dem We…“

„Ich geh mich umziehen“, Seamus ließ ihn einfach nicht ausreden. Das war nur die erste Frage und da wären mehr gekommen.

Da würden noch mehr kommen, wenn er sich nicht schnellstens aus dem Staub machte. Er spürte Rons verwunderte Blicke im Rücken, achtete nicht darauf. Im Schlafsaal war es ruhig, beinahe unheimlich still, Seamus konnte es im Moment nur recht sein.

Er hörte gedämpfte Stimmen, die zu ihm hoch drängten, hörte Lachen und Kichern und quietschende Schreie. Mit dem Umziehen ließ er sich Zeit, hängte die nassen Klamotten übermäßig ordentlich über den Bettrand, stand eine Weile lang einfach nur da. Und fragte sich, was er jetzt tun sollte.

Irgendwann jedoch ließ sich das Zurückkehren nicht mehr aufschieben, irgendwann ging er langsam, bedächtig, Schritt für Schritt die Treppe hinunter. Ganz selbstverständlich bekam er ein weiteres Butterbier, wurde zu Harry und Hermine und Ron gezogen, begrüßte alle. Musste sich nicht einmal zwingen zu lächeln, sich zu freuen. Gut, das war ihm noch nie schwer gefallen.

Trotzdem. War es so gut wie unmöglich, nicht in Deans Richtung zu schielen. Manchmal tat er es dann und sein Magen vollführte einen formvollendeten Salto. Oder auch mehrere.

Das muss aufhören, Seamus verfluchte sich selbst und sein doofes Gefühlsleben, weil er sich natürlich nicht ganz normal in jemanden verlieben konnte, der nicht gerade sein bester Freund war.

(Prinzipien, Seamus!)

Irgendwann spät in der Nacht wurden es immer weniger, es wurde leiser im Gemeinschaftsraum und irgendwann spät in der Nacht saßen nur noch Ron und Harry und Neville und Seamus und Dean vor dem Kaminfeuer in den großen, roten Sesseln. Selbst Hermine hatte sich verzogen, hatte sie allein gelassen.

Sie. Die Jungs, ganz wie früher. Komisches Gefühl. Ganz wie früher, obwohl doch alles alles anders war.

Das ganze Butterbier machte sich so langsam bemerkbar, machte wohlig warm und gut. Alles war gut irgendwie. Das hier war, was Seamus brauchte an Tagen, an denen er sich in den Schneesturm flüchten wollte. Oder es tatsächlich auch tat.

„Die hören da wirklich auf uns, die Auroren“, erzählte Harry. „Das ist… da sind Männer, die könnten unsere Väter sein und wir sind so was wie ihre… Chefs. Ziemlich komisch.“

„Ziemlich cool“, grinste Ron, grinste breit und ein bisschen dreckig.

„Warum bin ich nur in der Schule geblieben?“, seufzte Dean.

Sieh nicht zu ihm rüber, Seamus!

„Deine Mutter“, erinnerte Seamus ihn. „Schulabschluss, „Nur mit Zeichnen wird man nicht reich, Junge“ und so weiter.“

Dean grummelte etwas. Seamus war sich ziemlich sicher, dass er ein „Doch“ heraushören konnte, aber er ignorierte es. War besser so. Ignorieren war in letzter Zeit immer besser.

„Mütter haben keine Ahnung“, meinte Ron und schüttelte verstehend den Kopf. „Meine ist auch total ausgerastet. Aber was will sie tun, ich bin erwachsen.“

Harry begann zu lachen, die anderen stiegen ein. Es befreite. Es löste etwas in Seamus, das schon sehr lange in ihm drin gesteckt hatte, mit Ganzkörperklammerfluch.

„Wenn wir schon über erwachsen reden“, sagte Dean und irgendwie wusste Seamus, was jetzt kommen würde. Er wusste es einfach. Es war Deans Stimme, Deans Blick zu ihm hinüber, den er nur spüren konnte, denn er wollte ihn schließlich nicht beachten.

So schwer. So schwer.

„Was hast du eigentlich da draußen gemacht?“

Seamus zuckte mit den Schultern, wie schon einige Stunden zuvor. Und wie da sagte er nur „Spazieren“. Auch wenn er dieses Mal garantiert nicht so einfach würde flüchten können.

Bei Merlins Bart, was ist schon dabei?

Dean würde ihn nicht umbringen deswegen, niemand würde ihn umbringen deswegen. Der einzige, der Probleme damit hatte, war Seamus Finnigan. Weil er Prinzipien hatte, dumme Prinzipien, dass man sich nicht in beste Freunde verliebte. Konnte alles kaputt machen, wenn es schief ging.

Wenn.

Was war dabei?

„Spazieren?“, hakte Neville nach, klang so ungläubig wie Ron es gewesen war.

„Wer geht bei dem Wetter spazieren?“, fragte Harry.

„Ich“, antwortete Seamus schlicht. Sein Blick hing im Feuer, im flackernden, heißen Kaminfeuer. Aber es war Deans Blick, der ihm die Haut verbrannte.

Gott. Warum konnte das nicht aufhören. So kompliziert zu sein?

„Du weichst mir aus, oder?“

Die Frage stand ganz plötzlich im Raum. Es wurde ganz still, selbst die Flammen hörten mit dem Knistern auf. Nur das Heulen des Sturms erfüllte den Raum, wie eine böse Erinnerung.

„Ich glaub, ich geh ins Bett“, murmelte Neville und Harry und Ron folgten ihm, hoch in den Schlafsaal, ließen die zwei Freunde allein, die zwei besten Freunde.

(Verdammt. Was jetzt.)

„Stimmt also“, meinte Dean, klang verwirrt, wütend, klang verletzt. Seamus schloss die Augen, sein Herz schlug so schnell, so schnell, so schnell. Er öffnete sie erst wieder, als er Dean ansah.

Sofort wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Warum musste er auch so gut aussehen, so verdammt umwerfend, warum musste er auch so aussehen wie… Dean.

Sie schwiegen. Sie sahen sich an.

Der Schein des Feuers hing in Deans Haaren, ganz golden wurde seine Haut, ganz warm seine Augen. Seamus wollte ihn grade so gerne kü…

Er räusperte sich und stand auf, trat einen Schritt von Dean weg.

Warum konnte er das Denken nicht einfach abschalten? Dann wäre es einfacher, sich jetzt einfach umzudrehen und zu tun, was er wollte.

„Ach, verdammt…“ Und dann schaltete er das Denken wirklich ab, schaltete es ab und drehte sich um und… huch.

Und Dean küsste ihn. Huch.

So war das aber nicht geplant gewesen.

„Du bist ziemlich furchtbar, Seamus Finnigan“, nuschelte Dean gegen seine Lippen. Seamus vermutete, dass sein Herz stehen geblieben war. So schwindlig war ihm auf einmal.

Ja, schon klar.

„Weißt du, das geht voll gegen meine…“

„… gegen deine Prinzipien“, ergänzte Dean und rollte mit den Augen. Grinste. „Ich weiß. Weißt du, ich hätte das schon viel früher…“

„… viel früher machen sollen?“ Seamus hob eine Augenbraue und nickte. „Definitiv.“

Das Feuer brannte jetzt überall. Nicht nur da, im Kamin, wo es hingehörte. Sondern einfach in ihm drin, auf ihm drauf, um ihn herum.

War ganz gut so. Fühlte sich viel besser an, als Seamus erwartet hatte. Viel. Besser.

(Definitiv!)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Omama63
2010-12-22T17:20:43+00:00 22.12.2010 18:20
Ein super OS.
Hat mir gut gefallen.
Ich finde die Beiden passen super zusammen.
Von: Arcturus
2010-12-11T22:43:43+00:00 11.12.2010 23:43
> Statement Nr. 1: Eigentlich kann ich mit Slash in HP überhaupt nichts anfangen.

Ich schon. :D

> Statement Nr. 2: Omfg, das war ganz schön doll/arg/übelst/insert mehrere Synonyme here. Ich könnte mich ja glatt für die beiden erwärmen :) (Wie passend bei dem Titel :D)

Stimmt. :3

Ich find die Geschichte niedlich und ich mag deinen Schreibstil auch. An ein paar Stellen (die ich jetzt leider nicht bei der Hand habe ;__; ) überschlägt sich der Lesefluss ein bisschen, aber alles in allem passen die abgehackten Sätze und die Ein-Wort-Sätze gut.

Aber eine Frage hab ich: Kannst du bei der Quellenangabe zum Bild vielleicht den Künstler verlinken. Deviantart ist ja auch nur das Archiv, das hat die Urheberrechte nicht. :/

lg
NIX
Von:  Ur
2010-12-11T10:19:47+00:00 11.12.2010 11:19
Statement Nr. 1: Eigentlich kann ich mit Slash in HP überhaupt nichts anfangen.

Statement Nr. 2: Omfg, das war ganz schön doll/arg/übelst/insert mehrere Synonyme here. Ich könnte mich ja glatt für die beiden erwärmen :) (Wie passend bei dem Titel :D)

Ich glaube, ich hab es schon mal hier und da erwähnt, aber ich finde deinen Schreibstil erfrischend ... anders. Also, diese abgehackten Sätzchen hier und da, die Ein-Wort-Sätze usw. Das ist am Anfang ungewohnt, aber wenn man sich erstmal reingelesen hat, dann ist es ganz schön gut. Ich finds schön, wie du die beiden darstellst und Seamus mit all seinen Komplexen ("Mein Leben ist furchtbar.") ist herrlich.

Es hat viel Spaß gemacht das zu lesen <3


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