Zum Inhalt der Seite

Far Away

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

24

Meine Augen heilten tatsächlich. Dank der Hilfe von Doktor Arton waren meine Augen nach etwa einem Monat soweit geheilt, wie es nach Malikas kleiner Foltereinlage möglich war.

Im Klartext: Auf meinem linken Auge war die Sehkraft beinahe so gut wie zuvor, während ich auf dem rechten immer noch alles verschwommen sah.

Sobald ich mich allerdings daran gewöhnt hatte glich das linke das nahezu Problemlos aus. Schwierig wurde es nur bei schlechten Lichtverhältnissen. Aber hey, wer sah im Dunkeln schon so gut wie am Tag?

So gesehen war eigentlich alles wieder Friede Freude Eierkuchen, hätte Siamun nicht beschlossen, mich in Watte zu packen. Ich durfte kaum noch aus dem Zimmer und wenn, dann nur in Begleitung.

Das Aziz mich hintergangen hatte fand ich schrecklich, aber Siamun unterzog alle seine Angestellten deswegen einer eingehenden Prüfung. Angefangen bei den Stallburschen, über die Hofdamen bis hin zum Küchenpersonal und zu guter letzt sogar noch Rhia, Horace und den Rest unseres engsten Freundes- und Bekanntenkreises.

Das war der Moment gewesen, in dem mir der Kragen platzte. Nicht nur das er mich einsperrte, er isolierte mich auch noch von meiner besten Freundin!

Auf meine Anschuldigungen hin zuckte er allerdings nur mit den Schultern und wandte sich wieder seinen Unterlagen zu. Wenn er glaubte, er könne mich so abservieren hatte er sich aber geschnitten. Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust, schob schmollend die Unterlippe vor und tapste ungeduldig mit dem Fuß auf dem blankpolierten Marmor auf und ab.

Gefühlte drei Stunden später gab ich allerdings entnervt auf und stürmte beleidigt auf die Terrasse, wo ich mich in meinem Lieblingseck zusammenrollte und mit einem wolligen Seufzen die Wärme der Fliesen genoss.

Weiter durfte ich nicht, beim letzten Versuch in den Garten zu gehen hatte Siamun mich gepackt und mich wie einen Sack Kartoffeln über der Schulter zurück in mein Zimmer transportiert.

Die Person, die sich neben mir auf den Boden setzte ignorierte ich geflissentlich, unternahm aber nichts dagegen, als er meinen Zopf in die Hand nahm und begann, sanft daran zu zupfen. Einfach woanders hinstarren konnte ich ja schließlich auch.

„Jetzt komm schon, hör doch bitte auf mit schmollen!“ ich schnaubte nur ungehalten.

„Es ist erst einen Monat her, dass wir dich mehr tot als lebendig aus einem Verlies geholt haben!“

„Ach wirklich? Und ich dachte das hätte ich nur geträumt!“ ich setzte mich auf, warf meinen Zopf nach hinten und blickte Siamun direkt ins Gesicht.

„Ich war dort! Schon vergessen? Malika hat mir die Haut zerschnitten und meine Augen fast ruiniert. Und jetzt willst du mich einsperren? Dann hätte ich ja auch gleich dort bleiben können!“

„Das ist nicht gerecht!“ er funkelte mich an, offenbar hatte ich einen Nerv getroffen.

„Wenn unsere Rollen vertauscht gewesen wären, würdest du dich anders verhalten?“

„Würdest du es zulassen? Würdest du dich einsperren lassen?“ Sein schweigen war Antwort genug: nein!

„Siehst du? Ich will ja kein Kaffeekränzchen mit ihr halten oder ihre neue beste Freundin werden, aber ihr vor dem Gericht und dem Beraterstab unter die Nase zu reiben, dass ihr verdammter Plan nicht geklappt hat, diese Rache wird so süß sein wie Vollmilchschokolade mit Nougat!“

Siamun schloss die Augen, stieß einen dieser scheißschweren ‚ich muss eine Entscheidung treffen’ Seufzern aus und nickte dann.

„In Ordnung, du darfst bei dem Prozess dabei sein! Aber du hältst dich von Malika und ihren Helfern fern! Haben wir uns da verstanden?“

„Ja Sir, eure Hoheit Sir!“ lachend salutierte ich. Als ob ich mich freiwillig in die Nähe dieser Wahnsinnigen begeben würde!

„Das ist mein voller ernst!“ ein unterdrücktes Lächeln, inzwischen kannte der Prinz mich gut genug, um zu wissen wann ich herumalberte und wann nicht.

Immer noch kichernd drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange und flüsterte ihm ein Danke ins Ohr, nur um mich anschließend neben ihm auszustrecken und meinen Kopf auf seinen Schoß zu legen.
 

Einige Tage später:
 

So eine Gerichtsverhandlung war im Grunde nicht besonders spannend, aber ich war trotzdem jeden Morgen pünktlich da und ging erst am Ende wieder.

Anklagen wurden vorgelesen, Zeugen und Opfer befragt, Beweise vorgezeigt, untersucht, für wichtig befunden oder wieder verworfen.

Ich war überrascht wie viel Malika und ihre Helfer auf dem Kerbholz hatten. Nicht nur meine Entführung und die Intrige gegen die Königsfamilie, sondern auch etliche Menschenopfer um sich und ihre Interessen zu schützen. Bei der genaueren Ausführung wurde mir beinahe schlecht. Hätte ich nicht schon vorher gewusst, dass die Frau einen an der Klatsche hatte, spätestens jetzt wäre der Groschen gefallen.

So ging es offenbar auch dem Senat und dem Gericht. Immer mehr von ihnen schlugen sich auf Siamuns Seite, flohen wie Ratten von einem sinkendem Schiff. Denn genau dazu war die fürstliche Prinzessin Malika Wazata in den letzten Tagen geworden.

Immer noch so schön, dass es mir den Atem verschlug, gekleidet in elegantes Leinen und behäng mit erlesenem Goldschmuck, würde ihr davon doch nichts mehr bleiben. Ich mochte zwar eine ausländische Bürgerliche sein, die ihren Stand einzig und allein dem Kronprinzen verdankte, doch Menschenopfer waren strengstens verboten und auf Gewalttätigkeit gegenüber dem Königshaus stand sowieso der Tod.

Allein der Gedanke daran lies mich frösteln, während ich mir angestrengt lauschend eine Haarsträhne durch die Finger gleiten lies. Heute sollte das Urteil gesprochen werden, alles wartet in angespannter Stille auf den Richter.

Als sich die großen Flügeltüren öffneten schnellte ich richtiggehend von meinem Sitz hoch, als wir zum aufstehen aufgefordert wurden.

„Meine verehrten Herrschaften, erheben sie sich und begrüßen sie den ehrenwerten Richter Lord Arkon!“

Lord Arkon war ein stattlicher Mann von etwa vierzig Jahren, mit breiten Schultern und leicht ergrautem Haar. Während er an seinen Platz ging kam mir der Gedanke, dass er sich wahrscheinlich nicht bestechen oder einschüchtern lassen würde. Ein zufriedenes Lächeln huschte über mein Gesicht. Malika konnte ihr letztes Gebet sprechen!

„Aufgrund der mir vorgelegten Beweise verfüge ich folgendes Urteil: Die Angeklagte Mailka Wazata wird der Entführung und des mehrfachen Mordes, sowie einer geplanten Straftat gegen das Königshaus für Schuldig befunden und deswegen zum Tode verurteilt. Bitte setzten Sie sich!“

Einen Moment lang hörte man das rascheln von Stoff, dann senkte sich Stille über den Saal, so dick und schwer, dass man sie mit dem Messer hätte schneiden können, während die Informationen langsam aber sicher im meinem Hirn verarbeitet wurden.

Es war vorbei! Ich musste nie wieder Angst haben, jemand würde mich entführen. Keine Opferrituale. Keine Heimkehr...

Die Erkenntnis traf mich wie ein Steinschlag. Keine Malika hieß für mich kein Weg nach Hause. Leise seufzend schloss ich die Augen und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Eigentlich dachte ich, ich hätte mich damit abgefunden, aber da hatte ich mich offenbar geirrt. Andererseits: was sollte ich jetzt noch ändern? Wahrscheinlich würde sie mich nur dann zurückschicken, wenn man ihr eine Begnadigung bot. Und selbst dann würde es mich nicht wundern, wenn ich in der Steinzeit oder auf dem Mars landen würde.

Nein, da blieb ich dann doch lieber an diesem Ort, wo ich mich auskannte und inzwischen eingelebt hatte. Und wenn ich die Wahl hatte zwischen Siamun, einem Haufen Neandertaler mit Keulen und kleinen grünen Männchen... Tja, wer machte da wohl das Rennen? Mann hatte manchmal echt schwierige Entscheidungen zu treffen, nicht wahr?

Okay, dieser Gedankengang war echt absurd, was mir trotz meiner trüben Stimmung ein Lächeln aufs Gesicht zauberte und so entging mir der Blick, den Malika mir beim vorbeigehen zuwarf.

Ein paar Stunden später spazierte ich mit Lady Neriman durch den Garten. Die immer noch recht heiße Abendluft war schwer vom Duft der Blumen, ich atmete tief ein und schloss einen Moment die Augen, da sehen in der Dämmerung sie zu sehr anstrengte.

„Wie schafft der Gärtner es wohl, dass in einem so trockenen Land so viele Blumen blühen?“ diese Frage beschäftigte mich schon seit einiger Zeit. Es regnete kaum und der Garten war zu weitläufig, um alleine durch den vorbeifließenden Fluss bewässert zu werden.

„Manche Perokapriester haben die Fähigkeit Pflanzen wachsen zu lassen. Mein Mann ist der Beste in diesem Bereich!“ in der tiefen Stimme meiner Anstandsdame klang Stolz mit.

„Soll das heißen, dein Mann ist hier der Gärtner?“ und ich hatte gedacht, alle Adeligen wären reiche Snobs. Neriman lachte.

„Man sollte meinen, dass er nach seiner Arbeit hier“ sie machte eine ausholende Bewegung „Abends keine Blumen mehr sehen könnte, nicht wahr? Aber nein, sobald er nach hause kommt macht er in unserem Garten weiter. Dort sieht es aus wie in einer Oase!“ die ältere Dame lachte, was ein recht ungewohntes Geräusch war. Sonst war sie immer ziemlich ernst und gefasst.

„Wenn er auch nur halb so schön ist wie dieser Garten hier, dann muss es ein Paradies sein.“

„Es ehrt mich, dass euch mein Werk gefällt!“ erschrocken wirbelte ich herum, wobei mein Haar, heute ausnahmsweise offen, über meine bloßen Arme und den Rücken strich.

Der schlanke Mann, der mit eleganten Schritten auf uns zulief, war dermaßen zierlich gebaut, dass ich ihn im Leben niemals für einen Gärtner gehalten hätte. Bei so viel Zartheit und Anmut hätte ich eher auf Tänzer getippt.

„Dieser Garten ist einfach wundervoll!“ meinte ich und machte eine leichte Verbeugung. Mehr war nicht nötig, schließlich hatten wir den gleichen sozialen Stand.

Mit einer Formvollendeten Verbeugung ergriff er meine Hand, führte sie an seine Lippen und meinte:

„Es ist mir eine Ehre euch endlich persönlich kennen zu lernen, Mylady! Mein Name ist Sacha“ Mit knallrotem Gesicht zog ich erschrocken die Hand zurück. Mit charmanten Bemerkungen konnte ich immer noch nicht richtig umgehen, auch wenn sie von einem Mann kamen, der locker mein Vater hätte sein können, wenn nicht sogar mein Großvater.

Unsicher schielte ich zu Neriman hinüber, aber der schien das Verhalten ihres Mannes nicht das geringste auszumachen. Kurze Zeit später merkte ich auch wieso.

„Liebling, du hast da was im Haar!“ Sacha, der, wie mir jetzt auffiel, seiner Frau nur bis zur Schulter reichte, hob die Hand an das leicht graue Haar seiner Frau und zog zu meiner Verwunderung eine Lotosblüte hinter ihrem Ohr hervor.

Neriman nahm ihm die Blüte ab und kicherte ausgelassen, während sie daran roch und sie sich anschließend ins Haar steckte. Das gab mir den Rest. Meine strenge, ernste und stets korrekte Anstandsdame kicherte! Wie ein verliebter Teenager!

Fassungslos sah ich zu, wie der Gärtner seiner Frau einen Kuss auf die Lippen drückte und sich leise mit ihr unterhielt. Mich schienen sie völlig vergessen zu haben.

Die beiden Turteltauben schienen so mit sich beschäftigt zu sein, dass sie vermutlich nicht mal einen rosa Elefanten oder eine explodierende Atombombe bemerkt hätten, wenn es denn in dieser Welt welche gegeben hätte.

So wunderte es mich auch nicht, dass keiner der beiden den näherkommenden Wächter bemerkt hatte, der jetzt vor mir stehen blieb.

Der eingravierte Pfau auf den Bronzebändern um seine Oberarme weiß ihn als Soldat der Königin aus. Nur was wollte er von mir?

„Lady Etienne, Prinzessin Malika wünscht euch zu sehen!“ verwirrt blinzelte ich. Was wollte sie bitteschön von mir? Hielt sie mich für blöd? Als ob ich mich freiwillig in ihre Nähe begeben würde!

Keine fünfzehn Minuten später beschloss ich, dass mich Malika nicht nur für so blöd hielt, sondern dass ich tatsächlich so blöd war! Mit einem leisen Klicken schlossen sich die Türen des Palastflügels hinter mir, in dem meine Lieblingsfeindin bis zu ihrer Hinrichtung in Gewahrsam sein würde.

Eine Tür wurde geöffnet und die schöne Frau, die ruhig auf einem Stuhl saß, hob den Kopf. Ein Lächeln, dass mir das Blut in den Adern gefrieren lies, zierte ihr Gesicht.

„Da bist du ja, meine Liebe!“ diese falsche Freundlichkeit mit der sie mir auch auf den vielen Festlichkeiten und Banketts begegnet war und die ich ihr, im Gegensatz zu vielen anderen, nie abgekauft hatte, rief bei mir beinahe Brechreiz hervor.

Sie erhob sich und schwebte auf mich zu, wobei mir kurz die Frage durch den Kopf schoss ob sie wohl bei Sacha Unterricht genommen hatte.

Sie wollte eine meiner Haarsträhnen um ihren Finger wickeln, aber ich gab dem übermächtigen Drang in mir nach und schlug ihre Hand weg.

„Fass mich nicht an!“

„Bist du etwa böse auf mich?“ ein sinnlicher Schmollmund, den ich mit einem schnauben quittierte. Blöde Fragen bedurften keiner Antwort. Auch wenn ihre Kräfte momentan mit Drogen ruhiggestellt waren, so war sie doch immer noch oberste Ronugpriesterin und hatte sicherlich noch ein paar Asse im Ärmel. Also würde ich keine ihrer Gliedmaßen in meine Nähe lassen.

„Wenn du mir irgendwas zusagen hast, dann spuck es aus! Andernfalls werde ich jetzt gehen.“ Die Arme schützend vor der Brust verschränkt schob ich meine Hüfte leicht zur Seite, eine Position die ich immer einnahm wenn ich mich selbstsicherer gab als ich mich fühlte.

„Würden Sie uns bitte alleine lassen? Nur ganz kurz?“ Malika klimperte mit den Wimpern, lächelte zuckersüß und schon war der Wachmann verschwunden.

Das konnte doch nicht wahr sein! Machte der Kerl etwa auch Männchen? Lies sich einfach von Malika den Kopf verdrehen! Was dachte er denn wen er hier bewachte? Mutter Theresa?

Ich drehte mich auf dem Absatz herum und wollte gehen, doch ihre Worte ließen mich wie versteinert stehen bleiben.

„Willst du etwa nicht nach hause?“ mein Kopf schoss herum und ich konnte meine Kinnlade gerade noch oben halten.

„Du hast mich richtig verstanden. Siamun hat auf meinen Vorschlag noch keine Antwort gegeben, aber wenn du dafür sorgst, dass er mich begnadigt, dann schicke ich dich zurück!“

Daher wehte also der Wind! Sie war sich nicht sicher, ob Siamun mitspielen würde und holte mich deswegen mit ins Boot.

Die Antwort sollte doch eigentlich klar sein. Malika war gefährlich. Gemeingefährlich. Ein Fall für den Psychiater. Aber ich wollte meine Familie wiedersehen. Mich mit meinen Geschwistern streiten, die verrückten Küchenkreationen meiner Mutter probieren, auch wenn sie nicht immer schmeckten. Aber ich konnte diese Frau doch nicht einfach davonkommen lassen! Was sollte ich nur tun?

Ohne ein Wort zu sagen rannte ich aus dem Zimmer.
 

Puh, geschafft! Langsam aber sicher nähern wir uns dem Ende... Und diese Geschichte hat tatsächlich drei Favoriten! Ich hätte nie gedacht, dass das überhaupt jemand liest. Vielen Dank dafür!
 

P.S. Rechtschreibfehler gehen wie immer aufs Haus!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück