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Der Held der Zeit

von

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„Baum fällt!“ Jarrow wischte sich den Schweiß von der Stirn, während die Tanne knarrend dem Boden entgegen fiel. Der Himmel, der durch das dunkle Blattwerk blitzte, hatte eine tiefrote Farbe angenommen und der Wald war in ein düsteres Zwielicht getaucht. Erleichtert blickte der Holzfäller zu seinen Freunden hinüber. „Das war der Letzte für heute. Den Göttinnen sei Dank, sind wir noch vor der Dunkelheit fertig geworden.“

André und Geram hatten das Holz bereits auf einen Pferdekarren geladen. Sorgenvoll ließ Geram, der Jüngere der beiden, den Blick zum Himmel gleiten, der sich langsam in einem sanften Violett zu färben begann. „Beeilt euch.“

Jarrow sammelte seine Werkzeuge zusammen und sprang auf den Karren. André schnalzte mit der Zunge und der Wagen setzte sich in Bewegung, Celia, ihre Stute, trieb er zur Eile an. Möglichst weit vom Wald und nahe dem Dorf wollten sie sein, wenn die Nacht hereinbrach. Sehnsüchtig schaute sich Jarrow im Dickicht um. „Schon wieder keine Feen. Wann haben wir sie bloß zum letzten Mal gesehen?“

Angespannt saß André auf dem Kutschbock. „Das war, bevor Goblins und andere Kreaturen unseren Wald heimsuchten.“

Geram schlug mit der Faut auf das Holz des Karrens. „Es wird Zeit, dass wir etwas gegen sie unternehmen! Man traut sich ja nachts nicht mehr aus dem Haus heraus!“

André mustere ihn mit gerunzelter Stirn. „Wer sollte das tun? Wir sind zu wenige und die Frauen und Kinder bangen um ihre Männer.“

Lächelnd sah Geram in die Dämmerung. „Dann muss der Held der Zeit eben erscheinen. Ihr wisst ja, gewandet in das grün der Wiesen, ist es sein Schicksal, Hyrule den Frieden zu bringen.“

Jarrow schenkte ihm ein mitleidvolles Lächeln. „Junge, es tut mir leid, aber die Zeit der Legenden ist vorüber. Der Held der Zeit wird nicht erscheinen.“

Fassungslos schaute Geram von einem zum anderen. „Aber der Held der Zeit kam doch immer, wenn man ihn brauchte!“

Die älteren Männer schüttelten wehmütig den Kopf.

Unmittelbar fuhr ein Ruck durch den Wagen und es knackte bedrohlich. André sprang herab und besah sich den Karren.

„Was ist passiert?“, wollte Jarrow wissen.

„Bei allen Dekus! Eine Achse ist gebrochen!“

Fluchend blickte Jarrow hinauf in den Himmel. Die letzten Strahlen der Sonne waren verschwundnen und die Bäume warfen violette Schatten. Noch immer hatten sie es nicht geschafft, den Wald zu verlassen. Ein kalter Wind kam auf und Jarrow schlug seinen Umhang enger um die Schultern. „Wir müssen weg von hier.“

André musterte ihn kritisch. „Und den Wagen zurücklassen?“ Das kommt gar nicht in Frage!“

„Da Vorne ist etwas!“ Mit aufgerissen Augen starrte Geram in die Finsternis.

„Bist du sicher?“ Hektisch griff Jarrow nach seiner Holzfälleraxt. Doch nun sah er es auch. Schatten bewegten sich in der Dunkelheit. Geduckt schlichen sie über den Waldboden. Nur manchmal war ein scharrendes Geräusch zu hören, wenn eine krallenbesetzte Pranke an einem der Bäume entlang schabte. Sie kamen näher. Gelbe Augen leuchteten in der Dunkelheit, weiße Zähne reflektierten das Licht des Mondes. Celia tänzelte nervös.

„Ruhig, ruhig, meine Schöne“, versuchte André sie zu beruhigen. Doch seine Hände zitterten, als er in die Zügel griff.

Jarrow konnte geifernde Mäuler erkennen. Mäuler, die nach ihrem Blut lechzten. Sie waren von einem Rudel Wölfe umringt.

„Ich habe meine Axt vergessen, wimmerte Geram leise. „Ich muss sie bei der Arbeit liegen gelassen haben.“

„Schon gut.“ André legte ihm eine Hand auf die Schulter. Die Angst ließ das Weiße in seinen Augen aufblitzen. „Gegen diesen Feind können wir ohnehin nichts ausrichten.“

Celia scheute. Wild trat sie um sich, bis sie sich von den Zügeln gerissen hatte. Ängstlich wiehernd galoppierte sie in die Nacht. Das war der Moment, indem die Wölfe angriffen. Gleich drei von ihnen sprangen auf den Wagen, der unter dem Gewicht bedrohlich zu schwanken begann. André wurde vom Kutschbock gerissen. Jarrow sah sich einer der Bestien direkt gegenüber. Geram hinter seinen Rücken drängend, schwang er seine Axt gegen das Ungetüm. Der Wolf knurrte. Dann sprang er ihn an. Jarrow fiel rückwärts, schlug sich hart den Kopf an einer Holzkante. Er wurde begraben unter dem Gewicht des Tieres. Das Maul des Wolfes war direkt über ihm. Speichel troff ihn aus dem Maul und seine Augen, glimmend in einer bösartigen Intelligenz, schienen ihn herablassend zu mustern. Dann schnappte er zu. Schon spürte Jarrow die Reißzähne an seiner Kehle entlang gleiten, da gab der Wolf ein schmerzverzerrtes Heulen von sich. Noch einmal zuckte der monströse Körper, dann erschlaffte er. Jemand rollte den toten Körper zur Seite. Zitternd holte Jarrow Luft. Sein Hals schmerzte, da wo die Zähne des Wolfes ihn geritzt hatten. Eine Hand streckte sich ihm entgegen.

„Geram?“

„Nein, nicht Geram.“

Jarrow ließ sich aufhelfen und schaute in die tiefblauen Augen eines jungen Mannes. Rasch sah er sich um. Drei Wölfe lagen erschlagen auf dem Karren. Von dem Rudel war nichts mehr zu sehen. Lautlos war es in der Finsternis verschwundnen. Geram saß zusammengeduckt in einem Winkel des Karrens. Aus staunenden Augen sah er dem Fremden entgegen. André kletterte gerade zurück in den Kutschbock.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Jarrow den jungen Mann an. „Habt Ihr…“ Er blickte zu den Wölfen hinüber.

Der Fremde schaute aufmerksam von einem zum anderen. „Ist Jemand verletzt?“

André rieb sich eine Schramme über seiner Augenbraue. „Nur ein Kratzer. Nicht der Rede wert.“ Er verbeugte sich tief. „Habt Dank. Wenn Ihr nicht gewesen wäret, ich weiß nicht, was aus uns geworden wäre.“

Mit leuchteten Augen richtete sich Geram auf. Du bist es. Du bist der Held der Zeit, nicht wahr?“

Langsam schüttelte der Fremde den Kopf. „Mein Name ist Link.“

„Link…“ Geram grinste ihn verschwörerisch an.

Mit einem sirrenden Geräusch ließ ihr Retter sein Schwert zurück in die Scheide gleiten. „Lasst den Wagen zurück und geht ins Dorf. Der Wald ist unruhig.“

André nickte. „Seid unbesorgt. Keine Minute länger werden wir hier bleiben.“

Der Krieger lächelte. „Gut.“ Gewand schwang er sich vom Karren und verschwand in der Nacht.

Die drei Holzfäller tauschten einen stummen, staunenden Blick. Dann packten sie in aller Eile ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg. Auch wenn sie sich immer wieder unruhig umschauten widerfuhr ihnen nichts, als sie vorsichtig dem Weg folgten. Schon bald lichtete sich der Wald und das Dorf mit seinen erleuchteten Fenstern kam in Sicht. Als die süß duftenden Felder und Äcker sie umringten, atmete Jarrow erleichtert auf. Nun war es nicht mehr weit. Die Häuser kamen näher. Der heimatliche Geruch von Rauch und frisch gebackenem Brot stieg ihm in die Nase. Jarrow war den Tränen nahe, als er das geräumige Gasthaus betrat. Zusammen mit André und Geram setzte er sich an einen großen Tisch. Seine Freunde und seine Familie waren hier versammelt, all die Menschen, die er befürchtet hatte, nie wieder zu sehen. Überglücklich schaute er von einem vertrauten Gesicht zum nächsten. „Die Zeit der Legenden ist noch nicht vorüber“, flüsterte er.

„Ja, sagte Geram begeistert. „Wir sind ihm begegnet, dem Helden der Zeit.“

In einem dunklen Winkel des Gasthauses, dort, wo das Licht des Herdfeuers nicht mehr war als ein flackernder Schein, lag neben einem dampfenden Eintopf eine Ocarina auf dem Tisch. Tief in Gedanken versunken strich die Hand eines jungen Reisenden über die feinen Konturen des Instruments. Genau hatte er den Worten der Holzfäller gelauscht. Er nahm ein Glas Milch an die Lippen und als er es absetzte, lächelte er leise.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Nabooru
2012-04-25T20:29:54+00:00 25.04.2012 22:29
Soeben stieß ich per Zufall auf deine Kurzgeschichte ... und bin froh darum (und ich hoffe, eine Kritik ein Jahr später stört dich nicht xD)!

Ich kann mich meinen Vorrednern auf jeden Fall anschließen, sie ist dir sehr gelungen. Du weißt dich auszudrücken und Atmosphäre zu schaffen, die Ereignisse sind für den Leser gut fassbar. Außerdem gefällt mir die Idee, es aufzugreifen, wie die Leute im Königreich Hyrule - in den Spielen ja höchstens durch einige NPCs repräsentiert - die Ereignisse wahrnehmen und wie sie vom Auserwählten denken. Das lässt die Legende (des Helden) lebendiger werden.

Einzige Kritikpunkte wären, dass du den Namen André für einen einfachen Holzfäller verwendest, und dass der Held der Zeit "jung" ist; aber da bin ich einfach vorbelastet, André muss für mich ein Ritter Hyrules heißen und ich habe einen Narren an einem erwachsenen, älteren Link gefressen. Also nichts, was du ernst nehmen müsstest. xD (Wobei ich Links ernste und zurückgezogene Art in deiner Fanfiction mag!)
Von:  Carifyn
2011-05-03T22:48:29+00:00 04.05.2011 00:48
Kurz, aber sehr schön! *lächelt leicht*
Von:  sinistersundown
2011-03-13T17:05:13+00:00 13.03.2011 18:05
Schade, das es schon zu Ende ist.
Ich fand deine Fanfic wirklich schön und sehr gelungen!
Deine Wortwahl und wie du in kurzer Zeit die Spannung aufgebaut hast, gefielen mir sehr gut.
Man hat sich gefühlt, als wäre man direkt dabei :)
Das wäre ein gelungener Anfang für eine Fanfic größeren Umfangs... aber da sie schon abgeschlossen ist, kann man das wohl nicht erwarten. Schade.
Trotzdem hatte ich meine Freude daran, sie zu lesen.
Mach weiter so!

Liebe Grüße

Sinister


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