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In Blut getränkte Sonne

von

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Sonnenblut

Der Regen tröpfelte leise vor sich hin, tränkte den Waldboden und hüllte Immersang in einen unverfälschten Duft nach Gras, Erde und Frische. Man hatte den Eindruck, beinahe von überall her das leise Knistern der Tiere und Bäume hören zu können, als wäre man selbst ein Teil davon. Der goldene Schimmer der Pflastersteine, die den Weg durch den Wald markierten, stach bei diesem Niesel immer besonders hervor. Schlendernd bewegte sich Thinael über diese Straße nach Goldnebel, trat hier und da einen kleinen Stein aus dem Weg. Zur Ausnahme verschlug es sie an diesem Tag nach Dienstschluss nach Hause und nicht in die vier Wände, die Thariel und sie in Silbermond zugeteilt bekommen hatten.

Die Geschwister hatten Goldnebel bereits mehrere Jahrzehnte erfolgreich gemieden. Erinnerungen an die geschlossene Zucht, ihre Mutter und Athriel hielten sie dem Heimatdorf fern. Die Behausung in der Stadt war ein Versuch, erlebtes hinter sich zu lassen, ob gut oder schlecht.

Auf der Brücke, die über den Elrendar führte, hielt sie inne, um einen Blick zurück zu werfen, Richtung Morgenluft. Dort hinten, vielleicht 50 Meter entfernt, stand ein Mann, den sie bereits ein ganzes Jahrhundert nicht mehr in der Nähe Goldnebels gesehen hatte. Niemand hatte das. Er hielt sich dem Dorf fern, als hätte eine Seuche darin gewütet. Da Thinael ihn nun entdeckt hatte, näherte er sich mit großen, schnellen Schritten. "Blutsonne?"

Er schien irritiert, so als hätte er sie nicht erkannt, während er ihr gefolgt war. "Ist das wirklich die kleine Blutsonne?" fragte er erstaunt, bevor er nach ihrem Kinn griff, um ihren Kopf nach links und rechts zu drehen, damit er sie begutachten konnte. "Langes Haar, also? Bist Du auch noch gewachsen, oder bilde ich mir das nur ein?" - seine Fragen prasselten nur so auf die Quel'Dorei herunter. "Es ist schön, Dich wiederzusehen." schloss er lächelnd.

Nhe'Lora Sonnenblut, wie lange hatte man nichts mehr von ihm gehört? Sie konnte es nicht genau sagen, doch es musste bereits eine beträchtliche Anzahl an Jahren her sein. Die beiden Elfen, deren Heimat Goldnebel darstellte, ließen sich am Ufer des Elrendars unter der Brücke nieder.

Nhe'Lora, der bereits in Thinaels Kindheit dafür gesorgt hatte, dass sie und ihre Brüder im Umgang mit Holzschwertern vertraut wurden. Zumindest hatte er es versucht, doch das junge Mädchen erwies sich als vollkommen untalentiert.

Sie erinnerte sich noch an viele harte Tage, die sie mit unzähligen blauen Flecken abschließen musste, weil Thariel ziemlichen Spaß daran hatte, sie kreischend über die Wiese zu jagen. Mit seinem Holzschwert stolz in den Händen.

An die häufigen Besuche, die Nhe'Lora der Blutsonnefamilie abgestattet hatte. Wie er gut gelaunt mit einer Quel'Dorei mittleren Alters auf dem Balkon saß. Weißes Haar fiel weich und seidig über den Rücken der Frau, ihr Lachen klang nach einem leisen Windspiel, dessen winzige Glöckchen aneinanderstießen. Ihre Haut war immerzu von der warmen Sonne des Immersangwaldes gebräunt, unter den kurzen Fingernägeln fand sich jederzeit ein wenig Waldboden wieder. Nicht nur Thariel, Athriel oder Thinael waren gebannt von der Natürlichkeit dieser Elfe, deren Scherze so oft für allgemeine Heiterkeit gesorgt hatten. Auch Nhe'Lora schien damals fasziniert. Umso älter kam er Thinael jetzt vor, nach all seinen persönlichen Schicksalsschlägen und dem Ableben der bodenständigen Quel'Dorei - Anthiela Blutsonne.

In dem langen, aufschlussreichen Gespräch tanzten sie beide wie um ein heißes Kohlebecken. Keiner wollte Goldnebel erwähnen, sich an die Zeit dort erinnern, selbst wenn das bekannte Gesicht gegenüber nichts anderes zuließ, als sich jede noch so kleine Begebenheit ins Gedächtnis zu rufen.

Man wollte sich nicht darüber unterhalten, was man gemeinsam erlebt hatte. Welcher Nachbar sich mit wem gestritten hatte. Welche Skandale am Dorfbrunnen bekannt gemacht wurden, wenn die alten Damen sich unterhielten. Denn jede noch so winzige und witzige Geschichte führte darauf hinaus, dass man zwangsweise auf das zu sprechen kam, was Nhe'Lora aus der gemeinsamen Geburtsstätte getrieben hatte.
 

Die Explosion. Die unglaubliche Welle an Licht, Feuer - was auch immer es war - die das Anwesen der Sonnenbluts in Goldnebel dem Erdboden gleich gemacht hatte. Thinael erinnerte sich daran, wie sie von ihrem Fenster aus den tollpatschigen Tiratas über den Platz rennen sah, Thariel noch einen abfälligen Kommentar über zwei linke Füßen fallen ließ - bevor das Dorf in gleißendes Licht gehüllt wurde und ein ohrenbetäubernder Knall die Hauswände erzittern ließ. Wie Thariel sich zu Boden warf. Athriel, der es seinem Zwilling gleichtat und seine Schwester mit sich riss. Mehrere entsetzte Schreie zu hören waren und schließlich nur noch Tiratas, der draußen brüllte, wie ein Wahnsinniger. Seine Hände gegen die Augen presste, mit denen er direkt in die Explosion gestarrt hatte.

Einen Augenblick später, als nur noch das Brüllen zu hören war, hörten die Geschwister, wie die Haustür zugeschlagen wurde. Anthiela rannte über den Platz, um den weinenden, wütenden, schreienden Tiratas Sonnenblut aufzusammeln und ihn so behutsam wie möglich zu der Priesterin führte, die wie fast alle anderen Bewohner Goldnebels auf den Platz stürmten. Nhe'Lora und seine Schwester Vil'Andariel hetzten aus dem angrenzenden Wald, blickten wie erstarrt auf den brennenden Trümmerhaufen, der wenige Augenblicke zuvor noch ihr Zuhause gewesen war. Behütet und ruhig inmitten des Dorfes.

Der jüngste Sonnenblut, Tiratas, verlor an diesem Tag nicht nur sein Augenlicht, sondern auch seine Mutter Nim'Ir und Großmutter Leran. Von dem Großvater der Sonnenbluts - Melwion - fand man nichts. Nicht die geringste Spur.

Nhe'Lora und seine beiden Geschwister hatte Thinael nie über diesen Tag sprechen hören. Sie wollte dieses Thema ebenso wenig anschneiden. Musste sie auch nicht - denn der Regen hatte aufgehört und die beiden Waldläufer waren gerade dabei, unter der Brücke hevorzukriechen, als sie aus der Ferne eine Gruppe Weltenwanderer auf sich zukamen sahen. Jeder Einzelne von ihnen sah erschöpft, abgekämpft und dreckig aus. Zwei von den acht Quel'Dorei schienen verletzt worden zu sein, während die Anderen mit Blessuren davongekommen waren. Derjenige von ihnen, der allen voran lief, trug die berüchtigte Klinge auf seinem Rücken, die allgemein als "Roter Sturm" bekannt war.
 

Das Vorhaben, nach Goldnebel zurückzukehren, wurde von eben diesem Trupp durchkreuzt. Denn der Träger des rot schimmernden Schwertes rief Thinael und Nhe'Lora mit herrischer Stimme zu: "Macht Meldung in Silbermond! Am thalassischen Pass wurden berunruhigende Beobachtungen gemacht. Ein.. Heer zieht gegen Quel'Thalas."



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