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Der Himmel muss warten

von

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Eine unerwartete Bitte

XLVII) Eine unerwartete Bitte
 

Sie hetzten durch einen Wald.

Höllenhunde jaulten hinter ihnen, doch noch schienen sie sie auf Abstand halten zu können.

Aber dann stolperte Sam und stürzte. Sofort waren ihre Verfolger über ihm und zerfetzten seinen Körper mit ihren Krallen.

Dean feuerte seine Waffen auf die unsichtbaren Bestien ab. Ihr schmerzerfülltes Jaulen bereitete ihm kurz Freude. Sam konnte er trotzdem nicht helfen.

Sein Bruder wand sich schreiend auf dem Boden.

Und dann musste er nachladen.

Ein dumpfer Schlag gegen die Brust schleuderte ihn zu Boden und er ließ die Waffe fallen. Schwere Tatzen pressten ihm die Luft aus der Lunge und hinderten ihn am Aufstehen. Lange, scharfe Krallen bohrten sich in seinen Brustkorb. Er versuchte den Schmerz zu ignorieren.

Verzweifelt streckte er sich, um seine Schrotflinte zu erreichen, doch sie lag außerhalb seiner Reichweite.

Dean musste hilflos mit ansehen, wie Sam starb.

Der Druck auf seiner Brust ließ nach. Er rollte sich auf den Bauch und stemmte sich in die Höhe. So schnell er konnte, stolperte er zu seinem Bruder.

Er kam zu spät. Weinend sackte Dean auf die Knie.

Eine Bewegung neben ihm ließ ihn aufschauen.

Sams Brustkorb hob sich krampfartig, und als er sich wieder senkte, war ein leises Gurgeln zu hören.

„Sammy?“, fragte Dean verwundert.

Minutenlang geschah nichts weiter, außer dem langsamen Atmen Sams. Dann richtete sich der jüngere Winchester auf. Umständlich kam er auf die Beine.

Auch Dean stemmte sich auf die Füße, den pochenden Schmerz in seiner Brust und das Blut, das sich im Stoff seiner Jacke verteilte, ignorierend. Er starrte noch immer fassungslos auf Sam.

Warum lebte sein Bruder?

„Sammy?“, fragte er noch einmal.

Endlich hob der Jüngere den Kopf und schaute ihn an.

Dean keuchte halb erleichtert, halb panisch. Er hatte schwarze Augen erwartet. So hätte er wenigstens eine Erklärung dafür, wie Sam das überleben konnte. Aber dann hätte er ihn töten müssen und das wollte er genauso wenig.

„Du!“, fauchte Sam ihn wütend an. „Du hast mich verraten! Du hast mich sterben lassen! Du hast mich nicht gerettet!“

Der Ältere starrte seinen Bruder irritiert an.

„Du bist nutzlos!“, schrie Sam und machte einen Schritt zurück.

Dean war noch immer völlig irritiert. Er wollte seinem Bruder folgen und prallte zurück.

Vor ihm tat sich ein Abgrund auf, der von Sekunde zu Sekunde breiter und tiefer wurde.

„Verschwinde aus meinen Augen, Dean!“, brüllte Sam und machte eine wegwerfende Handbewegung!

Dean wurde von den Füßen gerissen und stürzte in die gähnende Leere.

Sam drehte sich um und ging ohne einen weiteren Blick auf seinen, hilflos mit den Armen rudernden, Bruder.

Der ältere Winchester fiel und fiel und fiel. Er sah, wie sich der Abgrund über ihm wieder schloss. Aber er fiel weiter. Und je tiefer er fiel, um so mehr schien er sich aufzulösen.
 

Dean keuchte und wimmerte leise. Haltsuchend krallten sich seine Finger in Sams Shirt.

Der Jüngere strich ihm beruhigend über Arm und Schulter und ging dann dazu über, ihm den Nacken zu kraulen.

Wieder überlegte er sich, ob er seinen Bruder nicht doch wecken sollte. Aber Dean sah noch immer nicht erholter aus und so entschied er, seinen Bruder weiter schlafen zu lassen.
 

Er war wieder ganz!

Verwundert schaute er an sich herab.

„Das macht fünf Dollar!“, knurrte jemand laut und eine Hand wedelte vor seinem Gesicht hin und her. Er schaute auf und genau in das wütende Gesicht eines Barmannes. Schnell wühlte er das Geld aus der Hosentasche und legte es auf den Tresen.

Eine Bar? Wie war er denn plötzlich in eine Bar gekommen?

Dean schaute sich um.

Ein paar Meter weiter in die Bar hinein, an einem Tisch, halb versteckt in einer Nische, saß Sam.

Dean lächelte, nahm sein Bier und den Whiskey und ging zu seinem kleinen Bruder.

Er hatte noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als er abrupt stehen blieb und auf den Mann starrte, der noch am Tisch saß und mit dem Sam sehr vertraut tat.

Zacharias!

„Sammy?“, fragte er kaum hörbar.

„Du warst nie für mich da! Du hast mich nie beschützt! Jetzt habe ich mir einen Freund gesucht, der kann, wobei du immer wieder versagt hast. Du bist nutzlos Dean! Verschwinde!“, erklärte der jüngere Winchester kalt.

Bier und Whiskey entglitten seinen plötzlich kraftlosen Händen und zerschellten auf dem Boden.

Goldfarbener Whiskey vermischte sich mit gelbem Bier.

Dean schaute an sich hinab.

„Sammy!“, keuchte er panisch, als er sah, wie er langsam immer durchsichtiger wurde und sich letztendlich einfach in der Luft auflöste.
 

Beunruhigt schaute Sam auf seinen Bruder. Der atmete immer hektischer und begann jetzt auch noch zu verkrampfen. Das konnte kein erholsamer Schlaf mehr sein!

Fest packte er den Älteren an den Schultern und schüttelte ihn leicht.

„Dean! Komm schon. Wach auf Dean!“, forderte er eindringlich.

Immer heftiger schüttelte er den Blonden.

Mit einem erstickten Schrei riss Dean seine Augen auf.

Orientierungslos starrte er einen Augenblick durch Sam hindurch. Dann klärte sich sein Blick und er atmete tief durch.

„Sammy?“, krächzte er heiser und ließ sich erschöpft auf dessen Brust fallen. Seine Hände verkrallten sich regelrecht in Sams T-Shirt. Sein Gesicht vergrub er in der Halsbeuge seines Kleinen, und er ließ sich von dessen Wärme und dem so bekannten Geruch beruhigen.

Sam begnügte sich damit, seinem Bruder weiterhin beruhigend über Arm und Schulter zu streichen und wartete geduldig, bis der sich wieder regen würde. Innerlich freute er sich aber doch, dass Dean seine Nähe suchte und nicht sofort geflüchtet war.
 

Endlich regte sich der Blonde und stemmte sich in die Höhe.

Unsicher suchte er Sams Blick.

„Es ist okay, Dean. Du hast nur geträumt“, versuchte der ihn zu beruhigen. Sam wusste nicht was Dean geträumt hatte, aber es musste ihn vollkommen verunsichert haben, so wie der ihn anschaute.

„Sammy, ich…“, begann der Ältere heiser und musste schlucken. In seinem Hals kratzte es fürchterlich.

Sam griff nach der Thermosflasche, die neben ihm auf einem Tischchen stand und goss Tee in den Becher, den er dann seinem Bruder reichte.

Dean hatte es sich inzwischen zwischen Sams Beinen bequem gemacht. Misstrauisch schaute er auf das gelbliche Gebräu und blickte Sam dann fragend an.

„Wenn ich mich schon nicht um deine Seele kümmern darf, muss ich wenigstens dafür sorgen, dass dein Körper okay ist“, lächelte Sam.

„Kaffee?“, krächzte der Blonde heiser hustend aber so hoffnungsvoll, dass Sam schon wieder lächeln musste.

„Dein Magen bekommt heute bestimmt keinen Kaffee!“, erklärte der ernst.

Der Ältere zog eine Schmollschnute und kippte dann den Kamillentee voller Todesverachtung hinunter. Er stellte die Tasse weg und ließ sich wieder gegen seinen Kleinen fallen. Seinen Kopf lehnte er gegen Sams Kinn.

Der Jüngere schloss seine Arme um den Blonden und begann ihn wieder sanft zu streicheln.

„Was hast du geträumt? Willst du es mir erzählen?“, fragte er leise.

„Ich hab dich verloren. Immer wieder. Ich war einfach zu … Ich…“, stammelte der Blonde und traute sich nicht Sam anzusehen.

„Du wirst mich nicht verlieren, Dean! Warum hasst du dich so sehr?“, fragte der Jüngere leise. Er hoffte, dass er Deans Stammeln richtig gedeutet hatte.

Die Wellen schlugen leise gegen den Rumpf des Bootes. Der Wind strich über sie hinweg.

Sam kam gerade zu der Erkenntnis, dass er sich wohl geirrt hatte und sein Bruder nicht antworten würde, als der tief Luft holte und leise begann: „Mom, Dad, du, Jess. Egal, wem ich begegne, ich bringe allen nur Unglück! Niemanden kann ich beschützen! Ich bin ein Versager! Nicht wert von irgendwem geliebt zu werden!“

„Dean, du...“

„Ich bin schuld daran, dass du aus dem Himmel gezerrt wurdest, dass sie dir wer weiß was alles angetan haben, bevor sie dich, Gabriel, in einen Menschen gestopft haben!“

„Dean!“

„Ich hätte Zacharias vernichten sollen. Wenn Michael wirklich soviel Macht hat, warum hat er sich ihm dann nicht gestellt? Warum habe ich ihn nicht aus dem Himmel geworfen?“

„Du weißt nicht was dann passiert wäre. Vielleicht hätten sie die Engel dann in Kämpfen ausgelöscht? Du weißt nicht wie viele Anhänger Zacharias hatte, wie viele für ihn gekämpft hätten. Vielleicht wäre der Himmel zerstört worden.“

„Der Himmel ist mir scheißegal! Du bist mir wichtig. Dich habe ich nicht schützen können! Egal in welcher Gestalt ich lebe, ich versage bei dieser Aufgabe.“

„Du hast mich von der Uni geholt, Dean und ...“

„Jessica damit Azazel zum Fraß vorgeworfen!“

„Hast du schon mal daran gedacht, dass du mir damit vielleicht das Leben gerettet hast?“

„Warum sollte ich ...“ Dean brach verwirrt ab.

„Vielleicht hätte ich einen Deal geschlossen, um sie zu behalten? Wenn meine Seele sowieso in die Hölle kommen sollte, warum könnte nicht das Zacharias` Plan gewesen sein?“

„Ich weiß es nicht, Sam. Ich glaube, ich weiß inzwischen gar nichts mehr.“

„Ich weiß, dass ich dich liebe. Mehr als mein Leben. Das reicht für uns beide an Wissen!“

Dean schnaubte spöttisch. Dann wurde er wieder ernst und fragte: „Warum liebst du mich, Sam?“

„Du bist der beste Mensch, Bruder, Freund, Partner, den ich je hatte. Du kennst mich wie kein anderer, du hast mir eine Kindheit ermöglicht, die du nie hattest.“

„Es tut mir so leid, dass Dad dich so ...“, stammelte der Blonde traurig,

„Es tut mir so leid, dass Dad DICH so behandelt hat, Dean. Du hättest eine bessere Kindheit verdient! Du hättest überhaupt eine Kindheit verdient und nicht nur von Dad als sein Handlanger missbraucht werden dürfen!“

„Lass gut sein, Sammy. Wir können es nicht mehr ändern.“

„Nein, das können wir nicht mehr ändern, aber eines möchte ich ändern: Bitte Dean, denk nie wieder, dass ich zu gut für dich bin. Denke nie wieder, du wärst nichts wert! Und bitte, wenn du noch einmal meinst gehen zu müssen, damit ich ein Leben leben kann, von dem du meinst, dass ich es verdient hätte, bitte überlege dir, wie du dich fühlen würdest, wenn ich gehen würde und glaube mir, ich würde mich genauso fühlen. Ich brauche dich um ein Mensch bleiben zu können. Ich brauche dich mehr als alles andere auf der Welt um leben zu können, Dean! DU bist mein Leben!“

Der Blonde erwiderte nichts. Er brauchte Zeit um das verarbeiten und noch noch mehr Zeit, um es glauben zu können. Nicht, dass er Sam nicht glaubte, aber ihn hatte doch noch nie jemand gebraucht. Nicht so.
 

Schweigen breitete sich auf dem Deck aus, nur unterbrochen durch das leise Geräusch, das die Wellen machten, wenn sie gegen dem Rumpf schlugen.

Sam strich weiter beruhigend über Deans Arme, doch er fühlte, dass sein Bruder nur äußerlich entspannt wirkte. In dessen Innerem tobte eine Schlacht.
 

Dean fühlte sich wie ein Hamster im Laufrad. Seine Gedanken drehten sich immer schneller im Kreis, ohne dass es auch nur den Anschein hatte, dass er je zu einem Ergebnis kommen könnte.

Er war kurz davor durchzudrehen, sich in diesem Strudel zu verlieren, sich genau wie in seinen Träumen aufzulösen.

Einzig die Wärme von Sams Körper in seinem Rücken hielt ihn noch im Hier und Jetzt.

Seine Finger krampften sich um Sams Hand.

„Hilf mir!“, bettelte er kaum hörbar.

„Wie, Dean?“

Der Ältere atmete tief durch, fasste Sams Hand noch etwas fester und legte sie über seine Augen.

„Tu es!“, forderte er leise und versuchte sich auf Sams Bauch zu entspannen.

Überrascht riss der Jüngere die Augen auf. Er sollte seinen Bruder lesen? Sollte ihn beeinflussen?

„Du willst…“ Sam konnte fühlen, wie schwer es seinem Bruder gefallen war, diese Bitte überhaupt auszusprechen.

Der Blonde nickte kaum fühlbar.

Ganz behutsam tastete er sich in Deans Innerstem voran, immer bereit, sich sofort zurückzuziehen, sollte seinem Bruder dieses Eindringen unangenehm werden. Das Gegenteil schien der Fall zu sein. Er hatte das Gefühl, dass sein Bruder ihn leitete, dass er jede Barriere, die sich ihm in den Weg stellte für ihn durchgängig machte.

Langsam ging er weiter.



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