Bored

Vergessen

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Prolog

Vergessen
 

Bebe Stevens blickte von ihrem Platz hinter der Kasse erstaunt zu Tweek hinüber, als dieser pünktlich zu Beginn der Mittagspause das Schild vorne an der Türe umdrehte, sodass für die Leute draußen ein „Closed“ zu lesen war, und ihr dann lächelnd mitteilte –und das war das Besondere an diesem Tag, der Grund, warum sie überhaupt aufmerksam geworden war-, sie dürfe heute früher gehen. Sie arbeitete seit fast fünf Jahren als Aushilfe in dem Kaffeeladen, den Tweek damals von seinen Eltern übernommen hatte, und bisher hatte Tweek den Laden noch niemals auch nur eine Minute früher zugemacht. Der Laden war zugleich sein Beruf und sein Hobby, das wusste jeder.

„Wie komme ich zu der Ehre?“, fragte sie darum halb neugierig, halb besorgt. Tweek und Bebe kannten sich seit Kindertagen, und es hatte ihrer Freundschaft –oder zumindest ihrer Bekanntschaft- auch keinen Abbruch getan, als sie damals begonnen hatte für ihn zu arbeiten, nachdem ihre Ehe mit Clyde gescheitert und sie wieder mehr oder weniger auf sich allein gestellt war.

Tweek grinste sie freundlich an. „Craig und ich sind, ngh, heute zum Essen bei Stan und Wendy eingeladen.“ Es schien, als freute er sich sehr auf dieses Essen, und Bebe gönnte ihm seine Freude. Zumindest war nichts Schlimmes vorgefallen, ein Todesfall, oder die komplette Schließung des Ladens oder so etwas. Bebe war erleichtert. Im gleichen Moment musste sie an Craig denken. Sie beobachtete einige Augenblicke noch den strahlenden Tweek, der noch ein letztes Mal über die Oberflächen aller Tische wischte und die Stühle zurecht stellte, und fragte sich zweifelnd, ob Craig tatsächlich mit zu diesem Besuch kommen würde. Bereits im frühen Kindesalter hatte sich bei Craig Tucker eine faszinierende Abneigung gegen alles nicht Alltägliche entwickelt –Einladungen zu Freunden mit eingeschlossen-, er saß den ganzen Tag Zuhause vor dem Fernseher und wenn er sich doch einmal mit jemandem verabredete, dann stets mit Clyde oder Token, seinen einzigen Freunden. Die Erinnerung an Clyde versetzte Bebe einen Stich in die Brust, und sie hörte auf über Craig und Clyde nachzudenken.

„Ich wünsche dir viel Spaß heute“, sagte sie zu Tweek, als sie beide den Laden verließen und draußen ins kühle Sonnenlicht traten –warmes Sonnenlicht gab es in South Park nicht, höchstens ganz selten einmal im Juli-, und Tweek erwiderte ihr Lächeln. „D-danke!“, meinte er, „Craig und ich sind schon lange nicht mehr ausgegangen, ich hoffe, gah, das ändert sich jetzt wieder etwas.“ Lange nicht mehr ausgegangen? Das klang nach Craig Tucker, dachte sich Bebe, obwohl sie Craig selten sah, und es tat ihr leid für Tweek, dass gerade er diesen faulen Kerl erwischt hatte. Sie jedenfalls würde sich von ihrem Mann nicht so behandeln lassen, auf keinen Fall, da war ihr Ex-Mann ja das Paradebeispiel! Und wieder, als Bebe an Clyde denken musste, spürte sie einen winzig kleines Stechen in ihrem Herzen. Sie verdrängte es und verabschiedete sich herzlich von Tweek, nicht ohne ihm noch einmal einen angenehmen Tag zu wünschen.
 

Als Tweek nach Hause kam, war Craig noch nicht da. Er arbeitete in einer Anwaltskanzlei in einem Außenbezirk von South Park; nicht als Anwalt, obwohl er das zuerst vorgehabt hatte, sondern als Sekretär. Nun, die Kanzlei war ein großes Unternehmen und auch wenn Craig es nur bis zum Sekretär geschafft hatte, so verdiente er doch recht vernünftig und war ein hohes Tier in der Firma. Tweek machte ihm jedenfalls keinen Vorwurf.

Als Craig eine halbe Stunde später noch immer nicht aufgetaucht war, begann Tweek, sich Sorgen zu machen. Da war doch wohl nichts passiert, oder? Zu dieser Jahreszeit waren die Straßen besonders glatt, und Tweek wusste, dass Craig kein sonderlich vorsichtiger Fahrer war. Oder hatte er das Essen etwa vergessen? Aber er hatte ihm doch gestern Abend noch Bescheid gegeben! Tweek tigerte in dem Haus nervös hin und her, und eine weitere Viertelstunde später beschloss er, Craig anzurufen. Er ging nicht an sein Handy, Oh Gott! Tweek biss auf die Fingerkuppe seines Daumens und wählte die Nummer von dem Telefon, dass in Craigs Büro stand.

„Anwaltskanzlei für Erbschafts- und Familienwesen, Craig Tucker?“, ertönte die überaus gelangweilt wirkende Stimme seines Freundes. Tweek fiel eine Wagenladung Steine vom Herzen. „Craig!“ „Tweek?“ Craig klang überrascht. „Was ist los? Wieso rufst du an? Ist was passiert?!“

Er hat es vergessen, dachte Tweek und seufzte einmal laut. „Tweek?“ „I-ich…" „Ist es wichtig? Bitte beeil dich, mein Chef killt mich, wenn er merkt, dass ich hier privat was am machen bin.” „Wir sind doch heute bei Marshs zum Essen eingeladen!“, meinte Tweek, und seine Stimme klang dünn und vorwurfsvoll. „Heute?!“ Er konnte durch das Telefon hören, wie Craig leise „Scheiße“ murmelte. Er hatte es also tatsächlich vergessen. Tweeks bis eben noch so gute Laune hatte einen kompletten Tiefpunkt erreicht. „Ich kann bei Stan anrufen“, bot Tweek an, „und sagen, dass wir etwas später kommen, gah. Dann schaffst du es auch noch nach Hause und…“ „Das geht auf gar keinen Fall!“, unterbrach ihn Craig, und er klang fast panisch. „Ich habe hier eben noch einen Riesenhaufen Ordner liegen, die hätte ich eigentlich schon vor einer halben Stunde fertig haben müssen, und mein Chef ist echt am Arsch heute!“ Tweek versuchte die Tränen zurückzuhalten. Craig hatte es also vergessen! Obwohl Tweek es ihm in den letzten Tagen immer wieder gesagt und ihn erinnert hatte, obwohl er sich so sehr auf diesen Tag gefreut hatte. Und jetzt konnte Craig nicht einmal etwas früher nach Hause kommen, weil er noch einen beschissenen Stapel Aktenordner durcharbeiten musste!

„Es tut mir echt leid, Liebling!“

„Sch-schon gut!“ Tweek wischte sich mit der freien Hand die Tränen aus den Augenwinkeln und unterdrückte ein lautes Schluchzen. Er wollte Craig nicht auch noch zusätzlich ein schlechtes Gewissen machen, wo dieser doch sowieso noch so viel Arbeit zu erledigen hatte. Bestimmt ist er traurig, weil er heute nicht mitkann und stattdessen arbeiten muss, dachte Tweek und der Gedanke tröstete ihn ein wenig, es war ja keine böse Absicht, er hat nur gerade so viel zu tun, da kann man ein Essen bei Freunden mal vergessen.

„Ich mach das wieder gut, ja?“ Tweek nickte und vergaß fast, dass Craig sein Nicken durch das Telefon ja gar nicht sehen konnte. „Okay, ngh“, meinte er darum. „Ehrlich! Heute Abend, wenn ich nach Hause komme, mache ich das wieder gut, einverstanden?“ Tweek machte ein zustimmendes Geräusch, eine Mischung aus Nasehochziehen und Hicksen. „Aber ich muss jetzt echt auflegen, mein Chef kommt gerade rein. Tschüss, Engel!“ „Tsch…“ Er hatte aufgelegt.

Tweek brachte das Telefon zurück auf seine Ladestation, weinte eine Weile, und überlegte sich dann, was er tun sollte.
 

Er beschloss, sich den Tag nicht verderben zu lassen und eben ohne Craig zu Stan und Wendy zu gehen. Bestimmt hatten sie sowieso nicht nur ihn und Craig, sondern auch noch andere Leute, irgendwelche alte Freunde eingeladen. Kyle und Kenny, und vielleicht Red, und Butters, Hauptsache irgendjemanden, damit er nicht so alleingelassen und verlassen neben ihnen sitzen und sie um ihre perfekte Beziehung beneiden musste.

Stan und Wendy hatten nur ihn und Craig eingeladen. Tweek versuchte sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen, und als Wendy nach Craig fragte, meinte er, er wäre leider aus dem Büro nicht weggekommen, weil zwei Leute aus seiner Abteilung kurzfristig erkrankt worden waren und er einspringen musste. Er wusste nicht, ob es tatsächlich so war, aber die Lüge klang plausibel und weder Stan noch Wendy bohrten weiter nach.

Hätte Tweek sich nicht so schrecklich schlecht gefühlt, wäre der Abend mit Sicherheit noch sehr schön geworden. Das Essen war sehr lecker –Wendy hatte es selbst gekocht-, Wendy und Stan hatten gute Laune, sie lachten viel und tauschten Neuigkeiten aus, doch jedes Mal, wenn die beiden sich kurz küssten oder sich einen verliebten Blick zuwarfen, musste Tweek unweigerlich an Craig denken und wurde traurig.

Und dann kam die Krönung!

Gegen Abend, als die Teller bereits alle leer waren und man im Grunde nur noch zum Tratschen und Lachen geblieben war, stand Stan plötzlich auf und bat um Ruhe. Er wollte etwas Wichtiges verkünden. Und er wirkte sehr ernst.

Tweek gefiel die Stimmung, er hatte den Patzer mit Craig fast schon wieder vergessen, und fragte sich, was Stan ihm mitteilen wollte. Denn dass es um ihn ging, war glasklar, schließlich waren sie bloß zu dritt und aus Wendy wissenden, fröhlichen Lächeln schloss Tweek, dass sie die wichtige Neuigkeit –worum es nun auch immer gehen sollte- bereits wusste. Er wurde neugierig und ungeduldig, als Stan noch eine kleine Weile schwieg, um die Spannung zu steigern. Fast hätte er gerufen „Ja, was ist denn nun?!“, weil er diese fröhlich-ernste Stimmung kaum mehr aushielt, da meinte Stan mit erhobenem Glas, als wolle er darauf trinken: „Wendy und ich bekommen Nachwuchs. Ist das nicht wunderbar?!“

Tweek fühlte sich wie geschockt. Mit Mühe zwang er sich ein Lächeln auf den Mund und ein „Wow! Herzlichen Glückwunsch!“ über die Lippen. Was hatte diese Nachricht zu bedeuten? Gut, dann bekamen Stan und Wendy eben ein Kind, das war doch eigentlich eine tolle Sache, nur: Erstens, was hatte er damit zu tun, und zweitens, wieso fühlte er sich so leer und ausgepumpt?

„Und wann, ngh, kommt es?“, fragte er und schaute Stan und Wendy, die stolzen Fast-Eltern, die nur auf diese Art von Fragen gewartet zu haben schienen, an. „Ich bin jetzt fast im vierten Monat!“, verkündete Wendy stolz und strich sich gedankenverloren über den Bauch, dem man nicht im Mindesten ansah, dass er ein kleines Baby enthielt. Tweek fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Er nahm einen Schluck Wasser, schloss einmal kurz die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Stan und Wendy bekamen ein Kind. Wieso zur Hölle nahm ihn das so mit? Ich sollte mich für die beiden freuen, dachte er, und ein Gespräch über das Kind entstand. Wie sollte es heißen, wo wurde das Baby-Bett gekauft, welches Krankenhaus und so weiter. Tweek stand alles tapfer durch.

„Wer weiß denn alles schon die, ack, tolle Neuigkeit?“, fragte er, und Stan und Wendy blickten sich einen kleinen Moment lang verstohlen an und meinten schließlich fast synchron: „Du bist der Erste!“

Wow! Das gab Tweek fast endgültig den Rest. Welche Überraschungen würden denn heute noch alle auf ihn warten?
 

Als Tweek spät abends nach Hause kam, fühlte er sich schrecklich ausgelaugt und müde. Das Gespräch mit Stan und Wendy hatte an seinen Kräften gezerrt und das gute Essen machte ihn träge. Und er hatte Kopfschmerzen.

Und wo war Craig? Tweek blickte sich suchend um. Für gewöhnlich blieb Craig so lange wach, bis er nach Hause kam, unabhängig davon, ob er von der Arbeit oder von Freunden kam. Und hatte er ihm nicht eine Wiedergutmachung, eine kleine Überraschung versprochen? Eine Nackenmassage würde ihm jetzt verdammt gut tun.

Er hat mich wieder vergessen, dachte Tweek resigniert und wütend, und warf seine Jacke laut seufzend in die Ecke. Er hat mich heute zum zweiten Mal vergessen! „Dieses gottverdammte A-arschloch!“ Man hörte den Ruf durch das ganze Haus, bis nach oben in das erste Stockwerk. Erst nach gut einer halben Minute taumelte ein verschlafener Craig die Treppe hinunter. Er war bloß mit einer dunkelblauen Boxer bekleidet und gähnte zur Begrüßung. Tweek spürte die Tränen in den Augen brennen und wünschte sich, er hätte den Mut, Craig jetzt eine zu scheuern. Die kalte Luft im Flur machte Craig etwas wacher, und nach einer kleinen Weile fiel ihm ein, dass er seinen Freund –wieder einmal- vergessen und enttäuscht hatte.

„Oh scheiße!“ Seine Augen weiteten sich und er warf Tweek einen schuldbewussten Blick zu. „Es tut mir leid, Tweek! Ehrlich! Hey, hey, wo gehst du hin?“ Tweek war an ihm vorbei und schlurfte in Richtung Wohnzimmer. Er setzte sich auf das Sofa, bettete den Kopf auf den Schenkeln und begann hemmungslos zu weinen und sich die Haare zu raufen. Craig blieb neben ihm stehen, schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte. Er hüpfte von einem Bein aufs Andere, rieb sich die Oberarme –er hatte sich noch immer nichts übergezogen- und als Tweek nicht aufhörte zu weinen, setzte er sich schließlich neben ihn auf das Sofa und versuchte ihn zu trösten. „Es tut mir unglaublich leid!“ Er legte seine Arme um Tweeks Körper und gab ihm einen Kuss aufs Haar. „Bitte, hör auf zu weinen.“ Und fügte in einer unterwürfigen Stimmlage hinzu: „Ich ertrage es nicht, wenn du weinst, Baby!“

Es dauerte lange, bis Tweek das Weinen einstellte. Irgendwann richtete er sich wieder auf, wischte sich die Tränen von den Wangen, und lehnte sich in die Umarmung von Craig, der neben ihm saß und ihn festhielt. „I-ich will schlafen“, schluchzte Tweek und begann im gleichen Moment zu zittern, als sei ihm kalt. Craig nickte, half ihm auf und führte ihn an der Hand ins Schlafzimmer. Sie schwiegen, als sie die Treppe hinaufstiegen, sie schwiegen auch, als Tweek sich auszog, und sie schwiegen, als sie beide sich ins Bett legten. Tweek rückte ganz an den Rand seines Bettes, ein paar Zentimeter mehr und er würde auf dem Boden landen. Er schlief in dieser seltsamen Stellung ein, und Craig horchte so lange seinen Atemzügen, bis ihn irgendwann selbst wieder der Schlaf einholte.
 

Da ich mit dem 20. und letzten Kapitel von "Holidays" einfach nicht weiterkomme, dachte ich mir, so zur Ablenkung und zum Sammeln neuer kreativen Ideen beginne ich einmal eine neue kleine Creek-Fanfic.

Ich hoffe, "Bored" gefällt euch. ;) Trotzdem ist Kritik natürlich super gerne gesehen! Gerade weil ich mit dieser Fanfic hier etwas Neues ausprobiere, brauche ich natürlich euer Feedback! :P Es wäre also super, würdet ihr mir schreiben, wie euch "Bored" gefällt und/oder was ihr verbesserungswürdig findet. Dankeschön! =)
 

bye

sb