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Lucifer

von

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Nothing really matters.

„Sein Name wird heißen Tod ...“
 

Die schweißnasse Haut unter seinen Fingern scheint ihm immer wieder zu entgleiten und doch … ist sie ihm so nah. So verbrennend nah. Dunkles Haar kitzelt seine Schulter, als sich eine erhitzte Stirn darauf presst. Schlanke Finger graben sich in seine Haut und entlocken Lucille ein gepeinigtes Keuchen. Vorsichtig, nahezu zärtlich, wandert seine Hand über den Rücken, deutlich die Wirbelsäule spürend. Lucille liegt auf dem kalten, harten Boden, Steinchen bohren sich in sein Fleisch. Der schmale, nackte Mann über ihm drückt sich hungernd an ihn, aggressiv krallen sich seine Hände in das blond gelockte Haar des Chanteurs, platzieren lieblose Küsse auf die bleiche Stirn Lucilles.

„Kohaku ...“ raunt Lucille leise, irgendwo aus der Tiefe seiner Kehle – ein haltloses Hauchen, ein Fluch und ein Segen. Mehr als ein Knurren bekommt er nicht zur Antwort, im schwachen Licht sieht er die zarte Röte, die sich auf das helle Gesicht geschlichen hat; etwas, das ihm fremd ist, unvertraut, ihm vor Augen führt, wie wenig man den irgendwie am nächsten Menschen kennen kann.

Langsam, behutsam, als konzentriere er sich auf etwas Kostbares, setzte Lucille sich auf, sodass Kohaku auf seinen Schoß rutscht, als spürt, wie sich die Knochen des Gesäßes in seine Oberschenkel bohren, fragt er sich, wann Kohaku aufgehört hat, Kind zu sein. Beine schlingen sich um seine Hüfte, der Violinist zerbeißt sich die Lippen, eine dünne Blutspur fließt über sein Kinn. Es ist ein schöner Anblick – auf eine morbide Art, die einmal mehr seine sadistische Ader betont. Nicht, dass er gerne Schmerzen zufügt, nichts, dass er gerne Schuld trägt, andere zu zerstören, aber … es lenkt von der eigenen Schmach ab. Deshalb ist sie schön, diese Freiwilligkeit.

Knurrend und fauchend sucht Kohaku mit seinen zitternden Händen Halt, reißen an Lucilles weicher, makelloser Haut, rutschen so oft ab, bis sie in dem zerknitterten, schmutzigen Hemd jenen finden. Farblose, unbestimmte Hilflosigkeit hat sich seiner Muskeln bemächtigt, wie ein starkes Band, das sich fest und fester um seinen Körper wickelt. Alles Unwichtige auf ein Minimum reduziert, ohne doch zu wissen, was unwichtig ist.

Lucilles fragile Finger wandern tiefer, so viel tiefer, entlocken Stöhnen und ein bisschen Pein.

Alles verharrt in Reglosigkeit und Stille.
 

„Sag mir, Lucille, wer liebt schon den Teufel?“
 

Cordies mädchenhaftes Kichern hallt in seinem Kopf nach. Macht ihn fremd, macht ihn zornig.

Mit zittriger Wut drückt Lucille Kohaku enger an sich, schnürt diesem jegliche Luft ab, bis über die Lippen des Violinisten ein entsetztes Ausatmen stolpert, ein weiteres Mal legt er seinen Kopf auf Lucilles Schulter ab, drückt seine Lippen auf die Haut und schenkt sich ein leises Wimmern, das irgendwo aus den Tiefen kommt, aus dem blutgetränkten Monstrum, das sich Unschuld genannt hat … vor langer, langer Zeit. Der Anstrengung wegen beginnt seine Narbe ein wenig zu pulsieren, es ist, als stehe sein gesamtes Gesicht, sein gesamter Körper in heißkalten Flammen. Wird zu frostiger Asche und zu einem glühenden Eiskristall.

Als Lucille ein paar Schritte voraus geht – unstet summend über den ebenen Weg stolpert -, reicht er Kohaku seine Hand und dieser ergreift sie willig. Der folgende Fall ist zarter Schmerz und später ein wenig scharfe Wonne. Ein einsames Feuer in einer riesigen Eiswüste. Die Verbrennungen schützen und machen schwach und leben und lassen leben.

Um nicht laut zu werden, verbeißt Kohaku sich in Lucilles Haut, tief schieben sich die Zähne in das widerstandslose Fleisch – ein perverser Ausgleich, eine obszöne Süßigkeit für die reißende Pein in seinem Unterleib -, süßer Metallgeschmack füllt seine Mundhöhle, und erst als der Schauer, der warme, klebrige Regen, vorbei ist, löst er sich von dem wärmenden Graben.

Lucilles Blut tropft aus seinem halb geöffneten Mund, verunreinigen den so schönen Menschen, der der Lichtbringer selbst zu sein scheint, der Sünde und alle Verderbtheit erleuchtet.

Schwer atmend spürt er Lucille immer noch tief in seinem Inneren, da wo es juckt und schmerzt und wo er niemanden hinlässt, weil er sich fragen müsste, wer er sei, doch getraut er sich trotzdem nicht, sich zu bewegen, als er in diese azurblauen Untiefen, die nichts offenbaren wollen, die so sanft sind wie ein liebevoll geführter Dolch, blickt.

Er fröstelt ein wenig, da der Schweißfilm, der seinen Körper überzieht, sich mithilfe einer schwachen Brise kalt bemerkbar macht. Sanft legen sich die Finger des Chanteurs auf seine Wange, und so viel zärtlicher bohren sie sich dort hinein, suchen ihren Weg über die Schläfen in Kohakus Gehirn, in seinen Geist. Bewegungslos starrt Kohaku Lucille an. Wartet auf Hass, auf das Unvermögen der Philomela zu lieben, darauf, dass er ihn von sich weist, dass er ihn auf seinen rechtmäßigen Platz verweist. Ihm zeigt, dass er nicht mehr ist, als ein geigespielender Straßenkehrer, der einen Karren voller Gebein hinter sich herzieht.

Lucille studiert den Violinisten prüfend, saugt sorgsam jegliche Regung von ihm in sich auf, versucht zu empfinden, was er in so vielen Büchern gelesen hat, versucht in diese liebliche Selbstvergessenheit zu geraten, die alles hinter sich lässt - und wieder scheitert er. Und als er die Angst, diese so für den brachialen Menschen ungewöhnliche Angst, sieht, lacht er. Nur leise, ein blättriges Wispern im Wind. Aber er tut es, und er sieht Kohaku direkt an und trägt Sorge dafür, dass dessen Blick nicht an ihm vorbeigleitet. Dass dieser seine Selbstverachtung bemerkt und ihn hält – doch da ist nichts, nur Erstaunen.

Mit einer ruckartigen Bewegung, immer noch Kohakus Aufmerksamkeit fesselnd, schiebt er jenen von sich, sodass er erfriert, die umarmende Wärme vergisst, die nicht einmal die Ahnung einer Illusion gewesen ist.

Mit doch recht weichen Knien steht er auf, knöpft sich das stark in Mitleidenschaft gezogene Hemd zu und tritt ein paar Schritte zurück, um seine Hose aufzuheben. Das tote Gras unter seinen Füßen knistert ein wenig.

Mit fasziniertem Starren beobachtet Kohaku, wie sich durch das ehemals weiße Hemd des Chanteurs das Blut seiner hineingerissenen Wunde bemerkbar macht. Der Fleck wird größer und glänzt ein wenig. Ein unwillkürliches Lippenlecken erinnert ihn an eben Vergangenes, versucht durch verstohlenes Selbstberühren diese herzliche Lieblosigkeit zu imitieren. Und das, obwohl er weiß, dass er daran versagen wird. Weil Lucille Kohaku nicht lieben

kann, versucht er … versucht er … was eigentlich?

Kohaku will etwas sagen – allenfalls auch fragen -, als er von seinem Gegenüber unterbrochen wird.

„Ja, wer liebt schon den Teufel?“ Die Worte sind ein Lied, gesponnen aus verjährtem Glauben und täglicher Erkenntnis. Und Kohaku nickt Lucille zu, weil dieser Recht hat.

Wer …ja, wer?
 

Nach wie vor ist Kohaku vollständig entblößt , sitzt, wie Gott ihn erschaffen hat, zähneklappernd vor dem Teufel und hört zu, wie dieser auf jämmerliche Weise seinen Wahnsinn zelebriert.

Erst nach einer unwirklichen Zeitlosigkeit wendet sich der Chanteur wieder dem Violinisten zu.

„Zieh Dir was an, Du erkältest Dich noch.“ Verblüfft nickt Kohaku und angelt nach seinem Mantel, zieht sich ihn eher dürftig über. Das Gefühl der schweren Waffen an seinem Körper gibt ihm Sicherheit. Endlich wieder fluchend, entdeckt er, dass seine Hose ein Loch von der überstürzten Wollust davongetragen hat.

Vielleicht kann er Lucille zwingen, für den Schaden aufzukommen. Für welchen auch immer.
 

Als er wieder gänzlich angezogen ist, sieht er, dass Lucille schon einige Meter vorausgegangen ist.

Und Kohaku fällt die Antwort auf Lucilles und Cordies Frage ein.

Aber als er ihm hinterher geht, beschließt er, es für sich zu behalten. Sie ist nicht gut.
 

„ … und die Hölle folgt ihm nach.“



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