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Entkommen

von

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Das Metall fühlt sich kalt an und klebt an deinen schweißnassen Händen. Du hältst den Schlüssel so fest umklammert, dass sich die Kanten schmerzhaft in die Handfläche drücken, aber die Angst hat dich inzwischen für alles andere gefühllos gemacht und so spürst du den Schmerz nicht einmal. Du gehst langsam, lautlos, hast sogar Angst zu atmen obwohl du eigentlich genau weißt, das niemand außer dir selbst deinen rasenden Herzschlag und das flache Atmen hören kann. Nur ein einzelnes Licht flackert, ansonsten ist alles dunkel. Doch das schwache Licht über der Tür, auf die du zugehst, reicht dir. Eigentlich hast du Angst vor der Dunkelheit, doch sie versteckt dich, verbirgt dich vor den Augen, die du überall um dich herum vermutest. Du kannst sie nicht sehen. Sie können dich nicht sehen. Vor der Tür bleibst du stehen und zögerst. Als du deine rechte Hand mit dem Schlüssel hebst, merkst du wie kalter Schweiß das Hemd an der Haut auf deinem Rücken kleben lässt. Die Hand mit dem Schlüssel zittert. Du mußt dich an der Tür abstützen. Je mehr du zitterst, desto lauter wird der Schlüssel im Schloss klingen. Atmen, innehalten, atmen. Ein leises Klacken und die Tür schwingt unter deinen Händen auf. Nachdem du hineingegangen bist und sie lautlos wieder hinter dir ins Schloss gleiten lässt, stehst du völlig im Dunkeln. Du könntest Licht machen, wenn du wolltest, aber der Gedanke erscheint dir wie der reine Wahnsinn. Licht würde sie sofort auf dich aufmerksam machen. Nein.

Du weißt, das du ab jetzt nicht mehr zögern darfst und betrittst die Stufen. Behutsam setzt du einen Fuß vor den anderen, den Schlüssel nach wie vor fest in der Rechten, die linke Hand lässt du leicht über die rauhe Wand neben dir gleiten. Plötzlich merkst du, das du vor wenigen Augenblicken angefangen haben musst, den Atem anzuhalten. Du zwingst dich dazu, tief Luft zu holen und den fast schon schmerzhaft hämmernden Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen. Etwa auf der Hälfte der Treppe beginnen deine Knie zu zittern. Es ist so schwer, ebenso schnell wie lautlos nach oben zu steigen. Aber du weißt auch, wenn du genau so weitermachst, hast du eine reelle Chance, ihnen zu entkommen. Entkommen. Den Augen zu entkommen, irgendwie zu entkommen, ist der einzig klare Gedanke, den du noch fassen kannst.

Die Deckenlichter flammen so plötzlich auf, das du geblendet die freie Hand vor die Augen hebst. Fast gleichzeitig und im selben Moment, in dem du das Geräusch hörst, fährst du so erschrocken herum, das der Schlüssel zu Boden fällt. Instinktiv versuchst du ihn wieder aufzufangen, aber die Bewegung ist viel zu fahrig, die Finger zittern zu sehr, als das du ihn auch nur berühren könntest. Das metallische Klirren hallt mehrfach gebrochen und unnatürlich laut von den Wänden und dem glatten, harten Boden durch die vollkommene Stille. Spätestens jetzt werden sie alle wissen, wo du dich aufhältst. Du bist mitten in der Bewegung erstarrt stehengeblieben und langsam, nur langsam kannst du den Blick vom Schlüssel am Boden lösen. Du ringst keuchend nach Atem und starrst auf die Tür gegenüber, die jetzt einen Spalt breit geöffnet ist.

„Ja- ach Gott, Sie hab ich aber lang nich‘ mehr geseh‘n!“

Nicht entkommen. Gescheitert.

Die Nachbarn waren wieder schneller als du.



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