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Unsterblich

My Immortal ~ Eternal Chronicles
von

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Feuer um Mitternacht

Die Pferde liefen allesamt mit gesenkten Köpfen und überraschenderweise sogar in Reih und Glied, obwohl jeder der Reiter die Zügel lediglich locker- oder sogar gar nicht hielt. Man hätte glauben können, dass diese Männer es schafften, allein durch den Druck, den ihre Unterschenkel oder Fersen ausübten, die Pferde im Griff zu halten, aber Yori saß für seinen Teil das allererste Mal auf einem solchen Tier und dennoch verhielt es sich genau wie alle anderen.

Vielleicht eine Art von Rudelverhalten, überlegte er. Wie nennt man das bei Pferden?

Eigentlich interessierte es ihn nicht wirklich, aber er musste sich irgendwie von dem Schwanken ablenken, das seinen Magen rebellieren ließ, obwohl sie lediglich im Schritt ritten.

Sie bewegten sich nicht aus Rücksicht auf ihn so langsam, sondern damit niemand verfrüht die ganze Kompanie an Soldaten bemerkte, die da gerade auf die Stadt zuritt. Sie waren nicht auf der Suche nach Leana, sondern nach dem Mädchen, das in der Ramenbude arbeitete, in der Yori oft aß, deswegen musste er diese Männer begleiten, um sicherzugehen, dass sie die richtige Person mit sich nahmen, denn Eos duldete in diesem Bereich keinen Fehlschlag, das hatte sie ihm eindrucksvoll deutlich gemacht. Er schauderte, als er an ihr verrückt grinsendes Gesicht und das aufgerissene goldene Auge dachte.

Aber es war nicht er gewesen, der dieses Mädchen, das genau wie die puppengroße Gestalt aussah, verraten hatte – es war Hyperion gewesen, der sich nun wieder an Leanas Fersen geheftet hatte.

Eos wollte zu Sonnenaufgang beide haben, das Mädchen und Leana.

Yori fand keinerlei Weg, das zu umgehen und deswegen gehorchte er. Zwar fürchtete er sich ein wenig davor, was Eos mit dem Mädchen aus der Ramenbude bezwecken wollte, aber insgeheim dachte er sich auch: Besser sie wird ein Opfer von Eos-sama als ich.

Es war kurz vor Mitternacht und entsprechend still lag die Stadt da. Es war ein guter Ort, an dem es nachts keine Gewalt auf den Straßen gab, keine Prostitution und auch kein Schwarzhandel. Sicherlich gab es diese in irgendwelchen verschlagenen Hinterhöfen oder finsteren Gebäuden, hinter verhangenen Fenster, aber nicht auf der Straße und das war die Hauptsache, alles andere interessierte immerhin niemanden und konnte auch nicht gänzlich unterbunden werden.

Zu diesem Zeitpunkt glaubte Yori noch, dass diese Stadt auch noch den neuen Morgen würde begrüßen können und die Bewohner glaubten es wohl ebenfalls, denn sie schienen allesamt friedlich zu schlafen, kein einziges Fenster öffnete sich, keine Gesichter erschienen hinter den Scheiben, um herauszufinden, welchen Aufruhr es dort draußen gab.

Als sie in Sichtweite der Ramenbude kamen, hielten die Pferde allesamt auf einen lautlosen Befehl an. Kalter Schweiß brach auf Yoris Stirn aus, als ihm wieder einfiel, dass er gar nicht wusste, wo das Mädchen lebte, immerhin war es nun viel zu spät für sie, um zu arbeiten. Aber keiner fragte ihn danach, stattdessen gab es einen weiteren Befehl und auf diesen saßen die Soldaten von ihren Pferden ab, als wären sie eine Einheit und schwärmten in die unterschiedlichen Stadtteile davon.

Yori, der genau wie Kobayashi auf seinem Pferd sitzengeblieben war, sah ihnen erst verwirrt hinterher, doch einsetzende Schreie verrieten ihm, was sie vorhatten.

Mit einem dumpfen Gefühl in der Brust, beobachtete er, wie die Soldaten tröpfchenweise wieder zurückkehrten, dabei trieben sie junge Mädchen, etwa in dem Alter der Bedienung in der Ramenbude, vor sich her. Aus den Seitenstraßen konnte er das wütende Schreien der Väter und das wehklagende Heulen der Mütter hören, doch es dauerte nicht lange, bis beides verstummte und er musste es nicht sehen, um zu wissen, dass die Eltern niedergeschlagen oder gar direkt getötet hatte.

Vielleicht hat man auch nur einen getötet, wisperte eine Stimme in seinem Inneren, und damit ein Exempel für die anderen statuiert.

Kobayashi stieg von seinem Pferd und sofort eilte ein Soldat herbei, der auch Yori beim Abstieg half.

Auf wackeligen Beinen, aber froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, folgte er dem General zu den Reihen der Mädchen. Sie waren gezwungen worden, sich hinzuknien, schluchzten lautlos, die Tränen liefen über ihre Gesichter, sie zitterten allesamt in ihren dünnen Nachthemden und Yori war sich nicht sicher, ob das an dem kühlen Wind, der Furcht oder beidem lag.

Es ist auch unwichtig.

„Ist sie dabei?“, fragte Kobayashi mit knurrender Stimme.

Jeder wusste, dass er eigentlich viel lieber weiter hinter Leana hergejagt hätte, aber stattdessen befahl Eos ihm, hier ein Mädchen zu suchen, Yori konnte durchaus verstehen, dass ihm das schlechte Laune bescherte, aber sie an ihm auszulassen, würde ohnehin nichts bringen.

Statt das jedoch zu sagen, ließ er seinen Blick über die Mädchen wandern. Sie wirkten allesamt generisch, mit ihren schwarzen Haaren, die sich höchstens durch die Länge oder einen etwas anderen Schnitt unterschieden. Er konnte nicht sagen, ob er einer davon schon einmal begegnet war oder nicht und fühlte bereits eine bitter-süße Mischung aus Erleichterung, dass sie nicht da war und dumpfer Erkenntnis darüber, dass er dann Eos' Zorn ausbaden müsste.

Doch da fiel trafen seine Augen auf die der Bedienung. Sie waren furchtsam geweitet und schienen damit noch größer als ohnehin schon, ihr lavendelfarbenes Haar hing ausnahmsweise ungebunden auf ihre Schultern hinab und flatterte, während sie immer wieder nervös den Kopf wandte, um sich umzusehen. Sie wusste ganz offensichtlich nicht, was eigentlich vor sich ging.

Als sie ihn erkannte, änderte sich ihr Blick zu einem flehenden, stummen Schrei nach Hilfe. Bei manchen Personen hätte das vielleicht sogar geholfen, doch sein Herz erweichte sie damit nicht, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass so viele andere Menschen nur wegen ihr im Moment leiden mussten.

Kobayashi musste auch gar nicht mehr fragen, er deutete Yoris auf ihr ruhenden Blick richtig und befahl seinen Soldaten lautstark, dieses Mädchen aus der Menge zu nehmen.

Niemand protestierte, als man sie unter den Armen packte und auf die Füße zurückriss, nicht einmal sie selbst, da sie anscheinend immer noch nicht verarbeiten konnte, was mit ihr geschehen würde.

Die Soldaten warfen sie in den mitgebrachten fensterlosen Gefängniswagen aus robustem Holz und verschlossen die Tür – und ihm selben Moment war auch jegliche Spur von Mitleid in Yoris Herz verschwunden. Er wandte sich Kobayashi zu. „Dann kehren wir jetzt zurück?“

„Noch nicht ganz, wir sind noch nicht fertig.“

Yori wollte gerade fragen, was er damit meinte, als der General sich von ihm abwandte, tief Luft holte und dann die Stimme erhob: „Weil ihr einer von Eos-dono gesuchten Person Unterschlupf gewährt habt, werde ich in ihrem Namen ein Urteil über euch vollstrecken!“

Seine volle Stimme hallte überraschend laut über den Platz und Yori hätte es nicht gewundert, wenn man selbst in jeder Straße deutlich seinen Worten lauschen könnte.

„Ihr sollt alle brennen!“

Im Gegensatz zu ihrer Bedeutung, schienen diese Wörter wie klirrende Eiszapfen für einen Moment unheilvoll über den Menschen zu verharren – nur um im nächsten Augenblick mit dem Hammer der Erkenntnis in sie geschlagen zu werden.

Wieder schallten aufgeregte Stimmen, gemischt mit nervösem Murmeln durch die ganze Stadt, lediglich unterbrochen von dem Geräusch splitternden Glases, wenn die Soldaten ohne jeden zweiten Gedanken Brandsätze durch die Fenster warfen.

Kobayashi kehrte zu seinem Pferd zurück, doch bevor er aufsteigen konnte, hielt Yori ihn noch einmal zurück.

„Was soll das?!“, verlangte er zu wissen. „Das war kein Auftrag von Eos-dono!“

Der General blickte ihn kühl an und gab sich keine Mühe zu verschleiern, wie wenig er von seinem Gegenüber hielt. „Ich habe mir das Recht herausgenommen, ihre Befehle frei zu interpretieren. Und jetzt kehren wir zurück, bevor wir vom Feuer eingeschlossen werden.“

Ohne Yori die Gelegenheit zu einem weiteren Widerspruch zu geben, setzte er sich bereits auf das Pferd und gab seinen Männern den Befehl zum Rückzug. In erstaunlich kurzer Zeit war die gesamte Stadt frei von Soldaten und lediglich Yori war zurückgeblieben, inmitten der eilig umherhastenden Stadtbewohner, die versuchten, von ihrer Stadt zu retten, was zu retten war.

Dumpf beobachtete er die Arbeiten, während er sich fragte, ob es Eos wohl stören würde, dass Kobayashi eine derartige Entscheidung getroffen hatte. Ihm wurde trotz der Hitze kalt, als ihm klar wurde, dass sie lediglich nicken würde, sobald sie davon erfuhr.

Irgendwo in der Stadt erklang plötzlich das Schlagen einer Glocke und verkündete, dass es Mitternacht war; ein neuer Tag war angebrochen.
 

Auch in der Stadt, in der sich Leanas Gruppe aufhielt schlug eine Glocke, weswegen sie überhaupt erst aufwachte. Es verwunderte sie ein wenig, eine Glocke zu hören, wenn sie auf ihrer Reise bislang noch keinen einzigen Kirchturm hatte sehen können, in der sich eine befinden könnte. Und sie erinnerte sich auch nicht daran, jemals in einer anderen japanisch anmutenden Welt eine solche gehört zu haben.

Aber es klang nicht wie eine Kirchenglocke, eher wie-

„Ein Feueralarm“, murmelte sie irritiert und stand auf.

In ihren Beinen gab es wieder mehr Leben als zuvor, weswegen sie dieses Mal auch ohne jede Stütze bis zum Fenster kam, wo sie den Vorhang aufzog.

Die Stadt brannte. Orange-rote Flammen schlugen aus zerstörten Fenstern und fassten gierig nach dem Holz der Häuser, der helle Schein vertrieb die Nacht teilweise und erlaubte es Leana, zu beobachten, wie die Menschen mit Eimerketten die Brände zu löschen versuchten.

Für einen Moment stand sie wie festgewurzelt am Fenster und starrte hinaus, überlegte, was wohl passiert sein mochte, während sie geschlafen hatte und hoffte, dass niemandem etwas passiert war.

Dann siegte ihr Helferwille und sie fuhr herum, um die Bürger trotz ihrer Verfassung beim Löschen zu unterstützen. Doch gerade als sie einen Schritt nach vorn tun wollte, hielt sie inne.

Vor ihr stand Hyperion, der sie stumm ansah, wieder einmal war keinerlei Leben in den blauen Augen zu erkennen. Diesmal trug er wieder seine Ninjatracht, die sein Gesicht verbarg, so dass er sie nicht direkt an Zetsu erinnerte, aber die Erinnerungen an ihre letzte und auch an ihre erste Begegnung, versetzten ihr Blut wieder in Aufwallung und ließ sämtliche Sehnsucht nach Zetsu wieder hervorbrechen. In diesem Moment hätte sie sogar – wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde – in Kauf genommen, dass die Splitter dafür leiden müssten.

Doch sie fing sich auch rasch wieder.

„Was willst du?“, fragte sie mit beherrschter Stimme.

Er antwortete nicht, aber etwas flackerte in seinen Augen, was sie korrekt als Dich erkannte. Automatisch griff sie an ihre Hüfte, stellte dann aber frustriert fest, dass man sie von ihrem Schwertgürtel befreit hatte und sie somit relativ schutzlos war.

Ganz so schnell aufgeben wollte sie allerdings nicht, weswegen sie wartete, bis er einen Schritt auf sie zumachte – und dann mit der Faust ausholte, um sie ihm direkt ins Gesicht zu schlagen.

Doch er durchschaute das offenbar und schaffte es mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit, seinen Arm um Leanas Hüfte zu schlingen und sie gleichzeitig in die andere Richtung zu drehen, so dass ihr Schlag direkt ins Leere ging. Danach umschlang er sie noch mit seinem anderen Arm, damit sie die ihren nicht mehr bewegen könnte, egal wie sehr sie sich zu wehren versuchte.

„D-das ist dein Werk“, keuchte sie, obwohl ihr aufgrund des von ihm ausgeübten Drucks buchstäblich die Luft wegblieb. „Nicht wahr?“

Er antwortete nicht, aber sie wertete dies als stumme Zustimmung und stöhnte innerlich. Nur wegen ihr hatte er eine ganze Stadt in Brand gesteckt, Menschenleben riskiert und so manchem die Heimat genommen, nur wegen ihr...

„Nein, das ist nicht wahr“, wisperte eine Stimme in ihren Gedanken, eine kalte, verbitterte Stimme, die ihr Angst machte und sie schaudern ließ. „Es ist nicht wegen dir. Es ist wegen ihnen, wegen anderen Menschen, anderen Eternal. Du solltest-“

Ehe die Stimme ihren Vorschlag unterbreiten konnte, brachte sie diese zum Verstimmen, indem sie ihre Gedanken von ihrem derzeit inaktiven Shinken abschirmte. Das letzte Mal, als sie diese Stimme gehört hatte, war ihr noch gut im Gedächtnis und sie wollte es nicht noch einmal erleben. Jedenfalls nicht hier und vor allem nicht in diesem Moment.

Im selben Moment verließ jegliche Kraft ihren Körper und sie wäre zu Boden gestürzt, wenn Hyperion sie nicht bereits festgehalten hätte.

Als er sich sicher wähnte, dass sie nicht mehr angreifen oder zu fliehen versuchen würde, warf er sie sich kurzerhand über die Schulter und setzte dann zum Rückzug an.

Sie schaffte es nicht einmal, den Kopf zu heben oder eines ihrer Gliedmaße zu bewegen und musste so ohnmächtig miterleben, wie er sie aus dem verlassenen, aber immerhin nicht brennenden, Gasthaus führte.

Kaum trat er ins Freie, wo die Luft von heißem, stickigem Rauch erfüllt war, begab er sich mühelos mit einem Sprung auf das Dach des Gasthauses. Der Qualm brannte in ihren Augen, so dass sie diese zusammenkniff – und dann Ayumu und Ylva zwischen den Helfern erkannte.

Ihr war bewusst, dass diese beiden ihre einzige Chance sein könnten, nicht entführt zu werden, weswegen sie ihre Lungen mit Luft füllte, auch wenn es sich anfühlte, als würde sie das Feuer selbst einatmen – und dann so laut es ihr möglich war, die Namen der beiden rief.

Tatsächlich drehten sich beide suchend nach der Stimme um. Erst Ylva, deren Ohren empfindlicher waren und dann Ayumu. Letzterer war es, der sie schließlich auch auf dem Dach entdeckte. Sie glaubte zu sehen, wie sein Gesicht rot vor Zorn wurde, aber sie schob es dennoch lediglich auf den Feuerschein, dann griff er an seinen Gürtel und warf etwas auf Hyperion. Während es näherkam, bemerkte sie, dass es sich dabei um zwei Wurfsterne handelte und hoffte, dass sie nicht getroffen werden würde.

Hyperion, der den beiden den Rücken zugewendet hatte, drehte nicht einmal den Kopf. Eine verschwommene Silhouette erschien zwischen ihm und den Wurfsternen, Leana konnte dennoch deutlich erkennen, dass es sich dabei um Nanashi handelte – und im nächsten Moment prallten die Wurfgeschosse bereits an ihm ab und flogen in zwei verschiedene Richtungen davon, wo sie inmitten der Flammen verschwanden.

Selbst auf die Entfernung war es ihr anhand von Ayumus abgehackten Bewegungen möglich, zu erkennen, dass er fluchte, ehe er erneut an seinen Gürtel griff.

Doch Hyperion ließ ihm keine Gelegenheit mehr zu seinem zweiten Angriff, denn plötzlich machte er einen weiteren Sprung – und im nächsten Moment kam es Leana so vor als befände sie sich in einem Spirit Corridor. Die bunten, flirrenden Farben um sie herum und das Gefühl, jeden Moment ersticken zu müssen, wiesen jedenfalls eindeutig darauf hin, dass sie sich in einem Gebiet mit überragend hohem und dichten Managehalt befanden.

Gerade als sie glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, befanden sie sich wieder außerhalb des Korridors, aber nun standen sie in einem kühlem Raum, der mit Tatamimatten ausgelegt war. Aufgrund des wenigen Lichts, das die entzündeten Kerzen spendeten, konnte Leana nichts erkennen, aber sie hörte deutlich die amüsierte Stimme einer Frau, die vor Hyperion stand. „Wie schön, dass du so schnell zurück bist, Hyperion. Ist das unser Gast?“

Wortlos drehte er sich um, damit sie Leana betrachten könnte. Noch immer schaffte diese es nicht, den Kopf zu heben, aber ein Schauer lief ihr über den Rücken, als die Stimme noch einmal erklang: „Herzlich Willkommen, Ewige Rose Leana.“



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