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Heartbeat

Kyman, Stenny, Creek, Tyde u. a. (KAPITEL 12 IST DA!!!)
von

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Die Rückkehr des Rechenschaftsbruders

So, das neue Kapitel, das diesmal einen Songfic-Teil enthält - ich habe Euch gewarnt!^^ In diesem Teil wird klar, mit wem ich Butters zusammenstecken werde, falls Ihr das nicht sowieso schon erraten habt. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen und fände es schön, wenn ich ein bisschen mehr Feedback bekommen würde.
 

Ich widme dieses Kapitel -Nox-, weil sie so lieb war, auf meinen "Rundbrief" zu reagieren und die FF gelesen hat! *ihr einen Tweek-Plüschi und einen Craig-Plüschi hinhalt*
 

Kapitel 2: Die Rückkehr des Rechenschaftsbruders
 

»Tja... das neue Schuljahr hat begonnen und das größte gesellschaftliche Ereignis der Park School steht an: Butters‘ Geburtstag. Er lädt nur Leute ein, die er mag, und es gibt eine Menge Mädchen und Jungs, die nur darauf warten, von ihm eine Einladung ausgehändigt zu bekommen... mich eingeschlossen. Nett, freundlich und zuverlässig war er ja schon immer, aber seit er viel an Selbstbewusstsein hinzugewonnen hat, kombiniert mit Intelligenz, Charme und Sex-Appeal, ist er für etliche schwule und bisexuelle Kerle sowas ähnliches wie die Verkörperung all ihrer Wunschvorstellungen... Mann. Wer hätte gedacht, dass sich der kleine Butters mal so entwickeln würde?«

Kyles Blick wanderte von seinem Platz in der ersten Reihe ein Stück nach hinten und von dort einen Platz nach links, wo die besagte Verkörperung aller Wunschvorstellungen saß und aufmerksam den Worten von Mrs. Jenkins lauschte, die sie in die Welt der Literatur einführen sollte - die Literatur nicht englischsprachiger Autoren, versteht sich, denn die amerikanischen und britischen Vertreter behandelte man im Englischunterricht. Heute war der zehnte September, für South-Park-Verhältnisse war es noch ungewöhnlich warm und die Sonne schien in bester Laune von einem wolkenlosen Himmel. Und sie goss den zarten Schimmer von reinem Gold über Butters‘ wunderschönen Haaren aus.

»Wow...«

Er war ein guter Schüler, strebsam und konzentriert, was Kyle ihm sehr positiv anrechnete. Irgendwie hatte er für jeden etwas, sprach die unterschiedlichsten Charaktere an...Stan beispielsweise, der ihm wohl auf ewig dafür dankbar sein würde, dass er ihm geholfen hatte, seine erste Goth-Phase zu überwinden. Ganz davon abgesehen, dass Stan sich genauso fürs Tanzen interessierte wie Butters (obwohl er in seinem Tanzkurs nur die üblichen Sachen gelernt hatte, also klassische und lateinamerikanische Tänze) und die beiden stundenlang darüber reden konnten. Wenn er einen neuen Song geschrieben hatte, waren Kyle und Butters seine ersten Rezipienten (dicht gefolgt von Kenny und - manchmal - Cartman).

Ach ja, Kenny. Was hatte er neulich gesagt? „Ich würde meine Playboysammlung verkaufen, wenn ich ihn damit ins Bett kriegte!" Zugegeben, um Kenny zu gefallen, genügte ein heißer Arsch, alles andere war Nebensache, aber trotzdem. Damals, als er erkannte, dass er bisexuell war, wäre ihm nie in den Sinn gekommen, ein Auge auf den „Verlierer" zu werfen (was sicher auch daran lag, dass die Pubertät zu Anfang nicht besonders gnädig mit Butters umgegangen war). Selbst ein Typ wie Craig, der Schwierigkeiten mit seinem Gefühlsleben hatte (weil er es pausenlos verleugnete), konnte sich seiner Ausstrahlung nicht entziehen. Butters brachte es fertig, in der einen Sekunde sexy-überlegen und in der nächsten schutzbedürftig-süß zu sein, womit er praktisch jedem den Kopf zu verdrehen verstand. Er wusste auch genau, wann es galt, sein bezauberndes Lächeln einzusetzen... er beherrschte es in sämtlichen Spielarten: das sanfte Lächeln, das tapfere Lächeln, das gezwungen-traurige Lächeln, das schüchterne Lächeln, das liebevolle Lächeln, das strahlende Lächeln, das unwiderstehliche Lächeln... Für diejenigen, die ihn wütend machten, gab es Unterarten wie das höhnische Lächeln, das herablassende Lächeln, das verschlagene Lächeln und das fiese Grinsen.

Letzteres war wahrscheinlich für Cartman am attraktivsten. Bei diesem Gedanken trat Kyle mental auf die Bremse und unterbrach seine Überlegungen in Bezug auf Butters‘ Wirkung, um seine Augen zwei Tische nach rechts gleiten zu lassen, wo sein selbsternannter Erzrivale hockte und seine Atemluft verschwendete. Warum diese wandelnde Katastrophe überhaupt in diesem Kurs saß, war ihm ein Rätsel - seit wann begeisterte sich der Ex-Fettarsch für Literatur, der las doch sonst nur Comics?

»Tse, vermutlich ist er nur hier, damit er mich noch öfter quälen kann. Als wenn es nicht reichen würde, dass wir fast alle Kurse gemeinsam haben! Seit dem Kindergarten hat dieser Bastard an nichts so viel Spaß wie daran, mir das Leben zu vermiesen! Er ist ein egoistisches, intrigantes, rassistisches, antisemitisches, eingebildetes, dummes Arschloch! Ich hasse ihn! Ich hasse ihn, hasse ihn, hasse ihn... und am allermeisten hasse ich meine Hormone!!!«
 

Der siebzehnjährige Jude stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus, fuhr sich in einer Geste unterdrückten Zorns durch sein rotes Haar und vergrub seine Nase in ihrer aktuellen Lektüre, Dante Alighieris „Göttliche Komödie". Mit etwa vierzehn Jahren hatte er sich seine Neigung zum eigenen Geschlecht eingestanden (seinen Eltern offenbarte er es erst eineinhalb Jahre später), nachdem er festgestellt hatte, dass sich seine Begeisterung für Frauen eher in Grenzen hielt. Es hatte Mädchen gegeben, die er hübsch gefunden hatte (jedoch nie sexy) und mit einem oder zwei war er auch tatsächlich ein paar Mal ausgegangen, aber es war nie mehr als Freundschaft dabei herausgekommen. Sogar rein körperliches Interesse fehlte völlig, weibliche Formen ließen ihn schlicht und ergreifend kalt. Na schön, in der Grundschule war er mit Rebecca „zusammen" gewesen (ein paar Tage), aber leider drehte sie dann total ab und verwandelte sich in eine weibliche Version von Kenny - das war sie auch heute noch. Ihr Bruder Mark hatte ihn damals dafür verantwortlich gemacht und ihn verprügelt. Heute pflegte er ihm Liebesbriefe ins Schließfach zu schmuggeln. Ja, das ist South Park. Und Bebe, die als erstes Mädchen in der Klasse einen Busen bekam, hatte ihn durchaus... na ja, fasziniert, könnte man wohl sagen, aber dieses Gefühl war bald wieder abgeklungen. Je älter er wurde, desto öfter fesselten hübsche Jungs in der Schule oder gut aussehende junge Schauspieler, Sänger und vor allem Sportler seine Aufmerksamkeit. Er bewunderte muskulöse Torsos, breite Schultern und kräftige Arme (Brüste reizten ihn kein Stück mehr), wobei er moderate Muskelmasse bevorzugte, aufgeblasene Bodybuilder gefielen ihm gar nicht, die waren nur noch Karikaturen für ihn. Und bei der moderaten Muskelmasse, den breiten Schultern und den kräftigen Armen fing das Problem an, denn sein verdammter Hormonhaushalt scherte sich einen Dreck um verstandes- und gefühlsbedingte Einwände und reagierte ausgesprochen gern auf Cartman.

Zunächst war es ihm gar nicht so richtig aufgefallen. Klar, es hatte ihn natürlich sehr überrascht, dass es der Kerl mit dem Football und insbesondere mit der Position des Quarterbacks wirklich ernst meinte, aber er hatte nicht eine Sekunde geglaubt, dass er seine Diät und das anstrengende Training länger als vielleicht zwei Wochen durchhalten würde. Wie sollte er sich doch täuschen!
 

Und was das Ganze fast noch schlimmer machte: Cartman war ein guter, ein exzellenter Quarterback, einer der Besten, die die Park School je gehabt hatte (in Sportlichkeit hatte er eine Zehn (!): Die Acht, „meisterhaft", war sein eigentlicher Wert, aber die sozialen Komponenten wurden genauso berücksichtigt. War man Mitglied einer Sport-AG oder einer Schulmannschaft, stieg der Wert automatisch um einen Punkt. Hatte man auch noch eine wichtige Position inne, gab‘s einen weiteren Punkt. Für Cartman hieß das: Acht als Basis, +1 für seine Mannschaftszugehörigkeit und +1 für den Quarterback/Kapitän).

Zu behaupten, dass Kyle das ungemein frustrierte, wäre ein Understatement. Aber irgendwie hatte er es akzeptieren können (zähneknirschend). Was er hingegen nicht akzeptieren konnte, war die (leider) unumstößliche, furchtbare, grauenhafte Tatsache, dass Eric Cartman attraktiv zu nennen war. Noch ein Kenny-Zitat gefällig?

„Hör zu, Kumpel, es passt dir nich‘ in den Kram, logisch, aber sei‘n wir mal ehrlich - wenn unter dem Fett nicht vorher schon ‘n hübscher Junge gesteckt hätte, hätte es ihm auch nichts gebracht, das Fett loszuwerden, weil er dann trotzdem nicht wesentlich ansehnlicher geworden wäre, oder? Wo nichts Hübsches ist, hilft auch keine Diät. Also muss es schon immer da gewesen sein... und ernsthaft, Alter... seine Mutter is‘ ‘ne Granate. Er hat‘s nich‘ gestohlen, das is‘ mal sicher..."

»Und dich hasse ich manchmal auch, Ken!« dachte Kyle angesäuert, blätterte eine Seite weiter und bemerkte zu seinem Entsetzen, dass seine Augen wieder einmal einen eigenen Willen entwickelten und nach einiger Zeit des Herumirrens zu seiner Nemesis zurückkehrten, um sich an diesem wohlgestalteten Brustkasten festzusaugen.

»FUCK!!!«

Das hier war ja nun echt kein Zustand. Das hier war krank. Im Prinzip störte es ihn nicht, wenn seine Hormone ein bisschen mit ihm durchgingen, ab und zu einem heißen Typen (vor allem Butters) nachzuschauen, das war durchaus drin, das war okay. Aber zwischen „okay" und „Cartman" lagen Welten. Wie konnte ihn sein eigener Körper nur so schmählich verraten!?! Schön, der Mistkerl sah gut aus, wenn‘s denn unbedingt sein musste (die Pubertät sei hiermit tausendfach verflucht!!), aber das war kein Grund, jedes Detail im Gedächtnis zu verankern!

Die verdammten Lederstiefel etwa. Schwarz, mit Nieten. Oder diese zum Kotzen enge Jeans, hellblau, die am rechten Oberschenkel mit einem schwarzen Totenkopf und gekreuzten Knochen verziert war. Was war das eigentlich für eine Größe? Egal, jedenfalls eine, die ihm früher nie gepasst hätte, weil er früher nicht den angemessenen Hintern dafür gehabt hätte. Nicht, dass er ihn jetzt hatte, aber... na ja, also... doch, irgendwie schon. Und dann sein dunkelrotes ärmelloses Shirt, das den Schriftzug „Bad Boy" vorne drauf hatte, in großen prahlerischen Blockbuchstaben... bitte, dieses vermaledeite Ding war mindestens eine Nummer zu klein, sonst hätte es seine Muskeln nicht wie eine zweite Haut umschließen können!

Und die Haare. Diese Haare! Wie konnte sich dieser Bastard erdreisten, mit solchen Haaren herumzulaufen!? Sie sahen so weich und gesund aus... jeden, der diese Haare erblickte, musste der Wunsch überkommen, sie zu streicheln.

...

...

Ihn ausgenommen, selbstverständlich. Die einzigen Haare, die er je streicheln würde, waren die von Butters! Punktum und Schluss. Noch vernichtender als die Haare waren allerdings die Augen. Durften braune Augen so... so intensiv sein? Tweek hatte auch braune Augen, aber ihre Farbe erinnerte eher an Kaffee mit Milch, die von Cartman waren dunkler, mehr wie Schokolade... geschmolzene Schokolade.

...

...

Warum zum Teufel fiel ihm keine negativere Beschreibung ein!? Kyle seufzte erneut und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, obwohl er inzwischen davon überzeugt war, dass ihn da oben sowieso keiner beachtete. Andernfalls hätte jener schreckliche Tag, an dem er sich selbst dabei ertappte, wie er Cartman in der Umkleidekabine anstarrte, nie stattgefunden. Und er hätte hinterher nicht versucht, seinen Judotrainingsraum, den er sich im Keller eingerichtet hatte, zu Kleinholz zu verarbeiten! Aber hey, er musste sich abreagieren!

...

...

Auch wenn Ike nach einer Weile bei ihm geklopft und sich vorsichtig erkundigt hatte, ob er gerade jemanden umbringe...(Nebensache).

Ob Butters Cartman einlud? Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war er immer noch mit South Parks Landplage Nummer Eins „befreundet" und war, bevor Kenny ebenfalls damit angefangen hatte, der einzige gewesen, der ihn mit seinem Vornamen angesprochen hatte. Dabei war er selbst oft genug von dem Mistkerl hereingelegt worden. Entweder besaß Butters ein übermenschliches Verständnis oder... tja, oder was?
 

Sein Sitznachbar stupste ihn unvermittelt an und reichte ihm einen kleinen zusammengefalteten Zettel. „Von Cartman."

Würg. Was sollte denn das jetzt? Mit einer schrillenden Alarmglocke im Hinterkopf entfaltete er das Briefchen und las die Botschaft, die sein Rivale in kantigen Großbuchstaben niedergeschrieben hatte:
 

NA, JUDE?

WARUM SO ‘NE ANGEFRESSENE MIENE?

HAST DU MAL WIEDER SAND IN DEINER VAGINA?
 

Kyles erster Impuls war, dieses unreife, kindische, niveaulose und alberne Gekrakel in kleine Stückchen zu reißen und in den Abfalleimer zu befördern. Sein zweiter Impuls riet ihm, diesen erneuten Anschlag auf sein Nervenkostüm in vollkommener Gelassenheit zu übergehen. Und natürlich folgte er - wider besseren Wissens - dem dritten Impuls.

„Verdammt nochmal, was soll die Scheiße, Cartman!?", zischte er so leise wie möglich. „Der Spruch ist inzwischen so abgestanden, dein Gehirn muss kurz vorm Einmotten sein! Klar bin ich angefressen... was bleibt mir in Gegenwart eines niederen Zellhaufens auch anderes übrig?!"

„Niederer Zellhaufen, he? Der steht entwicklungstechnisch jedenfalls höher als ein armseliger Einzeller wie du!"

„Und das sagt ein Kerl, der ein lebender Beweis dafür ist, dass man auch ohne Gehirn existieren kann!"

Ihre Stimmen wurden immer lauter; dass sie den Unterricht störten, kümmerte sie nicht.

„Wenn du wenigsten ohne Mund existieren würdest, Jude, dann müsste ich mir nicht pausenlos deine Scheiße anhören!"

„Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus, Cartman! Da du pausenlos Scheiße absonderst, muss ich dementsprechend darauf reagieren!"

„Warum reagierst du dann nicht mal intelligent und ziehst den Schwanz ein, so wie alle anderen? Mich herauszufordern ist gefährlich!"

Hier stand der Quarterback auf (wodurch der Stuhl bedenklich ins Wanken geriet) und funkelte seinen Kontrahenten drohend an, was diesen jedoch nicht im geringsten beeindruckte. Statt dessen erhob auch er sich, überwand die Distanz zwischen ihnen und packte Cartman am Kragen seines Shirts, um ihn auf seine Augenhöhe herunterzuziehen.

„Ja, mindestens so gefährlich wie einem Baby den Schnuller zu klauen! Ich habe keine Angst vor dir, Blödarsch! Du bist nicht furchteinflößend, sondern nur erbärmlich!!"

„Wenigstens bin ich nicht so eine erbärmliche, verlogene, schmierige Judenratte!!"

„Nein, du bist eine verlogene, schmierige Nazisau!!"

Jetzt waren sie sich ganz nah. Kyles Blick wechselte zwischen zwei brennenden braunen Augen und einem Paar sinnlicher Lippen hin und her, schaffte es aber schließlich, seinen Gegenüber zu fixieren, zornig und beschämt zugleich. Einen flüchtigen Moment lang meinte er, in diesen Seelenspiegeln ein anderes Gefühl als Verachtung aufflackern zu sehen, doch es war so schnell verschwunden, dass er glaubte, es sich nur eingebildet zu haben.

Mrs. Jenkins‘ ruhige Stimme unterbrach den Streit: „Gentlemen... da Ihnen die nötige Aufmerksamkeit für Dantes Meisterwerk völlig zu fehlen scheint, verfassen Sie heute eine komplette Inhaltsangabe - beim Nachsitzen, wo sie genug Zeit haben werden, sich über Ihre mangelnde Disziplin Gedanken zu machen."

»Scheiße!!!«

„Na toll... das ist alles nur deine Schuld, Cartman!"

„Wer hat denn angefangen!?"

„DU!! Du hast mir diesen beschissenen Zettel zustecken lassen!"

„Und du bist darauf angesprungen! Du hättest es ja auch ignorieren können!"

Natürlich. Auf die Idee war er selbst gekommen, er hatte sie bloß nicht befolgt. Ab und zu hatte er mal versucht, nicht auf Cartmans Provokationen zu reagieren, doch früher oder später musste er einfach zurückbrüllen, sonst platzte er. Er brachte es nicht fertig, ihn oder seine Beleidigungen zu ignorieren. Und dabei hätte es ihm echt am Arsch vorbeigehen sollen, was dieser Wichser von ihm hielt.
 

„Tse! Deinetwegen muss ich jetzt nachsitzen - und dabei hat das Schuljahr erst angefangen! Vielen Dank auch, du mieser Auswurf der Menschheit!!"

„Mieser Auswurf der Menschheit?", wiederholte der Brünette mit einem boshaften Lächeln. „Das ist definitiv eine Bezeichnung, die viel besser zu dir passt. Du solltest lernen, dich selbst etwas realistischer einzuschätzen, wirklich. Alle Juden sind nichts weiter als mieser Auswurf."

Diese Äußerung, in einem gönnerhaften Ton vorgebracht, tröpfelte in Kyles Ohren wie eine ätzende Säure. Er ballte seine Hände zu Fäusten, so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, und ehe überhaupt jemand begriffen hatte, was er plante, vollführte er eine der Wurftechniken, die er im Judo gelernt hatte - mit dem befriedigenden Ergebnis, Eric Theodore Cartman auf dem Boden von Mrs. Jenkins‘ Klassenzimmer zu sehen, trotz der siebzehn Zentimeter, die er dem Rotschopf an Körpergröße voraus hatte.

„Verdammte Scheiße, Kyle!!! Bist du irre, oder was!?! Ich hätte mich verletzen können!!!"

„Dann heul doch! Ich bedaure nur, dass du offensichtlich heil geblieben bist!!"

Cartman rappelte sich fluchend auf und schickte sich an, Kyle eine kostenlose Bekanntschaft mit seiner gefährlichen Rechten zu verschaffen, als Mrs. Jenkins die Kreide auf eine Art über die Tafel zog, wie nur sie es konnte. Ein grausames, nervenzerfetzendes Quietschen von trommelfellzerreißender Grässlichkeit hallte durch den Raum (was von etlichen Schülern mit schmerzgepeinigtem Stöhnen quittiert wurde) und die Lehrerin erklärte, noch immer ruhig und liebenswürdig: „Gentlemen, Sie haben mich wohl nicht richtig verstanden. Dieser Kurs über fremdsprachige Literatur liegt mir sehr am Herzen. Wenn Sie großen Wert darauf legen, die ganze restliche Woche nachzusitzen, dürfen Sie mit Ihrer Diskussion fortfahren. Wenn nicht..."

Die Liebenswürdigkeit erlosch, als hätte jemand das Licht ausgeknipst.

„...DANN VERLASSEN SIE AUF DER STELLE MEINE KLASSE!!!!"

Und die Schallmauer war soeben gebrochen.

„Jawohl!"

„Z-Zu Befehl!"
 

„Äh...Verzeihung?"

Die Tür hatte sich geöffnet und in ihrem Rahmen stand ein hübscher Bursche in einem hellgrünen T-Shirt und beigefarbener Jeans, die Haare ein goldbrauner Lockenwust, der Kyle entfernt an seinen eigenen erinnerte, und die braunen Augen huschten fragend und verunsichert zwischen den beiden Streithähnen und der Lehrerin hin und her.

„Ist das hier das Klassenzimmer von Mrs. Jenkins?", erkundigte er sich mit einer angenehmen, etwas zögernd klingenden Stimme.

„Ja, das ist richtig. Was kann ich für Sie tun?"

„Äh, man hat mir gesagt, ich solle mich bei Ihnen melden, wenn ich einen Literaturkurs besuchen will. Ich bin neu hier und habe noch nicht alle meine Kurse festgelegt und..."

„Sie sind der neue Schüler, von dem die Rede war? Warum kommen Sie so spät?"

„Oh, das war nicht meine Absicht!", beteuerte er hastig und fuchtelte mit den Armen herum, „Aber im Sekretariat bin ich mit einem Lehrer... oder einer Lehrerin, da bin ich nicht so ganz sicher... zusammengestoßen, der oder die aus irgendwelchen Gründen damit angefangen hat, mir seine oder ihre Lebensgeschichte anzuvertrauen... Ich wäre gerne geflüchtet, aber ich habe ihn oder sie nicht zum Schweigen gekriegt..."

Mrs. Jenkins verdrehte die Augen. „Hm...‘er‘ trägt zwar heute Hosen, aber auch Ohrringe und schlechtes Make-up... also behaupte ich mal, dass wir uns darauf einigen können, dass Sie es mit Mrs. Garrison zu tun hatten. Morgen kann es wieder Mr. Garrison sein, das weiß hier keiner so genau..."

Der Neue runzelte die Stirn. Sein Gesichtsausdruck schien zu besagen: „Wo bin ich da bloß hingeraten?" Ein wenig verschüchtert schob er sich an Cartman und Kyle vorbei, reichte Mrs. Jenkins zur Begrüßung die Hand, wandte sich dann der Klasse zu und stellte sich vor: „Mein Name ist Bradley Stokes. Meine Eltern und ich sind vor kurzem hierher gezogen, vorher haben wir in Denver gewohnt. Ich freue mich, Euch kennen zu lernen."

„Gut, dann schauen wir mal, wo Sie sich am besten hinsetzen können..."

„Bradley, ich kann es nicht fassen!"

Das allerdings konnte Bradley auch nicht. Er blinzelte erst einmal, nur um sicherzugehen, dass er nicht fantasierte. Einer seiner Mitschüler war aufgesprungen und begeistert auf ihn zugeeilt, die Arme ausgebreitet. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, zumal dieser Typ ein umwerfender Schönling war, dessen Anblick schon genügte, um plötzlich Schmetterlinge im Bauch zu haben. Blondes Haar, das wirkte, als ob es das Sonnenlicht eingefangen hätte, strahlende Augen von einem unbeschreiblichen Blau (Himmelblau? Wasserblau? Blassblau? Oder doch einen Hauch dunkler, möglicherweise mehr Blaugrau? Nein, Hellblau. Hellblau?), eine süße Nase und ein Mund, weder zu schmal noch zu üppig, das perfekte Abbild eines Verführungsinstruments, fest, einladend, sinnlich. Jetzt verbreiterten sich diese makellosen Lippen zu einem ebenso makellosen, betörenden Lächeln, das Bradleys Knie aufzuweichen drohte. Zu allem Überfluss war dieser Adonis größer als er, sodass auch der berückende Hals und die so reizvoll präsentierte Brust in seinem Blickfeld lagen. Und diese herrlichen Beine, lang und schlank, und diese unwiderstehlich geschwungenen Hüften...!

„Äh..." Sein Gehirn musste den Einschaltknopf gefunden haben. „Ähm..." Sein Gehirn fuhr gerade hoch. „Ich... äh... ich..." Inbetriebnahme erfolgt in einigen Sekunden (oder Minuten). Bitte warten. „Ich... also..."

„Erinnerst du dich nicht mehr an mich? Ich bin es, Butters! Weißt du noch? Dein Rechenschaftsbruder im Entschwulungscamp?"

Bradley blinzelte erneut. Butters. Das Entschwulungscamp. Eines seiner schrecklichsten Kindheitserlebnisse und zugleich eines seiner schönsten, weil Butters da gewesen war, der liebe, tapfere Junge, der ihn davor bewahrt hatte, in seiner Angst und Verzweiflung von einer Brücke zu springen. An dem Tag war er wirklich fertig mit der Welt. Seine Eltern waren strenggläubig und erzkonservativ, einen homosexuellen Sohn konnten und wollten sie nicht akzeptieren. Es war furchtbar. Und dann war Butters in sein Leben getreten, sein erster richtiger Freund...und wohl auch so etwas wie seine erste große Liebe.

Nun stand er vor ihm. Hieß ihn willkommen. Mit offenen Armen. Mit einem Lächeln. Er war schön. Er hatte ganz vergessen, wie schön er war. Immer noch ungläubig, streckte Bradley die Hand aus, um ihn zu berühren und fand sich plötzlich in einer innigen Umarmung wieder, eingehüllt in den Duft eines unaufdringlichen und geschmackvollen Eau de Toilettes, seine Wange gegen einen warmen Oberkörper gepresst.
 

„Ich freue mich ja so, dich wiederzusehen! Es ist toll, dass du nach South Park gezogen bist! Wir werden uns so viel zu erzählen haben und ich muss dir alles zeigen und überhaupt...! Komm, setz dich neben mich!"

Butters nahm ihn bei der Hand und bugsierte ihn zu seinem Platz. Neben ihm saß eigentlich Token, der zunächst nicht sehr begeistert davon war, zugunsten eines dahergelaufenen Neulings seinen Sitz neben seinem Schwarm zu räumen, aber der flehende Hundeblick des Blonden stimmte ihn um. Er stand auf.

„Na schön, ich gehe. Aber das tue ich wirklich nur deinetwegen, Butters."

„Das weiß ich doch, ich danke dir auch vielmals!" Ein Küsschen links, ein Küsschen rechts (Butters hatte keinerlei Hemmungen, was das Zeigen von Zuneigung betraf), Token lief rot an wie ein Klatschmohn und Bradley okkupierte verlegen den freigewordenen Stuhl.

„Bei dieser Gelegenheit kann ich dir gleich ein paar von meinen Freunden vorstellen: Dieser wundervolle Bursche hier, der dir seinen Platz überlässt, ist Token Black, der Kapitän unserer Basketballmannschaft und nebenbei Sänger im Gospelchor unserer Gemeinde. Der Junge kann singen, da gehen dir die Ohren über vor Wonne, sag ich dir!"

Bradley musterte seinen Gegenüber neugierig. Dieser Token hatte eine wunderschöne, samtig wirkende braune Haut, unergründliche schwarze Augen und langes schwarzes Haar, das als seidige Mähne bis über seine Schultern fiel. Er trug Halbschuhe (die verdächtig so aussahen wie die in der aktuellen Gucci-Werbung), eine eng geschnittene sandfarbene Hose (die stark an die auf dem Dolce&Gabbana-Plakat erinnerte), einen Gürtel (der war auch auf dem Plakat), ein lila Hemd (das Markenzeichen, mit Goldfaden auf die Hemdtasche gestickt, verriet Versace) und eine goldene Armbanduhr (eine Rolex selbstverständlich). Offenbar ein Sprössling aus sehr reichem Hause, doch weder sein freundlicher Handschlag noch sein Lächeln waren gekünstelt, sein Gesicht zeigte keinerlei Arroganz oder Blasiertheit.

„Freut mich, dich kennen zu lernen."

„Es freut mich auch, Token. Vielen Dank, dass du mir deinen Platz freigemacht hast."

„Und diese beiden entzückenden Jungs, deren Disput du mit deinem Erscheinen unterbrochen hast, sind einmal, links von dir, Eric Cartman, unser erfolgreicher Star-Quarterback, und, rechts von dir, Kyle Broflovski, unser Schulprimus. Sieht alles, hört alles, kennt alles, weiß alles... und was er nicht weiß, ahnt er intuitiv!"
 

Nun war Bradley ja der Meinung, den „Disput", wie Butters das so hübsch nannte, hätte eher Mrs. Jenkins mit ihrem bemerkenswerten Stimmorgan beendet, und als „entzückend" hatte er die finsteren Mienen der Streithähne auch nicht gerade empfunden. Aber jetzt, wo die ihm auf diese Art vorgestellten Herren nicht mehr wütend dreinblickten, musste er sein Urteil revidieren. Der größere (Wer war das gleich nochmal? Genau, der Star-Quarterback!) besaß neben seinem beachtlichen Wuchs (so ca. 1 Meter 90? Oder sogar zwei Meter?) die zu seinem Footballspielerdasein passenden Schultern, Arme und Beine, er hatte braunes, sehr gepflegt aussehendes Haar und braune Augen. Er wirkte ausgesprochen imposant, fast einschüchternd, und sein Begrüßungslächeln verfügte zwar über eine Menge Charme, doch es lag auch etwas unterschwellig gefährliches, maliziöses darin. Er würde diesem Stier in Menschengestalt nicht in die Quere kommen, sofern es sich vermeiden ließ, das war sicher. Der andere, ein Lockenkopf wie er selbst, machte neben diesem Koloss einen ziemlich schmächtigen Eindruck, das musste allerding nicht wirklich so sein, denn neben einem Footballspieler machten eben die meisten Leute einen schmächtigen Eindruck. Seine Haltung verriet jedenfalls Selbstbewusstsein, er trug den Kopf hoch und seine Augen, die von einem leuchtenden Grün waren, blitzten stolz und unbeeindruckt in die Welt. Irgendwie wollten dieser kriegerische Blick und das feuerrote Haar so gar nicht zu seinem braven Outfit passen; die schwarzen Halbschuhe, die helle Cordhose, das weiße Hemd mit den hochgekrempelten Ärmeln, der dunkelgrüne Pullunder darüber... an der High School liefen normalerweise nur die Streber so herum. Ach nein, halt mal - hatte Butters nicht gesagt, er sei der Schulprimus? Dann fiel dieser Kyle also eigentlich in die Kategorie Streber, obwohl er gleichzeitig so völlig... unstreberhaft zu sein schien. Bradley kannte zumindest keinen, dem man auf Anhieb das Etikett „cool" verliehen hätte. Kyle hingegen war cool.

Und er hatte vor allen Dingen keinen Schiss vor Eric Cartman.
 

„Stokes." Mr. Quarterback gab ihm die Hand, hielt es aber wohl für unter seiner Würde, ihn mit dem Vornamen anzusprechen. Bradley registrierte es und verzog gleich darauf das Gesicht, als seine Finger in einem sehr kräftigen Händedruck zusammengepresst wurden. Kyles Händedruck war auch fest, aber nicht so schmerzhaft.

„Und das hier ist Clyde Donovan, unser zukünftiger Meisterkoch! Ist er nicht süß?"

„Rede nicht so einen Quatsch daher, Butters! Ich soll doch später das Geschäft meines Vaters übernehmen! Und hör auf, mich zu knuddeln, ich bin überhaupt nicht süß!"

Bradley konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Derjenige, den Butters im Moment herzte wie einen Teddybären, war bis zu den Haarwurzeln rot angelaufen, gestikulierte aufgeregt in dem sinnlosen Versuch, sich aus der Umklammerung des Blonden zu befreien und zog schließlich einen Schmollmund, als er merkte, dass es nichts nützte.

„Du bist doof...!", erklärte er mit der Ernsthaftigkeit eines Fünfjährigen und streckte dem Märchenprinzen die Zunge heraus, was dieser mit einem entschuldigenden Lächeln abwehrte, das die Wangen des anderen noch einen Ton dunkler färbte. Er räusperte sich.

„Ja, hallo, ich heiße Clyde, wie du schon gehört hast. Willkommen in South Park!"

Okay, der da war süß. Er hatte wirres braunes Haar, das sich offensichtlich geweigert hatte, sich von einer Bürste zähmen zu lassen, haselnussbraune Augen und einen äußerst gewinnenden, kindlichen Charme. Seine Züge waren weicher als bei seinen Klassenkameraden und noch nicht so ausgeprägt - er würde vermutlich auch im fortgeschrittenen Alter etwas Zeitlos-Jungenhaftes an sich haben. Er steckte in modisch verwaschenen Jeans und Turnschuhen, das rote Hemd hatte lange Ärmel und lag eng an, um den Hals war ein blaues Tuch gebunden.

„Hallo Clyde. Du bist ein zukünftiger Meisterkoch, sagt Butters?"

Sein Gegenüber wand sich. „Er sagt ‘ne Menge, wenn er will. Ich bin kein Meisterkoch, ich koche nur einigermaßen gut."

„Einigermaßen? Dein Essen ist superlecker, wie oft soll ich mich noch wiederholen? Das ist dein Talent, deine Gabe! Du musst das unbedingt weiterverfolgen!"

„Ah, Butters, ich - soll - den - Laden - meines - Vaters - übernehmen!", skandierte Clyde und verschränkte die Arme. „Außerdem bin ich für einen richtigen Koch nicht vielfältig genug, ich mache fast nur Mexikanisches."

„Dann eröffnest du eben dein eigenes mexikanisches Restaurant! Du willst doch nicht im Ernst der neue Schuhbaron werden? Du hast keinen Spaß daran!"

Clyde antwortete nicht. Natürlich hatte sein Schwarm recht, er hatte keinen Spaß daran. Fußbekleidung zu verkaufen entsprach nicht seiner Vorstellung eines Traumberufs, aber das konnte er seinem Vater nicht erklären. Er arbeitete zwar zweimal die Woche im Geschäft, doch er konnte der Tätigkeit nicht das geringste abgewinnen. Er seufzte. Butters legte ihm einen Arm um die Schultern und nickte verständnisvoll.

„Ich weiß", flüsterte er bekümmert, „es ist schwer, wenn man die Erwartungen seiner Eltern enttäuscht. Aber sie müssen dich dein eigenes Leben leben lassen, sonst kannst du nicht glücklich werden. Und dein Dad ist nicht wie meiner, er würde das sicher verstehen. Stephen dagegen..."

Es fiel Clyde auf, dass Butters seinen Vater direkt beim Namen nannte und seufzte erneut. Die meisten an der Park High waren inzwischen über seine wahren Familienverhältnisse informiert und wussten, dass die perfekte Bilderbuch-Vorzeige-Familie, deren Fassade Stephen Stotch so krampfhaft aufrechtzuerhalten versuchte, nur ein schönes Lügengebilde war, das in sich zusammenzustürzen drohte. Auch Bradley merkte, dass plötzlich irgendetwas Butters‘ Laune verdüstert hatte. Die Stille, die nun folgte, nutzte Mrs. Jenkins, um ihre Schüler an den nach wie vor laufenden Unterricht zu erinnern - und daran, dass sie es nicht liebte, wenn man sie ignorierte.

„SETZEN SIE SICH SOFORT HIN!!!! Das hier ist kein Kaffekränzchen, sondern ein Literaturkurs!! Und wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihnen in Englisch ‚Ulysses‘ von James Joyce aufs Auge drücke, dann kapitulieren Sie auf der Stelle!!!"

Das wirkte. Das „Kaffekränzchen" stob auseinander und platzierte sich auf seinen Stühlen, während Mrs. Jenkins in ihrem eisgrauen, militärisch angehauchten Kostüm und auf ihren abenteuerlichen High Heels die Tischreihen entlang klapperte und mit ihren Adleraugen darauf spähte, jemanden, der unachtsam zuckte, zum Vorlesen zu verdonnern. Eigentlich war sie eine freundliche Person, aber ihr Geduldsfaden besaß die Dicke eine Haares und die Strapazierfähigkeit von Kristallgläsern. Sie unterrichtete Englisch und Erdkunde, der Kurs über fremdsprachige Literatur war ein Zusatzangebot, von dem sie ursprünglich gedacht hatte, dass kaum einer es wählen würde (sie hatte berechtigte Zweifel an der Begeisterung der Park-High-Studenten für literarische Klassiker außerhalb Amerikas. Im Grunde hatte sie sogar berechtigte Zweifel an der Begeisterung der Park-High-Studenten für irgendwelche literarischen Klassiker). Wirklich erwartet hatte sie nur Miss Testaburger, Mr. Broflovski, Mr. Black und Mr. Stotch. Na ja, und Mr. Cartman, zugegeben. Sie warf einen abschätzenden Blick in seine Richtung und fragte sich zum hundertsten Mal, warum dieser intelligente Bursche nicht zeigte, dass er intelligent war. Die wenigsten seiner Mitschüler ahnten vermutlich, wie viele kluge Gedanken in diesem unergründlichen Kopf herum spukten - seine Leistungen galten allgemein als mittelmäßig bis schlecht. Und das waren sie auch...in den Fächern, die er nicht mochte, zum Beispiel Gesundheitswesen, Kunst oder Amerikanische Geschichte (in denen er mit Ach und Krach die Endnote D fabriziert hatte). In den Fächern, die er interessant, spannend oder sonst wie seiner Aufmerksamkeit wert fand, glänzte er mit hervorragenden Noten, etwa Englisch, Mathematik, Recht, Politik, Sport (oh, diese Ironie!)...und er behielt sie für sich. Eric Cartman, Angeber und Großmaul par excellence, gab nicht mit guten Noten an. Mrs. Jenkins runzelte unweigerlich die Stirn. Warum tat er das? Würde das seinem Image als „harter Typ" schaden, oder was? Puh, wie lächerlich... aber in der High School definierte man andere eben nach dem Image, das sie nach außen präsentierten. Beschissen, ehrlich. Für manchen armen Tropf wäre die Hölle schöner.
 

„Miss Testaburger, lesen Sie bitte die nächste Seite vor! Und Ihren Bericht für den ‚Examiner‘ schreiben Sie gefälligst in der entsprechenden Stunde!"

Wendy nickte gehorsam und schob ihre Notizen für den neuen Artikel zurück in ihre Mappe. Die Schülerzeitung, der „Park School Examiner", erschien regelmäßig alle vierzehn Tage (immer an einem Mittwoch) und enthielt neben der obligatorischen Klatschspalte alles Wissenswerte rund um die Park High und der ihr zugeordneten Stadt - aus der Sicht eines Teenagers. So gab es zum Beispiel einen Veranstaltungskalender, in dem die wichtigsten sportlichen Ereignisse, angesagtesten Partys, coolsten Konzerte, besten Filme und sonstige bedeutsame Sachen verzeichnet waren, meist mit einer kurzen Bewertung. Berichte über aktuelle Spiele oder Turniere, Interviews mit beliebten Lehrern oder Stars aus der Schülerschaft, schockierende Enthüllungsstorys („Ist Mr. Garrison in Wirklichkeit ein Zwitter?", „Die Würgepampe aus der Cafeteria: Ein Lebensmittelskandal"), von denen die eine Hälfte erfunden und die andere nur bedingt ernst zu nehmen war, sowie Tipps, Tricks und Trends, um den Schulalltag zu überstehen, rundeten das Produkt ab. Wendy arbeitete seit ihrem Freshman-Jahr für den „Examiner", den sie sich des öfteren etwas seriöser und journalistischer wünschte, damit er seinem Namen mehr Ehre gemacht hätte („Der Überprüfer"), aber vorläufig beschränkte sich das auf ihre persönliche Seite, „Wendys Kommentar", wo sie scharfzüngig und sarkastisch Schwachstellen in der Verwaltung und im Lehrkörper aufdeckte oder anderweitige Missstände kritisierte. Ihre Feder wurde respektiert und gefürchtet, „Wendys Kommentar" war die beliebteste Rubrik der Schülerzeitung. So weit, so gut. Kein bisschen gut gestaltete sich dagegen ihr Privatleben. Nachdem sie in der achten Klasse endgültig mit Stan gebrochen hatte (aus verständlichen Gründen), hatte sie ab und an verschiedene Dates gehabt, allerdings nichts Dauerhaftes. Lag es an ihr? Sie wusste, dass sie schwierig sein konnte, ihr Temperament und ihre Überempfindlichkeit bei einigen Dingen ließen sie häufig grob und zickig reagieren, obwohl sie es selten so meinte. Viele Jungs stießen sich auch an ihrer Intelligenz. Sogar im 21. Jahrhundert krochen noch Neandertaler über die Erde, die das hübsche Dummchen der gebildeten Frau vorzogen! Den meisten dieser bedauernswerten Idioten war vermutlich gar nicht klar, dass das eine eindeutige Aussage zu ihrer eigenen Intelligenz war... Mit Stan hatte es da nie Probleme gegeben. Warum konnte sie nicht wie Bebe sein? Bebe trug einen klugen Kopf auf ihren Schultern, versteckte es jedoch geschickt und spielte gern die naiv-unbedarfte Blondine, eine Masche, mit der sie fast jeden Kerl um den kleinen Finger wickeln konnte. Na ja, und ihre beiden „Argumente" nicht zu vergessen ...hm. Trotzdem. Etliche Verehrer hin oder her, eine längere Beziehung hatte auch Bebe nicht mehr gehabt, seit sie sich von - wie hieß er noch? Peter? Perry? Paul? Ja, Paul! - getrennt hatte. Und das war eigentlich auch ein Schuss in den Ofen gewesen.
 

„Danke, Miss Testaburger. Und als nächstes - damit wir mit der Lektüre endlich vorwärtskommen, weil sich ja die meisten von Ihnen nicht dazu verpflichtet fühlen, zu Hause weiterzulesen - wie wäre es denn mit Ihnen, Mr. Yardale?"

Links von Wendy ertönte ein Seufzer und eine große Gestalt in vornehmen schwarzen Hosen und einem eleganten weißen Hemd begann mit dem Vortrag der Verse auf der folgenden Seite. Die silberne Krawatte hatte er streng gebunden, seine Schuhe waren blankgeputzt: Gregory von Yardale sah bereits zu dieser frühen Stunde aus wie aus dem Ei gepellt. Wendy betrachtete ihn aus den Augenwinkeln, während sie seiner tiefen Stimme lauschte, die ihr fast so gut gefiel wie die von Stanley, und gestand sich ein, dass sie immer noch eine kleine Schwäche für ihn hatte, die aus ihrer Kinderzeit herrührte. Ernstlich in Betracht gezogen hatte sie ihn allerdings nie... er verhielt sich Jungen und Mädchen gegenüber gleichermaßen höflich-distanziert, blieb meist für sich und beschäftigte sich hauptsächlich mit seinen beiden großen Leidenschaften, Fechten und Reiten. Über sein Privatleben war nichts bekannt, man war sich nicht einmal sicher, für welches Geschlecht er sich interessierte. Genau wie Pip war er ein Engländer reinsten Wassers (er entstammte dem alten Landadel) und genau wie Pip reagierte er außerordentlich heftig, wenn ihn jemand als Franzose bezeichnete. Die beiden waren eng miteinander befreundet, zu anderen Schülern hielt Gregory jedoch nur geringen Kontakt. Schade. Er war attraktiv, kultiviert, vornehm und schlagfertig, also eine Eroberung wert. Aber es würde ohne Frage eine schwierige Eroberung sein... und sie wusste nicht, ob sie sich darauf einlassen wollte (und sollte). Natürlich, sie träumte davon, endlich eine dauerhafte, wirklich zukunftsträchtige Beziehung zu haben, aber Männer, die diesem Anspruch genügten, schüttelte Frau nicht gerade von den Bäumen.
 

Weitere Optionen? Butters: Gesegnet mit klassisch-griechischer Schönheit, ein echter Gentleman und begnadeter Tänzer... nur leider schwul. Token: Sehr gutaussehend, sehr intelligent, ein wunderbarer Sänger (und reich nicht zu vergessen), Orientierung bisexuell. Möglich, schwärmte aber für Butters (wer tat das nicht!) und steckte ständig mit Clyde zusammen. Kenny: ...ja, klar. Okay, er war heiß, aber sonst? Der wollte Sex, sonst nichts. Danke, aber danke nein. Cartman: Hm. Stockschwul, fiel demnach weg, obwohl sie nach wie vor eine Neigung für ihn verspürte. Er war zwar ein Arschloch, aber ein charismatisches Arschloch, das musste man ihm lassen. Charisma war eine verdammt seltene Eigenschaft, mindestens so selten wie echtes Genie, eine Art Phänomen, das man nicht erklären konnte. Echtes Genie hatte nicht ausschließlich etwas mit Intelligenz zu tun und Charisma nicht ausschließlich etwas mit gutem Aussehen (das galt auch für Charme). Wie konnte man es beschreiben? Eine Form von enormer Ausstrahlung, die nicht zu definieren war, die einen jedoch unweigerlich in Bann schlug. Butters hatte es. Und Cartman hatte es auch. Wer blieb übrig? Craig? Tse, der war gefühlsgehemmt, arrogant, ein Ausbund an Langeweile und besaß den Schwung einer Schnecke! Außerdem war er schwul und völlig unfähig, es zu akzeptieren. Statt dessen versuchte er krampfhaft, sich mit wechselnden Freundinnen zu amüsieren, aber im Gegensatz zu Kenny machte es ihm noch nicht mal Spaß. Er wirkte oft hart und verbissen. Einigermaßen sanft gab er sich nur bei Butters und Tweek - und bei seiner Schwester Teresa, genannt Terry (obwohl die beiden sich pausenlos den Finger zeigten, wenn ihnen danach war... dabei handelte es sich aber lediglich um eine Familieneigentümlichkeit). Was fand er bloß an dem Nervenbündel Tweek? Ob er...? Nein, das konnte nicht sein. Oder doch...? Für den Rest der Stunde versenkte sich Wendy Testaburger gedanklich in ihre zweite Lieblingsbeschäftigung nach der Schülerzeitung: Verkuppeln.
 

Butters verteilte nach dem Klingeln seine Einladungen, leicht parfümierte Umschläge mit Buchstaben in Golddruck.

„Und macht euch so schick wie ihr nur könnt. Ich will was zum Anschauen haben!", meinte er keck und zwinkerte einmal in die Runde. „Bis morgen Abend!" Er warf seinen Freunden eine Kusshand zu und stolzierte hinaus. Je nach Persönlichkeit wurde diese Geste unterschiedlich aufgefasst. Cartman murmelte ein verächtliches „Schwuchtel!", ungeachtet der Tatsache, dass er selbst eine Schwuchtel war, steckte jedoch im gleichen Atemzug die Einladung in seinen Rucksack. Kyle grinste ein bisschen dümmlich, schnupperte am Umschlag und packte ihn dann andächtig in seine „Wichtige Dokumente"-Mappe. Token schickte dem Blonden einen schmelzenden Blick hinterher und verstaute das Kuvert sorgsam in seiner Tasche. Clyde, der in Konkurrenz mit einer Tomate getreten war, presste die Einladung an sein Herz und verdrehte verzückt die Augen. Gregory starrte gottergeben auf das Etwas in seiner Hand, die Wangen dezent gerötet und fragte sich zum hundertsten Mal, ob er nicht vielleicht doch bisexuell war. Er stand auf Frauen, aber Stotch brachte ihn durcheinander. Er war so schön und so charmant...und vor allen Dingen kam keiner an ihn ran. Er ließ seine Verehrer am ausgestreckten Arm verhungern, weil er sich nicht festlegte. Klar, er hatte ein paar Dates gehabt, aber nie etwas Ernstes. Auch wenn er sich zuvorkommend und freundlich verhielt (sofern man ihn nicht ärgerte), niemand hatte ihn bisher erobern können, da blieb er unnahbar. Und das steigerte seinen Wert als Objekt der Begierde ganz erheblich, denn es fügte den Reiz der Jagd, der Herausforderung hinzu. Stotch wusste definitiv, was er tat. Gregory schob den Umschlag in das Buch, das er gerade las und schmunzelte. Im Grunde hatte er nichts dagegen, sich noch ein bisschen mehr durcheinanderbringen zu lassen...das würde ihn von ihr ablenken...

Bradley glühte vor Begeisterung. Er freute sich sehr, dass Butters ihn spontan zu seiner Geburtstagsparty eingeladen hatte, obwohl sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen hatten. Die Frage war bloß, was seine Eltern dazu sagen würden? Die Erkenntnis, dass ihr Sohn kurz davor gewesen war, sein Leben zu beenden, hatte ihre starre Einstellung ein wenig aufgerüttelt - sie hörten auf, ihn wegen seiner mittelmäßigen Schulnoten unter Druck zu setzen und erlaubten ihm sogar, das Geigespielen wieder aufzunehmen, das sie ihm verboten hatten. Über seine Sexualität wurde nicht mehr gesprochen (obwohl er sich sicher war, dass dieses Thema seine Eltern noch immer negativ beschäftigte). Würde er auf die Party gehen dürfen?
 

Mittagspause. Die Cafeteria der Park High summte wie ein Bienenstock. Sie befand sich im Erdgeschoss des Verbindungsteils zwischen dem Gebäude der Junior- und dem Gebäude der Senior High School und die Schüler aus beiden Häusern kamen dort zum Essen zusammen. Isaak Broflovski, Spitzname Ike, seines Zeichens Schüler der sechsten Klasse und elf Jahre alt, wuselte mit seinem vollgepackten Tablett durch die hungrige Meute und rettete sich an den Tisch seiner besten Freundin, Terry Tucker, Craigs kleiner Schwester. Sie begrüßte ihn lächelnd mit erhobenem Mittelfinger. Dann fiel ihr Blick auf das Tablett.

„Was ist das?!"

„Wonach sieht es denn aus? Das ist mein Essen!"

„Das ist Würgepampe, Ike! Du willst nicht wirklich dieses... was immer es ist... essen?"

Sein knurrender Magen beantwortete ihre Frage. Während das Mädchen mit aufsteigender Übelkeit kämpfte, aß er mit bestem Appetit etwas, das extrem entfernt an Spaghetti Bolognese erinnerte, wobei nicht auszumachen war, wo die Spaghetti anfingen und das Hackfleisch aufhörte, das Ganze präsentierte sich als matschiger Brei in einem ekelerregenden Rotton. Der Fachbegriff für alles, das ähnlich katastrophal wirkte, war Würgepampe. Die Küche fabrizierte fast nichts anderes als Würgepampe in zahllosen Variationen, das einzige anständige Essen war den Seniors vorbehalten. Terry, ein lebhaftes, energisches Persönchen mit schulterlangen hellroten Zöpfen und großen grauen Augen, seufzte aus Gemütstiefen und schielte immer wieder sehnsüchtig zu dem Bereich der Cafeteria hinüber, zu dem nur die Studenten des Abschlussjahres Zugang hatten. Man hatte eine Absperrungskordel dort aufgestellt und den Hausmeistergehilfen dazu abkommandiert, den Kordelsteher zu mimen, dessen Aufgabe darin bestand, sich den Schülerausweis vorzeigen und die Seniors passieren zu lassen. Der ihnen zugewiesene Teil der Cafeteria war schick und modern eingerichtet, der Boden war fein säuberlich gekachelt und mit Teppichen bedeckt, zur Verschönerung dienten immergrüne Pflanzen in hübschen Keramiktöpfen oder Vasen mit künstlichen Blumen. Die Sechst-, Siebt- und Achtklässler sowie sämtliche Freshmen, Sophomores und Juniors, nach Cafeteriastandard gemeinhin als „der Pöbel" bekannt, mussten mit unbequemen Plastikmöbeln, giftgrünem Linoleum und mit dem Porträt des Direktors als Verzierung Vorlieb nehmen. Und mit der Würgepampe, während die Seniors (die Privilegieren) eine eigene Speisekarte führten, die wirklich leckere Sachen auflistete, Pizza zum Beispiel. Oder Vanillecreme unter der Rubrik Desserts! Neidisch beobachtete Terry ihren älteren Bruder, der im Moment eine Portion goldgelber Pommes vertilgte und fluchte über die Ungerechtigkeit der Welt und die der Park High im besonderen.
 

Drei Tische weiter fluchte Karen McCormick, Kennys fünfzehnjährige Schwester, aber aus anderen und weitaus ernsteren Gründen. Sie hatte die letzte Nacht im Ein-Zimmer-Apartment ihres Bruders Kevin verbracht, der seine Lehre zum Automechaniker inzwischen erfolgreich beendet und von seinem Ausbilder eine feste Anstellung bekommen hatte. Ihr Vater hatte sich wieder mal den Frust von der Seele gesoffen und sie hasste ihn in diesem Zustand, weshalb sie, in der Regel mit Kenny zusammen, zu Kevin flüchtete. Man konnte nie sicher sein, ob er nicht Hand an die Geschwister legte - in der Vergangenheit hatte er es oft getan. Karen erinnerte sich angewidert an die vielen endlos scheinenden Nächte, in denen ihr Vater brutal geworden war. In seiner betrunkenen Wut war ihm nichts heilig... seine Kinder nicht, seine Frau nicht... und eben diese Frau prügelte notfalls auch auf ihn ein, um sich zu wehren... das Schreien, die Schläge, das Weinen...sie konnte es nicht ertragen. Ihre beiden Brüder hatten immer versucht, sie zu beschützen und als Folge davon hatten sie die meisten Hiebe einstecken müssen. Die Momente, in denen sich ihre Eltern tatsächlich bemühten, sich um sie zu kümmern, waren rar gesät - zu rar. Karen fluchte erneut, biss sich auf die Lippen und stocherte lustlos in ihren angeblichen Spaghetti herum.

»Meine Familie ist kaputt... und wir sind auch irgendwie kaputt. Kevin vertraut niemandem außer uns, er hat keine Freunde und Beziehungen meidet er wie die Pest. Kenny spielt den lockeren Playboy, bricht kiloweise Herzen und schert sich einen Dreck um seine Sexpartner. Auch er kann nicht wirklich vertrauen, genau wie Kevin. Und ich? Ich bin eine Einzelgängerin und lasse niemanden an mich heran. Ich habe Angst davor. Meine Brüder tun so, als wäre es ihnen egal, aber sie wissen, dass sie sich damit nur selbst belügen...«

„Hallo Schwesterherz!"
 

Eine grobe und doch liebevolle Umarmung riss Karen aus ihren trüben Gedanken. Kenny drückte ihr einen Kuss auf die Wange und nahm ihr gegenüber Platz.

„Was machst du hier? Du als Senior gehörst in den Luxusbezirk der Cafeteria!"

„Na und? Deswegen darf ich trotzdem mein Schwesterchen begrüßen, oder nicht? Du warst bei Kevin, stimmt‘s? Wie geht es ihm?"

„So lala, wie immer. Sein Apartment ist jetzt eine richtige Junggesellenbude, ungewaschene Wäsche und schmutziges Geschirr überall... ich hab‘ ein bisschen Ordnung in seinem Sauhaufen gemacht, das war echt nicht zum Aushalten! Und es wurde endlich die Ausziehcouch geliefert, in Zukunft müssen wir also nicht mehr unsere Schlafsäcke mitschleppen, wenn wir bei ihm übernachten wollen. Ach ja, und ich glaube, seine Nachbarin steht auf ihn!"

„Ehrlich? Und, hat er sie schon flachgelegt?"

„Das ist alles, woran du denkst, kann das sein? Nein, hat er nicht. Du weißt, wie er ist. Er hat zu viel Schiss, dass er‘s vermasselt. Wie du."

„...Was meinst du damit? Ich hab‘ keinen Schiss, ich will nur nix Dauerhaftes. Das artet bloß in ‘ne verdammte Quälerei aus, wie bei Mom und Dad. Darauf kann ich verzichten."

„Komm schon, großer Bruder. Du weißt genau, was ich meine."

Er sah sie an, schweigend. Natürlich wusste er es, er war kein Dummkopf. Seine Schwester war so ziemlich der einzige Mensch, vor dem er nichts verbergen konnte und außerdem eines der wenigen weiblichen Wesen, für die er echten Respekt empfand.

„Ich bin nun mal so", erwiderte er ausweichend. „Was ist übrigens mit dir? Hast du noch immer keinen Freund?"

„Nein, stell dir vor! Nicht alle Mädchen brauchen unbedingt ‘nen Kerl in ihrem Leben!"

„Hä? Also bist du lesbisch?"

„Großer Bruder!!!!"

„Was denn?! Wenn du so komische Sachen sagst..."

„Ich hab‘ keinen Bock auf ‘nen Kerl, so einfach ist das! Sich durch sämtliche Betten der Stadt zu schlafen, ist vielleicht deine Patentlösung, aber für mich ist das nichts!"

Kenny gab ein beleidigtes Grunzen von sich und musterte Karen von Kopf bis Fuß. Sie war nicht besonders groß für ihr Alter und auch nicht übermäßig entwickelt, was ihre Körperformen anging, aber sie besaß schöne Lippen und wunderbar blaue, strahlende Augen. Das hellbraune Haar war rechts zu einem seitlichen Pferdeschwanz gebunden, ihr Haarband und ihr Parka hatten die gleiche Farbe wie bei ihm, orange, ihre Jeans war braun.

„Aber du bist doch hübsch, Schwesterherz. Hat dich noch nie einer angebaggert?"

„Doch. Kein Interesse. Alles Idioten, die nur mit ihrem Schwanz denken. Da könnte ich auch mit einem Schimpansen ausgehen. Obwohl... ihn mit all diesen Gehirnamputierten in einen Topf zu werfen, ist eigentlich eine Beleidigung für den Schimpansen."

Er grinste. „Du bist klasse, Karen." Damit verabschiedete er sich von ihr, trottete in den Seniorbereich hinüber und setzte sich neben Eric, Stan und Kyle hockten ihnen gegenüber. Die drei hatten bereits mit dem Essen begonnen, was seine leise Verärgerung, die er schon seit heute Morgen mit sich herumtrug, nur verstärkte.

„Wo wart ihr?"

„Wo waren wir wann?", erkundigte sich Stan und schnitt mit sichtlichem Vergnügen einen neuen Bissen von seinem Omelett.

„In der ersten Stunde! Amerikanische Geschichte mit ‚It‘! Habt ihr alle geschwänzt, oder was!?! Mich mit dieser Krankheit von einem Lehrer allein zu lassen...!"

Kyle zog eine Braue nach oben und erklärte mit einem Hauch von Ungeduld in der Stimme: „Ken. Keiner von uns hat in diesem Jahr Geschichte belegt. Für den Abschluss an dieser Schule braucht man im sozialwissenschaftlichen Bereich drei Credits, nicht nur zwei, wie du dir eingebildet hast. Stan, Cartman und ich haben die dafür nötigen Kurse bereits absolviert. Du nicht. Während du also unter ‚It‘ und seinem... ihrem ...strengen Regiment gelitten hast, war Stan in Statistik und Cartman und ich in Literatur. Du wirst ohne uns auskommen müssen, jedenfalls in Geschichte."
 

„Was? Wie unfair! Der einzige Trost ist, dass ‚It‘ heute zu spät gekommen ist... He - ein neues Gesicht!" Er deutete in Bradleys Richtung, der mit Butters an einem Tisch saß. „Wer ist der Typ? Und wieso darf er mit unserem Märchenprinzen essen? Das ist eine Ehre, das weiß er hoffentlich?"

„Nein, weiß er nicht. Woher auch? Es hat ihn noch niemand über Butters‘ Status an dieser Schule aufgeklärt", sagte Cartman und beobachtete mit einem Anflug von Missbilligung den vertrauten Umgang zwischen dem Blonden und dem Neuling. „Wenn ich richtig verstanden habe, kennen sich die beiden aus diesem bescheuerten Entschwulungscamp, in das ihre Eltern sie gesteckt haben. Sie waren Zimmergenossen."

„Ach, fuck! Ein Jugendfreund. Die sind immer gefährlich. Wir werden höllisch aufpassen müssen, dass er uns Butters nicht wegschnappt. Hat er ihn zur Party eingeladen?"

„Ja. Sein Name ist Stokes, Bradley Stokes. Und apropos wegschnappen - dir ist schon klar, dass du einen Mann nicht auf vier Leute verteilen kannst?"

„Jetzt sei nicht so spitzfindig, Kyle! Erst mal raffen wir ihn uns... wer ihn bekommt, diskutieren wir dann später! ...Was is‘? Warum schaut ihr mich so komisch an? Also ehrlich, Jungs, seid nicht so empfindlich... Ich hab‘ zumindest ‘nen Grund, mich aufzuregen, weil ihr mich in Geschichte versauern lasst! Ich werde vor Langeweile krepieren... erst recht, wenn Eric und Kyle sich nicht mehr gegenseitig anbrüllen."

„Bitte!?"

„Hä!?"

„Na, wenn ihr aufeinander losgeht, gibt‘s wenigstens was Spannendes zu hören und eventuell auch zu sehen, ‘ne zünftige Prügelei zum Beispiel. Ihr wart das einzig Aufregende an diesem grottenschlechten Unterricht!"

„Du wirst Gelegenheit haben, sie dafür in einem anderen Fach in Hochform zu erleben", bemerkte Stan tröstend. „Wir haben... lass mich nachsehen... Sport zusammen."

„Nur Sport?"

„Ich fürchte ja, sofern es unsere Vierergruppe betrifft. Wir beide haben noch Englisch gemeinsam und eine Stunde in der Studierhalle..."

„Weiß ich."

„...Ansonsten hab‘ ich Französisch und AP Biologie mit Kyle... und Kyle hat Literatur, AP Recht, AP Englisch und AP Calculus mit Cartman."

„Dann freue ich mich auf Sport!"

„Deine Begeisterung muss ich jetzt aber nicht nachvollziehen können, oder? Warum bist du so scharf darauf, dabei zu sein, wenn ich und der Jude uns streiten?"

„Es heißt ‚der Jude und ich‘, Cartman. Nur der Esel nennt sich immer zuerst. Ich muss allerdings zugeben, die Frage ist berechtigt. Du hättest uns heute in Literatur sehen sollen, Ken. Ich habe einen meiner Lieblingsgriffe angewendet."

„An Eric?"

„Genau. Ursprünglich hatte ich geplant, den Boden mit seinem Gesicht aufzuwischen, aber da wurde ich bedauerlicherweise unterbrochen..."

Kenny platzte mit einem lauten Lachen heraus, jedoch nicht lange, denn eine starke Hand packte ihn im Nacken und presste ihm die Halsmuskeln zusammen.

„AUA!!! Scheiße, Eric, nimm deine Pfote von mir!! Mensch, du bist so ‘ne Mimose, Alter! Du darfst über alles und jeden stänkern, aber wehe, jemand lästert mal über dich oder amüsiert sich auf deine Kosten, da hört der Spaß dann plötzlich auf! Gott, manchmal bist du so... so..."

„...ein mieser Heuchler?", zwitscherte Kyle mit der Miene eines Unschuldslamms. „Oder ein egoistischer Mistkerl? Ein armseliger Idiot? Ein feiger Bastard? Ein asoziales Arschloch?"

„...Jude...!", stieß Cartman zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „...ich warne dich!"

„Oh, will mich der große böse Quarterback etwa einschüchtern? Ich mach mir gleich in die Hose.", lautete die spöttische Antwort.

„...Ich habe es nicht nötig, mit einem nervigen, arroganten kleinen Streber zu sprechen!"

Eine Äußerung, auf die ein kollektives „Hey!" aller anwesenden Streber des Jahrgangs erfolgte.

„Und ich habe es nicht nötig, mit einem dummen, hirnlosen Footballspieler zu sprechen!"

Eine Äußerung, auf die ein kollektives „Hey!" aller anwesenden Footballspieler der Schulmannschaft erfolgte. Beide Gruppen, die ihre hierarchisch über ihnen stehenden Anführer unterstützen wollten (Cartman war der Kapitän mit einem GS von 8, Kyle der einzige A-Student mit einem GS von 7), versammelten sich um sie. Kenny glotzte perplex, Stan runzelte die Stirn und murmelte: „Nicht schon wieder..."
 

KYLE:

„What is this feeling?

So sudden and new?"
 

CARTMAN:

„I felt the moment

I laid eyes on you."
 

KYLE:

„My pulse is rushing."
 

CARTMAN:

„My head is reeling."
 

KYLE:

„My face is flushing."
 

CARTMAN & KYLE:

„What is this feeling?

Fervid as a flame,

Does it have a name?

Yeeeeeeeeees...!"
 

Bradley ließ die Gabel fallen, die er zum Mund hatte führen wollen. Fingen der Quarterback und der Schulprimus gerade das Singen an oder hatte er eine Halluzination des Gehörs? Es schien so; alle anderen ignorierten das Geschehen, aßen weiter oder setzten ihre Unterhaltungen fort, ohne sich einen Deut darum zu kümmern, dass hier plötzlich eine Musicalnummer ablief.

„Butters? Hast du... hast du das auch gehört?"

Der Blondschopf lächelte etwas verlegen. „Wir hören es alle, Bradley, die meisten beachten es jedoch inzwischen nicht mehr. Spontane Gesangseinlagen sind in South Park nichts ungewöhnliches. Es passiert einfach. Wenn Sprache allein nicht mehr ausreicht, um etwas auszudrücken, wird eben gesungen."

„Aber... aber... aber...!"
 

CARTMAN & KYLE:

„Loathing!

Unadulterated loathing!"
 

KYLE:

„For your face..."
 

CARTMAN:

„Your voice!"
 

KYLE:

„...your clothing!"
 

Die Kontrahenten begannen, einander zu umrunden wie zwei Hirsche bei einem Revierkampf. Erics zornbebender, glühender Blick ruhte auf Kyle, dessen eigene Augen wilde Blitze auf ihn schossen. Ihre intensiven Blicke und raschen Bewegungen, kombiniert mit den aggressiv gesungenen Worten, verrieten die gegenseitige Abscheu. Kyle war wütend. Er hatte es satt, mit Eric Cartmans Existenz belastet zu sein, er hatte es satt, dass er kein ruhiges, friedliches Leben führen durfte, und er hatte es satt, dass er immer und immer wieder sich selbst, seine Familie oder seine Religion vor dem Blödarsch verteidigen musste. Aber am meisten hatte er es satt, dass ihm die Meinung dieses Trottels nicht einfach scheißegal war.
 

CARTMAN & KYLE:

„Let‘s just say - I loathe it all!

Every little trait, however small

Makes my very flesh begin to crawl

With simple utter loathing!

There‘s a strange exhilaration

In such total detestation

It‘s so pure, so strong!

Though I do admit it came on fast -..."
 

„Ach wirklich?"

Stan nickte. „Doch, schon. Ich meine, sie kannten sich am ersten Tag im Kindergarten ungefähr zehn Minuten lang, bevor sie anfingen, sich nette Wörter an den Kopf zu werfen..."

„Richtig, ich erinnere mich... aber muss die Gesangseinlage unbedingt jetzt sein? Ich habe noch nichts gegessen und mein Magen hängt mir in den Kniekehlen! Können wir nicht was spachteln und hinterher singen?"

„Kenny...!"

„Was denn!?"
 

CARTMAN & KYLE:

„...Still I do believe that it can last

And I will be loathing

Loathing you

My whole life long!"
 

Der Streberchor hatte sich indessen formiert und setzte kräftig ein, einige von ihnen klopften Kyle anerkennend auf die Schulter oder zeigten Cartman den Stinkefinger. Der Quarterback reagierte nicht darauf, eisern und düster wie eine Statue stand er da, seine Augen konsequent auf das Antlitz des Juden gerichtet. Er blinzelte nicht einmal.
 

STREBER:

„Dear Kyle, you are just to good

How do you stand it? I don‘t think I could!

He‘s a terror! He‘s a Tartar!

We don‘t mean to show a bias,

But Kyle, you are a martyr!"
 

KYLE:

„Well, these things are sent to try us."
 

STREBER:

„Poor Kyle, forced to compromise

With someone so disgusticified

We just want to tell you:

We‘re all on your side!"
 

Das brachte nun das Footballteam auf. Sie platzierten sich entschlossen hinter ihrem Kapitän, um gegen die Streber anzusingen. Cartman blieb weiterhin schweigsam und Kyle fühlte ein gewisses Unbehagen in sich aufsteigen. Wenn sein Rivale zeterte, schrie, brüllte, wenn er ihn angiftete und provozierte, konnte er damit umgehen, aber dieses Schweigen nahm langsam unheimliche, ja, rätselhafte Züge an. Das braune Feuer, das ihm entgegenschlug, bannte ihn und trieb ihm das Blut in die Wangen. Was war los?
 

FOOTBALLER:

„Dear Eric, you are just to good

How do you stand it? I don‘t think I could!

He‘s a terror! He‘s a Tartar!

We don‘t mean to show a bias,

But Captain, you‘re a martyr!"
 

CARTMAN:

„Well, these things are sent to try us."
 

FOOTBALLER:

„Poor Eric, forced to compromise

With someone so disgusticified

We just want to tell you:

We‘re all on your side!"
 

STREBER & FOOTBALLER:

„We share your loathing!"
 

Stanley bemerkte das Erröten seines besten Freundes, das auf Seiten Cartmans gleichfalls eine zarte Verfärbung bewirkte. Er hatte Kennys Vermutungen über die „sexuelle Spannung" nie ganz ernstgenommen, und war daher umso überraschter. Natürlich hatten die beiden eine, hm, vorsichtig ausgedrückt, etwas merkwürdige Beziehung, die niemand so genau kapierte, nicht einmal die Beteiligten selbst. Eigentlich konnten sie sich nicht leiden, aber wenn sie zu viert zusammen abhingen, hingen sie eben zu viert zusammen ab und die Anwesenheit des anderen wurde mehr oder weniger toleriert. Dabei waren Kyle und Cartman gar keine Freunde, nicht einmal annähernd. Trotzdem kam es irgendwie nie zu einem endgültigen Bruch zwischen ihnen, obwohl sich ihnen genügend Gelegenheiten geboten hätten. Kyle gab Cartman aus unerfindlichen Gründen immer wieder eine zweite Chance... wieder und wieder. Und Cartman kam aus ebenso unerfindlichen Gründen immer wieder zu ihrer Gruppe zurück. Wie sollte man das nennen? Hassliebe? Stan wurde nicht klug aus dem ständigen Tamtam dieser zwei Gegner, eines hatte er jedoch begriffen: Sie konnten nicht miteinander - aber ohne einander konnten sie irgendwie auch nicht.
 

CARTMAN & KYLE:

„What is this feeling?

So sudden and new?

I felt the moment

I laid eyes on you.

My pulse is rushing.

My head is reeling.

Oh, what is this feeling?

Does it have a name?

Yeeeeeeeeees...!"
 

STREBER & FOOTBALLER (gleichzeitig):

„Unadulterated loathing!

For his face, his voice,

His clothing!

Let‘s just say - we loathe it all!

Every little trait, however small,

Makes our very flesh

Begin to crawl..."
 

Beinahe war Kyle erleichtert, dass das seltsame Schweigen seines Erzfeindes vorüber war. Er vertrug es nicht, wenn Cartman sich anders benahm als er es von ihm gewohnt war, zumal ihn dieses Lauernde, Abwartende maßlos irritierte und ein Kribbeln durch seinen Körper jagte, das seine Verwirrung nur verstärkte und seinen Zorn noch mehr anfachte. Früher hatte er nie Probleme damit gehabt, Cartman sowohl mit seinen Worten als auch mit seinen Fäusten fertigzumachen, weil er ihm in beiden Bereichen überlegen gewesen war, doch mit dem Erwachsenwerden hatten sich ihre Machtverhältnisse verschoben. Die Grenzen waren verwischt... selbst wenn es ihm gelang, den Braunhaarigen an die Wand zu argumentieren, konterte dieser oft mit einer cleveren Antwort, der Kyle in den meisten Fällen zwar nicht zustimmte, die er aber ebensowenig als falsch oder nichtig abtun konnte. Und bei körperlichen Auseinandersetzungen zog Cartman ab und an den Kürzeren, da ihm die Technik fehlte, was er jedoch mit seiner Kraft und seiner Größe ausgleichen konnte. Außerdem war das soziale Gefälle zwischen ihnen verschwunden; Cartman galt nicht mehr als unbeliebt (offiziell war sein GS sogar höher als Kyles), er hatte als Quarterback viele Siege für die Schule errungen und seine Mannschaftskameraden respektierten und schätzten ihn. Sie waren sich ebenbürtig.
 

CARTMAN & KYLE:

„There‘s a strange exhilaration

In such total detestation

It‘s so pure, so strong!

Though I do admit it came on fast

Still I do believe that it can last

And I will be loathing..."
 

Erneut umkreisten sie einander, die Augen am jeweiligen Gegenüber fixiert, bis eine Hand den Pullunder des Juden packte und sich Cartmans Gesicht dem seinen näherte. Kyles Finger gruben sich fast automatisch in das Hemd des Quarterbacks und zerrten daran, was ihre Gesichter so nah zusammenführte, dass ihr erhitzter Atem sich vermischte.
 

CARTMAN & KYLE:

„...For forever loathing

Truly, deeply loathing you

My whole life long!"
 

Sie starrten sich an, keuchend, ihre Lippen kaum mehr als einen Zentimeter voneinander entfernt. Das nutzten Kyles Hormone, um ihn deutlich darauf aufmerksam zu machen und mit einem gepressten Schrei ließ er Cartman los, fluchte, um sich Haltung zu geben und stürzte davon. Eric sah ihm mit einem undefinierbaren Ausdruck nach.

„Dummer Jude..." Er spuckte aus.

„Das war... interessant", meinte Kenny grinsend. „Was denkst du, ob die beiden es statt einer Rauferei oder dem üblichen Anschreien mal mit Schlichtungssex versuchen würden? Ich sollte ihnen das mal vorschlagen, bei dieser ganzen aufgestauten Spannung..."

„KEN!!!"

„Was is‘? Oh, sorry, wird dir schlecht?"

„Nein.", erwiderte Stanley in einer Tonlage, die der selbsternannte „größte Playboy" der Schule für gemeingefährlich frostig hielt.

„Äh, Stan? Was hast du? Ich fühle mich gerade wie die Titanic, die auf ihren Eisberg getroffen ist! Warum schaust du so verbiestert?"

„Jetzt mal im Ernst: Ist Sex deine Antwort auf alles, oder was?"

„Tse, du klingst wie meine Schwester! Ist es vielleicht meine Schuld, dass dein Handicap dich zu einem Leben im Jungfrauenstand zwingt, weil du bei allem, was übers Küssen hinausgeht, zu reihern anfängst? Ehrlich, Kumpel, frustriert dich das nicht?"

„Ich kann nichts vermissen, was ich noch nie erlebt habe, Ken. Überhaupt solltest du nicht von dir auf andere schließen; wahllos durch irgendwelche Betten zu hüpfen, entspricht nicht gerade meiner Idealvorstellung!"

„Aha? Sag nicht, du willst damit warten, bis du wirklich verliebt bist!"

„Warum nicht?"

Kenny riss die Augen auf, gluckste und brach (wieder einmal) in Gelächter aus. „Oh, Stan, du bist unbezahlbar! Dass du immer noch an diesen romantischen Blödsinn glaubst, nicht zu fassen! Zwei Menschen, die sich verlieben und bis an ihr Ende zusammenbleiben - ha, von wegen, das ist eine fromme Lüge, und sonst gar nichts! Die vielen Scheidungen, die ganzen kurzlebigen Ehen beweisen es doch! Beziehungen sind für‘n Arsch! Und du willst dir freiwillig so‘n Stress antun? Bist du doof?"

Stanleys dunkelblaue Augen schienen noch dunkler zu werden und Kenny musste unwillkürlich schlucken, als diese saphirfarbenen Tiefen ihn fesselten. Die einschmeichelnde Stimme, sonst so sanft und warm, besaß plötzlich die Kälte und Schärfe gefalteten Stahls.

„Die vielen Scheidungen und kurzlebigen Ehen beweisen nur, dass die meisten Menschen verlernt haben, wie Liebe sich äußern sollte. Sobald die kleinste Schwierigkeit für oder mit dem Partner auftaucht, zieht man den Schwanz ein, anstatt zu versuchen, das Problem gemeinsam zu lösen und sich der Herausforderung stellen. Nur keine Verpflichtungen, nur keinen Ärger, nur keine Verantwortung, das ist offenbar die Devise, aber so funktioniert es nun mal nicht. Liebe ist etwas, das gehütet und gepflegt werden muss - egal, wie kitschig sich das jetzt anhört, es ist trotzdem wahr. Du glaubst nur deshalb nicht daran, weil dir niemand eine gesunde Beziehung vorgelebt hat. Bei mir ist das anders, das solltest du nicht vergessen."

Damit stand er auf und schob sich an Kenny vorbei, der bei dem unerwarteten Kontakt ihrer Körper zurückzuckte. „Wir sehen uns in der Studierhalle. Bis dann."

Der Blonde blickte ihm nach. „Stanley..."
 

Butters, der das gesamte Geschehen von seinem Tisch aus verfolgt hatte, schmunzelte in sich hinein. Er linste zu Bradley hinüber, der immer noch vollkommen fassungslos war und sich angestrengt bemühte, die Sprache wiederzufinden.

„Was... um alles in der Welt...? Was passiert hier? Erst begegne ich diesem zweigeschlechtlichen Lehrer, dann stellst du mir in der dritten Stunde ein schwules Pärchen vor, bei dem sich einer für den Sohn Satans hält..."

„Ah, nein, Damien hält sich nicht einfach dafür, er ist der Sohn Satans... und nebenbei bemerkt, Pip ist nicht schwul, sondern bi."

„Butters, ich bitte dich...!"

„Du glaubst mir nicht? Na, in dem Fall... Damien, könntest du kurz mal herüberkommen und uns deine magischen Kräfte demonstrieren?"

Mr. Antichrist Junior zögerte keine Sekunde, schließlich hatte Stotch nach ihm gerufen und dem schlug man nichts ab. Der Neue musterte ihn und sein Outfit, das aus schwarzen Stiefeln, einer schwarzen Jeans und einem schwarzen Ledermantel bestand (mit einem Oberteil in Netzoptik, das seine Haut durchschimmern ließ, gekrönt von einer Silberkette mit einem umgekehrten Kreuz als Anhänger), äußerst skeptisch und fragte: „Was soll das? Wollt ihr mich reinlegen?"

„Halt den Mund, Sterblicher. Sieh her und erzittere!"

Damiens schwarze Augen färbten sich glühend rot und aus seinen Händen schossen Flammen hervor. Bradley fuhr erschrocken hoch; ängstlich beobachtete er, wie Damien mit dem Feuer seinen Namen in die Luft zu schreiben begann. Die Buchstaben loderten eine Weile, dann löschte sie ihr Beschwörer mit einem Wink seiner Hand.

„Das... das waren echte Flammen, nicht wahr?", hauchte er, ein bisschen blass um die Nase. Der junge Dämon lachte selbstgefällig.

„Natürlich. Ich bin wirklich Satans Sohn und sehr mächtig. Verscherz es dir also nicht mit mir, sonst werde ich ungemütlich..."

„Damien!", drang Pips klare Stimme an seine Ohren, der plötzlich hinter ihm auftauchte. „Hatte ich dich nicht gebeten, deine Drohungen einzustellen? Ich mag es nicht, wenn du das tust!"

„Verzeih, mein Engel.", sagte der Schrecken der Unterwelt entschuldigend und küsste ihn. Nachdem sich Butters für die Vorführung bedankt und das Paar sich entfernt hatte, wiederholte Bradley seine Aufzählung: „Ein zweigeschlechtlicher Lehrer, der echte Sohn Satans, eine Cafeteria mit VIP-Bereich und improvisierte Musicalnummern, die jeder normal findet... wo zum Teufel bin ich hier hingeraten!?!"

Butters lächelte ihn aufmunternd an, mit einem innigen, zuversichtlichen Lächeln, das Bradleys Wangen rot werden ließ.

„...Weißt du, mein Freund... South Park ist ein wenig seltsam..."
 


 

Dieser letzte Satz ist das Understatement des Jahrhunderts...

So, ich hoffe, das Kapitel hat Euch gefallen! Das Lied, das ich verwendet habe, stammt aus dem Musical "Wicked" und heißt "What is this feeling?" Ich habe an einer Stelle den Text abändern müssen, damit es besser passt und auch die Verdopplung des "These things are sent to try us"-Teils findet im Original nicht statt, weil die Kontrahentinnen (ja, zwei Damen!^^) sich im Gegensatz zu Kyle und Cartman nicht in einer ebenbürtigen Position befinden. Und entschuldigt bitte, dass ich hier so ausführlich die Klamotten der Jungs beschreibe, aber das liegt daran, dass sie in der Serie pausenlos dasselbe tragen - und es in FFs, in denen sie die High School besuchen, immer noch tun, was eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Also habe ich neue Outfits für sie entworfen!^^ Da ich wechselnde Klamotten auch nicht ständig beschreiben kann, fungieren sie natürlich als die neuen "Standardoutfits"... Änderungen gibt's nur bei anderem Wetter. Dann möchte ich noch kurz was zu Craigs Schwester sagen. Bisher wusste ich nicht, dass das Fandom ihr den Namen "Ruby" gegeben hat (das habe ich erst neulich im englischen South Park-Wiki gelesen), da war "Teresa Tucker" schon fest eingeplant, einmal wegen der hübschen Alliteration und dann wegen ihres Spitznamens "Terry", der auch als Jungenname durchgeht und damit dem Charakter entspricht, den ich ihr gegeben habe. Und dass Karen McCormick wahrscheinlich noch jünger ist, als ich sie hier gemacht habe, liegt daran, dass ich sie auch schon im Kopf entworfen hatte, bevor ich die aktuellste Episode gesehen hatte. Und ja, die beiden haben feste Nebenrollen in dieser Story, weil es mich stört, dass sich die Familienmitglieder der Jungs in den meisten High-School-FFs einfach in Luft auflösen. Das passiert in der Serie selbst auch häufig (bestes Beispiel Karen, die etliche Staffeln lang praktisch nicht existent war, nachdem man sie in einer Episode kurz gesehen hatte), ich weiß, aber dafür gibt es ja gerade Fanfiction! *stellt ein "Mehr Beachtung für Nebencharas!"-Schild auf*
 

Gut, jetzt bin ich Euch genug auf die Nerven gegangen, bis zum nächsten Mal!^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MrsKimchi
2012-03-27T17:28:27+00:00 27.03.2012 19:28
Ich bin wirklich sehr pingelig, was eine Story angeht. Aber bei dir weiß ich das es sich lohnt vorbei zuschauen :D South Park ist eh immer gut. Das Highlight war ja wohl die musical szene xDD echt super! Ich werds auf jedenfall weiter verfolgen :D freue mich schon aufs nächste kapitel! Lg dat Kimchi
Von:  -Nox-
2012-02-10T22:10:33+00:00 10.02.2012 23:10
Uff! Ich bin durch :D
Erst einmal vielen Dank für die kleine Widmung ;A; ich bin gerührt!

Was soll ich sagen?
Ich liebe deinen Schreibstil!
Ich finde es klasse wie du alles beschreibst, es fesselt total, es begeistert - es ist pure LIEBE!
Man fiebert so dermaßen in allen Momenten mit - ich weiß gar nicht was ich sagen soll?
Die Gesangseinlage - Gott ich musste so lachen XD Das passt irgendwie so total ins Klischee und herrlich. Es ist wirklich der Wahnsinn. Und Butters ist echt der Hammer! Ich bin so amüsiert darüber das er solch eine Rolle hat :3 *_*
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