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Blood Moon - Bis(s) in alle Ewigkeit

Fortsetzung von Rising Sun - Bis(s) das Licht der Sonne erstrahlt
von

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Der heilige Gral

Disclaimer:

=> Ich verdiene kein Geld mit meiner Fanfiction.

=> Alle Charaktere die schon in den Twilight-Bänden ihren Auftritt hatten, gehören Stephenie Meyer. Alle Anderen, wie etwa Schüler, Lehrer und vor allem Renesmees und Jakes Kinder, habe ich selbst erfunden.
 

Weitere Infos zur FF, Trailer, Cover & mehr

http://www.renesmee-und-jacob.de.vu

http://www.chaela.info
 

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Kapitel 7

Der heilige Gral
 

„Wollen wir dann?“, fragte ich leise und bot ihr meinen Arm zum Einhaken an. Meine hübsche Begleitung nickte sachte und nahm an. Zusammen traten wir hinaus in das nächtliche Venedig. Das Erste, was ich spürte, war, dass sie ihren Griff festigte. Es war zwar Winter, aber ich war mir recht sicher, dass die Kälte nicht der Grund dafür war. Im Augenwinkel beobachtete ich, wie sie sich umsah. Ein bisschen erinnerte sie mich dabei, in ihrer leichten Nervosität, an ein kleines Tier, dass immer Angst haben musste, von irgendwas Größerem verspeist zu werden.

„Alles okay?“, fragte ich vorsichtshalber.

„Ja“, antwortete sie sogleich, ohne aber zu fragen, warum ich diese Frage gestellt hatte.

Nur fünf Gehminuten von unserem Hotel entfernt 'parkte' unsere Gondel. Als Sangreal merkte, dass ich auf den Kanal zusteuerte, blieb sie jedoch stehen. Ich sah sie fragend an.

„Nahuel meinte, wir sollten zu Fuß zur Oper gehen.“

„Ach wirklich? Hat er?“, fragte ich gespielt und hob die Augenbrauen. Das Mädchen nickte etwas unsicher.

„Die Gondel ist aber im Ticketpreis inbegriffen und was Aro uns spendiert, sollten wir nicht verschmähen, oder?“

Ihr Mund formte sich langsam zu einem hübschen Lächeln. Ich nahm das einfach mal als Zustimmung und stieg in die Gondel.

„Buonasera signore e signori!“, begrüßte uns der Gondoliere freundlich.

„Buonasera“, antwortete ich und half Sangreal beim Einstieg.

Gut, sie war nur zur Hälfte Vampir, aber ihre Anmut und ihre Grazie kamen der eines vollwertigen Vampirs gleich. Ich hatte in Mauritius gesehen, wie schnell und stark sie sein konnte. Und doch half ich ihr, wie einem unbeholfenen ängstlichen Mädchen, in diese wacklige Gondel. Ich wusste selbst, wie bescheuert das eigentlich war, sah aber im selben Moment, dass sie sich über die Aufmerksamkeit freute und erhielt Bestätigung, als sie während der Fahrt nach meiner Hand griff und ich den seidenen Stoff ihrer Handschuhe über meinen Handrücken streicheln spürte.

Bisher hatte ich den Anblick des Meeres, vor der irländischen Küste, für das Schönste gehalten. Egal, ob bei Tag oder Nacht. Inzwischen konnte ich zwar sagen, dass es wohl etwas schöneres gab, aber ich war nicht in der Lage zu sagen, was ich gerade so überwältigend schön fand. War es Venedig bei Nacht und der Vollmond, der sich im Kanal spiegelte oder war es das Mädchen neben mir, das in diesem Moment ihren Kopf auf meine Schulter legte?

Leider legte die Gondel für meinen Geschmack viel zu früh an. Ich wäre gerne noch die nächsten zwei Stunden, die die Vorstellung dauern sollte, mit Sangreal in einer Gondel durch Venedig geschippert.

Das Gran Teatro La Fenice di Venezia war das größte und bekannteste Opernhaus Venedigs und die Vorstellung, obgleich sicher einige Male aufgeführt, war brechend voll. Um eine gute Aussicht zu haben und den Gerüchten auf den Grund zu gehen, hatte Aro uns einen Platz auf einem der Balkone rechts neben der Bühne besorgt. So waren wir einige Meter über dem Geschehen.

Die Handlung entsprach den üblichen Klischees: ein Vampir, wunderschön mit schwarzem langem Haar, verliebte sich in eine sterbliche wunderschöne brünette Dame. Die Familie des Mädchens, wohl wissend, dass ihr Geliebter übernatürlichen Ursprungs war und ganz sicher nichts Gutes im Schilde führte, wollte der Liebe der beiden ein Ende setzen und das Monster mit den üblichen Mitteln ins Jenseits befördern. Um der Trennung zu entfliehen, bat das Mädchen ihren Geliebten darum, sie ebenfalls zu einer Unsterblichen zu machen, auf das die beiden gemeinsam für immer zusammen sein könnten.

Meine Begleitung starrte wie gebannt auf die singenden und tanzenden, sich liebenden Protagonisten auf der Bühne unter uns, während ich versuchte, die Vampire unter ihnen auszumachen und gespannt darauf wartete, dass sie die von den Volturi befürchtete Straftat begingen.

Die große Dramatik des Stücks ging zwar auch von dem armen Mädchen, das versuchte seine Familie davon zu überzeugen, dass ihr Schatz kein blutsaugendes Monstrum war und den mit Heugabeln, Weihwasser, Kreuzen und Pflöcken umherirrenden Verwandten aus. Der Höhepunkt war aber dann doch der ersehnte Biss, welcher für Sangreal einfach nur ein dramatisches Ereignis zu sein schien, für mich war es allerdings dann doch der Grund, weswegen wir hier eigentlich saßen.

Ich sah genau, wie sich die Zähne des Schwarzhaarigen in den Hals des Mädchens bohrten. Ich sah das rote Blut, dass aus ihren Adern quoll und in einem Rinnsal über ihre weiße Haut lief. Ich roch den süßlichen Duft, der von ihm ausging. Und mir wurde bewusst, dass ich mich seit Sangreals Blutbeutel nur von menschlicher Nahrung ernährt hatte. Meine Hände bohrten sich in die Brüstung des Balkons und der Vampir, der unten genüsslich am Hals seines Opfers saugte, hob kurz den Blick in unsere Richtung, ehe der Vorhang fiel. Für den Zuschauer blieb ungewiss, was mit dem Mädchen geschehen würde. Ob die Liebenden jetzt ein Leben zu zweit führen würden oder ob sie ein Opfer ihrer Liebe geworden waren. Für mich hingegen war ungewiss, wie viele Vampire hier tatsächlich waren, aber was mir noch viel größere Sorgen bereitete, war die Frage, ob wir vielleicht entdeckt worden sein könnten. Und da ich keine Lust darauf hatte, eine Antwort auf die harte Tour zu bekommen, nahm ich Sangreal, nach der Vorstellung, zügig an der Hand und zog sie vor die Tür. Als nächstes hörte man eine Weile nur das Klackern ihrer Schuhe auf dem Pflasterstein.

„Warum nehmen wir denn nicht die Gondel?“, fragte sie, während wir eilig zurück zum Hotel liefen.

„Das erklär ich dir, wenn wir wieder im Hotel sind.“

Doch die Erklärung folgte auf dem Fuß. Es ging so schnell und so plötzlich, dass ich nur spürte, wie Sangreals Hand aus der meinen rutschte. Anschließend nahm ich einen kurzen Luftzug wahr, ehe mein Rücken gegen die feuchte, raue Wand eines Hauses knallte. Als ich meine Augen aufschlug, blickte ich in die roten Augen eines Vampirs, dessen kalte Hand schwer auf meiner Brust lag und mich gegen das Gemäuer presste. Es war niemand, den ich zuvor in der Oper gesehen hatte, da war ich mir sicher.

„Was wollt ihr?“, zischte mein Gegenüber.

„Dasselbe könnte ich euch fragen“, antwortete ich barsch.

„Nanu?“, sagte nun ein zweiter Vampir, der sich zu dem gesellte der mich fest hielt. Er hatte blondes leicht gelocktes Haar und erinnerte mich von der Statur her an Jasper. „Ihr habt UNSERE Vorstellung besucht und nicht wir eure oder sehe ich das falsch?“

„Wenn ihr keine Zuschauer haben wollt, müsst ihr eure kleine Freakshow im verschlossenen Kämmerlein durchführen“, stichelte ich. Meine Antwort war dem Blonden wohl etwas zu provozierend, denn was ich als nächstes hörte, war das Knacken meiner eigenen Knochen, als er mir einen kurzen Schlag versetzte, der meinen Unterkiefer zum Bersten brachte. Die beiden Vampire lächelten mich mit einem fiesen Grinsen im Gesicht an. Doch so schnell, wie der Schmerz gekommen war, so schnell verheilte meine Wunde und alles, was blieb, war etwas Blut in meinem Gesicht. Die Augen des Vampirs, der mich gegen die Wand drückte, leuchteten. „Ah...“, sagte der Eine mit einem leichten Anflug von Begeisterung. „Das ist interessant.“

„Sag mal...“, begann der Blonde langsam und hob sich eine Hand fragend ans Kinn „Funktioniert das bei der Kleinen auch?“

Plötzlich entglitten mir alle Worte. Es war wie ein Kloß, den ich plötzlich in meinem Hals spürte, als ich sah, wie ein dritter Vampir Sangreal festhielt. Mit einer Hand hatte er ihre Hände auf ihrem Rücken fixiert, seine andere hielt ihr Kinn. Sie hatte die Augen geschlossen und ich sah wie ihre Brust sich rasch hob und senkte. Sie musste panische Angst haben.

„Wäre ganz geschickt, wenn sie sich selbst wieder zusammensetzt, nachdem wir mit ihr fertig sind“, fuhr der Vampir fort und lächelte dabei. „Die anderen gehen uns leider immer auf mysteriöse Weise kaputt. Sind nicht stabil genug, wenn du verstehst, was ich meine.“

Abscheu stieg in mir hoch und äußerte sich in einem tiefen Knurren. „Das wagst du nicht, sonst-“

„Sonst was?“, unterbrach mich der, der mich festhielt.

„Sonst reiß ich euch in Stücke!“, schrie ich förmlich.

Es folgte kurzes Gelächter. „Oh, ich glaube du bist nicht unbedingt in der besten Position, um große Töne zu spucken.“

„Es wäre doch wirklich mal ganz nett, ein hübsches Mädchen mehr als einmal zu haben“, säuselte der Vampir der Sangreal festhielt und wanderte mit seiner Hand von ihrem Gesicht zu ihrem Hals, während er an ihrem langen, braunen Haar roch. Meiner Kehle entfuhr erneut ein Knurren. Als er begann den Reißverschluss an ihrem Kleid langsam herunterzuziehen, spürte ich, wie die Hitze langsam in meinem Innern empor kroch. Als er den roten Stoff von ihren Schultern strich und immer mehr nackte Haut entblößte, begannen meine Hände zu zittern. Und als seine kalten, widerlichen, bleichen Finger den Verschluss ihres BHs berührten, brach es aus mir hervor. Ich hatte eigentlich ein eher ruhiges Gemüt. In den dreißig Jahren meines Lebens, hatte ich an meiner Hand abzählen können, wie oft ich mich aus Wut verwandelt hatte, und das Meiste davon war als Kleinkind gewesen oder in der Pubertät. Später hatte ich es vorgezogen, mich einfach zurückzuziehen. Doch das Gefühl, hilflos mit ansehen zu müssen, was diese offensichtlich seelen- und skrupellosen Lebewesen mit einem so wundervollen Mädchen anzustellen versuchten, machte mich derart wahnsinnig und so voller Wut, dass ich gar nicht anders konnte, als mich zu verwandeln. Und zum allerersten Mal in meinem Leben, tat ich es nicht um meinetwillen, sondern um jemanden zu beschützen, der mir wichtig war.

Für den Bruchteil einer Sekunde spürte ich nur noch, wie die Tiergestalt mit aller Kraft ihren Weg aus meinem Innern suchte. Weder hörte ich das reißende Geräusch, das ich von den Verwandlungen anderer Gestaltwandler kannte, noch bemerkte ich, wie meine Kleider um mich herum zerstreut wurden. Ich sah nur nach vorn. Blickte in die Gesichter der drei Vampire, deren Augen sich nun vor Entsetzen weiteten. Ganz gleich, wie viele Jahre sie schon leben mochten, einen schwarzen Panther von der Größe eines Pferdes mit leuchtend roten Augen dürften selbst sie noch nie gesehen haben. Und für den, der mir am nächsten stand, war es auch das Letzte, was er je sehen sollte. Ein Prankenhieb und einen gezielten Biss – mehr brauchte es nicht. Und dann ergriffen die anderen beiden die Flucht. Alles, was zurückblieb, war die hübsche junge Frau, die mich in diesem Moment ebenso entsetzt anstarrte wie die Flüchtenden, jedoch im Gegensatz zu ihnen nicht floh. Sie verharrte einfach in ihrer leicht kauernden Position. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie wirklich Angst vor mir hatte. Ich wand meinen Blick von ihr ab, schloss die Augen und legte mich auf den Boden, in der Hoffnung, dass ich mich dadurch schneller beruhigen würde. Wenn ich das nicht tat, wäre eine Rückverwandlung nicht möglich und in der Tiergestalt hatte ich ohnehin keine Möglichkeit, zwei Vampire durch die engen Gassen Venedigs zu verfolgen. Sangreal sah mich noch immer an, tat es mir aber zu meiner Überraschung gleich und setzte sich hin. Ob ihr hübsches Kleid nun schmutzig wurde, interessierte sie jetzt nicht. Sie wirkte einfach nur erschöpft und atmete noch immer schnell. Kurze Zeit später benetzten einige vereinzelte Regentropfen mein Fell und die nassen Pflastersteine begannen das Mondlicht zu spiegeln. Erst jetzt war ich in der Lage mich zurück zu verwandeln. Selbst in Menschengestalt kauerte ich noch einen Moment auf dem Boden und spürte den nassen Stein unter meiner Hand. Sangreal wand sogleich ihren Blick ab und ich erhob mich und ging hinüber zu dem kopflosen Vampir, der weder den nächtlichen Mond Venedigs sehen würde, geschweige denn ein Mädchen vor versammeltem Publikum würde töten können. Da ich meine eigenen Klamotten zerrissen hatte, zog ich mir rasch seinen Mantel an. Dann ging ich vorsichtig zu Sangreal. Ich näherte mich ihr langsam und kniete mich etwa einen Meter vor ihr hin.

„Alles okay“, sagte ich ruhig. „Alles in Ordnung.“

Das Mädchen schluckte und nickte dann.

„Kannst du aufstehen?“, fragte ich dann.

Wieder nickte sie. Ich nahm sie vorsichtig am Arm und an der Hüfte und hob sie auf die Beine, aber sie war ziemlich wacklig. Ihre zarten Finger vergruben sich in meinem Mantel und sie legte ihren Kopf an meine Brust. Ich wusste, dass sie wahrscheinlich nur durch den Schock so anhänglich geworden war, aber irgendwie genoss ich es trotzdem.
 

Als wir etwa eine halbe Stunde später wieder unser Hotelzimmer betraten, kam uns Nahuel aufgeregt entgegen. „Was ist passiert?!“, fragte er erschrocken, nachdem er unsere mitgenommene Erscheinung registriert hatte.

„Ein kleiner Zwischenfall“, antwortete ich.

„Kleiner Zwischenfall?“, fragte er spöttisch.

„Wo ist dein Anzug?“, wollte er wissen.

Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er unterbrach mich und fragte erneut: „WAS ist passiert?!“

Ich drehte mich um. Nahuel stand neben Sangreal, die noch immer leicht zitterte. Im künstlichen Licht sah man nun auch, dass ihr Kleid tatsächlich recht schmutzig war. Außerdem hing einer ihrer Träger schief und ihre Frisur war zerzaust. Ich kam nicht mehr dazu, zu antworten. Nahuel nahm Sangreal und brachte sie ins Badezimmer. Einige Minuten darauf kam er wieder zurück.

„So und du sagst mir jetzt GENAU, was passiert ist“, befahl er fordernd.

Ich seufzte. „Sie haben uns bemerkt und auf dem Rückweg abgepasst.“

„Wie viele?“

„Sie waren zu dritt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es noch mehr sind.“

Nahuel nickte. „Und wie seid ihr da raus gekommen?“

Ich überlegte kurz, ob ich Nahuel sagen sollte, was ich getan hatte. Den Volturi hatte ich nichts davon erzählt. Warum ich das getan hatte, wusste ich selbst nicht. Vielleicht hatte ich den Teil meiner Gene, die ich von meinem Vater geerbt hatte, wegsperren wollen. Vielleicht hatte ich aber auch einfach nur ein Ass im Ärmel behalten wollen. In jedem Fall kannte Nahuel meine Eltern länger, als ich sie kannte, und er wusste sehr genau, zu was mein Vater in der Lage war.

„Ich hab mich verwandelt und uns da raus geholt“, antwortete ich dann ruhig. „Einen konnte ich töten, die anderen beiden sind flüchtig.“

Nahuel strich sich kurz übers Gesicht, dann sah er zu Boden und nickte.
 

***
 

Am Nachmittag des nächsten Tages, lag ich auf meinem Bett in Volterra und starrte Löcher in die Decke. Wir hatten unseren Auftrag nicht erfolgreich abgeschlossen. Zu meiner Verwunderung hatte Aro diese Angelegenheit ziemlich locker gesehen und einfach einen Trupp, bestehend aus vollwertigen Vampiren und Nahuel, losgeschickt um zu beenden, was wir begonnen hatten.

Eigentlich war ich, aufgrund der kürzlichen Ereignisse, ziemlich müde, konnte jedoch keinen Schlaf finden. Immer wieder musste ich an Sangreals angsterfülltes Gesicht denken, als diese Vampire sie geschnappt hatten. Auch das Geräusch meiner brechenden Knochen hallte in mir wider und wider.

Irgendwann setzte ich mich auf die Bettkante und strich mir durch mein schwarzes Haar. Eine Sache gab es noch zu erledigen. Und anstatt hier zu sitzen und Figuren im Deckenputz zu entdecken, die gar nicht da waren, konnte ich sie einfach in Angriff nehmen. Ratzfatz machte ich mich unsichtbar und anschließend auf den Weg in den Mädchenbereich. Ich sah unterwegs nur vereinzelt ein paar Halbvampirdamen und versicherte mich, dass niemand in meiner Nähe war, als ich an Sangreals Tür klopfte. Einige Augenblicke darauf, öffnete sie die Tür ein wenig. Als sie mich durch den Spalt sah, öffnete sich ihr Mund und schloss sich sogleich wieder. Sie nahm mich am Arm, zog mich in ihr Zimmer, streckte den hübschen Kopf noch einmal zur Tür raus und schloss dann hinter sich ab.

„Du solltest nicht hier sein“, sagte sie.

„Ich weiß“, antwortete ich. „Aber ich denke, ich bin dir noch eine Erklärung schuldig.“

Sie schüttelte langsam den Kopf. „Du bist mir gar nichts schuldig.“

Ich lächelte etwas bitter und sah dann zur Seite. Mein Blick fiel auf die Kommode zu meiner Rechten. Neben einem Buch und einer Zeitschrift, standen dort noch ein paar gemalte Bilder herum. Es waren sehr detaillierte Zeichnungen, die schon fast wie Fotos aussahen. Ich wunderte mich, dass hier keine normalen Fotografien zur Anfertigung von Erinnerungsbildern verwendet worden waren, ging aber davon aus, dass das hier so üblich war.

Auf einem Bild sah ich Nahuel zusammen mit Aro und Sangreal. Auf einem weiteren sah ich Nahuel mit vier hübschen Frauen. Wahrscheinlich, so nahm ich an, waren das seine Schwestern. Meine Mutter hatte uns mal erzählt, dass Nahuel hier war, um auf seine Schwestern aufzupassen und dass er meiner Mutter während ihrer Schwangerschaft geholfen hatte, sich und uns drei zu retten. Als ich das Mädchen auf dem Bild mit den braunen Haaren, das Nahuel am nächsten stand, betrachtete, fiel mir auch wieder ein, dass eine seiner Schwestern gleichzeitig mit meiner Mutter schwanger gewesen war und dass wir unser Leben im Grunde diesem Kind verdankten.

Nahuel hatte doch gesagt, dass er und Sangreal verwandt waren, kam es mir dann. Ich musterte das Mädchen auf dem Bild noch einmal genauer. Von der Haarfarbe konnte es hinkommen. Nahuels Schwestern hatte ich noch nicht gesehen, in den Tagen, die ich hier gewesen war, aber wer sonst sollte Nahuel so nahe stehen, wenn nicht das Kind seiner Schwester?

„Du hast mir das Leben gerettet“, riss Sangreal mich aus meinen Gedanken. „Jetzt sind wir quitt.“

Ich wusste, dass sie auf unsere erste Begegnung im Thronsaal anspielte. Ich schüttelte den Kopf. Im Grunde hatte sie unrecht. Sie hatte mir bereits unwissentlich das Leben gerettet, da war sie noch nicht mal geboren worden. Ohne sie hätten die Volturi meine Mutter getötet.

„Willst du denn gar keine Antworten?“, fragte ich sie dann.

„Ist es Neuland für dich, wenn jemand dich nicht mit Fragen löchern will?“

Ich nickte lächelnd. „So ziemlich.“

„Ich will aber keine von diesen Antworten“, sagte sie dann.

Ihre Wortwahl verwirrte mich. „Wie meinst du das?“

„Nun“, begann sie und lief dabei langsam um mich herum. „Du möchtest doch sicher mehr über die Volturi erfahren, oder nicht?“

Ich nickte. Seit ich hier war, hatte ich Antworten gesucht und sie immer nur in kleinen, sehr kleinen Häppchen bekommen.

„Die kannst du haben“, sagte sie. Ich wollte gerade etwas antworten, da erhob sie mahnend den Finger und fügte hinzu: „WENN du mir mehr über dein Zuhause erzählst.“

Ich sah sie fragend an. Was sollte denn das jetzt?

„Erzähl mir von deiner Welt, dann zeig ich dir meine“, sagte sie lächelnd.
 

***
 

Sangreal nahm ihr Wort wirklich ernst. Sie zeigte mir nicht nur die komplette unterste Etage, sondern auch die darüber liegenden. Wenn uns jemand entgegen kam, schien sich niemand darüber zu wundern, dass sie hier mit mir ein und ausging. Es machte mich stutzig und ich wollte wissen, warum das so war.

„Sag mal...“, begann ich vorsichtig, während wir den Gang im obersten Stockwerk entlangliefen. „Du hast mir doch von der Rangordnung der Volturi erzählt. Je schwärzer, desto höher.“

Sie lächelte und nickte sachte.

„Ich meine“, fuhr ich fort. „In meinem Schrank findest du garantiert genug schwarz und ich kenne diese Farbe gut genug, um sagen zu können, dass dein Kleid kaum dunkler sein könnte. Verstehst du... was ich sagen will?“ Ich hob eine Augenbraue.

„Du möchtest wissen, ob ich einen hohen Rang habe.“

„Hast du? Ich meine... ich gehöre eigentlich ins Erdgeschoss und drei Türen weiter ist hier der Thronsaal und niemand wundert sich drüber...“

„Mach dir darüber keine Sorgen. Niemand wird mir hier sagen, was ich zu tun habe. Wenn ich möchte, dass du hier oben bist, dann darfst du hier oben sein.“

„A-“, setzte ich zur nächsten Frage an, wurde dann aber vom Geräusch einer sich öffnenden schweren Tür unterbrochen. Drei Vampire verließen den Thronsaal. Einen davon kannte ich: Alec. Das Mädchen in der Mitte war mir jedoch unbekannt. Und den Typ daneben hatte ich schon ein paar mal gesehen. Die beiden Männer sahen im Augenwinkel immer wieder zu dem Mädchen in ihrer Mitte. Sie hatte rote Augen und hüftlanges schwarzes Haar.

„Sieh ihr nicht in die Augen“, flüsterte Sangreal. Ich sah die Schwarzhaarige noch einen Augenblick an, dann senkte ich den Blick und konnte nun nur noch anhand dem Klang ihrer Schritte ausmachen, wie weit sie von uns entfernt waren.

„Ihr Name ist Gabriella. Sie ist Marcus' Leibwache und sehr gefährlich.“

„Derart gefährlich, dass sie sogar für die Gefährlichen gefährlich ist?“, fragte ich verwundert.

Sangreal nickte. „Meistens steht sie unter Beobachtung oder ist eingesperrt.“

Ich wollte nachhaken, warum das so war, da kam auch schon der nächste Vampir durch die Tür. Es war eine hübsche Frau mit kunstvoll frisiertem, langem, braunen Haar. Sie trug eine pechschwarze Robe und ging direkt auf Sangreal zu und lächelte sie an.

„Guten Abend, meine Schöne“, begrüßte sie sie und nickte dann zu mir herüber.

„Guten Abend, Sulpicia“, antwortete Sangreal und verbeugte sich leicht.

„Ich habe von dem Vorfall in Venedig gehört“, sagte die Vampirin. „Ich hoffe, dir ist nichts Ernstes zugestoßen.“

„Nein, nein“, sagte Sangreal. „Es ist alles noch mal gut gegangen. Es ist nur schade, dass wir schon unsere zweite Aufgabe nicht zu Aros Zufriedenheit erledigen konnten.“

Sulpicia lächelte sanft. Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass ich jemals so etwas wie ehrliches Verständnis oder gar Zuwendung im Gesicht eines Volturi finden würde, nach allem, was meine Familie mir von diesem Ort und seinen Bewohnern erzählt hatte, aber ich wurde eines Besseren belehrt.

„Keine Aufgabe ist wichtiger, als dein Wohl, liebste Sangreal“, sagte sie.

Im Hintergrund näherte sich noch eine Vampirdame. Sie hatte blondes Haar und eine ebenso dunkle Robe, wie Sulpicia.

„Guten Abend“, sagte die neu hinzu gekommene etwas verhalten und legte ihre Hand auf Sulpicias Schulter. „Können wir?“

Sulpicia nickte. „Einen schönen Abend, euch beiden“, sagte sie noch, ehe sie mit der Anderen zusammen ging. Wir sahen ihnen noch kurz hinterher, dann antwortete Sangreal sogleich auf meinen fragenden Blick. „Das waren Sulpicia und Athenodora. Aros und Caius Gefährtinnen.“

Irgendwie wirkte es auf mich so unwirklich, dass die Anführer der Volturi eine Partnerin hatten, hatten sie doch auf mich den Eindruck gemacht, nur an ihren Aufgaben und Zielen interessiert zu sein. Ganz so, als habe Liebe oder etwas ähnliches gar keinen Platz in ihrem Leben.

„Die beiden leben hoch oben im Volturiturm und verlassen das Hauptquartier so gut wie nie.“

Irgendwie musste ich bei der Beschreibung an Rapunzel denken oder irgendeine andere Prinzessin, die in einem Turm gefangen war. Nur diese beiden würde kein Prinz auf irgendeinem weißen Pferd retten. Sie waren Gefangene in ihrem eigenen Zuhause, und das wahrscheinlich schon wer weiß wie lange. Aber ich erinnerte mich auch an das Gespräch mit Sangreal im Pool auf Mauritius. Sie war ähnlich gefangen wie die beiden. Hieß das, sie war ähnlich viel wert?

„Ähm...“, setzte ich an und stellte eine Frage, um die Stille zu brechen. „Und was ist mit Marcus?“

„Aros Schwester Didyme. Sie ist leider vor langer Zeit gestorben.“

„Oh... das tut mir leid.“

Sangreal nickte. „Mir auch. Ich stelle es mir schrecklich vor... jemanden zu verlieren, den man... liebt.“

Dann senkte sie den Blick und wir gingen zusammen durch die große Tür in den Thronsaal.

Aro, Caius und Marcus saßen dort noch immer auf ihren Thronen. An ihrer Seite standen einige weitere Volturi. Unter ihnen natürlich Jane, deren Augen immerzu durch den Raum huschten.

„Ah“, sagte Aro freudig, als er uns erblickte und erhob sich. „Sangreal, Anthony. Wie schön, dass ihr zu uns gefunden habt.“

„Die Freude ist ganz auf unserer Seite“, antwortete Sangreal lächelnd.

„Was führt euch zu uns?“, wollte Aro wissen.

Sangreal sah noch einmal kurz zu mir, dann sagte sie: „Wir wollten nur noch einmal betonen, wie sehr wir bedauern, unsere Aufgabe nicht zufriedenstellend erfüllt zu haben.“

Ich sah sie etwas verdutzt an, hatte ich doch gar nichts davon gewusst, dass wir überhaupt mit den drei Anführern reden würden.

„Das ist sehr vorbildlich, meine Liebe“, meinte Aro. „Zerbrich dir aber bitte nicht deinen hübschen Kopf. Falls es eure Gemüter beruhigt: Die Vampire, die in Venedig unser Geheimnis gefährdeten, wurden für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen.“

Ich übersetzte den Satz in einen verständlichen Wortlaut und nahm an, dass die übrigen Vampire jetzt tot waren. Ich spürte einen leisen Funken Genugtuung.

„Nun...“, fuhr Aro fort. „Ich wünsche euch beiden noch eine angenehme Nachtruhe. Wir werden uns nun ebenfalls zurückziehen.“

Caius und Marcus standen auf. Sangreal und ich wendeten uns gerade zum gehen, da ertönte erneut Aros Sopran in der großen Halle. „Noch etwas...“, ergänzte er und wir drehten uns wieder zu ihm um. „Ich werde Volterra für einen Auslandsaufenthalt verlassen.“

„Ausland?“, hakte Sangreal nach, offenbar genauso verwundert darüber, wie ich.

Aro nickte. „Eine wichtige Angelegenheit. Ich werde aber rasch wieder zurückkehren. Bestenfalls... werdet ihr gar nicht merken, dass ich nicht da bin.“ Aro sah nach links und nach rechts zu den beiden anderen Anführern und lächelte.
 

Sangreal und ich verließen den Thronsaal wieder. Wir gingen stillschweigend durch ein paar Gänge, bis wir vor einer Tür stehen blieben. Als ich eintrat, traute ich meinen Augen kaum. Hinter ihr kam eine Suite zum Vorschein, die pompöser kaum hätte eingerichtet sein können. Sie war mit edlen weißen Marmor-Fliesen und rotem Samtteppich ausgestattet – und im Gegensatz zu allen anderen Zimmern, die ich hier gesehen hatte, hatte sie sogar ein Fenster.

„Ich dachte, du hättest ein Zimmer im Erdgeschoss“, sagte ich verblüfft.

„Hab ich auch.“

Ich sah mich weiter um, erblickte ein gigantisches, rundes Bett, bezogen mit weißem Satin und sogar eine kleine ebenfalls marmorierte Küche. Als Sangreal die Kühltruhe öffnete, kamen einige Blutbeutel zum Vorschein. Wir setzten uns in ihrem Wohnzimmer auf einen großen Lammfellteppich vor einem erloschenen Kamin, den Sangreal zu meiner Verwunderung anzündete.

„Ist dir etwa kalt?“, fragte ich und stellte, ob ihrer meiner ähnlichen Körpertemperatur, sogleich fest, dass die Frage nichtig war. Wie erwartet schüttelte sie dann auch den Kopf.

„Ich finde es einfach schön, wenn der Kamin brennt.“

„Ich dachte, die Volturi seien ohne das Wissen der Menschen hier drin. Fällt so Kaminqualm nicht auf?“

Sangreal schüttelte den Kopf. „Der Rauch wird umgeleitet. Der kommt nicht aus diesem Gebäude raus.“

Jetzt hatte sie sogar einen eigenen Kamin, dessen Ausdünstungen aufwendig vertuscht wurden. Zu gern hätte ich sie nun endlich gefragt, was sie an sich hatte, dass sie von den anderen Halbvampiren so sehr unterschied.

„Also...“, ergriff sie dann das Wort und gab mir einen Blutbeutel. „Ich hab meinen Teil der Abmachung erfüllt. Jetzt bist du an der Reihe. Erzähl mir von deinem Zuhause.“

Ich sah etwas betrübt hinunter auf das Fell. „Nun... eigentlich ist Volterra jetzt mein Zuhause.“

„Na na“, mahnte das Mädchen und hob meinen Kopf sanft am Kinn hoch. „Keine Ausreden.“

„Also gut“, seufzte ich. „Ich hab in einem großen Anwesen in Irland gelebt. Zumindest die letzten paar Jahre. Wir sind nach drei bis fünf Jahren immer umgezogen, damit man nicht merkt, dass wir nicht altern. Ich hab dort im Keller gelebt, weil ich da am meisten Ruhe hatte... aber ich war sowieso lieber draußen unterwegs.“

„Als wir uns das erste Mal gesehen haben, hast du was von Geschwistern erzählt“, erinnerte sich Sangreal.

„Ja, ich habe eine ältere Schwester und einen älteren Bruder. Wir sind dreieiige Drillinge.“

„Wo sind sie?“

„Meine Schwester, Mariella, lebt bei unserer Familie. William, mein Bruder, lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Washington, in dem Indianerreservat in dem mein Vater geboren wurde.“

„Wie sah dein Zuhause aus?“

„Nun...“, erinnerte ich mich. „Wir hatten ein großes Gelände nur für uns, auf dem zwei große Gebäude standen. Die meisten Wände waren verglast, so dass alles immerzu durchleuchtet war. Ich nehme an, das war so, weil wir uns sonst immer verstecken mussten, da konnten wir wenigstens zu Hause mal das Sonnenlicht spüren. Zumindest die anderen. Mir macht die Sonne nichts.“

„Mir auch nicht“, kommentierte mein Gegenüber.

Ich lächelte sie nur an.

„Oh, entschuldige“, sagte sie dann. „Ich wollte dich nicht unterbrechen.“

„Schon in Ordnung“, antwortete ich. „Ich freue mich über jedes neue Detail über dich.“

Sie lächelte verlegen und wandte ihren Blick ab. Im Schein des Kaminfeuers, sah ihr bleicher Teint rötlich-orange aus, aber wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, dass sie etwas errötet war.

„Wie hat deine Familie es geschafft, inmitten von Menschen zu leben?“, wollte sie uns wieder zurück auf unser Thema führen.

„Wir haben uns nur von Tieren ernährt. Mein Urgroßvater ist sogar als Arzt im Krankenhaus beschäftigt und soweit ich weiß, kam er niemals auch nur im Entferntesten auf die Idee, einem Lebewesen Schaden zuzufügen.“

„Das ist bewundernswert“, sagte Sangreal.

„Und es erfordert viel Selbstbeherrschung“, fügte ich hinzu.

Sangreal setzte sich nun anders hin und stützte sich mit den Handflächen am Boden ab. „Was ist mit deinen anderen Familienmitgliedern?“, fragte sie neugierig. „Deine Mutter, dein Vater?“

„Nun...“, antwortete ich. „Mein Vater lernte meine Großmutter kennen, als sie noch ein Mensch war. Und... er verliebte sich in meine Mutter, als er sie das erste Mal sah.“

„Liebe auf den ersten Blick“, murmelte Sangreal. „Ich dachte immer, so was gibt es nur in Büchern und Filmen.“

Ich nickte gedankenverloren. „Und bei Gestaltwandlern...“

Sangreal sah mich fragend an.

„Du erinnerst dich an den schwarzen Panther?“, half ich ihr auf die Sprünge. „Du hast meine Erklärung dazu gar nicht hören wollen.“

„Hier gibt es viele Vampire mit den seltsamsten Gaben“, meinte sie. Wahrscheinlich hielt sie meine Verwandlung für eine Vampirfähigkeit, die dem Gehirn Dinge vorgaukelte.

„Warum hast du dein Zuhause verlassen?“, stellte sie dann die eine Frage, die ich am wenigsten hören wollte.

Ich zuckte mit den Achseln und begann wieder über das Fell zu streicheln, ohne sie anzusehen. „Ich...“

Ich hielt inne. Ich wusste nicht, wie ich zum Ausdruck bringen konnte, was mich jahrelang zerfressen hatte.

„Ich... hab mich nicht als Teil dieser Familie gefühlt. Ich war irgendwie... anders.“

Sie legte ihre zarte Hand an meine Wange und brachte mich durch sanften Druck dazu, sie anzusehen. „Du bist einfach was Besonderes. Genau wie ich. Und das ist nichts Schlechtes, Anthony.“

Und dann näherten sich ihre Lippen den meinen, bis sie sich berührten. Es war ein seltsames, neues, jedoch wunderbares Gefühl. Das erste Mal in meinem Leben küsste ich Lippen, die sich für mich warm anfühlten, ja, sogar fast heiß. Lippen, die ich leidenschaftlich küssen konnte, ohne zu befürchten, dass ich dem Mädchen im nächsten Augenblick den ganzen Mund aufriss. Und dann ließ ich meine Hand über ihren Rücken gleiten, fuhr unter ihr Shirt und streichelte ihre warme angenehme Haut. Sie tat es mir gleich. Ich legte eine Hand an ihren Hinterkopf. Sie ließ sich langsam tiefer sinken, bis sie auf dem Fell vor dem Kamin lag. Ich beugte mich über sie und spürte langsam ein Feuer in meinem Innern, das ähnlich stark loderte, wie das neben mir. Und als sie ihre Augen aufschlug und mich damit ansah, wusste ich, dass dasselbe Feuer auch in ihr brannte...
 

***
 

Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlug, wusste ich zunächst nicht, wo ich war. Das Erste, was ich sah, waren die Möbel, die von hier unten so unwirklich groß schienen und der saubere Fußboden. Wenige Augenblicke später spürte ich den warmen Körper, der sich an mich schmiegte. Als ich herabsah, sah ich, dass ihr Gesicht an meiner Brust lag. Sie schlief noch seelenruhig. Das Feuer im Kamin hinter uns war erloschen, aber ich erinnerte mich an das Feuer der letzten Nacht. Es war anders als alles, was ich zuvor je erlebt hatte. Und als ich sie so ansah, mit ihrem langen, braunen, seidigen Haar, kamen mir die Worte meiner Mutter in den Sinn. Es wirkte schon fast, wie aus einem Traum, so fern und unwirklich kam es mir vor. Damals war ich noch sehr klein gewesen. Es war der Tag ihrer Trauung gewesen. Kurz bevor sie mit meinem Vater in die Flitterwochen fuhr, hatte sie mich in den Arm genommen und mir leise zugeflüstert: „Du findest auch noch deinen Deckel.“

Vielleicht hatte sie recht behalten und ich war doch kein Wok? Vielleicht hielt ich meinen lange gesuchten Deckel gerade in den Armen.

Jetzt erst bemerkte ich, wie sich mein Mund ganz von selbst zu einem Lächeln geformt hatte.

Ich war mir nicht mal sicher, ob das hier nur Verliebtheit war oder gar eine Prägung, aber das war mir im Grunde auch egal.
 

Dann klopfte es plötzlich an der Tür. Ich sah nur kurz etwas erschrocken auf, dann hielt ich inne. Sangreal seufzte kurz, öffnete jedoch nicht die Augen. Eigentlich wollte ich sie nicht wecken, also legte ich vorsichtig ihren Kopf auf das Lammfell, zog mir Hose und Hemd an und

öffnete ganz langsam die Tür, weil ich Angst hatte, dass sie laute Geräusche von sich gab. Und dann stand plötzlich Nahuel vor mir. Und er sah nicht gerade glücklich aus. Im Gegenteil. Ich erinnerte mich an seine Warnung im Hotel und bekam einen dicken Kloß im Hals. Ich hatte nicht in den Spiegel geschaut, aber es war wahrscheinlich nicht zu übersehen und Nahuel würde problemlos eins und eins zusammenzählen. Für den Bruchteil einer Sekunde fixierten wir uns stumm, dann packte er mich plötzlich an meinem Hemd und zog mich aus dem Türrahmen. Sein Griff war derart fest, dass das Hemd reißen würde. Mit wütendem Blick presste er mich gegen die gegenüberliegende Wand.

„Du folgst mir jetzt. Und du stellst keine Fragen. Halt einfach den Mund“, befahl er zischend.

Ich überlegte einen Moment, nickte dann und folgte ihm zum Aufzug. Wir gingen wieder in die unterste Etage. Die letzten Meter zu unserem Zimmer, spürte ich immer mehr die Anspannung in mir aufsteigen. Ich konnte ja nachvollziehen, dass er sauer war, schließlich hatte ich mich trotz Vorwarnung an seine Nichte ran gemacht. Aber es war ja nicht so, als hätte ich sie zu irgendwas gezwungen.

Nahuel sah kurz um sich, als er niemanden entdecken konnte schloss er die Tür von 626 auf, dann packte er mich plötzlich am Kragen und stieß mich grob in den Raum. Langsam kam ich zu dem Entschluss, dass er es ein wenig übertrieb. Ich taumelte einen Moment, dann stand ich wieder fest und drehte mich zu Nahuel um, der gerade die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Er sah noch immer derart wütend aus, dass ich befürchtete, dass er mir demnächst an die Gurgel springen könnte. Ich hob beschwichtigend die Hände.

„Hör zu...“, begann ich. „Ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber es ist nicht so, wie du denkst. Ich meine... ja, in der Vergangenheit, war ich vielleicht anders, aber mit ihr ist es nicht so. Ich-“

„Gar nichts verstehst du! GAR NICHTS!“, unterbrach er mich.

Er ging zu dem kleinen Tisch am Ende des Raumes und setzte sich auf den Stuhl, dann strich er sich übers Gesicht. Mit einem Mal, wirkte er müde und ausgelaugt. So als wäre er mit den Nerven am Ende. Ich konnte das nicht verstehen. Vorsichtig trat ich näher, stützte meine Hände an dem Tischchen ab und sah zu ihm hinunter.

„Ich verspreche dir, dass ich ihr niemals wehtun werde, Nahuel.“

Nahuel schüttelte den Kopf ohne mich anzusehen. „Das hast du schon.“

Ich verstand noch immer nicht. Als er seinen Kopf hob und mich wieder ansah, nahm ich meine Hände wieder vom Tisch. Nahuel stand auf. Und ich ging einige Schritte zurück, um Luft zwischen uns zu schaffen.

„Du hast in einer einzigen Nacht den Hebel umgelegt, den ich dreißig Jahre lang unter allen Umständen unter Verschluss halten wollte.“

„Was?“, fragte ich ungläubig. Seine Sätze nahmen für mich langsam lächerliche Züge an. „Findest du nicht, du übertreibst es ein wenig mit deiner Fürsorgepflicht? Womit hast du in den letzten drei Jahrzehnten deine Zeit verbracht? Dafür zu sorgen, dass sie sich einem männlichen Wesen nicht auf weniger als zwei Meter nähert?“

Nahuel lachte auf. Es war ein falsches, gespieltes, bitteres Lachen. „Mach dich nur lustig über mich.“

„Wenn du ernst genommen werden möchtest“, sagte ich nun in bestimmtem, jedoch ruhigen Ton. „Rede Klartext mit mir.“

Nahuel strich sich nochmal übers Gesicht, dann sah er mich wieder an.

„Ich weiß nicht, ob dir deine Familie von meinem Vater Joham erzählt hat.“

Ich nickte und er fuhr fort.

„Er hat mehrfach versucht, Kontakt mit mir aufzunehmen. Mich davon zu überzeugen, mit ihm gemeinsam eine 'Super-Rasse' zu erschaffen. Ein Hybrid aus Mensch und Vampir.

Mir waren seine Pläne zuwider“, erklärte Nahuel verächtlich. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er im nächsten Moment auf den Boden gespuckt hätte.

„Ich war, um ehrlich zu sein, sogar froh zu erfahren, dass die Volturi ihn wegen seiner wahnwitzigen Ideen getötet hatten. Ich dachte, damit hätte sich die Sache erledigt.“

Nahuel schüttelte den Kopf. „Aber ich hatte mich geirrt.“

Er stand auf und begann durch den Raum zu laufen. „Ich entschied mich hier bei meinen Schwestern zu bleiben, die die Volturi in ihre Obhut genommen hatten. Ich dachte zunächst, Aro entschied so, um das Geheimnis der Vampire zu schützen. Meine Schwestern waren nämlich teilweise eben so wild und unberechenbar, wie mein Vater es gewesen war. Aber dann wurde meine jüngste Schwester schwanger.

Bis heute weiß ich nicht, ob es Aro war oder nicht. In jedem Fall war es jedoch ein Vampir gewesen, denn das Baby hatte starke vampirische Züge. Derart stark, dass es einem unsterblichen Kind ähnlicher war als einem Hybriden. Zu seinem Bedauern musste Aro das Kind töten. Doch der Gedanke an das Kind ließ ihn auch später nicht los. Irgendwann realisierte ich dann, dass sich alles nur verlagert hatte. Vom unkontrollierten Wahnsinn meines Vaters, zu Aros fein säuberlich ausgearbeiteten Studien. Nach einigen 'Versuchen' kristallisierte sich für ihn heraus, dass er nicht Schlag auf Schlag einen perfekten Hybriden erschaffen konnte. Er musste zunächst die menschlichen Züge beibehalten und nach und nach vampirische Eigenschaften hinzufügen, damit der Hybrid lebensfähig und kontrollierbar wurde. Er musste wachsen und lernen, aber dennoch so widerstandsfähig wie ein Vampir sein, dabei durfte er jedoch nicht in der Sonne glitzern und musste sowohl menschliche Nahrung als auch Blut zu sich nehmen können.“

„Moment...“, unterbrach ich ihn perplex. „Das Kind, dass deine Schwester im Bauch trug, als meine Mutter bei den Volturi war... ist tot?“

Nahuel nickte verhalten. Er wirkte nicht so, als sei er sonderlich traurig über den Tod seines Neffen oder seiner Nichte gewesen.

Ich für meinen Teil realisierte nach und nach, auf was Nahuel hinaus wollte und setzte mich.

„Wie...“, ich schluckte, „... wie alt ist Sangreal?“

„Fünf“, antwortete er. „Aber sie wächst sehr schnell. Geistig sogar noch schneller als körperlich. Sie ist nahezu das, was Aro sich als Endergebnis seiner Experimente wünscht. Sie ist fast perfekt. Für ihn ist sie der Schlüssel zum Erfolg. Der heilige Gral. Darum gab er ihr ihren Namen.“

Jetzt wurde mir schlagartig schlecht. In meinem Bauch kribbelte es und ich hatte eine böse Vorahnung, aber ich wollte, dass Nahuel es zur Sprache brachte. „Was meinst du mit fast?“

Nahuel machte eine Gestik mit seinem Zeigefinger und seinem Daumen. „Eine Kleinigkeit fehlt noch.“

„Und die wäre?“

„Sie besitzt keine Gabe.“

Ich stützte meinen Ellbogen auf den Tisch, legte mein Gesicht in die Handfläche und schüttelte den Kopf. Nahuel fuhr einfach fort.

„Von dem Moment an, als ich erfuhr, dass du hier bist, wusste ich schon, warum sie dafür gesorgt hatten, dass du zu ihnen kommst. Die Volturi sind nicht vorrangig daran interessiert, dich für die Zerstörung deines Zirkels zu benutzen. Das ist nur ein lukrativer Nebeneffekt. Aro hofft, dass sich deine Fähigkeiten vererben.“

Jetzt wurde ich wütend, spürte wie meine Hand auf meinem Gesicht anfing zu zittern. Ich stand ruckartig auf und stieß derart kräftig gegen den kleinen Tisch, dass er quer durch den Raum flog und an der Wand ein Tischbein verlor. „WARUM HAST DU MIR NICHT DIE WAHRHEIT GESAGT?!“, fuhr ich ihn an.

„Was hättest du getan, wenn du es gewusst hättest? Wärst du dann einfach gegangen? Wohl kaum. Du hättest genauso wie ich versucht, das zu beenden und alles nur schlimmer gemacht“, antwortete er mit einem leichten Anflug von Zorn. „Wenn du einfach zurück nach Hause gegangen wärst, so wie ich es dir gesagt habe, dann wären wir jetzt nicht in dieser Situation!“

„Ach?“, konterte ich und trat näher auf ihn zu. „In welcher Situation bist DU denn?“

„Ich habe dir gesagt, dass du gehen sollst. Ich habe dir gesagt, dass du die Finger von ihr lassen sollst!“, ignorierte er meine Frage.

Ich funkelte ihn an und ballte meine Hände zu Fäusten. Ich musste mich zusammenreißen, um mich nicht erneut zu verwandeln.
 

Und plötzlich ging die Tür auf und Felix stand im Raum. Nahuel und ich hielten inne und starrten ihn an. Er schien sich jedoch nicht weiter dafür zu interessieren, dass wir wenige Sekunden zuvor noch gestritten hatten und unweit von ihm ein verkrüppelter Tisch herum lag.

„Anthony. Caius wünscht dich zu sehen“, sagte er in einer Tonlage, die einen Widerspruch nicht duldete.

Ich musste Nahuel stehen lassen und unser Gespräch vertagen. Der Volturi führte mich durch die Gänge zum Aufzug in die obere Etage. Ich vermutete stark, dass dieser Aufruf mit der letzten Nacht zusammenhing. Hatten sie uns beobachtet? Mit Sicherheit. Und wahrscheinlich waren sie total aus dem Häuschen, dass alles nach Plan funktioniert hatte. War Sangreal eingeweiht gewesen? Hatte sie alles nur gespielt, um mich dazu zu bringen, mit ihr zu schlafen? Diese Frage beschäftigte mich mehr als alles andere. Mir war eigentlich egal, was kommen würde. Wenn sie mich aber angelogen hätte, wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Ich hoffte, dass sie genauso unwissend gewesen war wie ich. Und ich wünschte, ich könnte bei ihr sein, wenn sie die Wahrheit erfuhr, so wie ich sie erfahren hatte. Denn wenn es stimmte, was sie erzählt hatte, dann hatte sie keine Ahnung, warum Aro ausgerechnet zu ihr so eine enge Bindung hatte und ihr alles durchgehen ließ.

Hinter mir fiel eine Tür ins Schloss und schreckte mich aus meinen Gedanken. Doch es ging nicht um Sangreal. Caius stand auf der Anhöhe, auf der die drei Throne standen. Und etwa einen Meter vom Treppenabsatz entfernt stand mein Bruder.

Als unsere Blicke sich trafen, spürte ich zur gleichen Zeit ein warmes, wohliges Gefühl und eine starre Kälte in mir.

Caius winkte mich zu sich und lächelte gespielt freundlich. Ich folgte zwar seinem Befehl, blieb aber einen halben Meter vor ihm stehen und drehte mich zu Will um. Ich sah, wie seine Augen die meinen suchten, wie sein Blick an meinem Körper hinab wanderte und dann wieder hinauf. Ich kam mir vor, als stünde ich am Flughafenschalter unter einem Scanner. Sein Blick wurde traurig.

„Ani“, begann er leise. Ich wusste, was jetzt kommen würde.

„Bitte komm zurück nach Hause. Mutter... wir alle sind krank vor Sorge um dich.“

„Es geht mir gut“, antwortete ich kühl.

„Ani... das hier... das ist kein Ort für dich“, versuchte er mir klarzumachen, doch ich schüttelte den Kopf.

„Es ist kein Ort für dich. Geh zurück zu deiner Frau und deinen Kindern. Sie brauchen dich mehr, als ich es tue.“

„Aber wir brauchen dich“, antwortete er.

Ich lachte bitter auf.

„Es ist so, Ani“, bestätigte er mir daraufhin nochmal. „Bitte, komm mit mir nach Hause.“

„Nein“, antwortete ich knapp und sah ihn ausdruckslos an. Es war ohne Zweifel schwer für mich, diese Maske aufrecht zu erhalten. Ich durfte mir nicht anmerken lassen, wie weh es tat, meinen großen Bruder hier vor mir stehen zu sehen, wie er mich förmlich anflehte, an jenen Ort zurückzugehen, den ich einst mein Zuhause nannte.

„Ani.“ Er sprach meinen Namen noch eindringlicher aus und trat etwas näher. „Ist es dir denn vollkommen egal, wie es Mutter geht. Oder Mariella?“

Ich schürzte die Lippen und sah zur Seite. Natürlich, er war mein Bruder, er wusste genau, wo meine wenigen kleinen, wunden Punkte waren. „Geh wieder“, sagte ich knapp, ohne zu wissen, dass dies fast dieselben Worte waren, die mein Vater an meine Großmutter gerichtet hatte, als sie nach seiner ersten Verwandlung nach La Push gekommen war.

Und dann verließ ich mit schnellen Schritten den Raum und ließ meinen Bruder stehen. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, und ich war nicht mehr länger in der Lage, mir sein Flehen anzuhören. Ich mochte es nicht, wenn mein großer Bruder mich anflehte. Das war nicht richtig.

Dementsprechend schrecklich fühlte ich mich, als ich die dunklen Gänge zurück zu Nahuel ging. Ich wusste nicht, wie es war, krank zu sein. Ich war nie krank gewesen. Aber jetzt spürte ich eine starke Übelkeit in mir hochkommen und hielt mir die Hand vor den Bauch. Doch all das war noch gar nichts, gegenüber dem Schmerz, der darauf folgte. Plötzlich sackte ich in die Knie und lehnte mich gegen die nächstgelegene Wand. Ich brauchte einen Moment, um zu erkennen, wo ich war. Und dann war der Schmerz auch wieder verschwunden. Aber das ungute Gefühl war geblieben. Mein Herz fing an zu rasen. Irgendetwas war passiert. Ich warf einen Blick hinter mich und dann rannte ich los. Zurück durch die Tunnel in den Thronsaal.

Und dann sah ich jenes Bild vor Augen, dass ich nie wieder in meinem unsterblichen Leben vergessen sollte: Caius stand noch immer dort, wo er zuvor gestanden hatte. Doch mein Bruder lag vor dem Absatz auf dem Boden. Und um ihn herum... sah ich das Blut. Eine nicht unerhebliche Menge Blut.

Ohne noch weiter zu zögern, rannte ich auf ihn zu und kniete mich neben ihn. Seine Augen waren geschlossen, seine Haut ungewöhnlich bleich. Als ich meine Hand an seinen Hals legte, konnte ich seinen Puls fühlen. Und dann sah ich die Bisswunden, und ich wusste genau, woher sie stammten. Langsam hob ich den Blick und fixierte Caius. Ich spürte die Wut in mir aufkochen, das Feuer in mir brannte und wollte herauskommen und ihn in seine Einzelteile zerfetzen. Als dann ein kleines, siegessicheres Lächeln über seine Lippen huschte, stand ich auf und ging auf ihn zu. Ein tiefes Knurren kam aus dem Inneren meiner Kehle, als ich den Mund leicht öffnete.

„Ani...“, hörte ich dann die schwache Stimme meines Bruders und hielt schlagartig inne. Caius lächelte noch immer und mein Körper zitterte. Ich sehnte mich danach, ihn zu zerreißen, aber Wills schwache Rufe hielten mich zurück. Einen Moment haderte ich noch, dann drehte ich mich um und kniete mich wieder neben meinen Bruder. Ich hob seinen Kopf vorsichtig an. Seine Lider begannen zunächst zu flackern, dann öffnete er langsam seine Augen. Ich versuchte zu lächeln, aber stattdessen spürte ich, wie meine Augen feucht wurden.

„Hey, Kleiner“, flüsterte Will.

„Will“, antwortete ich leise. „Es tut mir so leid. Ich-“

„Nein“, unterbrach er mich, hob seine Hand und legte sie an meine Wange. „Das muss es nicht. Bitte, gib dir keine Schuld.“

Ich wollte etwas antworten, wollte ihm sagen, dass ich tun würde, worum er mich bat, aber die Worte kamen nicht über meine Lippen, also schloss ich den Mund wieder, ohne was zu sagen und stumme Tränen liefen meine Wangen hinunter, als ich meine Augen schloss.

„Versprich mir, dass du dir keine Schuld gibst“, bat er mich erneut.

Das kann ich nicht, waren die Worte, die in meinem Kopf herumschwirrten, die ich jedoch nicht auszusprechen vermochte.

„Ani“, sagte er erneut und ich öffnete meine roten Augen und sah in sein von der Anstrengung verschwitztes Gesicht. „Bitte, geh zurück nach Hause.“

Ich glaubte fast, mich verhört zu haben. Obwohl er blutüberströmt in meinen Armen lag, kaum in der Lage zu atmen, bat er mich noch immer darum, wieder heimzukehren. Es gab tausende Dinge, die er hätte sagen können. Zum Beispiel, wie sehr er Leah liebte oder was sie seinen Kindern sagen sollte. Doch stattdessen ging es für ihn offenbar noch immer nur um mich.

„Ich werde heimgehen“, antwortete ich, nahm seine Hand von meiner Wange und drückte sie. „Aber nicht ohne dich. Carlisle kann dir sicher helfen...“

Doch die Verzweiflung in meinen Worten war unüberhörbar und wie naiv sie waren, das wusste ich selbst. Auch mein Bruder schüttelte den Kopf und lächelte mich an. „Nein, Kleiner.“

Will begann zu husten und Blut zu spucken. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und hob seinen Oberkörper noch ein wenig an, damit er nicht an seinem Blut erstickte, aber tief im Innern wusste ich, dass alles vergebens war.

Mit einem Mal hörte er auf zu husten und sein Körper verlor jegliche Spannung. „Will!“, schrie ich fast. Er öffnete noch mal die Lider... schloss sie und öffnete sie erneut... anschließend lächelte er... und dann... verschwand sein Lächeln für immer.
 

- Ende Kapitel 7 -



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  vamgirly89
2011-11-21T21:07:33+00:00 21.11.2011 22:07
Wow. Armer Will. Armer Any. Wie kann man nur Sangreal als Zuchtobjekt behandeln und Any verliebt sich langsam in sie. Freue mich schon wenn es weiter geht. Bitte schnell weiter schreiben.
Von: abgemeldet
2011-11-21T18:35:52+00:00 21.11.2011 19:35
NEIN!
DU MONSTER!
ICh sag noch wie gerne ich Will mag und duu bringst ihn um!
NEIN. NEIN. NEIN. NEIN!
Das ist fast so schlimm wie damals, als Oda sich entschlossen hatte Ace sterben zu lassen.
Ich habe schlimmes geahnt als du gesagt hast, ich darf dich danach hassen, aber das du ihn Tatsächlich umbringst :(
Leah wird nie wieder glücklich werden. Dabei hatte gerade sie es so verdient, nach allem was sie durchleiden musste. Und nicht nur Leah..ICH LEIDE AUCH! Und sicher auch Nessi und Jake.
Mariella und Any werden sich jetzt sicher riesige Vorwürfe machen..

Und dann Sangreal.
Ohje, ich hatte schon vermutet, dass sie nicht das Ungeborene von damals war, aber damit hatte ich nicht gerechnet..
Ein Zuchtobjektt..mehr nicht...

Das Kapitel war einfach mal mega spannend und ich MUSS jetzt einfach ganz schnell erfahren wies weiter geht, also schreib schnell weiter ja :D

lg FarbKlecks-
Von:  jennalynn
2011-11-21T15:15:05+00:00 21.11.2011 16:15
Oh mein Gott *heul*
Nein du kannst doch Will nicht sterben lassen.
Oh wie ich Caius hasse, ich hasse ihn diesen Widerling.
Gott amer Ani er wird sich schreckliche Vorwürfe machen und nicht nur er auch seine Schwester.
Denn sie hat will gebenten Ani zu holen.
Oh nein, die Volturi werden Ani nicht so einfach gehen lassen das wette ich.
Und wenn doch was dann was soll Ani denn seiner Familie erzählen.
Und Leah OH GOTT Leah sie wird so leiden.
Das ist so schrecklich.
Will hat nicht mal sein drittes Kind kennen lernen können.
Warum verdammt sie sind doch drillinge sie dürfen nicht getrennt werden.
Ani hat es gespürt, weil sie zusammen gehören.
Hätte er Will doch nur nicht allein im saal gelassen.
Oh man das ist wirklich ein trauriges Kapitel.
Schreib bitte schnell weiter.
Ganz schnell.

LG jennalynn


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