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Sonderschicht

Eine Vorgeschichte zu Final Fantasy XII
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Sonderschicht

You can learn many things from children. How much patience you have, for instance. ~Franklin P. Jones
 

Er war für so etwas einfach nicht geschaffen.

Er konnte lange Schlachten kämpfen, ohne sich zu beklagen, er konnte lange Strecken zurücklegen, ohne, dass er allzu erschöpft war, aber eine Sache konnte er definitiv nicht sonderlich gut:

Auf Kinder aufpassen.

Es war nicht so, dass er der Königsfamilie nicht gerne diente, im Gegenteil, denn nur dafür und für die Verteidigung seines Heimatlandes war er Soldat geworden, aber es war für ihn mehr als unmöglich, die Geduld aufzubringen, um den ganzen lieben langen Tag auf die junge Prinzessin aufzupassen.

Prinzessin Ashelia B’nargin Dalmasca war ein liebes Kind, wohlerzogen wie alle Kinder von König Raminas, sie war zu jedem überaus freundlich und auch ansonsten konnte man sich über ihr tadelloses Verhalten in ihrem Alter nur wundern.

Was allerdings ein Problem war, war ihre scheinbar ungeheuerliche Energie, mit der sie gerne durch den Palast und die königlichen Gärten raste wie ein Sandsturm in der Westwüste. Suchte man sie an einem Ort, war sie meistens doch schon an einem anderen, suchte man sie im Palast, war sie auf einmal draußen, ohne, dass jemand hatte sagen können, wie sie so schnell von einem Raum zum anderen gekommen war.

Und es war nicht wirklich einfach, ihr die Treppen hinauf und wieder hinunter zu folgen, vor allem nicht, wenn man dazu noch in einer Rüstung steckte, die bei jedem neuen Schritt beweisen musste, dass Schutz eben auch ein erhebliches Gewicht mit sich brachte.

Es wäre alles erheblich einfacher, wenn er wirklich wissen würde, wo sie steckte, aber bei diesem Mädchen war das wohl immer schwer zu sagen.

„Vossler?“, erklang es schließlich von irgendwo oberhalb der Treppe und er sah schicksalsergeben auf, wohin wollte sie denn nun schon wieder? Wenn sie seinen Namen schon so fragend aussprach, dann war er sich sicher, dass wieder ein Ortswechsel bevorstehen würde, innerhalb der letzten halben Stunde war er ihr zur Küche, zur Bibliothek und zum Musikzimmer gefolgt und jedes Mal hatte er vorher dieses fragende ‚Vossler’ vernommen.

Als er sah, wo die Prinzessin sich gerade befand, blieb ihm schon einmal halb das Herz stehen! Sie saß auf der Brüstung, ließ ihre Beine über dem Abgrund baumeln, der sich etwa drei bis vier Meter hoch zwischen dem Erdgeschoss und dem zweiten Stock auftat. Bei allen Göttern, eine falsche Bewegung und sie würde ungebremst in die Tiefe stürzen! Unschlüssig verharrte er auf der Treppe, wenn er nach oben lief, war keiner unten, um sie zur Not auffangen zu können, wenn er nach unten lief, verlor er sie sicherlich bald wieder aus den Augen!

Die schwersten Kriegsstrategien seiner Feinde bereiteten ihm keine Schwierigkeiten, aber dieses Mädchen würde ihm sicher die ersten grauen Haare bescheren.

„Prinzessin, ihr solltet Euch dort nicht aufhalten, das ist wirklich, wirklich gefährlich, was ist, wenn Ihr herunter fallt?“

Sie sah zu ihm nach unten, mit einem Gesicht, als hätte sie die Möglichkeit, einen freien Fall ins Erdgeschoss durchzumachen, noch nicht wirklich in Betracht gezogen. Wundervoll, er hoffte, dass irgendjemand vorbeikommen und sie dort herunterholen würde, während er hier unten stehen blieb und darauf achtete, dass sie nicht hinunter fiel.

„In Ordnung, dann gehe ich woanders hin“, sagte Ashe schließlich nur mit einem leichten Schulterzucken und kletterte von der Brüstung, während Vossler unten nervös hin und her ging, immer darauf bedacht, genau unter ihr zu stehen, um sie auffangen zu können, sollte sie doch noch fallen.

Ein paar Augenblicke später hörte er ihre Schuhe auf dem gefliesten Boden klackern, anscheinend machte sie sich wirklich schon wieder auf den Weg.

Etwas entnervt rieb er sich die Augen, wieso nur hatte er sich darauf eingelassen? Ach ja, weil Basch ihn darum gebeten hatte. Und weil er gesagt hatte, dass er Vossler dafür einen Bhujerba-Tropfen ausgeben würde, wenn er von seiner Mission wieder zurück wäre.

Basch hatte ihm schon erzählt, dass er schon öfter auf die Prinzessin Acht gegeben hatte, wenn es nötig gewesen war, aber bei ihm hatte sich das alles so… einfach angehört. Kein Wort davon, dass man innerhalb weniger Stunden jeden Winkel des Palastes sehen würde und dass die Prinzessin die Angewohnheit hatte, sich in prekäre Situationen zu bringen.

„Vossler?“ Irgendjemand zupfte da doch an seiner Rüstung. Ein Blick nach unten, Ashe sah ihn mit großen Augen an. „Ich möchte in den Garten gehen, bitte.“

Und gerade, als er antworten wollten, tapsten ihre kleinen Füße auch schon ohne abzuwarten in Richtung Tür. Innerlich seufzte er laut auf, das würde noch ein langer, sehr langer Tag werden.
 

Selbst im Garten konnte die Prinzessin sich nicht dazu bringen, einfach einmal an Ort und Stelle stehen, liegen oder sitzen zu bleiben, mal war es ein Schmetterling, dem sie hinterher jagen musste, dann musste sie wiederum den ganzen Garten nach ihrer Lieblingsblume durchsuchen, nur, um nachher bei dem vergeblichen Versuch zu scheitern, auf einen der höchsten Bäume zu klettern, die hier im Garten seit Jahrhunderten wuchsen.

Reichte es ihr denn nicht einfach, den Springbrunnen anzusehen, der ein Meisterstück der galteanischen Baukunst war mit all seinen prunkvollen und pompösen Verzierungen?

Oder eben das Feld zu betrachten, auf dem nur die seltenen Galbana-Lilien wuchsen? Nein, anscheinend war ihr das auch nicht genug, sollte jemand dieses Mädchen verstehen, er konnte es definitiv nicht. Die einzige Aufmerksamkeit, die sie dem Brunnen schenkte war die, dass sie kurz mit dem Wasser herumspielte, eine handvoll Flüssigkeit auf die nächstbeste Pflanze goss, nur, um dann wieder loszurennen und alles andere im Garten zu erkunden.

Vossler hatte es aufgegeben, sie verfolgen zu wollen, dieses Kind war ihm definitiv über, gerade, wenn er dachte, dass er sie hatte, schlug sie einen Haken wie ein Giza-Hase auf der Flucht vor einer Hyäne und war verschwunden.

Er würde einfach hier bleiben und hoffen, dass sie irgendwann wieder auftauchen würde, wenn sie Hunger hatte. Oder wenn es dunkel wurde und sie Angst bekam (Was für ihn ein schlechter Scherz war, dieses Kind fürchtete anscheinend nichts).

„Vossler?“

Er sah zur Seite, anscheinend wollte sie ihn wenigstens einen kleinen Moment mit ihrer Anwesenheit beehren, ehe sie sich wieder in Luft auflösen würde. Wie überaus freundlich von ihr.

„Ja, Prinzessin?“

Sie stand ganz lieb und artig vor ihm, ihre kleinen Hände kneteten ihr Kleid durch. Entweder hatte sie gerade irgendetwas angestellt oder sie hatte es noch vor, das erkannte sogar er, und das, obwohl er von Kindern wirklich gar keine Ahnung hatte.

„Ich möchte auf den Baum klettern“, erklärte sie dann und deutete auf die riesige Palme, die hinter Vossler stand. Nein, das konnte sie einfach nicht wollen, sagte er sich selbst. Das Wort 'Prinzessin' müsste an sich die Aussage 'Auf den Baum klettern' komplett verneinen. „Bitte.“

„Prinzessin, es schickt sich wirklich nicht, wenn Ihr auf einen Baum klettern würdet. Das Einzige, was Ihr davon haben werdet, sind Löcher in und Schmutzflecken auf Eurer Kleidung.“

Einen Moment lang sah ihn verständnislos an, dann schürzte sie die Lippen und zog ihm eine Schnute. Wunderbar, augenscheinlich war sie jetzt ein kleines bisschen beleidigt. Aber sie war die Prinzessin, sie konnte nicht einfach auf Bäume klettern und sich dabei die Kleidung zerreißen!

Aber allem Anschein nach sah sie das anders, Ashe ging schnurstracks auf den Baum zu und startete den ersten Versuch, sich bis zum ersten dicken Ast hinauf zu kämpfen. Allerdings fruchtete es nicht wirklich, kaum eine halbe Minute später machte ihr königliches Hinterteil wieder Bekanntschaft mit dem Erdboden. Einen Moment lang war er ziemlich besorgt gewesen, aber sie stand so schnell wieder auf den Füßen, dass er nicht einmal Zeit hatte, ihr aufzuhelfen.

Jetzt hatte er eigentlich damit gerechnet, dass es ihr absolut reichen, dass sie einfach irgendwo anders hingehen würde, aber auch da hatte er wieder weit gefehlt, sie startete einen zweiten Kletterangriff auf den Baum. Als dieser auch misslungen war, einen dritten und dieses Mal kam sie erheblich weiter, wenn sie jetzt hinunter fallen würde, dann würde es definitiv wehtun.

Himmel, warum nur ließen die Götter zu, dass sie ihm heute so übel mitspielte? Er hatte ja eigentlich keine andere Wahl, als ihr zur Hand zu gehen, nicht wahr?

Seufzend machte er ein paar Schritte auf den Baum und Ashe zu, während sie ächzend und schnaufend versuchte, noch ein paar Zentimeter am Stamm gut zu machen.

Ein paar Grasflecken hatte das Kleid schon, ebenso einen Riss, wo sie wohl an einem kleinen Ast hängen geblieben war. Die Zofen würden sicher keine Freude daran haben, es zu nähen und zu reinigen. Aber im Moment sollte das wirklich nicht seine Sorge sein.

Denn bevor die Prinzessin noch abrutschen konnte (er war sich sicher, dass es innerhalb weniger Momente der Fall gewesen wäre), half er ihr ein bisschen und schob besagten königlichen Hintern etwas nach oben, so dass sie wenige Sekunden später den Ast greifen und daran hinaufklettern konnte. Triumphierend sah sie zu ihm hinunter, während sie sich mit ihren beiden kurzen Ärmchen an dem Ast festkrallte. Nun, jetzt hatte sie immerhin, was sie wollte.

„Ich kann von hier aus ganz weit schauen, Vossler.“

Vossler, der sich erst einmal an den Baumstamm gelehnt hatte, wollte ihr eigentlich sagen, dass man auch aus dem Fenstern im ersten Stock einen wundervollen Ausblick hatte. Aber er unterließ es doch lieber, anscheinend freute sie diese Kleinigkeit so, da wollte er ihre diese Glückseligkeit nicht nehmen. „Das freut mich zu hören, Prinzessin.“

Etwa für zwei Minuten kehrte Ruhe ein, es war fast ungewohnt, sie in der Nähe zu haben, ohne, dass sie auch nur ein Wort verlor, fast schon hätte er erwartet, dass sie sich in ihrer unglaublichen Wirbelsturm-Manier wieder in Luft aufgelöst hätte und verschwunden war. Aber ein kurzer Blick nach oben genügte, sie war noch da, ihre Beine baumelten links und rechts vom Ast hinunter und sie hatte einen wirklich glücklichen Gesichtsausdruck im Moment. Und gerade, als er dachte, dass er nun endlich einen Augenblick stillsitzen und sich ein bisschen ausruhen konnte –

„Vossler?“

Etwas verzweifelt sah er nach oben, er konnte sich schon denken, was kommen würde, aber was kam, das war noch viel, viel schlimmer als alle seine Vorstellungen!

„Ich möchte bitte wieder hinunter.“ Schön und gut, dabei half er ihr auch wirklich gerne, aber warum zum Teufel hing sie schon nur noch mit den Händen am Ast, während ihre Beine schon in der Luft baumelten?

„Bei allen Göttern, Prinzessin!“ Und kaum, dass er es ausgesprochen hatte, musste er auch schon einen Satz nach vorne machen, weil ihre kleinen Hände ihr Gewicht nicht allzu lange tragen konnten, sie stürzte gerade gute zwei Meter in die Tiefe!

Es klapperte und polterte ziemlich, als er mit Ashe in den Armen auf den Boden aufprallte, sie erst einmal fest in den Armen hielt. Hoffentlich ging es ihr gut!

Er meinte, irgendein leises, fast schon wimmerndes Geräusch von ihr zu vernehmen, ehe sie sich wieder aufrichtete. Sich aufrichtete und… gluckste? Sie war so schnell von ihm hinunter geklettert, dass er nur ihr strahlendes Gesicht hatte sehen können, ehe er sich aufgesetzt hatte. Das gerade hatte ihr doch nicht wirklich Spaß gemacht, oder?

Doch, hatte es, genau jetzt war sie wieder dabei, einen erneuten Versuch zu starten, auf den Baum zu kommen. Der den Göttern sei Dank erst einmal wieder misslang.

„Prinzessin! Ich bitte Euch inständig“, sagte er, nachdem er wieder auf den Beinen war. „Klettert heute nicht mehr auf Bäume.“ Zumindest nicht mehr heute, wenn er dabei war, das konnte sie gerne machen, wenn Basch auf sie aufpassen würde, er würde das sicher mit mehr Geduld und Fassung tragen.

Ashe stand auf und klopfte sich erst einmal das Gras vom Kleid, ehe sie ihn mit großen Augen ansah. Anscheinend war sie sich noch nicht ganz sicher, ob sie seiner Bitte wirklich stattgeben wollte oder ob sie sich doch lieber wieder daran versuchte, am Stamm nach oben zu klettern.

„In Ordnung“, meinte sie dann lächelnd und tänzelte ein paar Schritte vom Baum weg. „Dann gehe ich jetzt wieder in mein Zimmer zurück.“

Und kaum, dass sie es ausgesprochen hatte, rannten ihre kleinen Füße auch schon mit schier unerschöpflicher Energie zurück zum Palast und verschwanden hinter den massiven, nur einen Spalt offen stehenden Flügeltüren.

Vossler seufzte laut auf, dieses Kind hatte mehr Ausdauer als jeder Soldat, der ihm jemals untergekommen war, sie würde sich in der Armee schneller einen Namen machen, als man schauen konnte, da war er sich sicher… Ein Glück, dass diese Laufbahn gar nicht erst zur Debatte stand.

Nun, es nützte ja nichts, er sollte ihr folgen, ehe sie am Ende wieder irgendwo hängen und dann hinunterfallen würde, das sollte er besser nicht zulassen.
 

Und wieder war sie ihm entkommen… Hatte sie nicht gesagt, dass sie in ihr Zimmer zurückgehen wollte? Nun, er war hier, aber von Prinzessin Wirbelwind war mal wieder keine Spur zu entdecken. Es war nicht einmal unwahrscheinlich, dass sie es sich auf halbem Wege anders überlegt hatte und nun wieder auf dem Weg wer wusste schon wohin war.

Langsam aber sicher verließen ihn Kraft und Lust, wieder den ganzen Palast zu erkunden, wenn er nicht einmal wusste, wo sie denn nun genau sein könnte.

Mit einem leisen Murren setzte er sich auf die große Couch mit den goldenen Verzierungen, die gegenüber dem großen Bett der Prinzessin mitten im Raum stand. Wussten die Götter, warum sie so ein riesiges Zimmer brauchte, vielleicht sperrte man ab und an die Tür zu, wenn sie es wieder zu bunt trieb und dann konnte sie hier hin und her rennen? Allein schon das Bett war so groß, dass sie mindestens zehn Mal hineinpassen würde, wenn nicht sogar noch öfter. Wenn sie Verstecken spielen wollte, konnte sie das schon auf das Bett beschränken, niemand würde sie dort finden können.

Er schwang die Beine über die Couchlehne, im Moment war es ihm wirklich egal, ob er sich mitsamt Rüstung auf das Sofa legte, sollten die Dienerinnen schimpfen, es wäre ihm mehr als gleich.

Ein paar Minuten lag er so bewegungslos, bis er kurze, tapsende Schritte hörte. Oh, sie hatte sich doch nicht etwa wirklich dazu entschieden, hierher kommen zu wollen? Er sah zur Seite, entdeckte sie aber nirgends, anscheinend schlich sie gerade um die Couch herum, denn einen Augenblick später rüttelte es an der Rückenlehne des Sofas, er brauchte nur einen kurzen Blick um festzustellen, dass sie gerade im Begriff war, über die Lehne zu klettern. Warum auch immer sie nicht einfach herum gehen konnte, das musste man wahrscheinlich nicht verstehen.

„Vossler?“

Er hmmte nur kurz, wo auch immer sie hin wollte, er würde ihr folgen – später. Vielleicht. Oder auch möglicherweise.

„Schlaft Ihr schon?“ Oh, vielleicht sollte er so tun, vielleicht würde sie dann merken, dass sie so langsam auch ziemlich erledigt sein musste, aber eigentlich glaubte er daran nicht wirklich.

„Fast“, sagte er schließlich und wieder gluckste sie so vergnügt, ehe sie sich von der Lehne direkt auf ihn fallen ließ. Ein kurzes Keuchen entkam ihm, als mindestens geballte 25 Kilogramm auf ihn purzelten und ihn dann mit vergnügtem Gesicht ansahen. Grinsend legte Ashe den Kopf auf ihre verschränkten Arme, wackelte mit den Füßen in der Luft.

„Die Zofe hat mich geschimpft, weil ein Loch in meinem Kleid ist. Und jetzt möchte ich auch schlafen.“ Ihr Wort in den Gehörgängen der Götter, das war wirklich die beste Idee, die sie heute gehabt hatte! Und das mit weitem Abstand.

„Dann solltet Ihr das tun, Prinzessin“, stimmte er ihr zu. Das bedeutete mindestens eine halbe Stunde Ruhe, bei ihrer Energie konnte man nie wissen, wie schnell sie wieder aufwachen würde. Es folgte noch ein Glucksen, ehe sie es sich auf seiner Rüstung versuchte bequem zu machen und die Augen schloss. Wahrscheinlich war sie doch erschöpfter gewesen, als er angenommen hatte, es dauerte keine fünf Minuten, bis sie auf seiner Brust eingeschlafen war. Erleichtert ließ er den Kopf gegen die Armlehne fallen, endlich war wenigstens ein bisschen Ruhe eingekehrt, das sollte er wohl wirklich ausnutzen.

Er legte ihr einen Arm über den Rücken, nicht, dass sie im Schlaf noch von ihm herunterfallen würde, ehe er ebenso die Augen schloss. Und seltsamerweise nicht viel länger brauchte, um ebenfalls einzuschlafen.
 

„Entschuldigt bitte, wo finde ich Hauptmann Azelas?“, fragte er die erste Dienerin, die ihm im Palast begegnete, er hatte sich zwar auf dem Weg hierher schon im Garten umgesehen, aber dort waren weder er noch die junge Lady Ashe zu finden gewesen, also musste er wohl nachfragen, wo sich eben der eine oder die andere befand.

Die junge Dienerin kicherte zu seiner Verwunderung kurz auf, ehe sie ihm antwortete.

„Verzeiht“, meinte sie dann. „Er befindet sich mit Lady Ashe in Ihren Gemächern. Anscheinend war es ein harter Tag für sie beide.“

Sie ließ ihn mitsamt seinem fragenden Gesicht zurück und ging wieder an ihre Arbeit. Harter Tag? Nun, davon würde er sich selbst ein Bild machen müssen, dementsprechend machte er sich auf den Weg zu den Zimmern der Prinzessin.

Dort angekommen, wusste er plötzlich, was die Dienerin gemeint haben musste. Ein leichtes Lächeln kam ihm aus, nun, es musste wirklich mehr als anstrengend gewesen sein, so, wie sie beide dort auf der Couch lagen, Ashe augenscheinlich schlafend und Vossler… nein, Vossler war wach.

„Erinnert Ihr Euch an den Wyvern, der sich in die Giza-Ebene verlaufen hatte, Basch?“, fragte Vossler leise, um Ashe nicht zu wecken. Basch nickte, ja, daran erinnerte er sich nur zu gut, es war nicht wirklich leicht gewesen, den Drachen zu erlegen, sie waren beide nicht ohne Blessuren davon gekommen. Aber am Ende hatten sie es trotzdem geschafft.

„Der war im Vergleich zu meinem Tag heute wirklich ein Kinderspiel…“

„Die junge Lady ist etwas energiegeladen, nicht wahr?“ Basch sah schmunzelnd zu, wie sich Vossler aufsetzte, Ashe vorsichtig auf den Armen trug, um sie in ihr eigenes Bett zu legen, dort sollte sie sich erst einmal ausschlafen können. Er schnaubte leise, ‚etwas’ war vielleicht nicht gerade der passende Ausdruck dafür, aber gut…

„Ja, etwas“, meinte er schlussendlich nur, legte die Prinzessin behutsam in ihr Bett und deckte sie zu. Wenn Basch zurück war, dann bedeutete das gleichsam, dass der König wieder im Palast war, der heute zu einer Besprechung geladen worden war und darum gebeten hatte, dass jemand auf seine junge Tochter Acht geben sollte, da sie wahrscheinlich ansonsten alleine durch Rabanastre gewandert wäre, hätte die Langeweile Überhand genommen. So hatte sie wenigstens nur den Rest vom Palast unsicher gemacht.

„Meine Einladung steht übrigens noch“, flüsterte Basch, er hatte ja nicht vergessen, dass Vossler ihm den Vortritt gegeben hatte, den König begleiten zu dürfen zur Besprechung. Nun, dann wollte er sich das doch nicht entgehen lassen.

„Vossler…?“ Sie waren schon fast an der Tür, als die leise Stimme hinter ihnen beiden erklang und gleichzeitig wandten sie sich zu Ashe um.

„Ja, Prinzessin?“, fragte er überrascht, hatten sie sie doch geweckt? Aber sie kuschelte sich weiter in die Decke, sicherlich wollte sie gleich noch weiterschlafen. Davon wollte er sie sicherlich nicht abhalten.

„Das war sehr lustig heute“, meinte sie mit einem müden Lächeln und wieder erklang dieses glückliche Glucksen, ehe sie die Augen wieder schloss.

„Ja, das… ist die Hauptsache.“ So lange es ihr Spaß gemacht hatte, war ja eigentlich alles in bester Ordnung gewesen. Von dem freien Fall einmal ganz abgesehen. Und trotzdem rang ihm dieser Vorfall mittlerweile ein kleines Lächeln ab. So gesehen war der Tag wirklich gar nicht so schlimm gewesen, wie er vorhin vielleicht noch gedacht hatte.

Allerdings…

„Ihr habt kein Wort davon gesagt, dass die Prinzessin so… energiegeladen ist“, sagte er an Basch gewandt, als sie den Palast langsam hinter sich ließen, um das Sandmeer anzusteuern. Sein Kamerad sah ihn nur etwas irritiert an, war etwas an dieser Aussage nicht zu verstehen gewesen?

„Sie ist ein Kind, Vossler, was habt Ihr erwartet?“ Basch schüttelte lachend den Kopf, das war doch nicht sein Ernst, nicht wahr? „Dass sie den ganzen Tag in ihrem Zimmer sitzt und eins der Bilderbücher anschaut?“

„Um ehrlich zu sein… ja.“ Das hatte er gedacht und es hatte ihn mehr als verwundert, dass dem nicht so gewesen war. Dass sie viel lieber stundenlang durch die Gegend rannte. Oder irgendwo hinaufkletterte, statt einfach stillzusitzen.

„Vossler, Ihr müsst anscheinend noch eine Menge über die Prinzessin lernen“, sagte Basch und klopfte ihm kurz auf die Schulter. „Da trifft es sich doch wirklich gut, dass der König im nächsten Monat eine dreitätige Reise nach Nalbina plant, auf der ich ihn begleiten soll.“

Und das war der erste und einzige Moment, in dem er sah, wie Vossler das Gesicht förmlich entgleiste.
 


 

~Fin~
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2012-02-10T23:53:57+00:00 11.02.2012 00:53
Echt super! Mir hat sie gefallen. Der Schluss war das Beste. :)
Von:  Ryucama
2011-08-05T12:04:36+00:00 05.08.2011 14:04
Wundert mich wirklich, dass hier noch keiner einen Kommentar geschrieben hat. Die Fanfic ist wirklich ein Highlight unter all den hier auffindbaren Stories.
Man kann sich wirklich vorstellen, dass Ashe früher so war, als sie noch ein Kind war. ^^ Energiegeladen, dass sogar Erwachsene ihr nicht hinterherkommen.
Und Vossler... na ja, der Gute hats halt nicht einfach. Ohne eigene Kinder ist das Ganze immer etwas schwer, schätze ich, zumal er ja Soldat ist. Aber diese leise Verzweiflung, die immer vor einem Ortswechsel anklingt, finde ich echt witzig. :D
Ich kann ehrlich sagen, mir hats gefallen!


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