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Als er vom Himmel fiel

von

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Ungeahnte Wahrheiten

Ungeahnte Wahrheiten
 

„Das ist so was von schwachsinnig! Wie kann er nur so etwas behaupten? Als ob Joah von einem Dämonen abstammen würde! Ausgerechnet Joah! Das Gute in Person!“, murmelte Rya vor sich her, während sie die Tassen abwusch. „Das macht alles gar keinen Sinn. Es ist einfach unmöglich. Nur weil er sich da ein bisschen an der Hand verbrannt hat, muss Joah gleich dämonisches Blut haben. So ein Quark!“

Wütend schmiss sie den Lappen in die Spüle, nachdem sie das Wasser abgelassen hatte. Danach ließ sie sich auf einen Küchenstuhl fallen und verschränkte die Arme.

„Das kann einfach nicht angehen! Dieser Aiden spinnt doch!“, schimpfte sie. „Der hat auch schon behauptet, dass ich eine Dämonin wäre. Ich würde sagen, der hat echt Paranoia! Was machen die da oben eigentlich?!“

Rya sah wütend zur Decke. Wenn es eines gab, was sie am wenigsten ausstehen konnte, dann war es, wenn man ihre Freunde schlecht redete. Und besonders Joah. Ihren besten Freund. Sie kannte ihn nun schon so lange. Und Dämon waren furchtbare, sündige Wesen, wenn sie dem glauben konnte. Also war es einfach unmöglich, dass Joah einer war. Nie hat er irgendetwas getan, was auch nur in entferntester Weise darauf hingewiesen hatte.

Rya stieß geräuschvoll Luft aus ihren Mund. Dann drehte sie sich um und öffnete den Kühlschrank. Sie suchte einen Moment, aber fand die Schokolade, die sie jetzt so dringend brauchte. Ansonsten würde sie sich nicht mehr so schnell beruhigen.

Als sie die Kühlschranktür schloss und erblickte sie Aiden im Rahmen der Küchentür. Sie hatte das Gefühl, dass er ihre Wut sehr gut spüren konnte, die ihrem Blick entwich. Sie riss die Verpackung der Schokolade auf und biss hinein. Dann verschränkte sie die Arme und sah ihn vorwurfsvoll an.

„Was?“, sagte sie knapp und kaute weiter. Aiden lehnte sich an das Holz des Rahmens und sah sie durchdringend an. Aber Rya blieb standhaft. Heute hatte er sie wirklich genug beleidigt und bloßgestellt. Er sollte merken, dass Alles seine Grenzen hatte.

„Wie lange willst du noch böse auf mich sein?“, fragte er. Rya zog eine Augenbraue hoch.

„Ich weiß nicht mal, ob ich damit aufhören würde, wenn du dich entschuldigst“,

erwiderte sie schroff.

Sie und Aiden sahen sich in die Augen. Einen Moment wirkte es so, dass keiner von beiden nachgab, aber schließlich wand Aiden seinen Blick ab.

„Tut mir leid“, murmelte er und ging zurück in Ryas Zimmer. Diese stand perplex da. Klar, hatte sie sich das auch denken können und eigentlich hatte sie es auch erwartet. Aber dass er es wirklich getan hatte, überraschte sie trotzdem. Obwohl sie es auch nicht anders erwartet hatte von einem Engel.

Sie biss abermals ein Stück Schokolade ab und trat in den Flur. Zuerst wollte sie durch die Tür in ihre Zimmer gehen, aber dann drehte sie sich der Tür zu, die direkt gegenüber der Küche lag. Einen Moment sah sie diese überlegend an, dann drückte sie die Klinke hinunter und trat in den stickigen Raum.

Der Raum stand voller Kisten. Diese vergruben Möbel, die von weißen Leinentüchern bedeckt waren. Die Jalousie hatte Rya geschlossen, als sie hier eingezogen war, aber ein leichter Lichtschimmer schien durch den schmalen Spalt, der die Jalousie und das Fensterbrett trennte. Rya steckte die Schokolade in ihre hintere Hosentasche. Hoffentlich vergess ich die nachher nicht, dachte sie und stürzte sich in das Kistenmeer. Als sie beim Fenster angelangt war, zog sie die Jalousie hoch und öffnete es. Eine dicke Wolke stob auf und der Staub erstickte sie fast. Schnell steckte Rya ihren Kopf aus dem Fenster, um wieder Luft zu bekommen. Als der Reiz in ihrem Hals nachgelassen hatte, atmete sie nochmal tief durch.

„Was machst du da?“, fragte Aiden. Rya zuckte und sah dann nach links. Dort erblickte sie den Jungen, wie er auf dem kleinen Balkon saß und die Füße in ihre Richtung baumeln ließ.

Er sah sie fragend an.

„Ich will das Zimmer aufräumen“, erwiderte sie und machte eine gereizte Grimasse.

„Und wofür?“, hakte Aiden nach.

„Eigentlich interessiert dich das doch gar nicht wirklich, oder?“, fragte sie und sah ihn wissend an.

Er dachte einen Moment nach.

„Eigentlich nicht, aber ich würde es trotzdem gerne wissen“, antwortete er ehrlich. Rya seufzte.

„Das war zu meinem Einzug das Zimmer, in dem meine Freunde geschlafen haben. Also ein Gästezimmer“, erklärte sie ihm. „Ich wollte es sauber machen, damit du hier drin schlafen kannst. Ich hab nämlich keine Lust dich jede Nacht auf meiner Couch schlafen zu lassen.“

Aiden sah sie überrascht an. Dann stand er auf.

„Ich helfe dir“, sagte er knapp und ging durch die Glastür nach innen.

Wie es aussieht, kann er doch ganz nett sein, dachte Rya und musste schmunzeln.
 

Nach zwei Stunden waren sämtliches Kisten aus- und umgeräumt oder ganz entsorgt worden. Rya holte gerade die Bettwäsche aus dem Trockner, die für das Bett, das nun Aiden gehören sollte, bestimmt war. Als sie das Zimmer betrat, saß Aiden auf einem Stuhl am Fenster. Das Zimmer war nur spärlich eingerichtet. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, eine Kommode. Aber Aiden brauchte auch nicht mehr. Er hatte darauf bestanden, dass es genüge.

Als Rya nach der Decke griff, um sie zu beziehen, nahm Aiden sie ihr aus der Hand.

„Warte. Ich mach das schon“, sagte er nüchtern und begann den Bezug aufzuziehen. Er stellte sich nicht mal dumm an, was Rya verwundert, aber als sie daran dachte, dass er natürlich mal ein Mensch war, dann musste er das ja können. Sie griff nach dem Kissen und bezog dieses. Aiden hielt einen Moment inne, aber hielt sie nicht auf.

„Hier“, sagte sie, als sie fertig war und Aiden gerade die Decke ordentlich auf das Bett legte. Er griff nach dem Kissen und warf es ans Kopfende, das direkt unter dem offenen Fenster lag.

„So. Dann hast du dein eigenes Schlafgemach ab heute“, grinste Rya ihn an. Dann kriecht er vielleicht nicht mehr in mein Bett, dachte sie und verzog das Gesicht.

Aiden musterte sie nur überrascht, aber verlor kein Wort darüber.

„Danke.“ Das war alles, was er sagte.

Dann verließ Rya das Zimmer und streckte sich einmal kräftig. Sie seufzte und sah dann auf die Uhr. Es war schon fortgeschrittener Nachmittag. Dann erinnerte sich Rya an das Gespräch, dass sie mit Joah geführt hatten. Sie drehte sich um. Aiden stand direkt vor ihr.

„Sag mal. Woher weißt du, dass ich mit 10 umgezogen bin?“, fragte Rya und sah neugierig zu Aiden auf. Dieser blickte einen Moment nach rechts.

„Wenn ich dich berühre“, begann er. „Kann ich auch deine Erinnerungen lesen, wenn ich es will.“

Rya sah den Jungen entsetzt an.

„WAS?!“, schrie sie auf. „Wie bitte?“ Ihr Gesicht wurde dunkelrot, vom Ansatz bis zum Hals. Dann holte sie aus und wollte ihn schlagen, aber bevor ihre Haut seine berührte, hielt sie inne.

„Was… was weißt du noch?“, fragte sie nervös und schaute weg.

Aiden reagierte nicht. Als sie ihn ansah, befand sich auf seinem Gesicht ein trauriger Ausdruck.

„Dein Vater…“, antwortete er matt. „Mehr weiß ich nicht.“

Rya war schockiert. Von ihr aus hätte er alles wissen können, nur nicht das. Nur nichts über ihren verdammten Vater!

„Es ist… aber nur beim ersten Mal passiert, als ich dich berührte. Es war keine Absicht“, fügte Aiden hinzu. Rya schüttelte den Kopf.

„Schon gut. Aber bitte schneide dieses Thema nie wieder an“, murmelte sie und ging in ihr Zimmer. Aiden sah ihr überrascht nach.

Als auch er das Zimmer betrat, saß Rya auf dem Balkon und beobachtete den Himmel. Die Wolken schlichen über das langsam verfärbende Blau. Aiden setzte sich neben sie und sah auch auf.

„Wie ist es da oben?“, fragte Rya. Aber sie sah ihn nicht an. Ihre Stimme klang gedämpft.

Aiden betrachtete sie einen Moment, dann seufzte er.

„Ich denke nicht so schön, wie man es sich vorstellt. Es ist relativ trist. Alles voller weißer Gebäude. Es gibt einige kleine Gärten und Parks. Aber man darf sie erst ab einem bestimmten Rang betreten“, antwortete er ruhig.

Rya beobachtete nun ihn. Sein Blick war fest, aber auch ein klein wenig Trauer spiegelte sich darin wieder.

„Und den heiligen Garten“, fügte er hinzu und sah sie an. Einen Moment blickten sich beide nur in die Augen. Braun in Blau und Blau in Braun. Dann wand er sich ab. „Aber den dürftest du kennen.“

„Ist dieser Garten das Paradies?“, fragte Rya leise.

Aiden nickte vorsichtig.

„Ich würde es aber nicht als solches bezeichnen“, gestand er. „Es ist nicht so, dass die Menschen nach ihren Tod voll Freude darin herumlaufen.“

Rya musste schmunzeln.

„Das wäre ja auch zu viel des Guten gewesen“, lächelte sie. Aber es verschwand gleich.

„Was passiert dann mit den Seelen der Menschen?“, fragte sie und sah wieder Aiden an.

Dieser schwieg einen Moment.

„Manche werden zu Engeln erhoben. Jene, die besonders rechtschaffend waren oder Kinder, die man noch erziehen kann“, begann er, aber wurde wieder stumm.

„Und die anderen?“

„Diese… wandern in die Heiligen Gefilde. Dort werden sie der Reihenfolge nach wiedergeboren.“

Rya sah ihn überrascht an.

„Also gibt es Wiedergeburt wirklich?“

„Eine menschliche Seele bleibt nie lange im Himmel. Wenn sie nur kleinere Sünden begangen hat, wird sie von diesen reingewaschen, indem sie durch einen Wasserschleier tritt. Sobald sie auf der anderen Seite ist, wird sie wiedergeboren.“

„Das heißt… wenn jemand stirbt, wird er nur wenige Minuten irgendwo anders wiedergeboren?“, fragte Rya und unterstrich ihre Aussage mit einer bogenähnlichen Bewegung ihrer Hand.

Aiden schüttelte den Kopf.

„Die Zeit im Himmel vergeht anders. Langsamer, als du sie hier wahrnimmst“, erwiderte er.

Rya lächelte schwach.

„Irgendwie ist das schade“, sagte sie und Aiden wand sich ihr überrascht zu.

„Wie meinst du das?“, fragte er.

„Naja… Es gibt so viele Gläubige, die hoffen ihr Leben im Jenseits in einem wunderbaren Paradies zu verbringen. Manche töten sogar dafür…“, sie hielt inne. „Und dann bleiben sie nur wenige Minuten dort. Sie haben im Prinzip gar nichts davon und müssen sich wieder dem qualvollen und sündigen Leben hingeben.“

Sie sah traurig auf die Straße hinunter.

„Außer sie werden Engel…“

„Ich verstehe, was du meinst“, sagte Aiden einige stille Minuten später. „Aber die, die töten, auch wenn sie an einen Gott glauben, erreichen nie den Himmel.“

Er stand auf.

„Sie gehen in die Unterwelt.“ Aiden streckte sich und schüttelte sich darauf, als würde er dieses Wort schon grundsätzlich verabscheuen. Rya sah weiter auf die Straße und beobachtete ein paar Kinder, die begannen zu spielen.

„Was geschieht mit ihnen? Kommen sie auch irgendwann wieder? Oder verbrennen sie wirklich bei Leibe?“

„Diese Frage kann ich dir nicht ehrlich beantworten.“

Rya sah zu dem Dunkelhaarigen auf.

„Ich war nie da. Mir wurde nur gesagt, dass sie Strafen erhalten. Und wenn sie diese erfüllt haben, werden auch sie reingewaschen und wiedergeboren. Aber ich weiß nicht, ob das wahr ist.“

„Meine… meine Mutter ist früh gestorben. Ich kann mich nicht mehr wirklich an sie erinnern“, sagte Rya. „Ich hatte gehofft, sie hätte jetzt ein schöneres Leben…“

„Vielleicht ist sie ja ein Engel geworden und wacht über dich“, entgegnete Aiden. Rya sah abrupt zu ihm auf.

„Meinst du wirklich?“ Sie sah ihn hoffnungsvoll an. „Kannst du sie sehen?“

Aiden lächelte und sah dann zum Horizont.

Rya sprang auf.

„Oh nein! Wenn das stimmt, dann muss sie unglaublich von mir enttäuscht sein! Ich…“ Aiden unterbrach sie. Sein eiskalter Finger berührte ihre Lippen. Sie zuckte zurück.

„Hast du-?!“

Er schüttelte den Kopf.

„Sag einfach nichts. Deine Mutter liebt dich so, wie du bist.“

Rya stockte. Ihr Hals fühlte sich an, als würde er sich zuschnüren. Dann konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie rannen ihr übers Gesicht, ohne, dass sie es wollte. Aiden beobachtete sie. Rya sackte auf die Knie und begann hemmungslos zu weinen.

„Ich… liebe sie auch…“, nuschelte sie hervor. Mehr konnte sie nicht sagen. Sie schloss die Hände vor ihr Gesicht.

Aiden hockte sich zu ihr hinunter. Rya konnte seine kalten Hände an ihren Armgelenken spüren und zuckte zusammen. Sie sah ihn an. Er wischte mit seinem Daumen die Tränen aus ihrem Gesicht. Raureif bildete sich auf Ryas Haut, aber verschwand kurz darauf. Ihre Wangen glühten.

„Weine nicht“, sagte er leise. „Sonst machst du sie traurig und sie könnte ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen. Engel dürfen nicht an ihrem alten Leben hängen. Das ist der Preis, den sie zahlen, um Engel zu werden. Deswegen dürfen wir uns nur an eine einzige Sache aus unserem Leben erinnern. Da sie sich wahrscheinlich an dich erinnern wollte, wurde sie dir wohl zugeteilt.“

Ryas Tränen rannen wieder über ihre Wangen, aber dann wischte sie sie mit ihrem Handrücken weg. Sie traute sich nicht wirklich, aber sie wollte es gerne wissen.

„Woran… erinnerst du dich?“

„An meinen Tod.“ Dann verschwand Aiden im Zimmer.
 

Joah saß über seinen Uniaufgaben, aber er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Wütend warf er sie an die Wand. Der Bleistift konnte seinem Zorn nur knapp standhalten. Deprimiert stand Joah auf und lief in die Küche. Er öffnete den Kühlschrank und schnappte sich eine Dose Bier aus dem Sixpack.

„Es ist äußerst ungewöhnlich für dich um diese Uhrzeit etwas zu trinken“, ertönte eine Stimme neben ihm.

„Na und“, erwiderte er schroff und öffnete die Dose mit einem lauten Klack. „Ich habe nun mal Lust drauf!“ Wütend schmiss er die Kühlschranktür zu.

„Ganz ruhig, Alter! Mart wollte nur wissen, was dir so die Suppe versalzt hat“, versuchte Steve seinen Kumpel zu beruhigen.

„Aiden“, sagte Joah tonlos und setzte sich an den Küchentisch. Martin und Steve setzten sich zu ihm.

„Wer ist Aiden?“, fragte der Blonde.

„Wie es aussieht wohl Ryannes neuer Mitbewohner“, erklärte Martin, um Joah die Antwort abzunehmen. Dieser schlürfte das Bier aus der Dose.

„Autsch!“, erwiderte Steve. „Tut mir leid, Mann.“

„Sie behauptet, er wäre ein alter Bekannter. Ein Sandkastenfreund, der von zu Hause abgehauen ist“, brummte Joah und sah aus dem Fenster. Martin warf Steve einen vernichtenden Blick zu, als dieser ansetzte etwas zu sagen.

„Und du glaubst das nicht.“ Eine Feststellung, keine Frage.

„Sie hat ihn nie erwähnt. Nie! Und er meinte, man hätte ihn rausgeworfen, aber es sieht mir mehr danach aus, als hätte er zu große Sehnsucht nach ihr gehabt.“ Joah drückte auf die Dose ein, doch sie hielt noch stand. Wieder trank er daraus. „Wie er sie angemacht hat! Direkt vor mir!“, fauchte Joah. Die Dose knackte bedrohlich.

„Bist du sicher, dass du das noch trinken willst?“, versuchte Steve die halbvolle Dose vor ihrem schmerzlichen Tod zu bewahren. Joah funkelte ihn finster an und leerte die Dose in einem Zug. Dann zerdrückte er sie geräuschvoll, direkt vor dem Gesicht des Blonden.

„Glaub mir. Das würde ich nur zu gern auch mit ihm machen.“ Joah warf die Dose auf den Tisch und verschwand aus der Küche. Als Martin und Steve die Tür knallen hörten, wussten sie, dass er sich nicht so schnell wieder beruhigen würde.

„Das gefällt mir gar nicht, Mart! Das ist echt nicht gut“, begann Steve hektisch. „Wenn Jin davon Wind bekommt,…“ Den Rest wollte er gar nicht erst aussprechen.

„Ich weiß, was du meinst. Das macht die Sache nur umso komplizierter. Ich denke nicht, dass Jin ein Problem mit diesem Aiden hätte, aber für ihn ist es zu gefährlich…“ Martin dachte intensiv nach.

„Aber wir können doch Joah nicht schon jetzt erzählen, dass… Die Herrin hat uns verboten etwas zu sagen, bevor sie es erlaubt!“ Steve wirkte stark eingeschüchtert.

Martin griff nach der Dose und hielt sie ihm vor die Nase. Natürlich war sie eingedrückt. Aber ihre bedruckte Oberfläche war an den Stellen, an denen das Metall Joahs Hand exakt nachbildete, weggeätzt.

„Ich weiß aber nicht, wie lange seine Kräfte noch in ihm ruhen werden. Wenn er auf diesen Aiden trifft und richtig wütend wird, weiß ich nicht, ob es nicht besser für ihn ist, auf Jin zu treffen“, entgegnete Martin und legte die Dose wieder auf den Tisch.

„Wir haben ein großes Problem.“

„Inwiefern denn, Jungs? Vielleicht kann ich euch helfen“, fragte eine tiefe Stimme. Ein Schatten warf sich über den Tisch und als die beiden Jungen zum Fenster sahen, erblickten sie den Schwarzhaarigen im Rahmen hocken.

„Herr?!“, stieß Steve hervor.

„Hat mein Brüderchen was angestellt?“, fragte er belustigt. Er schien guter Laune zu sein. Dann erblickte er die Bierdose. „Oh! Da war wohl jemand wütend“, witzelte er und lachte auf.

„Bitte, Herr! Joah ist in seinem Zimmer. Er könnte euch hören“, flehte Martin. Der

Schwarzhaarige beendete sein Lachen, aber grinste breit.

„Als ob mich das interessieren würde. Aber Mutter wäre davon nicht angetan“, sprach er eher zu sich selbst, als zu Steve und Martin. „Hat mein Brüderchen denn irgendwas über seine Verlobte erwähnt?“

Er sah die beiden Jungen ernst an. Steve schluckte und sah zu Martin. Genau das wollte er eigentlich vermeiden.

„Nein. Nichts Besonderes“, antwortete er mit sicherer Stimme. Der Schwarzhaarige zog eine Augenbraue hoch.

„Und wo lag dann euer Problem?“, fragte er misstrauisch. Er sah die beiden scharf an.

„Der Müllberg“, erwiderte Martin und deutete auf den Müllhaufen, der eine ganze Ecke der Küche füllte. „Joah ist dran, aber wenn er wütend ist, ignoriert er seine Aufgaben immer.“

„Warum ist er wütend?“ Der Schwarzhaarige sah etwas gelassener aus, aber war dennoch neugierig.

„Er kriegt die Matheaufgaben nicht auf die Reihe“, antwortete Martin. „Wir werden ihm wohl helfen müssen, nicht, Steve?“ Er wand sich an den Blonden neben ihm.

„Äh…ja! Klar!“, stotterte er hervor. Der Schwarzhaarige musterte ihn genau und Steve zuckte zusammen.

„Sei nicht so nervös. Ich habe nicht vor euch etwas anzutun. Schließlich müsst ihr für mich spitzeln.“ Dann wand er sich wieder an Martin. „Wenn sich irgendetwas in Beziehung meines Bruders und seiner Verlobten tun sollte, informiert mich sofort. Wenn ihr das nicht tut…“

Der Schwarzhaarige hob die Hand. Ein finsterer, kalter Schauer durchfuhr die Jungen und die Luft in ihren Lungen gefror regelrecht. Beide japsten nach Luft, als er die Hand wieder sinken ließ.

„Bis zum nächsten Mal“, verabschiedete er sich und war verschwunden.

Eine Tür öffnete sich und kurze Momente später stand Joah in der Tür.

„Hey, Jungs. Tut mir leid wegen vor-“, begann er, aber stockte. Er erblickte seine zwei schweratmenden Mitbewohner. „Hey! Was ist los mit euch?!“

Er hastete zu ihnen hinüber.

„Ist alles in Ordnung?“

„Klar. Kein Ding“, antwortete Steve gepresst.

„Wir haben nur nen Wettbewerb gemacht, wer am längsten die Luft anhalten kann“,

keuchte Martin hervor. „Aber immerhin habe ich gewonnen.“ Er grinste den Brünetten an.

„Ihr spinnt doch“, sagte Joah und schüttelte resigniert den Kopf.
 

„Sag mal, du bist doch jetzt schon seit 10 Jahren mit Joah befreundet, oder?“, fragte Aiden. Er saß gelangweilt auf der Couch und beobachtete Rya beim Lernen. Diese seufzte.

„Ja. Und?“

„Wie ist denn eure Beziehung zu einander?“ Rya wand sich ihm zu. Sie wirkte verwirrt.

„Er ist mein bester Freund. Das weißt du doch“, antwortete sie ihm. „Warum fragst du?“

Aiden sah sie einen Moment stumm an.

„Mir erschien es so, als wäre für ihn das weit mehr, als nur eine Freundschaft“, entgegnete er.

„WAS?!“ Rya sah ihn entsetzt an. „Wie kommst du darauf?!“

„Ist dir das etwa noch nicht aufgefallen?“ Aiden warf ihr einen fragenden Blick zu. „Dabei ist es doch so offensichtlich. Wenn ich an vorhin denke…“

„Nein, nein! Da hast du was falsch verstanden! Joah mag es nur nicht, wenn Personen in meiner Nähe sind, denen er nicht vertraut“, winkte Rya ab.

„Aber ist das nicht ganz schön anmaßend? Will er dann nicht dein Umfeld bestimmen? Für mich wirkt das so, als wolle er keine Konkurrenz haben“, schlussfolgerte Aiden und sah auffordernd zu Rya.

„So ein Quatsch!“, erwiderte sie und ihr Gesicht wurde rot. „Ich kenne Joah schon fast über 10 Jahre. Das wäre mir aufgefallen.“

Aber irgendwo hat er auch Recht, dachte Rya. Er scheint wirklich mein Umfeld kontrollieren zu wollen. Und er war immer da, wenn ich ihn brauchte. Er kann mir meine Wünsche regelrecht von den Augen ablesen. Und damals, als ich…

Rya setzte einen entsetzten Blick auf. Ihr ganzes Gesicht färbte sich rot.

„Oh mein Gott! Du hast recht!“, schrie sie und sah Aiden fassungslos an. „Was mach ich jetzt nur?!“

Rya sprang auf und rannte im ganzen Zimmer rum.

Joah ist mir wichtig, aber so kann ich nicht über ihn denken. Er ist mein bester Freund!

„Uuuuuuh! Wie konnte das nur passieren!“, rief sie und hockte sich auf den Boden. Starr sah sie auf ihre Füße. Sie hatte Angst. Große Angst.

Was ist, wenn ich mich jetzt anders verhalte? Ich werde mich anders verhalten! Das ist… furchtbar. Ich werde ihn nie wieder so sehen können, wie vorher!

Aiden kniete sich vor ihr nieder.

„Ist alles in Ordnung? War das so ein großer Schock?“, fragte er. Es klang sogar Besorgnis in seiner Stimme.

Rya sah wütend auf.

„Wie konntest du mir das nur sagen?! Was soll ich denn machen, wenn ich ihn wiedertreffe? Er war derjenige, den ich am meisten vertraut habe. Bei dem ich nicht darüber nachdenken musste, dass er sich in mich verlieben könnte!“, fuhr sie ihn an. Dann sank sie wie ein Haufen Elend zusammen. „Was mach ich nur?“

Aiden war verblüfft. Er hatte nicht erwartet, dass sie darauf so heftig reagieren würde. Menschen scheinen wirklich impulsiv zu sein, dachte er.

„Eigentlich musst du dich doch gar nicht anders benehmen“, sagte er. Rya sah ihn an.

„Ihr seid schließlich Freunde. Und er hat dir bis jetzt bestimmt nichts gesagt, weil er will, dass du das selbst entscheidest.“

„Wie… wie meinst du das?“

„Ach komm schon, Rya. So dumm bist nicht mal du, dass du es nie mitbekommen würdest. Früher oder später hättest du dich sowieso entscheiden müssen.“ Aiden sah sie skeptisch an. Rya sah wieder zum Boden.

„Du hast wohl Recht“, murmelte sie.

„Es kommt nur darauf an, wie du dabei fühlst“, fügte Aiden hinzu. Seine Stimme klang matt. Als Rya aufsah und in seine Augen blickte, wirkten diese ferner als zuvor. Dann wand er seinen Blick ab.

„Aiden?“, fragte sie vorsichtig und wollte ihn berühren, aber er zuckte zurück.

„Lass das lieber. Sonst erfrieren deine Hände noch.“ Dann erhob er sich. „Also? Was wirst du tun?“

Rya sah resigniert zum Boden.

„Ich weiß es noch nicht…“

„Warum verliebst du dich nicht auch einfach in ihn!“, sagte eine Stimme fröhlich. Als Rya zum Balkon sah, saß ein junger Mann auf ihrer Treppe. Er hatte kurzes, schwarzes Haar und neben den Narben auf seiner linken Wange, zeichnete sich ein hämisches Grinsen ab. „Ich denke meine Mutter würde sich sehr darüber freuen. Und Joah erst.“

Er lachte laut auf. Im nächsten Moment stand er schon direkt vor Rya. Er hob ihr Kinn mit seiner Hand an und kam ihr ganz nahe.

„Außer du willst mit mir vorlieb nehmen“, grinste er. Rya konnte die Wärme seiner Lippen spüren, bevor Aiden rief: „Runter, Rya.“

Sie duckte sich und Aidens Bein schwang über sie hinweg. Der Schwarzhaarige war verschwunden. Als Rya sich wieder aufgerichtet hatte, während Aiden sich umsah, schlangen sich muskelöse Arme um sie.

„Da will dich wohl einer für sich haben“, säuselte er in ihr Ohr, doch als er Aiden erblickte, der ihn finster ansah, verschwand das Grinsen aus seinem Gesicht. Ein verächtlicher Ausdruck trat auf sein Gesicht

„Wen haben wir denn da? Solltest du nicht tot sein?“, hauchte seine Stimme eiskalt.

„Das sagst ausgerechnet du, Jin“, entgegnete Aiden ebenso kühl.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Fairytale_x3
2011-07-01T15:16:07+00:00 01.07.2011 17:16
so :)

joah wird mir immer unsympatischer irgendwie, aber desto mehr mag ich aiden *gg*
fand das kapitel wieder sehr toll :) und auch informativ, es geht kontinuierlich weiter das gefällt mir.
dieser jin ist irgendwie komisch, der taucht immer in den ungünstigsten momenten auf, hab ich so das gefühl.
und warum das joah nichts wissen? das hat sich mir noch nicht so ganz erschlossen und mit verlobte meinte er ja wohl rya oder?

besonders gut hat mir mal wieder die szene mit aiden und rya gefallen, als sie sich über den himmel unterhalten. ich finde die vorstellungen die du dort gebracht hast echt toll und gut überlegt.

und dieser satz hier: „An meinen Tod.“ Dann verschwand Aiden im Zimmer. rawww der war richtig toll <3 ich liebe solche knappen sätze die dann doch voll einschlagen.

wa sich mir im text jetzt am schluss nicht so ganz erschlossen hat (auch nach zwei mal lesen nicht) ist die szene, als dieser jin bei rya auftaucht. wer genau küsst sie jetzt? jin oder aiden? und warum kann rya aiden nicht berühren, aiden sie scheinbar aber schon? ?.?
wie kann sich rya dann bücken und plötzlich wird sie festgehalten?
du siehst die szene hat mich wirklich verwirrt, ich glaube du hättest sie ein bisschen besser ausformulieren sollen, damit man genau weis, wer da was sagt und wer wann handelt. mir war das nicht so ganz klar.

ansonsten auf jedenfall wieder ein gutes kapitel :) hier sind noch zwei sätze, in denen mir etwas aufgefallen ist:

Aiden hielt einen Moment inne, aber hielt sie nicht auf.]
zwei mal dieses hielt finde ich hier nicht gut, das klingt ein wenig monoton und stockend.

Eine Tür öffnete sich und kurze Momente später stand Joah in der Tür.
kurze momente? find ich auch nicht so ganz passend. eher: Eine Tür öffnete sich und einen kurzen Moment (o. Augenblick) später...

ich bin aber trotzdem gespannt wie es jetzt weiter geht und freue mich auf das nächste kapitel :)



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