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Unsterblich

My Immortal ~ Eternal Chronicles
von

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Verzweiflung

Außerhalb der Burg suchte die Gruppe sich ein Waldgebiet, um sich dort erst einmal niederzulassen und zu schlafen. Während Tokimi, Fuu und Ylva genau das taten, saß Leana ein wenig abseits, mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt, die Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. Die hochstehenden Wurzeln hüllten sie ein, als würden sie versuchen, sie zu umarmen, ohne das wirklich zu schaffen. Aber der Gedanke, dass der Baum versuchte, sie zu trösten, gefiel ihr in gewisser Weise, wenn sie ehrlich sein musste.

Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Nanashis Tod zurück, zu dem unaufhörlichen Stechen, das sich seitdem in ihrer Brust festgesetzt hatte und nicht mehr fortgehen wollte. Egal, wie wenig sie dieses Shinjuu gemocht hatte, es war ein fester Teil von Zetsu – oder besser: dessen Shinken – gewesen. Nanashi war bei ihm gewesen, noch bevor Leana ihn getroffen hatte und vermutlich war sie, wenn auch nicht sichtbar, da gewesen, als Zetsu gestorben war. Sie war zersplittert geworden, genau wie er – und nun war sie tot.

Das bekräftigte sie darin, dass es nicht möglich sein würde, ihn wieder zurückzuholen. Er könnte kein Shinkenträger mehr sein und damit auch kein Eternal mehr, damit könnten sie nicht mehr ewig zusammensein, wie sie es sich versprochen hatten oder... vielleicht könnte er so niemals wiederkommen. Dieser Gedanke machte ihr noch viel mehr Angst. Eine Ewigkeit, die sie ohne Zetsu verbringen sollte, erschien ihr nicht lebenswert. Wenn es keine Möglichkeit mehr gab, dass er sein Versprechen, zurückzukommen, einhalten könnte, wollte sie auch nicht mehr leben. Aber wie könnte sie sich einer solchen Sache sicher sein?

Ich sollte Tokimi danach fragen, wenn sie aufwacht.

Die Eternal war schon lange eine solche, vielleicht – hoffentlich – besaß sie wesentlich mehr Wissen, was derlei Dinge anging.

Sie stieß ein leises Seufzen aus und hörte im nächsten Moment eine Stimme: „Kannst du nicht schlafen?“

Ohne den Kopf zu wenden, wusste sie, dass es sich um Ayumu handelte, der sich im nächsten Moment neben sie setzte. Eigentlich wollte sie nicht, dass er das tat, sie wollte allein sein, allein mit ihrem Kummer und ihren Selbstvorwürfen, aber sie konnte nichts sagen, deswegen ließ sie ihn gewähren. Immerhin versuchte er im Moment keine weiteren Annäherungen – doch ihre Hoffnung, dass er still sein würde, erfüllte sich nicht.

„Du siehst sehr durcheinander aus“, merkte er an. „Willst du mit mir darüber reden?“

Sie wollte verneinen, ihm sagen, dass er sich da raushalten sollte, weil es ihn überhaupt nichts anging, aber stattdessen geschah das, was immer passierte, wenn sie sich mit Zetsu unterhielt und es platzte aus ihr heraus: „Ich hasste Nanashi! Sie war manchmal süß und fügsam, aber oft unausstehlich und ekelhaft. Immer, wenn ich sie angesehen habe, musste ich daran denken, was zwischen ihr und Zetsu vorgefallen war und das hat in mir Abscheu gegen Zetsu ausgelöst. Ich dachte immer, wenn sie weg ist, kann ich ihn mit anderen Augen sehen. Aber nun ist sie fort und ich... ich mache mir Vorwürfe, weil ich es nicht verhindert und sie nicht beschützt habe.“

Ein leises Schluchzen unterbrach sie, aber es kamen keine Tränen, das erlaubte sie sich nicht. Stattdessen atmete sie mehrmals tief durch, um fortzufahren: „Sie war ein Teil von Zetsu, ein Teil seines Shinken, nun ist sie fort... und er vermutlich mit ihr – und diese Strafe verdiene ich vermutlich auch noch.“

„Das ist nicht wahr“, erwiderte er sanft. „Niemand hat eine Strafe verdient, die daraus besteht, dass man von der Person getrennt wird, die man liebt.“

Sie deutete ein Kopfschütteln an. „Du verstehst das nicht...“

Ihre Reaktion ließ ihn seufzen. „Außerdem kannst du auch jemand anderen finden, du musst nicht ewig auf diesen Zetsu warten, den du vielleicht nie wiedersehen wirst.“

In seiner Stimme konnte sie überraschend viel Abscheu wahrnehmen, was sie verwunderte, immerhin war er selbst ein Teil von ihm – aber vielleicht gab es etwas in Zetsu, das sich selbst nicht leiden konnte... oder Ayumu hatte sich einfach derart einen eigenen Charakter entwickelt, dass er schon die Geschichten über sein eigentliches Ich nicht ertragen konnte. Aber konnte sie wirklich sagen, dass Zetsu sein eigentliches Ich war? Vielleicht...

Nein, sie wollte nicht weiter darüber nachdenken, deswegen schüttelte sie den Gedanken wieder ab.

„Es ist mir egal“, antwortete sie murmelnd. „Auch wenn ich ihn nie wiedersehen werde, für mich gibt es keinen anderen. Mein Herz wird immer ihm gehören.“

Sie legte sich eine Hand auf ihre Brust, während sie das sagte, ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren Körper, als sie wirklich erwog, dass sie die gesamte Ewigkeit ohne ihn verbringen müsste. Ohne Zetsus glückliches Lachen, ohne seine Berührungen, seine Küsse...

Gerade als sie das bedauerte, spürte sie, wie Ayumu seine Lippen auf ihre legte. Schockiert riss sie ihre Augen auf, überlegte, was sie tun und wie sie weiter vorgehen sollte. Dabei konnte sie nicht anders, als festzustellen, wie überraschend weich seine Lippen waren, genau wie jene von Zetsu und dass er auch dessen Talent zu küssen besaß. Zumindest konnte sie sich nicht vorstellen, dass Ayumu in seinem bisherigen Leben sonderlich viel Erfahrung darin gesammelt hatte.

Doch schließlich entschied sie sich für die einzige Methode, die ihr spontan einfiel, um das Ganze zu beenden. Sie drückte ihn entschlossen von sich, ohne dass sich etwas an ihrem schockierten Gesichtsausdruck änderte. „Warum hast du das getan?!“

Ratlos und ein wenig enttäuscht, erwiderte er ihren Blick.

„Was stört dich daran?“, fragte er verständnislos. „Ich wollte dich nur trösten. Und dir zeigen, dass ich außerdem auch noch da bin. Ich werde bei dir bleiben und dich nicht einfach verlassen, so wie er es getan hat. Das ist es doch, was du willst, oder?“

Sie konnte aus seinen Worten heraushören, wie aufrichtig er diese meinte, sie konnte in seinem Gesicht sehen, wie ernst es ihm war, sie wusste einfach, dass er auch dazu stehen würde, denn in diesem Aspekt war er wie Zetsu. Aber dennoch, ganz gleich wie ähnlich sie sich waren...

„Nein, das ist es nicht“, antwortete sie. „Das ist nicht, was ich will. Ich will Zetsu.“

Sie brachte diese Worte nur mit einem weiteren Schluchzen hervor und dabei hoffte sie, dass er ihren Punkt verstand und sie nicht weiter quälen würde.

Tatsächlich war er für einen kurzen Moment still, doch ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Urplötzlich stieß Ayumu einen frustrierten Schrei aus, ehe er aufsprang, dann seine Hand gegen den Baumstamm rammte und diesen damit leicht zum Zittern brachte.

Für einen Augenblick stand er einfach nur da, das Gesicht gesenkt, den Oberkörper gegen den Stamm gelehnt, den Blick gesenkt, als würde er über etwas Wichtiges nachdenken – und vielleicht tat er das sogar.

„Warum?“, presste er mühsam hervor, sie konnte regelrecht hören, wie sehr er sich anstrengte, nicht schreien oder in Tränen ausbrechen zu müssen. „Warum immer nur dieser Zetsu?“

Sie schwieg auf diese Frage nur und wartete darauf, dass er fortfahren würde, was er auch sofort tat: „Er hat dich immer nur enttäuscht und im Stich gelassen, selbst wenn du ihn gebraucht hast. Er war nie für dich da und hat immer nur an sich gedacht!“

Sie musste schlucken, als sie feststellte, dass sie sich geirrt hatte. Ayumu erinnerte sich durchaus an Zetsu und daher vermutlich an sein letztes Leben, aber es waren keine sonderlich positiven Erinnerungen, die sich da in ihm angesammelt hatten, sie zeigten ihm allesamt nur das negative und das war nicht das, an was sie sich erinnerte oder erinnern wollte.

„Ich habe... so hart daran gearbeitet, mich zu ändern... um zu jemandem zu werden, den du lieben kannst und der dich auch verdient hat. Und doch... und doch...“

Seine Stimme brach ein, so dass es ihm nicht möglich war, seinen Satz zu beenden. Aber Leana musste auch nicht wissen, was er noch hatte sagen wollen. In diesem Moment kam sie sich über alle Maßen dumm und blind vor. In all ihrem Schmerz, ihrem Leid, war ihr nie aufgefallen, dass sie nicht die einzige war, die Qualen mit sich herumtrug, die sich kaum in Worte fassen ließen. Ayumu war genau wie sie, er litt unter einem Herzen, das wider besseren Wissens einfach nicht still sein wollte und ihm unablässig Dinge einflüsterte, die ihm unnötige Schmerzen zufügten. Er war wie sie und doch waren sie beide... einsam und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Sie empfand nichts für ihn und sie wusste, dass ein solcher Fall auch niemals eintreten würde und genauso wusste sie, dass ihm das durchaus bewusst war.

„Aber meine Worte sind auch unwichtig, oder?“ Er löste sich wieder von dem Stamm, sah sie aber immer noch nicht an, sondern blickte irgendwo ins Nichts. „Nichts, was ich sage, wird etwas an der Tatsache ändern. Und dieser viel zu nervige Fakt ist, dass du immer diesen egoistischen Mistkerl lieben wirst.“

Etwas an seinen Worten und auch an dem, was sie in diesem Moment in seinen Augen sehen konnte, verunsicherte sie und erzeugte ein unangenehmes Gefühl in ihrem Inneren. Sie glaubte, sehen zu können, wie ein Entschluss in ihm heranreifte, einer jener Sorte, die ihr gar nicht gefallen wollte. Einen Wimpernschlag später lächelte er wieder, als wäre nichts geschehen – zumindest versuchte er es. Hinter diesem Lächeln konnte sie allerdings etwas Düsteres, Furchteinflößendes wahrnehmen, ein Entschluss, den sie wirklich hassen würde, wenn sie ihn gekannt hätte.

„Was hast du vor?“, fragte sie.

Er sah auf sie hinab und bemühte sich, noch mehr zu lächeln, um sie zu beruhigen, erreichte damit jedoch das genaue Gegenteil, denn ihre Sorge wuchs weiter an.

„Es ist nichts“, sagte er ruhig. „Du solltest bald schlafen gehen, es ist wichtig, dass du viel Schlaf bekommst.“

Ohne noch etwas zu sagen oder ihre Erwiderung abzuwarten, fuhr er herum und wandelte mit traumgleichen Bewegungen davon, wenngleich er nicht die Richtung einschlug, in der sie ihr Lager errichtet hatten. Sie hielt ihn nicht auf, blickte ihm nur hinterher und hoffte, dass er keine Dummheit begehen würde – und dass er bald zurückkommen würde.

Vielleicht war es besser, wenn sie noch einmal darüber reden würden, wenn sie ihm zu erklären versuchte, warum es nur Zetsu für sie gab und niemanden sonst... auch wenn sie nicht gut darin war, so etwas in Worte zu fassen. Sie war sicher, dass sie es nicht einmal Zetsu gesagt hatte und dabei ging es in diesem Fall ja immerhin um ihn. Er war wesentlich besser darin gewesen, seine Gefühle auszudrücken und ihr damit zu zeigen, weswegen er mit ihr zusammen war, statt mit einer der unzähligen anderen Mädchen, die er sich aussuchen könnte.

„Zetsu...“

Wieder legte sie die Hände auf ihr Herz, das erneut zu schmerzen begonnen hatte. Ihr blieb nur noch zu hoffen, dass Tokimi etwas zu sagen wusste, das diese ganze Situation aufklären und zu einer Besserung bringen könnte. Und falls sie das nicht könnte, müsste Leana selbst einen Weg finden, denn eine Ewigkeit ohne Zetsu war eine Unmöglichkeit in ihren Gedanken.

Sie erhob sich von ihrem Platz und ging wieder in Richtung ihres Lagers davon, in der Hoffnung, dass die anderen bald aufwachen würden – und dass Ayumu ihre Zurückweisung ertragen könnte.



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