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Hoteps Nähkästchen

Kurzgeschichten: neu: Ich versichere Euch
von

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Ich versichere Euch


 

B

aka Infama schwang sich etwas mühsam auf das geliehene Pferd um aus der Stadt zu reiten. So jung war er auch nicht mehr, nun ja, dreißig und ein wenig, aber er hätte es durchaus bevorzugt weiterhin mit der Sänfte zu reisen. Leider war der Treffpunkt mit seinem neuen Klienten in den Bergen und sein Chef hatte schon zu verstehen gegeben, dass da einiges mehr drin sei und er diesem Inu no Taishou sehr höflich begegnen sollte.

 

Baka arbeitete seit knapp über fünf Jahren für dieses neue Unternehmen. Versicherungen gab es noch nicht sehr viele und KAZE suchte deswegen seine Vertreter auch sorgfältig aus. Er war ein Quereinsteiger, wie man so schön sagte, aber seine Beredsamkeit und nicht zuletzt sein Erfolg, in den letzten Jahren einer derjenigen Angestellten gewesen zu sein, die die meisten und dazu günstigsten Verträge für KAZE einbrachten, hatte ihn doch bekannt werden lassen.

Für diesen Spezialauftrag hatte ihn einer der obersten Chefs persönlich ausgesucht. Es war der erste Dämonenfürst, der sich für eine Versicherung interessierte und das Vorstandsmitglied hatte ihm absolute Höflichkeit anbefohlen.

„Die Anfrage, mein lieber Baka, lautet auf eine Haftpflichtversicherung. Nun, ich brauche Euch kaum zu sagen, dass es für KAZE ungünstig wäre, einem Feldherrn, denn nichts anderes ist ein Taishou, eine Berufshaftpflicht an die Hand zu geben. Das könnte uns leicht ruinieren. Anders sieht es natürlich mit einer privaten Haftpflicht aus, aber auch da solltet Ihr sehr auf die Konditionen achten. Wobei Dämonen, zumal Dämonen dieses Ranges, kaum dazu neigen etwas impulsiv zu tun. Das Treffen soll in einer Woche im Westen stattfinden. Ich hoffe doch, dass Ihr mit einem Vertrag zurückkehrt, wenn möglich natürlich auch noch mit einer Hausrat. Ich hörte, der Kerl oder seine Frau besitzen ein Schloss, das würde sich natürlich lohnen. Bedenkt dabei allerdings die Einschränkungen für Juwelen, Antiquitäten und sonstige Wertgegenstände, die natürlich nicht übernommen werden. Und seid sehr höflich. Den Fuß bei Dämonen in die Tür zu bekommen wäre ideal für unsere Gesellschaft.“

 

Baka hatte alles versprochen und war nun seit einer Woche unterwegs. Nur noch dieser Ritt und heute Mittag würde er also seinen ersten Dämon, nun, sogar dämonischen Feldherrn, zu Gesicht bekommen. Ohne Vertrag bräuchte er sich kaum wieder sehen lassen, also musste er den Kerl irgendwie ködern. Nun gut. Erst einmal plaudern, hören, wie der so tickte, dann konnte man ihm vielleicht eine Unfallversicherung aufschwatzen. Das konnte er gut, da half ihm seine frühere Tätigkeit als Verkäufer doch immer wieder sehr. Obwohl, der war Krieger, Feldherr. Nein, keine Krankenversicherung, keine Unfallversicherung. Ja, der Chef hatte recht. Hausrat, mit allerlei Einschränkungen. Für ein Schloss müsste KAZE dann ja schon nichts mehr bezahlen, nun, so gut wie.

 

Vor ihm lag ein grasiger Hügel, überragt von einem alten Nadelbaum, an dem ein weißhaariger Mann in Rüstung nachlässig lehnte. Das musste der Kandidat sein und Baka Infama hielt an, stieg ab und band sein Pferd an, ehe er über den Bach sprang und den Hügel hinaufstieg. Zum Glück hatte er noch daran gedacht, dass sein feiner und teurer Kimono bei einem Treffen in der freien Wildbahn nur ruiniert würde. Immerhin konnte er sich nun welche leisten. Das Vertreterdasein für KAZE hatte ihn durch die Provisionen wohlhabend gemacht und er hoffte doch, dass es noch mehr werden würde.

So neigte er höflich den Kopf. „Der Inu no Taishou, vermute ich?“

„Dein Pferd.“

„Äh, was?“ Wollte der das etwa fressen? Wie sollte er dann je in die Zivilisation zurück?

Der Mensch schien schwer von Begriff – oder verängstigt. Der Taishou prüfte die Luft. Angst. So erklärte er milde: „Es hat dich getragen. Dort ist Wasser.“

„Oh, ja, natürlich.“ Was war das denn für ein Dämon? Aber Baka folgte dem alles andere als dezenten Hinweis und kehrte zu seinem Pferd zurück, nahm dem den Zaum aus dem Maul und führte es zu dem Bach um es dort anzubinden. Dann kehrte er zu seinem möglichen Klienten zurück. „Ich bin etwas aufgeregt, vergebt,“ erklärte er mit einem Lächeln, das die meisten Menschen als gewinnend empfanden. „Ich traf noch nie einen Dämon, edler Herr.“

„Setz dich. Du weißt, was ich will?“

„Mir wurde gesagt, Ihr wünscht eine Haftpflicht?“ Ach du je. Kurz angebunden und gleich zur Sache kommend. Dämon oder Krieger? Nun, der war beides. So sollte er sich anpassen. „Ich habe verschiedene Angebote dabei, wenn Ihr mir genau sagen würdet, was Ihr wünscht…“

„Ich habe einen Sohn.“

„Wünscht Ihr ihn zu versichern?“ Eine Lebensversicherung für einen jungen Dämon? Die Einzahlungen wären natürlich utopisch. Man müsste die Konditionen anpassen….

„In gewisser Weise, ja. Es gibt, hörte ich, eine Versicherung, bei der Schäden, die Kinder anrichten, beglichen werden.“

„Ja, eine Privathaftpflichtversicherung, edler Herr. Natürlich gibt es da gewisse Bedingungen….“

„Natürlich. Meine zweite Gemahlin erwartet demnächst ihr Kind. Ich möchte eine Haftpflichtversicherung für meine Söhne.“

Demnächst ihr Kind? Und der Feldherr ging selbstverständlich davon aus, dass es sich um noch einen Sohn handeln würde? Da ließe sich doch was machen. „Äh, ich entnehme dem, dass Ihr beide Söhne sozusagen unter Eure Fittiche nehmen wollt? Oder, wie man das bei Hundedämonen nennt?“

„Nein, sie sollen bei ihren jeweiligen Müttern in deren Schloss leben.“

Oh. zwei kleine Dämonen in einem Schloss. Also, sicher Prinzen, sicher streng erzogen, wenn Baka so an die Leute dachte, denen er schon begegnet war. Auf der Straße. Sein Wunschtraum war es mit ihnen auch einmal gesellschaftlich verkehren zu können. Streng erzogene Prinzen konnten wenig anstellen, zumal, wenn die jeweilige Mutter ein Auge drauf hatte. Und das würden die Damen. Ein Vater – ein Erbe und zwei Söhne. Die Mütter würden sehr vorsichtig sein. Er musste ehrlich wirken, ermahnte er sich, oder sogar es sein. Dämonen sagte man so einiges nach, auch, dass sie Lügen mitbekamen. „Nun, werter Herr, das könnte man schon machen, es gibt nur einen Punkt auf den ich hinweisen möchte. Schäden, die im jeweiligen Elternhaus angerichtet werden, werden nicht von KAZE übernommen. Das ist eben Sache der Eltern. Wenn Ihr mit dieser Bedingung einverstanden wärt ….Zwei Söhne, Schäden, die sie fahrlässig oder grob fahrlässig anrichten. Vorsatz ist natürlich ausgeschlossen.“ Er suchte in seiner Tasche, nahm einen vorformulierten Vertrag, Tinte und Feder heraus und breitete alles vor sich aus.

„Sekunde. Was bedeutet Vorsatz?“

„Äh, wenn ein Kind eine Vase nimmt und sie zu Boden wirft? Grob fahrlässig ist es, wenn Kinder in einem Raum voller, sagen wir Vasen, Ball spielen, fahrlässig, wenn sie eben einen Moment nicht aufpassen.“

„Wie sieht es bei Kämpfen aus?“

Baka Infama wusste, dass er nicht besonders intelligent drein sah. „Kämpfen denn bei Dämonen schon Kinder? Verzeihung.“

„Der Unterricht umfasst auch Schwerttraining. Das sollte eingeschlossen sein.“

Nun ja, unter den Augen der Mütter, mit Lehrern, sollte nicht allzu viel passieren können. „Ja, ich denke, wir können den vorformulierten Vertrag ergänzen um: auch Zwischenfälle, die beim Üben gegen Lehrer entstehen.“

„Und gegeneinander.“

Man erkannte leider einen Strategen. „Äh, ja.“ Wie formulierte er das am Besten. „Ich werde schreiben, werter Taishou: ausdrücklich eingeschlossen sind Kämpfe, die die beiden Söhne gegeneinander mit Schäden für Dritte oder das Umfeld anrichten …?“ Was der Kerl trotz allem nicht bedachte – der Vertrag galt nur zu fünfzig Prozent. Aber, nur nicht sich etwas anmerken lassen. „Wie hoch wünscht Ihr eigentlich die Versicherungssumme? Davon hängt auch der jährliche Beitrag ab.“

„Nun, wir sagten, fahrlässige und grob fahrlässige Schäden, letzteres Dinge, die man wissen könnte, aber im Eifer des … Gefechtes nicht mitbekommt, und vorsätzlich auch Kämpfe gegeneinander... Dann würde ich die Summe unbegrenzt wollen.“

Baka ächzte. Wie sollte er das seinen Chefs sagen? „Das ist ungewöhnlich, und natürlich auch teuer.“

„Wie teuer.“

„Ich, ich muss erst rechnen, das ist wirklich ungewöhnlich …..“ Baka rechnete nur scheinbar, denn er wusste die Antwort, die KAZE wirklich viel Geld einbringen würde. Und, was sollten zwei kindliche Prinzen schon anrichten. „Ich gehe davon aus, dass Ihr Eure Söhne nur bis zur Volljährigkeit gedeckt haben wollt?“

„Bis der Jüngere volljährig ist.“

„Darf ich fragen, wie lange das wäre?“

„Rechnen wir glatt. Fünfhundert Jahre.“

„Oh. Äh ….“ Fünfhundert Jahre, dann wurde der erst volljährig, wenn er bald geboren würde? Ach du je. Fünfhundert Jahre diesen Vater und strenge Erziehung im Schloss? „Nun, normalerweise würde ich sagen, einen goldenen ryo pro Jahr, aber das ist natürlich eine lange Zeit …“ In der so gut wie nichts passieren konnte.

„Ein goldener ryo in jedem Jahr, das ich lebe, bis mein Jüngster volljährig ist.“ Der Taishou klang, als sei er solche Verhandlungen gewohnt.

Bakas Gedanken rasten. Dämonen wurden alt, das zeigte sich ja gerade an der langen Kindheit. Und, der hatte noch immer den Fehler in seinem Plan nicht durchschaut. Der Vertrag galt nur für Söhne. Wurde das zweite Kind ein Mädchen, würde der Taishou auf den Kosten bei ihr sowieso hängen bleiben, ja, es fragte sich dann, ob nicht der gesamte Vertrag dann hinfällig wäre. Bezahlte Beiträge behielt natürlich KAZE. Und die Provision er. „Ja, natürlich, werter Taishou, ich schreibe das so. Und, darauf darf ich auch aufmerksam machen, mein Handgeld beträgt ebenfalls dann einen goldenen ryo.“ Und von jedem Beitrag würde er einen gewissen Anteil erhalten. Das lohnte sich.

Der Taishou griff in seinen Ärmel und zog zwei goldschimmernde Münzen hervor. „Hier. Und quittiere mir noch auf dem Vertrag.“

„Ja, ganz wie Ihr wünscht.“ Ja, der war verhandlungserfahren. Nun ja, als Feldherr. Und der war vorsichtig. So konnte er das Handgeld nicht verschwinden lassen, sondern die Versicherung würde es erfahren. Gleich, das stand ihm zu. „Ich danke Euch vielmals.“ Sein erster Vertrag mit einem Dämonenfürsten. „So, hier, bitte. Es wäre sehr freundlich, wenn Ihr von Eurem hoffentlich positiven Eindruck unserer Versicherung auch weiter erzählen würdet.“

Der Hundedämon nahm den Vertrag. „Du kannst gehen. Oder eher, reiten.“

„Ich muss noch in die Hauptstadt zurück. Nochmals vielen Dank, werter Taishou.“ Baka verneigte sich ehe er aufstand und zu seinem Pferd ging.

 

Es hätte ihn kaum beruhigt, dass der Taishou, noch ehe der Vertreter aufgestiegen war, den Vertrag zu Boden legte. „Myouga.“

Ein kleiner Flohgeist kam aus der Rüstung. „Ihr habt ihn über den Tisch gezogen, Herr.“

„Findest du? Stimmt der Vertrag?“ Während Myouga das Lesen begann, lächelte der Hundedämon, ohne den Menschen aus den Augen zu lassen.

„Er geht davon aus, dass der Vertrag zu fünfzig Prozent unwirksam sei,“ erklärte der Flohgeist. „Es heißt nur zwei Söhne, von einer Tochter ist keine Rede. Seid Ihr sicher, dass Prinzessin Izayoi auch einen Sohn erwartet?“

„Der Ultraschall des Fledermausdämons war diesbezüglich eindeutig.“

„Und Euer Leben lang ein goldenen ryo bis der Jüngste volljährig ist …. Herr, bei allem Respekt, aber … Ihr lebt gefährlich.“

„Eben darum. Fünfhundert Jahre sind auch für mich eine lange Zeit. Ich will nicht, dass meine Gemahlinnen mit finanziellen Anfragen überhäuft werden. Stimmt der Vertrag?“ Noch immer hatte er Baka Infama nicht aus den Augen gelassen, der schon fast tausend Schritte entfernt ritt.

Myouga seufzte. „Ich fasse kurz zusammen. Für allen Schaden, den Eure Jungs bei Kämpfen anrichten, kommt KAZE auf.“

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Falsl sich jemand fragt, warum diese Versicherung nicht mehr existiert... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Morgi
2022-02-08T19:40:38+00:00 08.02.2022 20:40
Hallo!

Fledermausdämonenultraschall - warum gibt es dazu keine Nähkästchenepisode? Ich melde dringenden Bedarf an, vielleicht auch an einer entsprechenden Gesundheitsfürsorge für den armen Baka, sollte dem sein Fehler noch zu eigenen Lebzeiten bekannt werden. Womöglich war das ein sehr, sehr tückischer Ryo, der ihm da zufiel. An seinem Charakter mochte ich, dass er wie ein umsichtiger, konzentrierter Schreiber wirken konnte, bevor ihn die kindische Aufregung davon trug und Mäßigung vorgeschoben wurde. Ein Windhund!
Leider ließ er sich nicht so viel erzählen, wie seinem Vertrag zu Gesicht gestanden hätte. Etwas mehr über dämonische Ausbildung, hier und da eine Information, wie alt der andere Sohn bereits sei und wie er sich verhielte: Das hätte ihm Klarheit verschafft. Hätte. Aber ich mochte seine Vorurteile und die Vorstellung, wie sich beide Mütter mit Argusaugen hinter ihren Söhnen erheben, sehr! Es fehlte nur das aus Hanf geknüpfte Seil als Schwertersatz in seiner bildhaften Fantasie.
"Man erkannte leider den Strategen", ja, das war ein feiner, vernichtender Satz. Sehr unterhaltsam obendrein. - Ich würde nur am Anfang den zwei-/dreifachen Hinweis auf Höflichkeit gegenüber dem Dämon zu einem herunterkürzen. Die Anekdote des Briefs hatte den meisten Pfeffer dabei!

Ist überliefert, welcher Sohn den Ruin auslöste, nachdem die Zahlung aus (bedauerlichen) Gründen ausblieb, liebe Hotep?

Viele Grüße, Morgi
Antwort von:  Hotepneith
08.02.2022 20:52
Die Erde bebt, Naraku kichert hoffentlich KAZE versichert.
Hm, velleicht der kleine fight gegen So´unga? Allein die Hölle und die Wege dahin wieder zu sclhiessen dürfte kosten..

Diese höflliche Höflichkeit sollte betonen, wie viel dem Vorstand von KAZE an einer, nun ja, Geschäftserweiterung in die Dämonenwelt lag.
Antwort von: Morgi
08.02.2022 20:53
Ich wünsche mir prompt eine zweite Episode "Versicherungen" bei diesem Slogan. Womöglich belebt der ein oder andere nicht nur Priesterinnen, sondern auch Geschäftskonzepte neu...

Hoheitlich amüsiert, Morgi


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