African Story
Die Sonne erhellte bereits in der Mittagslage das Krankenzimmer. Alles war ruhig, niemand außer Harry war im Moment hier. Und eben jener öffnete langsam die Augen, blinzelte kurz und sah sich um. Müde drehte er den Kopf. „Krankenstation…“, ging es durch seinen Kopf. Warum war er hier? Langsam kamen die Erinnerungen wieder. Da war Draco…
Und dann…
Der Kuss!
Harry schreckte hoch, als ihn die Erkenntnis einholte, doch im selben Moment schrie er gepeinigt auf, krümmte den Rücken und fasste an die schmerzende Stelle, ließ sich schnell zurücksinken. Er glaubte, ein Messer würde ihm in den Rücken gerammt!
Von diesem Schrei aufgescheucht kam Madam Pomfrey keine Sekunde später und eilte sofort auf ihn zu. Mit ein paar versierten Griffen sorgte sie dafür, dass Harry wieder gerade lag und einen Trank gegen die Schmerzen später, den der Junge mit einem Zug herunter gekippt hatte, lag er wieder ruhig da, nur noch etwas schwer atmend.
Die Krankenschwester lächelte ihn beruhigend an. „Du darfst noch nicht aufstehen, Harry… Und keine hastigen Bewegungen!“, war ihr mütterlicher Ton. Harry nickte nur und sah sie an. Leicht zog er die Stirn kraus. „Madam Pomfrey… Ich- ich kann meine Beine nicht spüren… Warum kann ich-“, doch Poppy legte ihm nur beruhigend die Hand auf die Schulter, auch wenn ihr Gesichtsausdruck bedrückt aussah. „Bei dem Sturz auf die Treppe wurde dein Rücken verletzt… Es wird noch etwas dauern bis das wieder in Ordnung ist, aber danach wird alles wieder in Ordnung sein, das verspreche ich dir.“ Zumindest hoffte sie das. Aber sie wollte den Jungen nicht ängstigen, indem sie davon sprach, dass es nicht sicher war ob alles so ablaufen würde, wie es sollte.
Stattdessen schüttelte sie etwas Harrys Kissen auf, während sie ihn fragte ob er etwas essen wolle. „Ich hab keinen Appetit“, antwortete Harry etwas kleinlaut. Er wusste, er sollte eigentlich etwas essen, aber ihm war nach der ganzen Sache einfach nicht danach. Die Heilerin lächelte ihn an. „Vielleicht brauchst du nur die richtige Gesellschaft zum Essen. Ich kenne da jemanden, der sicher gern mit dir essen wird!“ Der Schwarzhaarige blinzelte verwirrt, ehe sein Gesicht sich erhellte.
„Siriu-“ – „Liegen bleiben!“ Er wurde zurück gedrückt, als er sich vor Freude bereits wieder aufsetzen wollte.
„Ist er da? Ist er endlich da?“, fragte er aufgeregt. Madam Pomfrey konnte nur lächelnd nicken. „Er wird gleich bei dir sein. Ich werde ihn holen.“ Kurz drückte sie Harrys Schulter, ehe sie sich lächelnd abwandte und die Krankenstation verließ.
Harry war aufgeregt und gespannt. Ob er sich wohl verändert hatte? Und was war damals nur passiert? Er wollte alles wissen!
Endlich, nach schier einer halben Ewigkeit – die gerade einmal aus einer halben Stunde bestand, ging die Tür zum Krankenflügel wieder auf und herein kam ein mit einem Tablett beladener Sirius Black.
Harrys Gesicht erhellte sich, pures Glück durchströmte ihn. Sirius setzte das Tablett auf dem Nachttisch ab und erwiderte das strahlende Lächeln. Dann fielen sie einander in die Arme und nun war sich Harry sicher, dass das alles kein Traum war. „Sirius! Ich hab dich so vermisst!“, schniefte er leise. Sein Pate lächelte. „Ich weiß… Es tut mir leid…“
Er setzte sich auf den Stuhl der neben dem Bett stand und reichte Harry einen reich beladenen Teller mit Hühnersuppe. Harry nahm ihn artig entgegen und sah hinein. „Wie… wie hast du überlebt?“ Sirius gab ein amüsiertes Schnauben von sich. „Das ist eine lange Geschichte…“ Sein Neffe schmunzelte. „Ich hab sowieso nichts vor.“ Er nahm einen ersten Löffel seiner Suppe. War gar nicht so schlecht! So aß er weiter während Black sich auf sein Bett stützte, einen Apfel nahm und erst mal hinein biss, ehe er dem Jungen schließlich zu erzählen begann.
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Zaubereiministerium. Die Kinder waren eingekesselt von den Todessern. Lucius Malfoy verlangte nach der Prophezeiung, als plötzlich der Orden erschien! Harry und Sirius kämpften Seite an Seite. Bellatrix Lestrange tauchte auf, nutzte ihre Chance und sprach einen Fluch. Ein roter Lichtblitz traf Sirius. Doch es war nicht der Todesfluch gewesen! Ein Schock-Zauber, stark genug um zu töten, doch Sirius fiel in den Nebel des geheimnisvollen Torbogens.
Um ihn herum hörte er Stimmengewirr, wabernde Gestallten flatterten um ihn herum. Er schien zu schweben, ließ sich einlullen von dem Gewisper und schloss die Augen. Er war wohl tot.
Leise Stimmen, in einer Sprache, die er nicht verstand, der Geruch von verkohltem Holz und die Geräusche von klapperndem Ton ließen ihn langsam wach werden. Verwirrt öffnete er langsam die Augen; über sich sah er getrocknete Blätter, aus denen das Dach der Hütte, in der er sich befand, war.
Er wand den Kopf zur Seite, erkannte dort eine Feuerstelle und eine Frau, die an jener wohl kochte. Mit einem Mal bemerkte er was für dröhnende Kopfschmerzen er hatte und fasste sich leise ächzend an die Stirn. Dies jedoch schreckte die Frau auf, die prompt die Schüssel fallen ließ, ihn ansah und dann laut rufend aus der Hüte rannte.
Sirius war das egal! Wie war er hierhergekommen? Und wo war HIER eigentlich? Mit Sicherheit nicht mehr England, das konnte er sagen. Keuchend setze er sich auf, musste sich dabei schwer abstützen. Die Hütte war schlicht, aus einfachem Holz, neben ihm war die Feuerstelle. Er lag auf einer dünnen Matte und hatte ein Laken als Decke. In einem kleinen, alt wirkendem Regal, von dem der weiße Lack schon lange blätterte, standen Tonschüsseln und zwei verbeulte Kannen aus Metall. Viel mehr befand sich hier nicht. Ihm schräg gegenüber war ein Durchgang, der zu einem anderen Zimmer führte und geradeaus konnte er nach draußen sehen.
Und von dort kamen gerade die Frau und ein Mann auf ihn zu. Der Fremde war in roten Stoff gehüllt, trug Schmuck aus Zähnen und Knochen, außerdem Sandalen, die schon zerschlissen wirkten, aber noch gut waren. Eben jener setzte sich nun genau vor ihn hin und betrachtete ihn einige Zeit lang still. Sirius erwiderte den Blick mit Unbehagen und Misstrauen.
Umso mehr erschreckte es ihn, als sein Gegenüber plötzlich in bestem Englisch anfing mit ihm zu sprechen!
„Es freut uns sehr, dass du wieder erwacht bist, Magier.“ Sirius blinzelte. „Woher wissen Sie, dass ich zaubern kann? Und wer ist „uns“? Und wo bin ich und wie bin ich hergekommen?“ Der Fremde lächelte und nickte nur bei Sirius Fragenschwall. Doch er antwortete ihm auf jede einzelne Frage.
„Mir und meinem Stamm wurde vorhergesagt, dass ein Lebender unter den Toten erscheinen würde, der Magie mächtig und dass er uns helfen würde, unseren Schamanen zu finden. Wir sind das Volk der Lewe und du befinest dich in unserem Dorf. Wir liegen etwa 200 Meilen Nord-östlich von Kapstadt entfernt und gekommen bist du durch das Geistertor", erklärte der vermeintliche Häuptling. Black stand der Mund offen. Kapstadt? Das hieße ja „Südafrika…“, keuchte er leise. So weit von England war er weg?
„Und warum euren Schamanen finden? Ist er verschwunden?“, fragte Sirius dann doch nach. Der Stammesführer nickte. „Vor drei Tagen ging er fort, er sagte er käme bei Anbruch der Nacht zurück; er kam bis heute nicht wieder. Doch dann erschien mir der Schutzgeist unseres Stammes im Traum und er sagte mir, dass du kommen würdest, um uns zu helfen!“ Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen und erwartungsvoll sah er Sirius an. Dieser saß da und konnte nur schlucken.
Er konnte einfach noch immer nicht fassen, was hier passierte und doch war er erleichtert, dass er am Leben war. Da durchfuhr ihn ein Ruck! „Harry!“ Mit einem Mal stand er senkrecht vor seiner Lagerstädte. „Ich kann nicht hierbleiben! Ich muss zurück zu meinem Patensohn! Zurück nach England!“
Sirius stürmte entschlossen aus der Hütte, doch kaum stand er im Sonnenlicht, erstarrte er vor Fassungslosigkeit. Gute 50 Menschen standen da, sahen ihn freudestrahlend an und jubelten! Durch die Menge drängten sich zwei Männer, die eine kleine Sänfte trugen, darauf aufgebahrt war die kunstvoll geschnitzte, hölzerne Figur eines großen schwarzen Hundes. Abermals klappte Sirius der Mund auf. Von hinten klopfte ihm der Häuptling auf die Schulter und trat stolz neben ihn. „Dies ist der Schutzgeist unseres Volkes!“ Black wimmerte leise auf. „D-Das bin ich…“ Es kam ihm vor, als würde er in einen Spiegel sehen, als er diesen Holzschnitz vor sich sah, der seiner Animagus-Form schlicht mehr als einfach nur ähnlich sah.
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„Was?“ Harry grinste breit. „Die Staute sah 1:1 aus wie du?“ – „Ja! Eins kann ich dir sagen, das war das Verrückteste was ich je erlebt habe…“ Sein Patenonkel schüttelte leicht den Kopf. Als müsse er all diese Gedanken immer noch erst zuordnen. „Und dann? Was kam dann? Hast du den Schamanen gefunden?“ – „Oh ja, das hab ich. Und es war viel unspektakulärer als man bei dem Anfang dieser Geschichte meinen könnte.“ Der Jüngere blinzelte neugierig.
Sirius lächelte und erzählte: „Naja erst wusste ich nicht so recht wie ich es anstellen sollte, den Mann zu finden. Dabei war die Antwort darauf ziemlich banal: Ich benutzte meine Animagus-Form, ließ mir die Unterkunft des Schamanen zeigen und prägte mir seinen Geruch ein. Danach war es ein Kinderspiel, seine Fährte aufzunehmen und ihn zu finden. Die Dorfleute waren schwer beeindruckt, dass ich wohl ein direkter Getreuer des Großen Hundes sei!“ Er lachte auf bei dieser Feststellung. „Sie waren so überrascht, wie ähnlich ich ihrem Götzen war, ein Paar sind glatt vor mir auf die Knie gefallen… Mann, war das verrückt!“
Grinsend sahen sich die beiden an. „Und? Was war mit dem Schamanen? Wo hast du ihn gefunden?“ – „In einer Höhle“, antwortete Black. „Es war eine sehr große Höhle, doch der Eingang war sehr schmal und eng. Das besondere waren allerdings die Kristalle, die es massenhaft in dieser Höhle gab. Das sind genau solche, aus denen man Kristallkugeln herstellt für die Wahrsagerei. Der Schamane wollte welche davon holen, aber als er einen aus der Wand brach, führte das dazu, dass sich von oben ein Stein löste und ihm auf den Kopf fiel.“ Er lehnte sich zurück und verschränkte bequem die Arme. „Er hatte eine Gehirnerschütterung davongetragen, es war ihm unmöglich gradeaus zu laufen. Deshalb schaffte er es nicht aus dem unwegsamen Eingang der Höhle. Wir brachten ihn zurück ins Dorf und versorgten ihn. Nach ein paar Tagen war er wieder fit.“
„Klingt nach einer Menge Trubel.“ Der Verletzte lächelte seinen Onkel an. „Oh ja. Danach schlug ich mich dann nach Kapstadt durch, von wo aus ich dir dann den Brief schreiben konnte. Und zwei Tage später nahm ich die nächste Maschine nach England.“ – „Und jetzt bist du hier…“, flüsterte der junge Gryffindor. Er konnte nicht verhindern, dass er leise schniefte und ihm die Tränen in die Augen stiegen. Sein Pate sah ihn sanft an, legte eine Hand auf die seine und nickte. „Ja, jetzt bin ich hier. Und nochmal lass ich mich nicht so einfach von dir trennen!“ Harry hickste leise. „Sirius…“ – „Schh…“ Black stützte sich auf und gab seinem Neffen einen Kuss auf die Stirn während dieser die Arme um dessen Nacken schloss und vor Erleichterung und Freude, aber auch abfallender Angst und Trauer um des anderen Tod noch eine ganze Weile weinte.