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Der Antagonist

von

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Gélōs - Die Erniedrigung

Zaphir war nicht der Typ, der hastig das Weite suchte. Wenn jemand mit ihnen verstecken spielen wollte, bitte sehr, aber nicht auf seine Kosten. Mittlerweile leuchtete nur noch seine rechte Hand und ein Teil seines Unterarmes, als er sich dem Haus näherte, aus dem die Stimmen kamen. Er würde schon herausfinden, was so lustig sein sollte.

Als er näher zu dem halb eingestürzten zweistöckigem Haus kam, bemerkte er, dass die Tür ein wenig offen stand. Die Klinge war halb herausgebrochen und hing verstaubt in dem Loch, in das sie einst geschient worden war. Die Stimmen redeten nun leiser, gedämpft. An seinem Ohr hörte er erneut die Stimme aus dem Tunnel, wie sie sich an ihn schmiegte, ganz so wie es eine Frau getan hätte. Wie sie in seinem Ohr leckte und ein kaltes Gefühl hinterließ, das nichts mit der Wärme zu tun hatte, die sie ausstrahlte.

Hab keine Angst, mein Junge...
 

»Kch, ich bin schon lange kein Junge mehr.« Ohne sich davon weiter beeindrucken zu lassen, drückte er die Tür weiter auf.

Das alte Knarren der Tür, die bei dieser Bewegung fast aus den Angeln gefallen wäre, wurde von einem kehligen Glucksen begleitet.

Ach wirklich?
 

Das Innere des Raumes war eng und zugestellt. Vor ihm stand ein alter aus hartem, sprödem Holz geschnittener Tisch, dessen Stühle zu Boden geworfen worden waren, einige nur noch in Stücken. An den Regalen und Tischen, welche am Rand standen, lagen noch alte Bücher, standen Lampen und Kerzen und Teller mit Essensresten darauf. Es roch so sehr nach Staub, dass er für einen Moment nicht atmen konnte.

Auch hier spürte er, dass er beobachtet wurde, hörte die Stimmen aus dem obersten Geschoss und konnte die Treppe erahnen, die dorthin führte - der Weg zu ihr versperrt von umgeworfenen Möbeln und zerrissenen Kleidungsstücken. Damit machte er kurzen Prozess. Eine heiße, bläuliche Flamme schlang sich seine Arme herab und presste sich auf den Unrat, der ihm im Weg war. Nichts würde ihn aufhalten können. Zumindest nichts, was sich so leicht verbrennen ließ. Den Rest trat er einfach aus seinem Weg, als er voran schritt.

Hinter sich, ganz dicht an seinem Ohr hörte er die Stimme lachen, leise und verführerisch und mit einem gedrungenen Unterton. Zaphir... oh Zaphir... ahh...
 

»Pff, ist das schon alles?« Er trat brüsk auf die Stufen. Nicht kopflos allerdings. Beim Alter des Hauses wollte er nicht Gefahr laufen einzustürzen.

Das Lachen hinter ihm wurde spitzer, kroch sich wie eine Spinne in sein Ohr hinein und nistete sich dort ein, vermischte sich mit den Worten der oberen Etage. Das Holz unter seinen Füßen schien stabil.

Kinderkram, dachte er nur. Stimmen hatten ihm das letzte Mal Angst gemacht, als er ein halbes Baby gewesen war. Das reichte heute nicht mehr aus, ihm Furcht einzuflößen. Dazu hatten seine müden Augen zu viel gesehen, zu viel gespürt. Vorsichtig erklomm er die knarrenden Treppen und fuhr mit seinen Fingern über das staubige Geländer. Als er die zweite Etage erreicht hatte, sah er vor sich nur Trümmer. Das eingestürzte Dach und Steine hatten die folgenden Räume unter sich begraben. Doch die Stimmen kamen nicht von dort, sie kamen aus den hinteren Räumen.

Komm, Zaphir... Komm... Die weiche Stimme verzerrte sich zu einem gehässigen Lachen. ...Wenn du dich traust, kleiner Junge...
 

»Sehr geduldig bist du ja nicht gerade.« Unberührt kam er seinem Ziel näher. »Wir werden sehen, wie lange du meinen Namen noch so freudig ausspuckst.«

Das Lachen begann sich zu verzerren, als verdrehe es sich selbst in sich und würde brechen. Es klang hoch und hysterisch und es kam ihm näher, als er auf den hinteren Raum zulief. Er musste einige halb eingestürzte Deckenteile überbrücken und einiges an Schutt zur Seite treten, um endlich dort anzukommen, woher die Stimmen zu kommen schienen. Als er jedoch in das Zimmer trat, verstummten alle Stimmen.

Nichts war hier außer eine Sackgasse. Das Licht seiner Hand warf nur Schatten an die Wände. Eine eingeschlagene Kommode, Bilder deren Glas zersprungen und auf dem Boden gesplittert war, der Tisch in der Mitte und umgeworfene Stühle rings herum. Niemand war hier und er spürte auch nichts. Nichts außer dem Gefühl beobachtet zu werden. Hier war es so penetrant, dass es ihm unweigerlich kalt den Rücken hinab lief. Er spürte die Blicke als schnitten sie sich in seinen Rücken, als schälten sie ihn wie eine Mandarine. Keine Stimmen mehr, nicht einmal Atmen. Nichts außer endloses Schweigen.

»Geister, huh?« meinte er leicht angesäuert und wandte sich im Raum, sah sich genauer um, in der Hoffnung ihm würde irgendetwas Ungewöhnliches auffallen.

Doch er bemerkte nichts, rein gar nichts. Nur dieses unangenehme Gefühl beobachtet zu werden. Die Blicke waren so schwer und so intensiv, dass er sich nackt vorkam. Hilflos und schuldig. Aber die Stimmen waren gänzlich verstummt. Nur ein Knurren aus seiner Kehle, dabei brodelte es in ihm. Er hatte es nicht gern, wenn man mit ihm spielte. Widerwillig trat er wieder aus dem Raum heraus, machte sich auf den Rückweg. Wenn das Alles war, was dieses Etwas fertig brachte, würde er sich damit nicht länger beschäftigen.

Als seine Füße jedoch die Schwelle der Tür berührten, krachte es über ihm zusammen. Die Stimme, die ihn bis jetzt begleitet hatte, schrie so laut, dass er heftig zusammen zuckte. Der Schrei endete in einem hysterischen Lachen und zog an ihm, drückte ihm die Kehle zu und ließ ihn dann wieder los.

Ahahahahahaha! Willst du schon gehen? Wie erbärmlich.
 

Im Hintergrund wurden die anderen Stimmen wieder laut. Ein Murmeln umkreiste ihn, schwemmte sich zu ihm und versuchte ihn zu Boden zu ziehen. Die Stimme, die überall zugleich zu sein schien, lachte nur weiter, immer höher, immer abwertender, immer gehässiger.

Ich wusste, dass du zu nichts taugst. Alles, was du kannst ist zu glauben du wärst jemand. Zu hoffen, dass du jemand wärst! Aber du bist niemand, Zaphir. Du bist nichts! Nichts weiter als heiße Luft. Ahahahaha!
 

Er verschränkte die Arme vor der Brust. Das Feuer brodelte regelrecht über seinen Körper, aber sein Gesicht zeigte keine Emotion. Kein Wort kam über seine Lippen, er wartete nur ab. Er spürte, dass die Stimme grinste, sich ihm näherte und sich kalt in seine Ohren kroch, als wäre es eine Schlange. Das Murmeln um ihn herum wurde stärker und er hörte Lachen.

Was machst du hier, huh? Was glaubst du zu erreichen? Du hast schon einmal gegen ihn verloren. Du kannst nichts! Du bist nichts! Du bist nur ein schwacher Schwarzmagier, der hofft, dass ihn jemand akzeptiert. Egal wer, Hauptsache irgendjemand! Ohhh, du armer Junge.
 

Ein leichtes Grinsen schlich sich auf deine Lippen. »Du musst dir schon etwas Besseres überlegen, wenn du mich klein kriegen willst. An solches Gerede habe ich mich schon zu sehr gewöhnt.«
 

Ahh, wie immer. Es ist immer das gleiche Spiel mit dir, Zaphir. Die Stimme lachte amüsiert, während die Geräusche um ihn herum immer lauter wurden. Er hörte das böse Lachen, das sich in seinen Körper stach und schwer auf seine Schultern legte. Er glaubte einige der Stimmen zu kennen, und er kannte diese Art ausgelacht zu werden. Aber das Lachen wurde immer lauter und lauter und die Stimmen stimmten ein. Versager! Feigling! Elender Dreckskerl!

Die Stimme war nun ihn ihm und brachte sein Blut in Wallung als sie sprach, stach ihm in den Magen als wäre sie ein Messer. Glaub ruhig daran, Zaphir. Wir wissen es besser. Wir kennen dich. Wir wissen, wie oft du geweint hast... wie oft du dir gewünscht hast jemand anders zu sein... wie sehr du dich hasst... wie ängstlich du bist... wie sehr du dir wünschst die Vergangenheit ändern zu können... Du bist nichts, Zaphir. Sie lachte so laut, dass es ihm Kopfschmerzen brachte. Du weißt dass du ihn nicht besiegen kannst... und trotzdem tust du so als könntest du es.

Wir kennen dich, Zaphir... flüsterte eine andere Frauenstimme an sein Ohr.

Du bist noch immer der kleine Junge von früher, ob du es dir eingestehen willst oder nicht. quietschte eine andere bösartig.

Jedes Wort aus deinem Mund ist gelogen. Du glaubst, dass du den Leuten weiß machen kannst, dass du stark und unbarmherzig bist... ohhh aber Zaphir... Ein schreiendes Lachen stieß ihm in die Magengrube, als wäre es eine Faust gewesen. Wir Wissen Wer Du Bist!!!
 

»Und woher wollt ihr das wissen, wenn nicht mal ich selbst das weiß?« kam es kalt.

Das bösartige Lachen sprudelte daraufhin stürmischer auf, begrub ihn fast unter einer Sturmflut aus Gehässigkeit und Erniedrigung. Inzwischen war es so laut, dass es kaum noch etwas anderes hören konnte.

Und was willst du jetzt tun, Zaphir, hm? kicherte die Stimme. Was machst du mit einem Gegner, den du nicht sehen kannst? Was wirst du tun? Weglaufen? So wie immer?
 

»Oh, wirft man mir Feigheit vor? Ich bin es nicht, der sich hinter einfältigem Gerede und körperlosen Stimmen verbirgt.«

Ahahahahaha du bist SO einfältig! Hahahahahaha! Das Lachen stach ihn, als wären es Nadeln, in den Magen und brachten Schwindel in ihm auf. Die Frau begann wieder zu flüstern und doch konnte er sie unter dem Rauschen des Gelächters ganz klar hören. Wir verstecken uns nicht. Wir sind wir. Glaubst du etwa wirklich wir hätten eine Gestalt, die du platt machen könntest? Oh, du weißt so wenig über ihn. Du weißt so wenig über seine Magie. Hahaha... und DU willst ihn umbringen? Hahahahaha!
 

Er würde dem nicht erliegen, sagte er sich. Worte, Stimmen, selbst Schwindel und dieses unangenehme Gefühl, all das konnte ihm nichts anhaben. Schon so lange nicht mehr. »In der Tat. Gott schützt die Dummen und die Kinder.«

HA! Der Schrei fraß sich durch sein Gehör und zerfetzte ihn fast das Trommelfell. Er spürte das Innere seiner Ohren ringen. Dieser Schmerz war mehr als nur echt und je lauter das Lachen wurde, desto mehr prallte der Schmerz gegen ihn. Wir haben Zeit, Zaphir. Wir haben ewig Zeit. Und du wirst schon bald zu uns gehören. Ahahahahaha!
 

»Was habt ihr denn vor? Wollt ihr mich taub machen?!« Seine Stimme wurde lauter, weil er sich selbst kaum noch hören konnte.

Oh, höre ich da etwa... ANGST? Ein gehässiges Kichern folgte und lähmte kalt seinen linken Fuß. Hahaha so erbärmlich. Wir können dein Blut rasen hören... hör auf es zu leugnen... du hast Angst... Angst vor so vielem... ohh... tief vergraben in dir...
 

»Das stimmt vielleicht. Aber ihr gehört nicht dazu.« Er richtete sich gerade auf und versuchte erneut aus der Tür zu gehen. Und wenn er springen musste oder rennen musste. Waren sie tatsächlich körperlos, konnten sie ihn nicht aufhalten.

Hah! Ich wusste es! Er will fliehen! Hahahaha!

Was dachest du denn? Hast du geglaubt er wäre etwas Besonderes? Er ist genauso feige wie alle anderen!

Nichts als Gerede!

Er schaffte es aus dem Raum, doch als er die Schwelle überschritten hatte, spürte er das Lachen bis in sich hinein, bis in seine Knochen, wie sie ihn zermahlten, wie sie sich durch seine Blutbahn durch seine Muskeln fraßen - wie ein Virus. Der Schmerz machte ihn für einen Moment blind.
 

Ohh Zaphir... du willst es dir nicht eingestehen... Ihre Stimme klang fast mitleidig, ehe er das böse Grinsen wieder hören konnte. Armer Junge...

Lauter knurrte er unter dem Schmerz, doch er hielt ihn nicht davon ab, weiter zu gehen, die Treppen hinab zu stolpern. Erst dort, nur wenige Meter vor der Eingangstür ging er in die Knie, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es waren nicht die Worte. Nein, das tat nicht mehr weh. Aber es war mehr als nur Gerede. Es war dunkel, schwarze Magie.

Der Schmerz hielt ihn am Boden, kreiste ihn ein und drückte ihn weiter hinab, schmerzte in jedem einzelnen Punkt seines Körpers. Das bösartige Lachen war überall um ihn herum, in ihm und die so bekannt gewordene Stimme umzingelte ihn, als wolle sie ihm den Todesstoß geben. Ihre Stimme war sanft, so weich und vertraut wie am Anfang. Nur unterschwellig spürte man den Hohn, die Hochmut und die Schadenfreude.

Du bist nichts gegen IHN. Du bist nichts gegen UNS. Du bist nur ein kleiner Junge, der nicht weiß, wofür er lebt. Spürst du es? SEINE Macht? Du kannst ihm nichts anhaben... niemand kann das. Du bist niemand gegen ihn. Du wirst niemals gegen ihn ankommen... Du kannst gegen seine Magie nicht ankommen. Das Lachen wurde schlimmer. Hier! Im letzten und schwächsten Kreis der Schatten und schon liegst du im Staub und winselst! Hahahaha!
 

Wieder schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen, als er sich mit aller Macht auf die Beine zerrte. »Ihr habt eine Kleinigkeit vergessen.« Mit einem Mal sprudelte das Feuer nur so um ihn, als hätte er sich selbst mit Öl eigerieben und angezündet. Wie eine lebende Fackel. Im nächsten Moment brachen Blitze aus ihm heraus, umrundeten ihn wie ein Schutzschild. Für einen Moment spürte er seine Magie, spürte er seine innere Macht und für einen kurzen Augenblick war das Dröhnen verschwunden. »Antagonist ist ein Mensch, kein Gott. Und jeder Mensch hat Schwächen. Ihr seid der beste Beweis für seine. Nur jemand, der weiß wie das ist verlacht und gedemütigt zu werden, kann so etwas Erbärmliches wie euch in die Welt setzten!«

Hahahahahaha! Blitz und Feuer gegen schwarze Magie? Bring uns nicht zum Lachen!!! Er sah nur noch wie ein Gesicht auf ihn zuraste und den Mund so weit aufspannte, dass es seinen Kopf mit einem Mal umschlang. Dann spürte er einen so heftigen Schmerz in seinem Bauch, dass er gänzlich in die Knie ging. Du bist niemand!
 

~ ~ ~
 

Der Schrei ließ Monada nur halb so sehr zusammen schrecken, wie das, was ihre Schwester nun zu tun begann. Die schwarzhaarige Anführerin begann wütend nach ihren Waffen zu greifen und schoss auf das, was sie in diesem Haus heimsuchte. Ihre Stimme bebte und schrie. Sie schreie so sehr, wie sie es noch nie von ihrer Schwester gehört hatte.

»Hört auf damit! Lasst das! HÖRT AUF!«

Die Kugeln trafen die Augen, die sich um sie herum Zentimeter um Zentimeter gereiht hatten und sie anstarrten. Sie zerplatzen und spritzen ihr schwarzes Blut entgegen, nur um sich erneut zu öffnen und sie anzustarren. Die Stimme im Raum begann zu lachen.

Hahaha, ist die Wahrheit so unerträglich für dich? Du weißt es bereits, Verona. Du weißt es! Du kannst es dir nur nicht eingestehen.
 

»Schnauze! Ihr habt keine Ahnung!« Der Lauf ihrer Waffen knackte und ergoss immer mehr Kugeln auf die Augen, die sie umzingelten. Doch es brachte nichts – die Augen wurden immer mehr und ein Lachen füllte den Raum.

Jaa, genauso! Mehr davon! Mehr! Hahahahaha!
 

Monada stand wie angewurzelt nur wenige Meter hinter ihrer Schwester. Bewegungslos hielt sie den Bogen in der rechten Hand, während die linke noch immer ohne ihr bewusst zu sein über die weichen Pfeilenden in ihrem Köcher strich, den sie auf ihren Rücken gespannt hatte. Als wollte ihr Körper endlich kämpfen, aber ihr Verstand ließ es nicht zu. Die böse Stimme lachte noch immer.

Ohh, die Wahrheit ist so hart, nicht wahr? Aber du wusstest es immer. Du hast es immer gespürt! Sieh sie dir an! Sie weiß nichts davon und du hast solche Angst davor, dass sie es erfährt. Dass sie dich genauso ansieht wie alle anderen auch! Hahahaha!
 

»Nein! Hör auf!«

Soll ich es ihr sagen?

»NEIN! Hör auf!« Panisch schüttelte Verona den Kopf und sank in die Knie. »Bitte nicht! Hör auf!«

Aber du willst es doch! Du willst es ihr sagen! Hahahaha! Du willst, dass sie Schuldgefühle hat! Du willst das Mitleid! Den Ekel! Du willst die Verachtung! Du willst, dass sie es weiß! Du willst es!!!

»NEIN!« schrie sie so laut, dass sie sogar die Stimme übertönte.
 

Nun ging Monada vor ihr in die Knie und legte die Arme um ihre zitternde Schwester. »Lasst sie in Ruhe!«

Doch noch in dem Moment, indem sie ihre Finger auf sie legte, wirbelte Verona um und stieß sie von sich, hielt ihrer kleinen Schwester die Pistole entgegen. Den Finger am Abzug, die Augen voller Tränen, die Lippen zitternd. »Nein! Sieh mich nicht an! Sieh mich nicht so an!«

Mit großen Augen starrte Monada der Pistole direkt in den Lauf und schluckte hart, spürte Tränen auch in sich aufwallen. »Was...was soll das denn?«

»Hör auf mich so anzusehen! Hör auf!« Die Hand, die die Pistole hielt begann heftig zu zittern, doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht wurde noch hysterischer, noch panischer. »Geh weg! Hör auf!«
 

Hahahaha, sieh sie dir an... was für ein Schwächling sie ist. Solche Angst... dabei siehst du sie doch nur an. Hahahaha...

Das Mädchen ignorierte die Stimmen völlig. Sie konnte nur voller Verwirrung zu ihrer Schwester blicken. »Verona... bitte... beruhige dich.«

»Nein... Nein... NeinneineineineineineineinNEIN!!!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie schrie so laut, dass man den Schuss, der folgte, kaum wahr nehmen konnte. »LASS MICH IN RUHE!«
 

~ ~ ~
 

Sajid blickte dem Gesicht entgegen, das sich vor ihm in der Wand zu bilden begann. Es war ein sehr vertrautes Gesicht und doch so verzerrt, dass man es kaum erkennen konnte. Eine Stimme hatte sich in sein Ohr eingenistet, doch kein Lachen war zu hören. Nur das sanfte Reden der Frau in seinem Kopf.

Was machst du hier, Sajid? Glaubst du etwa, du kannst die Vergangenheit rückgängig machen? Du konntest ihn damals nicht retten und selbst wenn du Antagonist besiegst wird er nicht wieder kommen. Du lebst zu sehr in der Vergangenheit. Du kannst einfach nicht los lassen. Du bist zu egoistisch dazu. Artak ist tot, Sajid. Nichts wird sich daran ändern... rein gar nichts.
 

Der Körper des blonden Mannes war stocksteif. Er betrachtete das Gesicht vor ihm eindringlich, musterte jede Eigenheit, jede Strähne und jede Kontur. Sein Blick war ernst und doch so leer, dass er gar nicht mehr anwesend schien. »Ich kann es wieder gut machen.«

Hahahaha, bring mich nicht zum Lachen! Du bist daran schuld! Nur du allein! Und es ist zu spät es zu richten.
 

»Ich weiß.« Langsam schlossen sich seine Augen. »Das weiß ich längst.«

Du bist so erbärmlich, Sajid. Alles dreht sich immer nur um dich. Immer bist du es, der über andere entscheidet. Du kannst nicht los lassen. Du bist einfach zu schwach dafür.

»Nein...« Er atmete tief durch als er seine Lider wieder öffnete und Entschlossenheit seinen Blick trübte. »Dieses Mal ist es anders. Dieses Mal tue ich es nicht für mich.«

Hahahahahaha, das werden wir ja sehen!
 

In diesem Moment brach ein angstverzerrter Schrei durch das Gelächter zu ihm und zog seine Aufmerksamkeit von dem Gesicht weg. Sofort klärte sich sein Blick. »Fuchs...«

Ohh, das Mädchen. Hahahaha... du wirst sie nicht retten können... dafür ist es längst zu spät.

»Tut mir leid...« Er lächelte dem Gesicht voller trauriger Erinnerungen entgegen und konzentrierte seine Magie in seinen Fingerspitzen. »Aber dieses Mal werde ich es schaffen.«

Was glaubst du wer du bist?! Niemand kann sich uns entziehen!

Das Lächeln wurde zu einem Grinsen und der weiße Schein breitete sich über seinen Körper aus, bis die Stimme unterbrochen wurde. Er konnte nichts mehr hören außer seinen eigenen Atmen. »Mit etwas defensiver Magie geht alles.«
 

~ ~ ~
 

Schreiend wurde Fuchs zurück gestoßen und landete unsanft im Dreck. Sie war kopflos in die Dunkelheit gerannt und gegen etwas geprallt, das noch kälter war als die Luft im Berg. Ihr Puls war bereits auf hundertachtzig, aber was sie nun sah setzte ihr Herz fast aus.

Etwas bewegte sich vor ihr, schwappte im Schwarz des Tunnels hin und her und kroch auf sie zu. Dünne, zittrige Beine schwangen sich durch die Luft und gruben sich in den Boden. Das eine schneller als das Andere, bis das Wesen sich ihr gänzlich zugedreht hatte. Wie eine Spinne wirkte es, mit einem riesigen, tiefschwarzen Hinterteil und spindeldürren, behaarten Beinen. Doch es hatte keine Augen. Nein, dort wo der Kiefer und die Zangen und der Kopf sein sollten, war ein Gesicht. Waren ein duzend Gesichter. Die Gesichter eines jungen Mädchens, nicht älter als Monada es gewesen wäre. Und die Augen ruhten auf ihr, einige ängstlich, einige schmerzverzerrt und irr, einige hungrig und noch mehr starrer als Eis. Die Münder öffneten sich, um zu schreien, doch nichts kam er heraus außer einem so hohen Ton, dass Fuchs glaubte ihr Trommelfell platze gleich.

Das brünette Mädchen im Spinnenkörper stampfte auf sie zu und begann zu kreischen. »Was machst du hier?!«

Fuchs spürte die Paralyse sich durch ihre Muskeln schlängeln. Wie sich ihr der Atem abschnürte und die Tränen in ihre Augen trieb. Sie japste verzweifelt nach Luft und kroch rückwärts nach hinten. Doch als sie versuchte sich mit ihren Händen von dem Mädchen wegzubewegen, spürte sie Fleisch unter ihren Fingern.

Erschrocken starrte sie zu Boden und sah das Gesicht des Mädchens unter ihrer Hand kleben. Neben ihrer Hand, überall auf dem Boden war das kindliche Gesicht, das sie anstarrte, sie umzingelte.

»Du hast hier nichts zu suchen! Geh! Geh!«

»Nein! Bitte geh nicht!« wimmerte eines der Gesichter am oberen Ende des Pulkes. »Bitte lass mich nicht allein... Ich habe solche Angst... Bitte...« Sie schluchzte verzweifelt und so panisch, dass Fuchs der Atem wegblieb.

»Alle Eindringlinge werden beseitigt!« zischte eine nicht-menschliche Stimme scharf und ehe Fuchs sich noch einen Millimeter zurück bewegen konnte, spürte sie wie sich der messerscharfe Arm der Spinne in ihren Oberarm stach, bis er auf der anderen Seite hervor lugte.
 

Fuchs schrie - sie schrie so laut wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte. Niemals zuvor hatte sie solchen Schmerz erlebt, nicht einmal etwas annähernd so kaltes. Der Schmerz blendete für einen Moment das Bildnis des Monsters vor sich aus. Es war keine Spinne, das wusste sie. Es war wirklich ein Mensch. Dieses Mädchen hatte es wirklich gegeben. Diese Erkenntnis nahm ihr alle Kraft und ließ sie zu Boden sinken. Sie hatte geglaubt Angst zu kennen. Doch sie hatte nie gewusst, dass Verzweiflung viel schlimmer war als alles, wovor man sich fürchten konnte.

»Nein... Nein... NEIN! Lass sie in Ruhe! Lass sie in Ruhe!« Das Gesicht des Mädchens verzerrte sich schmerzhaft und begann zu kreischen. Panik schwang in ihrer Stimme mit und erbebte fast den Boden. »Sie hat dir nichts getan!«

»Halt dein Maul!« schnitt ihr anderes Gesicht sie ab und riss das Bein wieder aus ihrer Haut, dass Fuchs noch lauter zu schreien begann. »Sie hat hier nichts zu suchen! Sie hat ihren Tod wissend gewählt!«

»Nein... bitte... hör endlich damit auf... du bist nicht ich... du bist nicht wie ich...«

»Ich bin du! Sieh es endlich ein! Hahahahahaha!« Der Spinnenkörper hob sich an und das mittige Gesicht zog eine diabolische Fratze, als sie ihr messerscharfes Bein erneut auf Fuchs niedergehen ließ, während die anderen Gesichter neben ihr nur apathisch und leblos in die Dunkelheit starrten.
 

Doch ehe Fuchs erneut den Schmerz spüren konnte, wirbelte das Spinnenwesen mehrere Meter davon. Schnaubend und hievend richtete Berry sich zu seiner vollen Größe auf und trat zwischen Fuchs und was auch immer ihm da entgegen starrte. Das Gequatsche konnte man ja gerade so noch ertragen, aber auch Schwächere losgehen, na das hatte er gerne. »Wenn du einen Kampf willst, dann komm nur her. Oder traust du dich nicht mehr, wenn man sich wehrt, hä?!«

Sein Sperr wirbelte hinter seinem Rücken in seiner rechten Hand nur allzu bereit erneut zuzuschlagen.

Zischend richtete sich das Monstrum wieder auf und die Augen richteten sich allesamt auf ihn. Der Kopf in der Mitte hatte einen besonders bösen Blick. »Ich werde dich zerquetschen...«

»Dann mach mal hin. Hab nicht den ganzen Tag Zeit!«

Rasend schnell, die Beine in einem unübersichtlichen Takt auf ihn zusteuernd, wirbelte der Körper voran. Noch im Spring wuchsen dem Tier schwarze Arme, dessen Finger wie Nadeln von der Handfläche abstanden und nach ihm und Fuchs zugleich preschten.

Berry holte aus, mit so viel Schwung und Kraft, dass man regelrecht spüren konnte, wie der Wind hinter ihm wirbelte. Er drosch auf seinen Gegner ein, mit brutaler Gewalt. Zumindest hatte das bisher am besten bei diesen Monstern geholfen. Dabei brüllte er durch die Düsternis. »Oi, Fuchs! Mach dass du auf die Beine kommst!«

Der braungebrannte Mann hatte alle Mühe die zahllosen Schläge zu blocken und zu kontern und jede Sekunde, die er sich verteidigen musste, kamen die Gesichter des Mädchens ihm näher, bis die Nase des mittleren Gesichtes fast die seinige berührte. Er roch ihren Atem, der nach Schwefel und fauligen Eiern stank. Sie grinste irr und kicherte leise. »Was kann ein normaler Mensch wie du gegen Magie anrichten?«

»Wusstest du es noch nicht, Mädel?« hievte er immer schwerer. »Nur ein Mensch kann ein Monster besiegen!«

»Hahahaha, aber jeder Mensch IST ein Monster!« Mit einem gewaltigen Schlag zwang sie ihn in die Knie, dass er direkt auf Fuchs landete und sie unter sich begrub. Neben ihm begannen die Gesichter im Boden zu lachen.
 

Immer schneller ging sein Atem, aber sein Willen war noch längst nicht gebrochen, als er sich von Fuchs hochdrückte und ihr nur für den Bruchteil einer Sekunde besorgte Blicke zuwarf. »Hör endlich auf zu labern!«

Das Kichern wurde höher und endete in einem unmenschlichen hässlichen Gelächter. Der Körper krümmte sich vor Lachen, bog sich in unmöglicher Weise um sich selbst und knarzte bei jeder Bewegung. Das Mädchen holte tief Luft und wetzte ihre nadelscharfen Beine und Finger. »Krepiert endlich!«

»Berry!« hörte er jemanden aus der Ferne rufen und sah nur aus dem Augenwinkel wie ein blauer Lichtball auf ihn zu flog, gegen seine Haut traf und ihn endlich gänzlich mit einem dünnen Film überzog. Blauer Schein schütze ihn vor physischen Attacken und allzu harten Aufprallen. Es brachte Berry zum Grinsen.

»Hey, danke Kumpel.« Es wurde wirklich Zeit, dass das Gequatsche ein Ende hatte. Berry drückt seine gesamte Kraft in seine Beinmuskeln und sprang behände auf seinen Gegner zu.

Erschrocken wich das Wesen zurück und begann zu zischen. »Was? Grr...« Wütend stach sie auf den Mann ein, doch jeder ihrer Angriffe prallte zurück und stach in ihren Fühlern. »Du mieser...«

»Jetzt hast du nicht mehr so ne große Klappe, was?« Ab und zu wich Berry dem Monster aus, ab und an ließ er zu, dass es ihn traf. Es schien das Wesen nur noch wütender zu machen. Von Weitem hätte man denken können, sie spielten ein eigenartiges Fangspiel oder befänden sich in einem tödlichen Tanz. Der große Mann nutzte seinen Speer als Ruder, um seine Balance zu halten, anstatt damit anzugreifen. Immer wieder gelang es ihm an seinem Speer herumzuwirbeln, um Schwung zu holen und dem Monster mit aller Macht und Körpereinsatz in den Körper zu stoßen.
 

Zu gleichen Zeit erreichte Sajid Fuchs und ließ sich neben ihr nieder, starrte atemlos auf ihrem Arm und schließlich in ihr Gesicht. Doch sie sah ihn gar nicht. Ihre schmerzverzerrte, tränenüberströmte Miene hatte sich nur dem Gesicht vor sich im Boden zugewandt, dessen tote Augen sie flehend ansahen und ihr etwas zuflüsterten.

Bitte... bring mich endlich um...

Sajid sah wie Fuchs den Kopf schüttelte und sich in sich selbst zusammen kauerte, vor Angst zitterte und das Loch in ihrem Arm, aus dem immer mehr Blut rann, komplett ignorierte. Er biss sich auf die Lippen und wandte sich von ihr ab. Sie hatte einen physischen Schutz, das müsste sie für den Moment beschützen. »Fuchs, bitte bleib bei Verstand. Ich suche die anderen!«

Doch sie hörte ihn nicht einmal, ihr Blick war gefangen in den Augen des Mädchens, aus denen nun ebenfalls Tränen flossen.
 

Berrys Atmung wurde langsam schwerer. Das Ding war wirklich ziemlich schnell, auch wenn es langsam nachließ. Das nun wiederrum nicht schnell genug. Er musste sich etwas überlegen und zwar bald. Eine Spinne. Was fiel ihm zu Spinnen ein? Gar nichts. Er hatte nicht einmal etwas gegen die Achtbeiner und zerquetschen konnte er das Monster nicht. Berry war aber auch kein Taktiker. Er handelte nach Instinkt. Beim nächsten Angriff schwang er sich mit einem starken Satz vom Boden und wirbelte in der Luft, wich zwei Beinen aus, ließ drei weitere an seiner Schutzmauer abprallen. Die Glöckchen an seinem Speer rangen heftig, als er den Stab zwischen den Fingern herumwirbelte. Man hörte ein Knacken und sah schließlich das untere Ende glitzern. Metall. Berry machte einen Salto in der Luft, streckte schließlich alle Glieder von sich und ließ Gravitation den Rest erledigen. Mit allem Schwung und allem Gewicht, das er aufbringen konnte, kam er auf das Monster herunter und stach durch den fetten Rumpf, bis er die Vibration spürte, die der Speer in seinem Arm hinterließ, als er durch die Spinne auf den Boden stieß.

Berry spürte das Fleisch sich hartnäckig gegen den Speer winden, spürte wie die Klinge in ihm stecken blieb, eisigkaltes, schwarzes Blut aus der Wunde hervor sprudelte und seine Füße darin bedeckte. Das Wesen krachte unter dem Gewicht zusammen und zuckte heftig, versuchte den Mann auf seinem Rücken herunterzuwerfen. Das Kreischen wurde so heftig, er sich die Ohren zuhalten musste. Es klang nicht einmal mehr menschlich und doch war es menschlicher als alles andere, das in diesem Raum auf sie gelauert hatte.
 

Die Gesichter drehten sich ihm zu, die Hälfte davon schreiend, die andere Hälfte genauso tot wie zuvor. Nur der Kopf in der Mitte des Wesens spuckte ihm schwarzes Blut entgegen und fauchte. »Das bringt dir nichts... Selbst wenn du das Mädchen rettest, kannst du deinen Freunden nicht helfen... Ihr werdet alle sterben...«

»Und schon wieder...« Er zerrte den Speer brutal aus ihrem Fleisch und stach erneut zu. »...laberst du einfach zuviel!«

»Hehehehe... ihr werdet schon sehen...« Das Wesen sank in sich zusammen und aus seinem Bauch floss ein schwarzer Teppich aus Blut über den Marktplatz. Die Augen des Mädchens schlossen sich eines nach den Anderen, bis selbst das Gesicht in der Mitte erschlaffte und erneut die eisige Stille über den Platz schwebte.

Noch immer heftig atmend, trat Berry ein wenig zurück und legte den Stab über seine Schultern. »Das war es schon, hm? Ich hoffe Antagonist hat noch mehr zu bieten, sonst komme ich mir echt blöd vor, weil ich so aufgeregt war.«
 

Nur aus dem Augenwinkel und mit nicht wenig Erleichterung hatte Sajid bemerkt wie Berry das Monster erledigt hatte. Doch er wusste, dass das noch nicht das Ende bedeutete. Er hastete voran, um die anderen zu finden. Es dauerte eine Weile, ehe er das richtige Haus gefunden hatte. Kopflos sprintete er hinein und blieb endlich keuchend stehen, als er Monada und Verona sehen konnte.

Die ältere der beiden Schwestern saß noch immer an der gleichen Stelle und weinte bitterlich. Sie hatte das Gesicht hinter den Händen versteckt und schluchzte so hart, dass sie kaum Luft bekam. Er konnte nur wenige Worte ausmachen. »...Es tut mir so leid...«

Monada saß nicht unweit von ihrer Schwester entfernt, die Augen noch immer weit aufgerissen, in Schock gefroren. Sie war völlig sprachlos.

»Bitte... verzeih mir... bitte Monada... es tut mir so leid...« Verona sank noch mehr in sich zusammen und versteckte sich vor ihr, vor den Augen an den Wänden, die sie nur weiterhin stumm anstarrten. Die Stimme jedoch war verschwunden.

Sajid wagte nicht näher zu kommen, doch er wagte genauso wenig zu gehen. Niemand wusste, was sie erwarten würde.

Monada wollte etwas sagen, aber jedes Wort, jede Silbe blieb in ihrem Mund stecken. Sie konnte gar nicht beginnen zu verstehen, was eigentlich passiert war. Nur, dass ihre Schwester auf sie geschossen hatte, nur daran dachte sie und daran, dass es einfach nicht wahr sein konnte.
 

~ ~ ~
 

Plötzlich verstummte das Gelächter um ihn herum und wurde zu einem sanften Murmeln. Zaphir war blind von Schmerz und hatte unweigerlich zu husten begonnen. Dieser Schmerz war nichts Physisches. Er blutete nicht und es fühlte sich auch nicht so an als wäre etwas in ihm wirklich zerstört worden - der Schmerz jedoch war so niederstreckend als wäre es echt. Nur langsam ließ das Stechen in seinem Magen nach, gelangte er wieder zu etwas Orientierungssinn.

Zuerst versuchte er sich aufzurichten. Das im Dreck spielen war er wirklich leid. Er schaffte es, wenn auch kläglich. Sein Körper fühlte sich schwach und ausgelaugt an und seine Beine zitterten. Es fühlte sich fast so an als wäre sein Trommelfell zertrümmert. Leise knurrte er in sich hinein und stolperte nach vorne. Man hatte ihn oft angeschrien, aber er musste zugeben, dass das nie so extrem laut gewesen war, wie das hier. Eigentlich hätte das Glas hier zersplittern müssen. Er fühlte sich beinahe so, als wäre er in einer schlechten Oper eingeschlafen. Neben ihm wurde das Murmeln lauter, entfernte sich beinahe ein wenig, wirkte unsicher.

Hmpf. Er hörte die Stimme wieder in sich, wie sie langsam aus ihm heraus kroch und dabei eine kalte Spur von Einsamkeit in ihm hinterließ. Du kannst froh sein, dass wir dich am Leben lassen.
 

»Ich bin ja so dankbar. Wenn ihr mir eure Adresse gebt, schreib ich euch einen Dankesbrief.« kam es kaltschnäuzig, während er weiter voran trottete.

Nun hörte er wieder das hämische Grinsen. Es ist nicht dein Verdienst, dass du überlebst, Zaphir. Du wärst hier gestorben. Nicht du hast Gélōs besiegt. Du bist allein aus dem Grund frei, weil er euch testen will. Wir würden dich töten, auch ohne Gélōs.

Die Spur eines Grinsens waberte über sein Gesicht, wie Nebelschwaden. »Und du meinst, es interessiert mich, wer letztendlich den Tag gerettet hat? Ich muss kein Held sein.«

Hahaha... Die Stimme wurde leise und floss schließlich aus seinem Ohr, bis die Stille zurück kehrte und der Schmerz in ihm nur noch dumpf nach hallte. Wie du meinst Zaphir... aber du weißt, dass du hier gestorben wärst, hätte es die anderen nicht gegeben. Du weißt, dass du uns nicht besiegen kannst. Dass du ihn nicht besiegen kannst.

Er rieb sich erschöpft über das Nasenbein. »Da kann ich nur hoffen, dass die anderen Ebenen nicht so erzählfreudig sein werden.«
 

Als er ein paar weitere Schritte gelaufen war, konnte er zwei Gestalten am Boden ausmachen. Eine Große beugte sich über eine Kleinere. Beim Näherkommen konnte er auch erkennen, wer die beiden waren. Der Macho und der Rotschopf. Er konnte gerade noch das Gerede des Riesen hören.

»...ist tot. Komm schon Fuchs. Steh endlich auf.«

Das Mädchen schluchzte leise und raffte sich langsam auf, doch ihre Beine zitterten zu sehr um sie zu tragen.

Als er Zaphir näher kommen spürte, richtete er sich sofort auf und sah ihm entgegen. »Na sieh mal einer an. Kommst du auch mal vorbei? Du hast die ganze Action verpasst. Ich frage mich, wieso?« Berry hielt sie fest, dass sie nicht gleich wieder umkippte, doch sein Blick galt noch immer dem Schwarzmagier, der ihm nicht antwortete. »Was ist eh? Wirst du immer dann wieder auftauchen, wenn der Kampf vorbei ist?«

Zaphir reagierte noch immer nicht auf ihn, sah nicht ein einziges Mal zu Fuchs, sondern blickte zu Boden, dem Monster entgegen. Er hatte das Blut schon seit einer Weile gerochen.

»Hey! Ich rede mit dir!«

Doch der schwarzhaarige Mann hatte nicht die Muße ihm Aufmerksamkeit zu schenken, bis es Berry erneut wütend machte. Er konnte nicht auf ihn zustürmen, weil er Fuchs noch halb im Arm hielt, aber anbrüllen konnte er ihn gut.

»Was soll das?! Du musst das doch gemerkt haben, das hier was faul ist! Immerhin müsstest du dich hier ja wie zu Hause fühlen, Schwarzmagier!«

Im nächsten Moment musste Berry Fuchs hinter sich drücken, um sie vor der Flamme zu schützen, die ihm entgegen gesprungen kam, wie hungrige, brennende Finger. Sie züngelten bis kurz vor seine Haut und Berry konnte die Hitze durchaus spüren, wie sie sich in seinem Körper verteilte. Nur noch ein paar Zentimeter und er wäre wirklich ziemlich tot gewesen. Er konnte noch das tiefe, lauernde Flüstern hören, das Zaphir ausspuckte. »Halt den Rand. Ich habe heute genug gehört.«
 

Ein bisschen wie ein nach Luft schnappender Fisch, glotzte Berry ihm nach, als Zaphir sich wieder von ihnen entfernte. Erst viel zu spät viel ihm eine Antwort dazu sein.

»B-Berry...« keuchte es hinter ihm so schwach, dass er es kaum wahr nahm.

Es war ein bisschen wie ein elektrischer Schlag, der ihn ins Leben zurück holte. Ah ja, da war ja noch was Wichtigeres gewesen. Hastig wandte er sich Fuchs wieder zu und hielt sie erneut fest. »Hey hey, ganz ruhig. Ist wieder alles okay.«

Fuchs keuchte heftig und auf ihrer Stirn war heißer Schweiß ausgebrochen. Ihre Augenlider flimmerten unruhig auf und ab, während ihre Iris unstetig wirkte. Sie hielt verkrampft an ihrem blutenden Arm fest und sah so aus, als würde sie gleich das Bewusstsein verlieren. »...Bitte... Sajid...«

Ohne weiter Zeit zu verlieren, hievte er das Mädchen in seine Arme und setzte sich hastig in Bewegung. Er hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, in welche Richtung Sajid verschwunden war. Das Monster hatte ihn ein wenig abgelenkt.

Er fand ihn nur wenige Momente später am Eingang eines Hauses, aus dessen Inneren er leises Schluchzen hörte. Der blonde Mann bedeutete ihm nicht hineinzugehen und Fuchs festzuhalten, während er sich über sie beugte und ihren Puls fühlte.

Schwitzend und panisch öffnete das Mädchen ihre Augen und starrte in die grauen Seen seiner Iris. Er sagte etwas, das sie nicht mehr verstand, doch die Wärme seiner Worte reichte um sie sanft in die Bewusstlosigkeit sinken zu lassen. Dann spürte sie nichts weiter außer seine warmen Hände an ihrer Schulter.



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