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Stille Wasser

von

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...sind tödlich

Ein gellender Schrei hallte von den Gebäuden wieder. Sofort waren sie hellwach, ihr Herz begann zu rasen und sie setzten zum Sprint an, mit dem sie durch die Menge brachen. Ihr Blick glitt über die Köpfe hinweg. Die meisten Gesichter wiesen vor Schreck geweitete Augen auf, offene Münder und in jedes einzelne war blankes Entsetzen gebrannt.

Eine Frau versteckte den Kopf an der Brust eines Mannes, man konnte ihr Schluchzen zu deutlich vernehmen.
 

Starker Geruch nach Fisch und Meer und einer leichten Andeutung von Verwesung ließen die beiden Brüder in die Mitte blicken. Der Kran hatte aufgehört zu arbeiten. Die Fischer blickten ebenso verstört auf ihren Fang.
 

Die nassen Strähnen blonden Haares klebten an ihrem Körper. Die Kleidung war zerrissen und blutbefleckt, eine Platzwunde klaffte an ihrer Stirn, die Augen waren glasig, wie die eines Fisches. Der Mund stand noch offen von ihrem Schrei.
 

Die Polizei war sofort zur Stelle und drängte die Schaulustigen zurück. Sam und Dean warfen sich einen Blick zu. Wenn das nicht förmlich nach ihrem Fall schrie. Die beiden Brüder hoben sich schnell von der Menge ab und schlichen an den Beamten vorbei um sich das ganze ein mal genauer an zu sehen.
 

„Hey.“, zischte Dean den Großen an, als er merkte, wie einer der Polizisten aufblickte, „Was sagen wir, wenn-“

„BKA, immer noch.“

„Nein, ich meine, wie sollen wir uns verständigen? Wir sprechen doch kaum Deutsch.“

„Ich mach das schon.“, murmelte Sam und warf seinem Bruder einen kurzen, abschätzenden Blick zu, „Und du... hältst dich da am besten ganz raus.“

Dean wollte auch schon gerade zu einem rotzigen Gegenkommentar antreten, als man sie von der Seite ansprach: „Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen helfen?“
 

Einen kleinen Teil hatte der Winchester verstanden und er nickte leicht, als er und Dean synchron die gefälschten Dienstmarken hervorholten und sie für einen kurzen Augenblick präsentierten. „Wir sind praktisch zufällig vorbeigekommen und uns ist dieser Tatort hier aufgefallen. Das sieht ganz nach einem weiteren dieser Morde aus, nicht wahr?“

Der Polizist stutzte, als man ihn in diesem Englisch ansprach, doch er antwortete ebenso darauf: „Sie sprechen kein Deutsch?“

„Tut uns leid, wir sind gerade erst hierher versetzt worden und unsere Kenntnisse sind noch in der Anfangsphase.“

Der Mann sagte nichts mehr, doch bedachte er beide mit einem schwerwiegenden Blick. Sam lenkte schnell wieder die Aufmerksamkeit auf sich um weitere Fragen zu stellen, während Dean bereits die Leiche untersuchte.
 

Prüfend, vollkommen professionell glitt sein Blick über den Körper. Er ließ bei seiner Obduktion keinen Millimeter aus und wurde auch gleich fündig. Er ging neben ihren Beinen in die Hocke und betrachtete ihr Fußgelenk. Rötliche Schlieren, die sich schon fast bläulich und schwarz färbten, wanden sich darum. Als hätte man sie mit Gewalt festgehalten. Und sie hatte sich anscheinend auch gewehrt.
 

Rings um sie wurde bereits die Absperrung aufgebaut. Die zwei anderen Beamten waren damit beschäftigt die Menge auf Abstand zu halten. Schaulustige gab es wohl in jedem Land, musste Sam mit Bedauern feststellen.

„Haben Sie schon etwas explizites herausgefunden?“, fragte Sam ernst nach und bekam von dem Polizisten nur langes Schweigen, bevor dieser antwortete: „Die einzigen Auffälligkeiten sind wohl, das sie allesamt mit Gewalt ins Wasser gezogen wurden und die gleichen Verletzungen aufweisen. Aber wir gehen davon aus, das sie allesamt ertrunken sind.“

„Hat man schon Obduktionsfunde festgestellt?“

„Bisher wurde noch keine der Leichen obduziert.“

„Wie viele sind es jetzt insgesamt?“

„Drei.“

„Sie haben vorhin gesagt, das sie mit Gewalt ins Wasser gezogen worden wären-“

„Wir gehen von einem Serienmörder aus.“
 

Dean hört dem Frage-und-Antwort-Spiel nur halbherzig zu. Noch immer glitt sein Blick hochkonzentriert über den toten Körper. Immer und immer wieder, damit ihm auch ja nichts entging. Und schließlich fand er das gesuchte, kleine Indiz.

Mühsam erhob er sich aus der Hocke und ging zu seinem Bruder herüber, um ihn abzulösen. Gemeinsam bedankten und verabschiedeten sie sich, bevor sie sich wieder auf ihren Weg machten.
 

„Hatte der Kerl irgendwas nützliches?“

„Nein, die tappen im Dunkeln.“

„Wie immer.“, murrte Dean und warf noch einen Blick zurück. Die Menge hatte sich größtenteils aufgelöst.

„Hast du etwas gefunden?“

„Ein paar Schlieren und Kratzer. Und das gewisse Etwas.“, grinste Dean. Ihm gefiel dieser Gedanke schon einen Schritt weiter zu sein, als der College-Junge, der ihn nun fragend ansah, in der Hoffnung auch eingeweiht zu werden.
 

„Ich würde gerne was überprüfen.“, fügte er dann noch hinzu, „Wir sollten morgen als erstes die anderen Leichen ansehen.“

Sam nickte schon pflichtbewusst, als sie den erstbesten Supermarkt betraten, der auf dem Weg zu ihrem Hotel lag. Nachher könnte er sicher auch noch mal recherchieren.
 

„Aber nicht vor dem Frühstück.“, fügte der Ältere noch hinzu und wuchtete den 3 Kilo Sack Salz in den Einkaufswagen – man wusste schließlich nie, wie viel man davon gebrauchen konnte. Außerdem fanden Spiritus und ein paar Gewürze ebenso den Weg in das drahtige Gestell, ehe sie damit in Richtung Kasse gingen und alles auf ihre gefälschte Kreditkarte verbuchten.
 

Sam nahm alles wieder vom Fließband und verfrachtete es zurück in den Wagen, während er hinter sich Dean mit der ausländischen Kassiererin in ihrem gebrochenem Englisch reden hörte.

„Weißt du, wenn deine Schicht vorbei ist, dann könnte ich dich doch sicherlich einladen, zu einem Drink.“, Dean lehnte bereits über der kleinen Schutzscheibe vor der Kasse. Er hatte sein charmantestes Lächeln aufgesetzt und flirtete heftig mit der jungen Frau, die immer wieder kokett ihre blonden Haare hinter die Ohren schob und dann wieder nach vorne fallen ließ.

Sam stand bedröppelt am anderen Ende des Fließbandes, betrachtete das Spektakel und konnte nicht recht entscheiden, ob er sich jetzt übergeben sollte, oder später.
 

Nachdem die beiden irgendwelche Zettelchen ausgetauscht hatten, konnten sie den Supermarkt endlich verlassen und zum Hotel zurückkehren.

Der Himmel war bereits pechschwarz. Sam konnte das Prasseln von Regen an der Fensterscheibe hören. Das Zimmer war schön warm, das Bett unter ihm weicher, als er es je in einem der Motels erlebt hatte. Am liebsten würde er sich nach diesem Tag hin legen und einfach schlafen, doch er musste einfach noch recherchieren. Schließlich war es ihr Job und Sam konnte nicht mit dem Gedanken leben, das möglicherweise mehr Leute in Gefahr gerieten, wenn er sich nicht schnellstmöglich an die Arbeit setzte.

Also holte er seinen Laptop hervor und fuhr ihn hoch.
 

Dean schien das ganze lockerer zu sehen. Er kam gerade aus dem Bad wieder und die dortige Dampfwolke verteilte sich nun ebenfalls im Wohnbereich. Er hatte eines der Handtücher um den Kopf gewickelt, das andere um die Hüfte und steuerte direkt das Radio an. Es hatte nicht lange gedauert, bis er einen Sender gefunden hatte, der nur Classic Rock spielte und schon dröhnten die Riffs von Deep Purple's Smoke on the water durch das Zimmer.
 

Sam beobachtete, wie sein Bruder zum Takt wippte und sich dabei langsam wieder anzog. Als die altbekannten Zeilen einsetzten, konnte er es sich auch nicht nehmen mit zu singen. Und das in Sam's Augen mehr schlecht als recht. Er konnte darüber nur den Kopf schütteln und blickte wieder auf den Bildschirm, setzte sofort ein paar Begriffe in die entsprechende Leiste und klickte auf Suche.

Es brauchte einige Zeit.
 

„Was hast du jetzt vor?“, fragte der Jüngere schlagartig, als Dean sich die zerschlissene Lederjacke über die Schultern warf.

„Ich gehe und probiere mal was internationales aus. Erweitere meinen Horizont.“, er grinste frech und war sicher schon dabei sich auszumalen, wie deutsche Frauen so tickten. Dean kramte in seiner Jackentasche herum und fand schließlich ein Zettelchen – Sam vermutete stark, das es die Nummer der Kassiererin war.

„Also, ich bin dann mal weg.“
 

Sam, noch immer irritiert über diese Szene, blickte seinem Bruder nach. Sein Ausdruck irgendwo zwischen Entsetzen und Ekel. Vermutlich musste er sich doch gleich übergeben.

Als die Tür dann mit einem lauten Knall ins Schloss fiel, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Das Dean immer wieder einfach so verschwand und wie ein Hund Frauen hinterher jagte, sollte ihn eigentlich nicht stören, er war schließlich in der Schule auch immer so gewesen.

Doch es störte gewaltig. Sie hatten besseres zu tun, als irgendwelchen kurzen Röcken hinterher zu jagen nur um diese flach zu legen.
 

Das Piepen des Laptops riss Sam aus diesen Gedanken. Es gab kaum Suchergebnisse. Er klickte sich ein wenig durch, fand jedoch nichts spektakuläres.

Er probierte es mit neuen Stichworten, durchwühlte Zeitungsartikel, die Sagen und Legenden der Stadt, stieß bei Letzterem jedoch nur auf deutsche Texte. Und die alle zu übersetzen, wäre er nicht mächtig gewesen.

Vermutlich hatte er auch einfach nur zu wenig Anhaltspunkte um bei dieser Suche erfolgreich zu sein.
 

Allerdings hatte Dean doch erwähnt, dass er etwas überprüfen wolle. Und genau der war nun nicht da. Typisch. Er würde es darauf ankommen lassen müssen, das sein Bruder dieses Mal wohl schon einen Hinweis hatte. Es war vielleicht hart ausgedrückt, aber manchmal war das Glück eben doch auf der Seite der Dummen.

Mit einem genervten Seufzen klappte er den tragbaren Computer zu und machte sich bettfertig, in der Hoffnung tief und fest zu schlafen, sollte sein Bruder es wagen mitten in der Nacht betrunken ins Zimmer zu torkeln.
 


 

„Hast du deinen Ausweis?“

„Ja.“

„Hast du auch die Marke?“

„Ja, verdammt. Du musst mich nicht zehn Mal fragen.“, Dean klang schon jetzt gereizt und er riss die ganze Zeit an der Krawatte herum, die ihm die Luft ab zu schnüren schien. Er sah ebenfalls blass und verdammt müde aus. Sam vermutete mal, das er erst um zwei oder drei Uhr morgens wieder zurückgekommen war.

Aber das hätte dem Älteren nun auch klar sein müssen. Immerhin waren sie hier um zu arbeiten... nicht um ihren Horizont zu erweitern.
 

Mit der Ausrede, das sie neu waren, kamen sie noch immer gut voran. Und nun standen sie im Eingangsbereich der Gerichtsmedizin, warteten darauf, das der werte Arzt sie hier abholte, damit sie sich nun endlich die Leichen ansehen konnten. Sam war schon gespannt darauf, was Dean ihm zeigen wollte, wenn er denn dazu noch in der Lage war. Auf dem Weg hier her, hatte er nämlich nichts darüber verlauten lassen.
 

„Sind Sie Gillan und Paice?“, ein stämmiger Mann, in weißem Kittel trat an sie heran. Als die Brüder die Namen hörten, die sie sich ausgesucht hatten, nickten sie stumm und erhoben sich, um nach einem unfreundlichen Grummeln zu folgen. Er hatte nicht ein mal viel wert darauf gelegt die Marken zu kontrollieren.
 

Schweigend folgten sie dem Mann durch die sterilen Flure. Sie wirkten konzentriert. Betrachteten die Rückseite des Kerls, der sie durch den Trakt führte und schließlich vor einer schweren, weißen Tür stehen blieb. „Also, hier liegen 'se.“, mit einem kräftigen Ruck schob er eben jene Tür auf und die Kälte des Raumes schlug ihnen entgegen.

„Untersucht haben wir die Körper noch nich.“, gestand er und ließ die beiden vortreten, „Aber dafür sind sie ja nu hier.“, der Mann ging auf die anderen Seite des ebenso weißen und sterilen Raumes um aus einem stählernen Schrank das Werkzeug zu holen, das man ihnen zur Verfügung stellte.
 

Er wünschte ihnen noch viel Spaß bei der Arbeit, bevor er sich verabschiedete und die Tür wieder hinter sich zuzog. Sam musste schlucken. Was war das denn für eine groteske Verabschiedung gewesen? Er kümmerte sich einfach nicht weiter darum und gemeinsam mit Dean schaffte er die drei toten Körper auf die metallischen Tische, damit sie diese noch ein mal genauer untersuchen konnten.
 

Der Kleinere zog sich die Handschuhe über und ließ sie zurück schnippen, Sam machte es ihm nach und beobachtete, wie Dean sich über den ersten Körper beugte und dessen Fußgelenke betrachtete. Alle wiesen die gleichen Abdrücke um ihre Gelenke auf, als hätte sie etwas mit Gewalt festgehalten.

Ähnliche Wundmerkmale waren ebenfalls vorhanden. Wunden am Kopf und Kratzer, als sie sich zur Wehr gesetzt hatten.
 

„Und das war es, was du mir zeigen wolltest?“, fragte Sam ungläubig, denn mehr Ähnlichkeiten vielen ihm nicht auf – es war weder die gleiche Altersklasse, noch hatten die Opfer das gleiche Geschlecht.

Dean antwortete jedoch nicht, sondern legte Hand an den ersten Körper an und etwas ungelenk drehte er ihn auf den Bauch. Was dann auf dem Rücken zum Vorschein kam, war noch unschöner.
 

„Das wäre doch jemandem aufgefallen, oder?“, Sam schien nun noch ungläubiger zu sein und er beugte sich ein Stück herunter um die dort klaffende Wunde zu inspizieren. Er war sich nicht mal sicher, was er davon halten sollte. Das Blut war bereits geronnen. Das Fleisch ergraute allmählich.

„Bis jetzt hat das auch noch niemand erwähnt, oder?“, konterte Dean sofort und sah zu seinem Bruder hoch. Beide schwiegen sich an, ehe Dean einen Blickwechsel zwischen Sam und der Wunde vollführte.
 

Der Große stöhnte genervt auf und zog die Augenbrauen über dieses kindische Verhalten seitens seines Bruders zusammen. Wieso stellte er sich bei den Untersuchungen immer so an?

Gekonnt glitten Sam's Finger in die Wunde, öffneten sie ein Stück weiter, bevor er fast mit der ganzen Hand im Inneren steckte. Vorsichtig tastete er sich vor und stutzte kurz.

„Nichts.“

„Wie nichts?“, hinterfragte Dean, der bereits dabei war, die beiden anderen Leichen umzudrehen.
 

„Na, keine Leber, kein Magen. Nichts.“, er tastete sich weiter vor, drehte die Hand und versuchte irgendwas auszumachen. Doch er konnte einfach keine ganzen Organe erfühlen. Sie waren entweder gar nicht mehr da oder zu einem undefinierbaren Haufen Brei deformiert worden. Sam zog die Hand zurück und wechselte schnell den Handschuh, bevor er sich das Skalpell schnappte um sich Gewissheit zu verschaffen.
 

Konzentriert setzte er den Schnitt an der ersten Leiche und zog die Hautlappen auseinander. Er räusperte sich kurz, nur um den Würgereflex zu unterdrücken, als ihm nun der Verwesungsgeruch entgegen schlug. Das musste die älteste Leiche sein.

Nun hatte auch Dean sich daran gemacht sich um die beiden anderen Leichen zu kümmern und schnitt diese ebenfalls auf.
 

„Hier auch.“, stellte er fest und betrachtete das Massaker, das sich ihnen bot, „Also haben wir es mit etwas zu tun, das Organe klaut und den Rest durch den Fleischwolf dreht?“

„Sieht so aus.“

Dean runzelte die Stirn und warf einen weiteren Blick auf die offene Wunde. Für einen Moment stutzte er. Licht wurde kaum sichtbar reflektiert, er trat vor die Lampe und das leichte Glitzern war verflogen. Dann ging er zurück an seine vorige Position und da war es wieder.

„Was ist?“, fragte Sam und beobachtete, wie sein Bruder nun nach der Pinzette griff, sich auf die andere Seite des Körpers stellte vorsichtig an einem Fleischfetzen zog.
 

„Guck dir das an.“, Dean hielt seinen Fund in das Licht der grellen Neonlampe. Ein dünnes, gräuliches, ja fast durchsichtiges Plättchen hielt er fest.

„Eine... Fischschuppe?“, beide staunten nicht schlecht über den Fund und Sam machte sich sofort daran die beiden anderen Körper noch ein mal zu untersuchen. Und er fand tatsächlich zwei weitere Schuppe.

„Das bedeutet?“

„Hm, das werden wir wohl noch herausfinden müssen.“

Damit schien ihre Arbeit hier getan. Sie nähten die Körper vorsichtig wieder zu und verließen das Gebäude. Ihre Fundstücke natürlich gut verpackt in ihren Hosentaschen.
 

Einige Zeit später zogen die Winchester-Brüder durch die Straßen, auf der Suche nach der Familie des ersten Opfers. Die Wohnung lag relativ zentral, dabei hatten sie erst mit kompletter Ländlichkeit gerechnet, fanden sich dann jedoch inmitten einer Wohnsiedlung wieder. Die Häuser reihten sich direkt nacheinander an, Fenster an Fenster, Tür an Tür.

Sie suchten jedes Klingelschild ab, bis sie den richtigen Namen gefunden hatten.
 

Dean klingelte und Sam beugte sich bereits über die Gegensprechanlage. Auf dem Weg hatte er genug Zeit gehabt, um sich die Sätze, die er brauchte zu notieren. Stift und Papier hatte er noch immer in der Hand um alles weitere aufzuschreiben.

Wenn sie Glück hatten, würde auch eines der Familienmitglieder ihrer Sprache mächtig sein.
 

„Koch?“, meldete sich eine Frauenstimme, zögerlich, Besuch hatte sie also nicht erwartet. Der Größere der beiden blickte auf seinen Zettel hinunter und versuchte die Sätze annehmbar zu formulieren: „Guten Tag, Frau Koch“, Schweigen, das sich Ewigkeiten hinzuziehen schien, „Wir sind von 'ne BKA und wollen mit Ihnen uns unterhalten.“

Es dauerte einige Zeit, da antwortete die Frau doch leicht verärgert: „Und das soll ich Ihnen glauben? Sie klingen ja nicht gerade vertrauenswürdig.“

Sam hatte darauf sofort die Auswendig gelernte Antwort parat, da er mit sowas auf jeden Fall gerechnet hatte und erklärte so wieder die Situation, das sie doch neu hier waren.
 

Nach dem ganzen hin und her und den unzähligen Stufen, hatten sie es wenigstens bis vor die Haustür geschafft und die doch recht junge Frau beäugte neugierig ihre Dienstmarken. Als sie dies dann geschlagene drei Minuten tat, gerieten die Brüder schon ins Schwitzen, doch letztendlich ließ sie beide mit einem mürrischen Ausdruck in ihre Wohnung.
 

„Was wollen Sie denn? Wollen Sie wegen Marie mit mir reden?“, fragte sie daraufhin patzig in einem glatten Englisch.

„Sie sprechen unsere Sprache?“, eigentlich sollte es Dean gar nicht mehr wundern.

„Ja, muss ich ja, wegen meines Jobs.“, kam es direkt zurück gefeuert, „Also, was wollen Sie?“
 

„Genau das, was Sie bereits vermutet haben.“, erklärte Sam und hatte bereits seinen Block in der einen und den Stift in der anderen Hand.

Sein Bruder begann bereits mit den Fragen, während er sich doch etwas neugierig in der kleinen Wohnung umsah: „Als was arbeiten Sie denn?“

„Hofa.“, als sie die fragenden Gesichter bemerkte, setzte sie hinterher, „Hotelfachfrau.“

„Und Marie war Ihre..?“

„Meine Lebensgefährtin.“

Kaum hatte sie dieses bedeutende Wort ausgesprochen, wurde die Frau ruhiger. Sie rang um Fassung, doch man konnte ihr ansehen, das der alleinige Gedanke an den grausamen Tod ihrer Partnerin tiefe Narben hinterlassen hatte.
 

Sam wechselte einen Blick mit seinem Bruder. Es half alles nichts, sie mussten weiter fragen, um dahinter zu kommen, was hier los war.

„Wissen Sie, ob Marie irgendwelche Feinde hatte, jemandem, mit dem sie auf Kriegsfuß stand?“

Ein verneinendes Kopfschütteln: „Sie war immer die Netteste von allen, klar, irgendwo hat sie es sich bestimmt auch mal mit jemandem verscherzt, aber sicher nicht so hart, das derjenige sie gleich-“, die junge Frau verstummte. Ihre Unterlippe begann zu beben und sie wandte schnell den Kopf ab, „Entschuldigung.“

„Schon gut, wir sind auch gleich durch“, bemühte Sam sich und blätterte in seinem Fragenkatalog ein Stück weiter.
 

„Marie hatte vor... drei Monaten das Hamburg Dungeon besucht. Hat sie sich seitdem irgendwie verändert. Ist Ihnen was an ihr aufgefallen?“

Frau Koch stutzte. Was sollte diese Frage denn bedeuten? Trotzdem versuchte sie sich so gut wie möglich zu erinnern und abermals folgte ein Kopfschütteln: „Nein, sie war wie immer.“

„Wirklich?“, bohrte der Ältere lieber noch ein mal nach und bemerkte sofort das Stirnrunzeln, das sich bildete, bevor die Frau noch ein mal Luft holte.

„Na ja, sie wollte öfters mit mir schwimmen gehen, wissen Sie. Das hat mich schon ein wenig gewundert, sie hat praktisch richtig gequängelt.“

„Haben Sie eine Vermutung, weshalb-“, Sam kritzelte auf seinem Block herum und kam gar nicht weiter mit seiner Frage, da wurde er schon unterbrochen: „Marie wollte unbedingt schwimmen lernen, so schnell wie möglich meinte sie. Sie war nämlich Nichtschwimmerin, hatte es ihr ganzes Leben lang nicht gelernt.“
 

Sam stoppte kurz und blickte zu der jungen Frau. Sie hatte das Gesicht gen Boden gewandt, ihre Schultern zitterten bereits.

„Sie gehen davon aus, das sie ertrunken ist, oder?“

Stumm nickte sie. Die Brüder konnten davon nicht so ausgehen, möglich wäre es auf jeden Fall gewesen. So wie sie es mitbekommen hatten, war jedes Opfer aus den Fluten gefischt worden. Doch alleine bei zwei der Leichen hatten die nötigen Organe gefehlt um ein Ertrinken festzustellen.
 

Dean fing den Blick seines Bruders auf und nickte leicht. Er verstand sofort und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Wenn sie die restlichen Familien auch noch befragen wollten, mussten sie sich ein wenig beeilen.

„Okay. Vielen Dank, Frau Koch. Wenn wir etwas genaueres wissen, oder noch Informationen brauchen, werden wir uns bei Ihnen melden.“

Die beiden fanden alleine zur Tür, Sam zog sie gerade leise hinter sich zu, als er vom anderen Ende des Flures das verzweifelte Schluchzen ausmachen konnte.
 

Sam schwieg. Sie klapperten die zwei weiteren Familien ab, auch hier musste die vermeintliche Todesursache das Ertrinken sein. Soweit sie es bei diesen Familien beurteilen konnten, die immerhin nicht so gut Englisch sprachen. Doch langsam zeigte sich ein Muster in den Morden. Sie mussten nur noch herausfinden, womit genau sie es zu tun hatten. Und natürlich, wie man es besiegen konnte.
 

Der Große hatte ihnen ein kleines Restaurant heraus gesucht – nicht das Dean sie nachher in irgendeinen Fast-Food-Laden gelockt hätte, nein, er wollte heute auch noch irgendwas vernünftiges essen, wo er doch schon so wenig zu sich genommen hatte. Er warf einen Blick auf die Karte und bestellte sich schließlich einen Caesar's Salad und eine Coke. Sein Bruder blieb sofort bei den Burgern hängen, an denen er sich austoben konnte.
 

Kaum war der Kellner verschwunden, der ihre Bestellung aufgenommen hatte, schaltete Sam das Stimmengewirr um sich herum aus und baute den Laptop vor sich auf. Dean kümmerte es gar nicht mehr weiter, das sein Bruder tatsächlich so versessen war und hier nun begann zu recherchieren. Er ließ viel lieber den Blick durch den Raum gleiten und hielt für einen Moment an der Wand an, die bedruckt war, mit Frauennamen. Insgesamt musste er feststellen, das es hier recht geschmackvoll eingerichtet war. Weiße Tische, cremefarbene Sitze und tief hängende Lampen, die das ganze in ein leichtes, oranges Licht tauchten.

Draußen dämmerte es bereits. Die Atmosphäre wirkte sich nach der heutigen Ausfragerunde ungemein beruhigend auf beide aus.
 

Das schnelle Tippen, vermengte sich mit den Stimmen der Gäste. Sam blickte konzentriert auf den Monitor und versuchte es mit neuen Schlagworten, in der Hoffnung etwas zu finden. Er klickte sich durch die virtuellen Seiten, naschte gelegentlich von seinem Salat, der bereits angekommen war, während er es überhörte, wie Dean den Burger verschlang.

„Sam? Dean?“

Sie blickten beide zeitgleich auf und dem Großen brachte es für einen Moment zum Lächeln: „Hey, Christie. Was machst du denn hier?“

Die Angesprochene musste schmunzeln: „Tablett. Eure Getränke. Ich gehe stark davon aus, das ich hier kellnere.“

Natürlich. Erst jetzt bemerkte er die Sachen in ihrer Hand und es brachte ihn für den Augenblick zum stocken, was wiederum Dean ein schelmisches Grinsen aufs Gesicht trieb.
 

Nachdem Sam ihn rein theoretisch mit seinem Blick getötet hatte, wandte er sich wieder an Christie: „Besserst du dir hier dein Geld auf?“

„Ja, ich studiere eigentlich. Das hier ist nur ein Nebenjob.“

„Ach so.“, Sam nickte leicht und ohne wirklich groß darüber nach zu denken, setzte er hinterher: „Ich habe auch mal studiert.“

„Hast? Bist du schon fertig?“

Nun merkte auch Dean auf, er warf einen Blick zu seinem Bruder, der sich schon auf die Unterlippe biss: „Nein, ich habe abgebrochen. Es gab da einen Unfall und-“, er stoppte abrupt.

Sam und Dean wechselten einen Blick. Der Ältere hatte ganz vergessen weiter zu essen, so überrascht war er, das sein jüngerer Bruder so viel von sich preisgab.
 

Doch die Brünette schien schnell zu schalten, denn sie lenkte wieder auf sich: „Oh, ich hatte gestern auch fast einen Unfall.“

Jetzt lag wirklich die komplette Aufmerksamkeit auf der Kellnerin.

„Einen Unfall?“

„Ja, ich bin gestern Nacht noch eine Runde joggen gewesen und da wäre ich fast überfallen worden. Zum Glück ist dann noch jemand vorbeigekommen, der Angreifer wollte ich mich nämlich Richtung Wasser ziehen.“

„Du warst am Hafen?“

„Ja und wäre mein Retter nicht so plötzlich aufgetaucht, wäre ich vermutlich ertrunken.“
 

Sam sah zu der Brünetten hoch, sein Mund offen vor Ungläubigkeit. Dean war der Erste, der seine Fassung wieder fand.

„Ertrunken?“

„Ja, ich kann nämlich nicht schwimmen, müsst ihr wissen.“, Christie lächelte leicht beschämt, als die beiden sie noch immer förmlich angafften.

„Oh, ich muss wieder an die Arbeit, vielleicht sieht man sich ja später noch mal.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-09-22T18:01:51+00:00 22.09.2011 20:01
Ich bin regelrecht schockiert, dass es bisher noch keine Kommentare gegeben hat! =O

Wie schon mehrfach erwähnt und ja ich wiederhole es gern noch einmal: Ich maaaaaaaaaag deinen Schreibstil! Total! Du schreibst so lebendig und flüssig, das habe ich bisher wirklich selten gelesen. Auch von der Handlung her reiht sich das alles bisher gut zusammen. Also ich habe keinen Schimmer, womit es die Jungs zutun haben.... |D

Auf jeden Fall, mal wieder ein großes Lob für dich!


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