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Amor

Mikaru x Kei
von

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VIERTER AKT - AMOR

Weitere fünf Tage später betrat ich meine Wohnung, nachdem ich von der Probe kam. Und ich glaubte, durchdrehen zu müssen!

Amor war noch am selben Tag bei mir eingezogen und so schüchtern er sich auch anfangs präsentiert hatte, desto mehr zeigte er nun, wer der Boss im Haus war.

Ach ja, ich hatte gleich nach Ankunft in der Wohnung herausgefunden, dass es sich tatsächlich um einen Kater handelte. Ich musste ja wissen, ob der Name Amor zu ihm passte.

Und das tat er nach wie vor.
 

Wenn ich mich jetzt umsah, erkannte ich die Figuren, die verstreut auf dem Boden lagen, weil Amor sich gerne auf das Regal legte, das sie zuvor geziert hatten. Ich sah die zerfledderten Tapeten und auch mein Bett hatte Kratzspuren abbekommen. Und das nicht zu wenig. Und zwischen einem Haufen Federn, die mal irgendwann in meinem Kissen waren, lag der schwarze Kater, stand auf, als er mich erblickte und sah mich dann mit seinen Kulleraugen an, während er seinen Schwanz empor streckte und mit den Vorderpfoten auf meinem Kissen tretelte, die Krallen immer wieder in die Fasern grub und dann wieder losließ. Wieder und wieder.

Oh Mann... aber böse konnte ich ihm dann doch nicht sein.

„Na, hast nen schönen Tag gehabt?“, fragte ich seufzend, zog meine Schuhe aus und spazierte dann zu dem Bett, ließ mich darauf fallen und lauschte den Geschichten, die mir Amor über seinen spannenden Tag zumaunzte, während er aufgeregt um mich herum und über mich lief.
 

„Tja, meiner war nicht ganz so schön“, erklärte ich schließlich, nachdem er zur Ruhe gekommen war und sich neben meiner Brust hingelegt hatte.

„Ich hab Kei wieder so vermisst, weißt du?“

Doch Amor antwortete nicht, schnurrte nur wohlig, als ich ihm über sein Gesicht streichelte, drehte sich dann auf den Rücken, um mich dazu aufzufordern, ihm den Bauch zu kraulen, was ich selbstverständlich auch tat.

„Du vermisst ihn doch sicher auch, oder?“
 

Mann, seit wir Armor hierher gebracht haben, hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Und das, obwohl Kei mir zugesichert hatte, dass er uns beide besuchen würde! Aber nichts. Nichts.

Ich hätte ja auch angerufen. Aber so ganz ohne Handy sah’s eher schlecht aus. Und ob Kei in irgendeinem Social Network angemeldet war, wusste ich auch nicht.

Na ja... und ich wagte auch nicht, einfach wieder vor seiner Tür aufzukreuzen.

Schließlich hatte ER ja gesagt, er würde vorbei kommen und tat es nicht. Sicherlich hatte er seine Gründe für sein Verhalten. Und sollte der Grund sein, dass er mich nicht mehr sehen wollte, weil ihm dieser eine Kuss unangenehm war und er nicht wollte, dass ich dachte, dass da jetzt was läuft, wäre es wirklich unpassend, plötzlich vor seiner Tür zu stehen.

Aber vielleicht musste er auch einfach nur viel arbeiten?

Was arbeitete Kei überhaupt?
 

Wieder wurde mir eines bewusst: Ich wusste überhaupt nichts über ihn.

Es war, weiß Gott, keine neue Erkenntnis, aber anfangs hatte ich es auf die leichte Schulter genommen und mich nicht daran gestört. Doch jetzt taten sich Zweifel auf.

Hatte ich denn das Recht dazu, ihn zu vermissen oder gar, mich darüber zu ärgern, dass er sein Versprechen nicht einhielt?

Gab es irgendetwas zwischen uns, was ihn an mich band und verpflichtete, Wort zu halten? Irgendetwas, was über die eigene instinktive Moral hinaus ging?

Eigentlich nicht.
 

Aber ich war auch einfach niemand, der andere ausfragte, sondern lernte lieber aus Situationen, wenn jemand etwas aus dem Leben erzählte und entscheidende Informationen damit mit einfließen ließ.

Aber war das etwas Schlechtes? Zeigte das etwas Desinteresse? Wenn man jemanden so nahm und mochte, wie er war und sich gab, ohne steckbriefartig mit Informationen versorgt zu sein?
 

Wie auch immer, jedenfalls hatte ich noch immer keine Ahnung, wie alt er war, ob er schon immer hier lebte oder neu hinzugezogen war, ob er Geschwister hatte, ob er arbeitete oder studierte,...
 

Ich ließ meinen Blick zum Kalender an der gegenüberliegenden Wand schweifen. Es war der 24. Dezember, Keis Geschenk war schon längst verpackt und wartete nur darauf, von ihm geöffnet zu werden. Ich war bis über beide Ohren verknallt und hatte mir längst ein wunderschönes Weihnachtsfest prophezeit und dennoch lag ich nun mit meinem Kater auf dem Bett in der unordentlichen Wohnung herum und Kei tauchte einfach nicht auf!

Obwohl es noch so Vieles gab, was ungeklärt war und dringend geklärt werden musste!
 

„Schau mich nicht so an! Ich hab keinen Korb, in den ich Kei stecken und mitnehmen kann! So einfach wie bei dir ist das nicht!“, erklärte ich aufgebracht meinem Kater, der mich mit vorwurfsvollem Blick musterte, bis ich ihn wieder zu kraulen begann.

Doch dann wand er sich unter meiner Hand, stand auf und stupste seine Nase gegen meine, schleckte darüber.

Wenn das jetzt Kei wäre, der hier neben ihm lag und einen Kuss gab....

Genau!

„Du hast es erfasst, Mann! Einfach aufstehen und was ändern!“

Amor war einfach der Größte!

Grinsend stand ich auf, wuschelte dem schwarzen Frechdachs über das Fell und begann dann, in Rekordzeit meine Wohnung aufzuräumen, mich zu duschen, wieder meine übertriebene Parfumdosis aufzulegen und mir die stylishsten Klamotten herauszusuchen, die mein Kleiderschrank hergab.

Und na ja... ein bisschen Make up legte ich auch auf, um meine Augenschatten zu überdecken und eventuelle kleine Rötungen.

Dann gab ich Amor sein Abendbrot, schnappte mir meinen Schlüssel und verließ dann eilig die Wohnung.

Wie ein Jogger an einer roten Ampel trippelte ich auf der Stelle, als ich auf meine U-Bahn wartete, die außerordentlich lange auf sich warten ließ, dann aber schließlich doch eintraf. Wobei mir die Fahrt ewig erschien und ich den Eindruck bekam, mir würde sich vor Aufregung gleich der Magen umdrehen.
 

Aber, was ich vorhatte, war richtig. Amor selbst hatte es mir nämlich empfohlen.
 

Und so gelangte ich nun endlich zu seinem Haus, sprintete der Nachbarin hinterher, die gerade durch die Haustür schlüpfte, rannte die Treppen in den dritten Flur empor und traf dieses Mal auch schon beim ersten Versuch die richtige Klingel. Und zwar im Dauerfeuer.

„Ist ja gut!“, bellte die mir nur allzu bekannte Stimme von innen entgegen, sodass ich nun die Klingel losließ und schließlich Kei gegenüber stand, der mich ebenso überrascht musterte wie ich ihn.

Die Haare standen in alle Richtungen ab, ein Pyjama zierte seinen Körper und er sah so verpennt aus, als hätte ich ihn gerade aus dem Bett geholt.

Aber Mann, es war gerade mal 22 Uhr!

„Mikaru!“, stieß er aus, fuhr sich durchs Haar, um es ein wenig zu Glätten.

„Was hast du denn da an der Lippe!?“, fragte ich, nahm diese genauer in Augenschein.

Gleich vier Stecker befanden sich nun an der Unterlippe, wo zuvor gewiss kein einziger war und er grinste verlegen, trat dann zur Seite, um mich eintreten zu lassen.

„Ich dachte mir, ein Tapetenwechsel wäre gar nicht schlecht...“, antwortete er schläfrig und schloss dann die Tür hinter mir.

Ich antwortete nicht, starrte einfach nur. Das sah echt cool aus. Noch cooler als vorher schon! Aber Kei konnte sowieso machen, was er wollte – er sah immer toll aus!

„Nicht so deins...?“, fragte er unsicher, strich sich wieder durchs Haar, während er mich unwohl musterte.

„Doch, doch! Hammer cool! Aber warum so plötzlich?“

Er wirkte erleichtert, zuckte mit den Schultern.

„Ich schätze, ich wollte einfach nur wahrgenommen werden.“

Okay, das verstand ich jetzt zwar nicht so ganz, fragte aber auch nicht weiter nach.

Nicht, dass er mich nachher noch für blöd hielt oder so.

Und außerdem würden wir bald ganz viel Zeit haben, um uns Löcher in den Bauch zu fragen, da war ich mir sicher. Ich hatte es im Gefühl.

Wieder blickte ich zu seiner Lippe. Natürlich waren die Piercings erst frisch gestochen, vielleicht gerade mal ein paar Tage alt. Und ich fragte mich, ob er damit küssen konnte oder ob ihm das mehr Schmerzen als Freude bereiten würde.

„Hab’s noch nicht ausprobiert... aber denke mal schon, dass das geht.“

Hä?

„Was?“

„Na, küssen!“

Einen Augenblick lang war ich einfach nur irritiert darüber, dass Kei scheinbar meine Gedanken lesen konnte, dann aber wurde mir klar, dass ich mir wieder einmal selbst einen Streich gespielt und meine heimlichen, unpassenden Gedanken laut geäußert hatte.

Doof von mir.

Aber ich wollte mir natürlich nicht Blöße geben. Ich räusperte mich, ging dann auf seine Worte ein.

„Na, das wäre ja auch ein Ding! Also... wenn du es schon ausprobiert hättest!“
 

Meine Alarmglocken läuteten lautstark, noch während ich diesen Satz aussprach.

Wie war das dnoch von wegen „Gab es irgendetwas, was ihn an mich band?“ Vom Regen in die Traufe. Oh Mann!

„Also... finde ich“, setzte ich dann kleinlaut hinzu, doch Kei schwieg, deutete mit einer Kopfbewegung in sein Wohnzimmer, ehe er den Weg dorthin einschlug.

Ich folgte ihm bis zu dem zerwühlten Bett, auf das er sich setzte. Heute sah es hier irgendwie unordentlich aus.

Und vom Mitbewohner auch keine Spur. Ebenso kein Futon.

„Hast heut sturmfrei?“, fragte ich beiläufig, um das unangenehme Schweigen zu überwinden, setzte mich dann neben den Blonden und betrachtete ihn dabei.

Mann, er sah echt aus wie ein waschechter Visual Kei Star!

„Jepp, wie jeden Dienstag. Und Sonntag und Montag“, lautete die Antwort, ehe wir uns wieder anschwiegen und ich mich ernsthaft fragte, warum er mich gar nicht fragte, was ich mitten in der Woche um diese Zeit bei ihm wollte.

Das wäre gleich meine erste Frage gewesen! Besonders dann, wenn mich mein Besuch aus dem Bett geklingelt hätte!

Aber gut, ob er nun wollte oder nicht – ich würde ihm sagen, was ich wollte!

Auch, wenn ich mir diese Begegnung ein wenig feuriger vorgestellt hatte.

„Kei! Ich muss mit dir reden! Ich bin echt sauer auf dich!“

Genau!

Doch statt ertappt oder gar entrüstet zu schauen, zeigte er nur ein kurzes schmerzhaftes Grinsen, sah mich dabei aber nicht an.

„Ich weiß schon... unsere Verabredung.“

„Ja, genau! Wo WARST du!? Amor und ich haben auf dich gewartet!“

„Du hast ihn Amor genannt?“, fragte Kei belustigt, was in diesem Augenblick so fehl am Platze erschien wie nie und ich musste mir unwillkürlich peinlich berührt auf die Lippe beißen. Der Punkt sollte eigentlich erst später kommen. Na ja, war jetzt auch nicht mehr zu ändern.

„Ganz genau und Amor schickt mich, um dich zu holen!“, erklärte ich dann und wieder lachte Kei leise auf, lehnte seinen Kopf dann so unvermittelt an meine Schulter, dass mir wieder einmal das Herz stehen blieb.

„Du bist so ein komischer Kauz. Aber so süß...“, nuschelte der Blonde, rückte näher an mich heran und etwas unbeholfen legte ich meinen Arm um seine schmale Schultern, hielt ihn fest.

Also war er doch nicht böse auf mich?

Komisch... die Situation im Flur und diese neue, die sich nun aufgetan hatte, wollten irgendwie nicht zusammen passen...

Aber wenn dies nun seiner wirklichen Empfindung entsprach, nahm ich gerne in Kauf, meine vorherige Vermutung zu negieren und Kei Zärtlichkeiten zurückzugeben.

Dieses Mal würde Amor nicht stören. Denn der befand sich in meiner Wohnung.

„Tut mir Leid, dass ich nicht da war. Aber zum einen hatte ich eine üble Kongolippe und wollte dir so nicht unter die Augen treten...“, begann Kei dann seine Erklärung, während er nach dem Saum meines T-Shirts griff, gedankenverloren damit herum spielte.

Boah, das war der Grund? Die geschwollene Lippe? Wer hatte das denn nicht nach dem Piercen? Und gerade, wenn man vier Stück auf einmal stechen ließ!

Und mir selbst hatte schon der eine Stecker zu schaffen gemacht!

„...zum anderen musste ich einiges überdenken...“

Ach Mann, das klang schon wieder so, als würde jetzt etwas Böses kommen. Das reinste Gefühlspotpourri! Zanken, lieb haben, zanken,...

Und aus genau diesem Grund wollte ich eigentlich auch gar nicht wissen, was der zweite Grund für unsere geplatzte Verabredung war. Das konnte ja einfach nichts Gutes bedeuten! Dennoch setzte Kei ungefragt mit seiner Erklärung fort.

„Ich meine, eigentlich sind wir doch Fremde, oder? Ich meine... wir sehen uns gerade zum dritten Mal!“

Und wenn schon. Drei ist mehr als eins.

„Nö“, antwortete ich daher prompt und voller Überzeugung. Ja, ich wusste nicht viel über ihn, aber was ich wusste, reichte mir aus, um sagen zu können, dass er kein Fremder für mich war, sondern der Mann, mit dem ich dieses Weihnachtsfest und viele viele andere danach verbringen wollte.

„Finde ich nicht.“

„Oh.... Na, wenn das so ist...“

Wieder lachte Kei leise auf.

„Na, ist doch so! Ist doch mega langweilig, wenn man schon alles vorher weiß!“

„Da hast du auch wieder Recht!“, stimmte mir der Blonde nun zu, blickte dann lächelnd zu mir auf und ich konnte gar nicht anders, als ihm mit meiner Hand durch das verstrubbelte Haar zu fahren und dann über die Wange.

Und wenn ich ihn mir so ansah, wie er mich anblickte und in meinem Arm lag, ging mir nur noch eines durch den Kopf, und zwar: Küssen! Sofort!
 

„Und das war jetzt alles? Dann vergiss es einfach... mach dir doch nicht so viele Gedanken. Immerhin... lernen wir uns doch gerade kennen und alles andere kommt von selbst“, beschwichtigte ich ihn deshalb, damit er sich ein wenig entspannte, ehe ich mich vorbeugte, bis sich unsere Lippen zum ersehnten Kuss trafen.
 

Ich will mit dir für immer leben,

wenigstens in dieser einen Nacht.

Lass uns jetzt beide keine Fragen stellen,

weil keine Antwort für uns passt.
 

Mit dir hab ich dieses Gefühl,

dass wir heut Nacht unsterblich sind.

Egal, was uns jetzt noch geschieht,

ich weiß, dass wir unsterblich sind.
 

Doch noch ehe der Kuss richtig begonnen hatte, beendete Kei ihn bereits wieder – obwohl er ihn eben noch ganz kurz erwidert hatte!

Er rückte von mir ab, starrte auf seine Hände.

„So einfach ist das aber nicht, Mika! Für dich vielleicht und für jeden anderen, aber nicht für mich! Nicht sofort und nicht, bevor ich nicht hundertprozentig weiß, auf wen oder was ich mich da einlasse!“

Was waren das denn jetzt für Töne?

Konnte er sich eigentlich auch entscheiden, was er nun wollte? Ob er ernste Gespräche führen oder mit mir zärtlich werden wollte?

Und gab es denn in diesem Punkt überhaupt einen Grund, sich entscheiden zu müssen?

Wo es sich doch gerade wieder so fantastisch angefühlt hatte?

Fragend blickte ich zu ihm, wenngleich mein Blick gegen eine unsichtbare Wand stieß und gar nicht beim Empfänger ankam.

„Und auch, ob ich dafür bereit bin, alles andere aufzugeben.“

Kei redete zwar viel, im Grunde hätte er mir das alles aber auch auf Chinesisch erklären können, ich verstand wieder einmal kein Wort.

Alles aufgeben? Sich auf etwas einlassen?

Hallo!? Ich wollte doch nur, dass er mich genauso mochte wie ich ihn und wir vielleicht, nein, hoffentlich!, eine Beziehung zueinander aufbauen konnten!

„Ähm... nur mal so zur Info, ich hab dich jetzt nicht zu einer Auswanderung auf Lebenszeit auf eine einsame Insel überredet!“, warf ich daher vorsichtig ein.

„Das ist mir auch klar!“, feuerte er mir seine Antwort mit solcher Schärfe entgegen, dass ich unwillkürlich zusammenfuhr.

„Obwohl der Vergleich gar nicht so verkehrt ist... es läuft ja doch aufs Gleiche hinaus.“

Der Blonde holte tief Luft, wandte sich dann wieder mir zu.

„Lange Rede, kurzer Sinn: ich hab dich angelogen, Mikaru. Ich habe gar keinen Mitbewohner! Und der Typ, der letztens hier war, ist mein Freund. Ich meine, mein richtiger Freund, Liebhaber, wie auch immer...“
 

Autsch.

Der Schlag in die Magenkuhle saß.

Kei war doch immer... für Überraschungen gut. Ich spürte, wie sich mein Körper versteifte, atmete tief ein und aus, um nicht Gefahr zu laufen, wegen eines Schrecks an Atemnot zu Grunde zu gehen.

Aber das konnte doch nicht wahr sein!

Wollte Kei mir jetzt damit sagen, dass ich aus seinem Leben verschwinden sollte?

Dass er vergeben war, damit konnte ich ja leben. Zumindest, solange wir noch in diesem Status waren und er den Lover verheimlichte oder halt schnellstmöglich abservierte. Denn das bedeutete dann immerhin, dass sein Interesse an mir größer war als das an dem anderen Spießer. Aber dass er es mir so direkt sagte... war schon krass. Und schmerzhaft.

„Mensch... da hat mich Amor wohl schon das zweite Mals aufs Glatteis geführt, was?“, fragte ich, versuchte, betont unbedarft zu klingen, hörte mein eigenes Lachen, das selbst in meinen Ohren hohl und falsch klang.

Soviel also zum Thema „besinnliches Weihnachtsfest mit dem Liebsten“. Aber immerhin war Amor noch da. Der würde mir schon Trost spenden und über die Enttäuschung hinweg helfen.
 

Und ich hatte noch vor einer Stunde gedacht, dass Kei sicherlich seine Gründe hatte! Mann! Und dann so was!

Konnte meine Intuition nicht einmal falsch sein?
 

„Wenn du das so siehst....“

Häh? Kei, du verwirrender Mensch!!

„Siehst du’s denn nicht so?“, hakte ich daraufhin verwundert nach. Auch, wenn ich enttäuscht und verletzt war, ich wollte es dennoch klären, wissen, was Kei zu sagen hatte und vor allem dann herausfinden, wie wir auseinander gingen. Vielleicht entwickelte es sich ja auch noch positiv für mich. Vielleicht musste ich nicht ganz und gar verschwinden, vielleicht konnte ich als Kumpel an seiner Seite bleiben.

Denn wir hatten ja nun wirklich viel Spaß miteinander gehabt in der kurzen Zeit!

„Ich will dir gegenüber mit offenen Karten spielen, deswegen hab ich’s dir erzählt... Es ist schon so, dass ich mich bei dir sehr wohl fühle. Frei fühle. Aber natürlich müssten wir unsere Treffen dann auf sonntags bis dienstags legen...“

MOMENT MAL!

Was war das denn für eine schräge Nummer!? Von Mittwoch bis Samstag hatte er seinen Freund und den Rest der Woche wollte er dann mit mir rummachen oder wie!?

Nee, also... bei aller Liebe. Das ging zu weit.

„Vergiss es.“

Ruckartig stand ich auf, steuerte den Flur an.

„Ich hab keinen Bock, nur eine Affäre zu sein.“

Und das war es, was ich Kei wert war? Einen Fick zum Wochenanfang!?
 

Kei folgte mir, überholte mich und blieb dann vor mir stehen, versperrte mir den weiteren Weg.

„Mikaru, so meinte ich das nicht!“

„Sondern?“, fragte ich, nun schon etwas gereizt.

Er seufzte auf, fixierte mich dann und es war nicht zu übersehen, wie schwer ihm die folgenden Worte fielen:

“Wenn es so einfach WÄRE, würde ich gar nicht zögern, mit ihm Schluss zu machen! Aber ich war bislang ganz zufrieden mit ihm... zumindest, bis du aufgetaucht bist. Und dann fing ich an, nachzudenken. Mich zu fragen, was nicht stimmte.“

Die Anspannung fiel von mir ab, als mir bewusst wurde, dass dieses Gespräch anscheinend nun doch noch zu meinen Gunsten verlief.

Wir kehrten zurück zu dem Bett, ließen uns wieder darauf nieder, während mir Kei im Monolog erklärte, dass sein derzeitiger Freund zwar okay war, ihn aber nicht glücklich machte. Dass sie kaum Gesprächsstoff fanden, um sich miteinander zu unterhalten, nicht zusammen lachten, sondern sich im Grunde nur diese Wohnung teilten und dann ab und an, wenn sein Freund dann mal Zeit hatte, in der Kiste landeten. Und dass er jetzt durch mich erkannt hatte, wie es anders laufen konnte.

„Und warum schießt du ihn denn nun nicht einfach ab?“

„Na ja... weißt du... das klingt jetzt blöd...“, antwortete der Blonde zögerlich, „Also es ist so: Wenn ich Schluss mache, sitze ich auf der Straße. Diese Wohnung hier gehört nämlich ihm. Habe natürlich in den letzten Tagen vermehrt nach Wohnungen in der Nähe gesucht. Aber die meisten bezahlbaren sind mega schnell vergriffen und ein Singlemann wie ich hat da ziemlich schlechte Karten... auch wegen meinem Aussehen und Einkommen und so...“gestand er dann, blickte mich entschuldigend an und dann fiel’s mir wie Schuppen vor die Augen.

Daher also der passende Vergleich mit der einsamen Insel.

Wenn er sich auf eine Beziehung mit mir einließ und diese nicht funktionierte und auseinander ging, noch ehe er eine eigene Wohnung gefunden hatte, war er quasi obdachlos. Oder nein, nicht obdachlos, weil ich ihn niemals auf die Straße setzen würde, aber zumindest wären wir dennoch ständig zusammen.

Und dass er DAS vermeiden wollte, war mir auch klar.

Und auch, dass er mich nicht sofort fragte, ob er bei mir einziehen könne.

Aber hey, wer das eine will, muss das andere mögen, richtig?

Und ich wollte Kei bei mir und vor allem für mich allein haben, nach wie vor.

„Worauf wartest du denn noch!? Pack deine sieben Sachen und zieh bei mir ein!“, schlug ich begeistert vor, Kei lächelte unsicher, seine Augen aber drückten etwas ganz anderes aus. Und wie er wollte!

„Na ja, aber was, wenn....“

„Was, wenn...; was, wenn... Denk doch nicht so viel! Meinetwegen können wir auch nen Untermietvertrag abschließen oder was auch immer. Und jetzt steh nicht so rum. Zieh dich an, los, los, los!“
 

Wir könnten auf 'ner vollen Fahrbahn steh’n,

auf einem Dachfirst balancieren.

Unsere Augen wären zu und wir zählten bis zehn,

es würde uns trotzdem nichts passieren.
 

Denn mit dir hab ich das Gefühl,

dass wir heut Nacht unsterblich sind.

Egal, was uns jetzt noch geschieht,

ich weiß, dass wir unsterblich sind.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rukki
2010-12-19T12:54:29+00:00 19.12.2010 13:54
Amor ist super gut getroffen :) Typisch katze halt und ich glaube jeder, der auch eine Katze hat, wird sein eigenes Tier darin wieder erkennen *lach*

Bei Kei ist man beim lesen hin und her gerisssen, ob er nun ein Arsch ist, oder doch ganz süß und lieb ^^
Aber da es sich recht schnell aufklärt, habe ich mich für "süß und lieb" entschieden XD
Wenn man es das erste Mal lies, fragt man sich zwar schon, was das denn bloß für Gründe sind, bei einem Mann zu bleiben, den man eigentlich gar nicht mehr mag aber, wenn man dann darüber nachdenkt, erscheint es logisch. Besonders, wenn man bedenkt, dass die Story in Tokyo spielt und nicht irgendwo in Deutschland, wo alles ein wenig einfacher ist ^^
Deshalb: Top Kapitel! ^^


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