Kinmoku no Hoshi 2
"Was ist denn bloß mit Seiya los?" Yaten steckte den Kopf ins
Arbeitszimmer, in dem Taiki gerade dabei war, die Arbeitsberichte der fünf
Bezirke Kinmokus zu ordnen.
"Wie kommst du denn jetzt darauf?" Taiki schob ihre Brille nach oben und
sah Yaten fragend an.
Diese betrat den Raum und schloß die Tür hinter sich.
"Seiya war bereits gestern so komisch drauf und dann ist er auch noch die
ganze Nacht weggeblieben!"
"Er? Du meinst, sie hat sich wieder verwandelt?" Taiki zuckte kurz mit den
Schultern. "Dann denkt sie wieder an Bunny! Mach dir keine Gedanken, sie
bekommt das schon hin!"
"Hmm", Yaten ließ sich in einen Sessel plumpsen und verschränkte die Arme.
"Trotzdem, irgendwie ist es ganz anders als sonst! Es schien, als hätte sie
die ganze Sache halbwegs verkraftet, doch als ich sie heute Morgen sah,
glaube ich, es ist wohl doch noch ziemlich hart für sie!"
Taiki nahm die Hände von ihrem Computer und seufzte leise. Sie dachte an
Seiyas Schmerz beim Abschied, wie sie krampfhaft versucht hatte, die
Gedanken an Bunny mit Arbeit und Sport zu verdrängen und ihre langen
Abendritte...
Zugegeben, in den letzten Wochen hatte sich ihre Stimmung gebessert. Die
Arbeit schien ihr Freude zu machen, den Sport betrieb sie nun wieder zum
Spaß und die Abendritte dauerten meist nur bis zu ihrem gewohnten
Mitternachtstreffen am Kühlschrank. Also warum dieser Rückfall?
"Wo ist sie jetzt?" fragte Taiki.
Yaten rollte mit den Augen. "Schläft, denke ich. Hatte heute Morgen
ziemliche Ringe unter den Augen!"
"Hat sie denn etwas gesagt?"
"Nein, kein Wort.!"
Taiki seufzte ein zweites Mal und wandte sich wieder ihrem Computer zu. "Da
können wir jetzt eh' nichts ausrichten. Wenn Seiya reden will, dann kommt
sie schon von selbst."
"Vielleicht hast du recht!" Yaten schlug mit der Hand so heftig auf die
Tischplatte, daß Taikis Laptop hüpfte. "Immer dieser elende Liebeskram!"
Taiki zog gespielt entrüstet eine Augenbraue nach oben: "So, so, was heißt
denn hier elend?"
Ihr Gegenüber lächelte breit: "Ach ja, was macht eigentlich Ami?"
Taiki öffnete gerade den Mund um zu antworten, als es leise an der Tür
klopfte.
"Herein!" riefen beide Mädchen.
Die Tür ging auf und Kakyuu steckte den Kopf ins Zimmer.
"Prinzessin!" Yaten und Taiki sprangen auf.
"Hallo!" Fast schwebend betrat sie den Raum. "Hat einer von euch Seiya
gesehen?"
Yaten nickte. "Ja, heute Morgen. Sie erschien kurz am Frühstückstisch, ist
aber gleich wieder verschwunden. Ich denke, sie ist in ihrem Zimmer und
schläft."
Kakyuu setzte sich auf einen Stuhl, den Taiki ihr anbot. "Nein, ich habe
vorhin nachgeschaut. Seiya ist nicht in ihrem Zimmer, sie ist weg!"
"Vielleicht ist sie noch mal ausgeritten", vermutete Yaten. "Sie hat sich
reichlich seltsam benommen!"
"Hmm....", die Prinzessin förderte einen Umschlag zutage, den sie Taiki
überreichte. "Vielleicht hat es damit was zu tun!"
"Ein Brief?" Taiki drehte den Umschlag, um den Absender lesen zu können.
"Von Bunny Tsukino?"
"Ich fand ihn vorhin bei meinen Berichten. Seiya hatte ihn gestern Abend.
Sie hat ihn mir wohl heimlich auf den Arbeitstisch gelegt!"
Yaten stellte sich neben Taiki und lugte interessiert auf den Brief. "Er
ist an uns alle adressiert. Was steht denn drin?"
Taiki öffnete den Umschlag und holte eine Karte heraus.
"Lies vor!" drängte Yaten.
" Einladung", las Taiki. "Hiermit möchten wir, Bunny Tsukino und Mamoru
Chiba, Euch herzlich zu unserer Verlobung einladen. Die Feier findet am XXX
um XXX , in Tokyo im Hikawa-Tempel statt. Wir würden uns sehr über Euer
Kommen freuen."
"Bunny Tsukino hat sich verlobt? Jetzt wird mir einiges klar!" sagte Yaten.
"Hier ist noch etwas handschriftlich : Liebe Freunde! Wie geht es Euch? Ich
hoffe, der Aufbau Euerer Heimat geht gut voran und ihr findet Zeit, diese
Einladung anzunehmen. Die Erde hat sich mittlerweile wieder gut erholt und
wir sind alle fit und munter, auch wenn die Arbeit schwer und reichlich
ist.
Bitte kommt und bleibt eine Weile, es gibt so viel zu erzählen. Im Tempel
könnt ihr solange wohnen, wie ihr wollt.
Wir freuen uns alle auf Euch.
Alles Liebe, Bunny
PS.: Vielleicht singen ja ThreeLights für uns? Ihr glaubt nicht, wieviele
Fans ihr hier noch habt!
PPS.: Seiya, bitte bring doch diesen tollen Gibbobeerenkuchen ,von dem du
mir so viel vorgeschwärmt hast, mit. Ich bin schon neugierig, ob er
wirklich so gut schmeckt, wie du behauptet hast!"
"Typisch, Bunny", lachte Yaten.
Taiki steckte die Karte wieder in den Umschlag zurück. "Mehr schreibt sie
nicht."
Sie setzte sich auf ihren Stuhl. Eine Reise zur Erde würde bedeuten, Ami
wieder zu sehen. Darauf hatte sie so lange warten müssen. Sie vermisste das
Mädchen mit den großen blauen Augen, vermisste die Gespräche und die
zärtlichen Augenblicke zwischen ihnen. Ami wiedersehen und sie in die Arme
nehmen, das war Taikis größter Wunsch.
"Nehmen wir die Einladung an?" fragte sie die Prinzessin.
Kakyuu sah die Hoffnung in den Augen der Freundin. Sie wußte, wie wichtig
es für Taiki war, der Erde einen Besuch abzustatten.
"Die Einladung ist für uns alle ",sagte sie bedächtig. "Ich werde sie
annehmen und zur Erde reisen. Ich schulde Sailor Moon und ihrem Team so
viel Dank. Was Euch betrifft, so überlasse ich jedem die Entscheidung, ob
er mitfliegt, oder nicht." Sie dachte an Seiyas Reaktion gestern Abend.
Wenn sie Bunny nicht gegenübertreten konnte, wollte sie sie auch nicht dazu
zwingen. Das wäre falsch.
"Also für mich ist es keine Frage, ich fliege mit! Und dasselbe gilt doch
auch für dich, nicht wahr, Taiki?"
Das große Mädchen nickte.
"Was sagt Seiya?" fragte Yaten.
Kakyuu seufzte: "Ich weiß es nicht. Gestern schien es mir, als wolle sie
mit, doch dann...." Sie verstummte, bei dem Gedanken an den gequälten
Ausdruck in Seiyas Gesicht und ihr Herz wurde schwer. Sie hatte mit ihr
reden wollen, doch Seiya war schon verschwunden. Warum wollte sie ihr aus
dem Weg gehen?
"Prinzessin?" Taiki sah sie besorgt an. "Was ist mit Euch?"
Yaten nickte: "Ihr seht so besorgt aus!"
Kakyuu stand auf und versuchte zu lächeln: "Macht Euch bitte keine Gedanken
um mich! Ich sorge mich nur etwas um Seiya, das ist alles."
Sie ging zu Taiki an den Arbeitstisch. Ablenkung, das war es was sie jetzt
brauchte.
"Was ist mit den neuesten Berichten aus Kallian und Kalocsa?"
"Ähmm,...." Taiki warf Yaten einen bedeutungsvollen Blick zu und tippte
etwas in ihren Laptop ein.
"Hier, das sind die neuesten Nachrichten.!" Sie ließ die Prinzessin lesen
und wartete.
Yaten setzte sich derweil zurück in den Sessel und widmete sich ihren
Notizen.
"Ja, nicht schlecht." Kakyuu wirkte zufrieden. "Die Städte entwickeln sich
gut und dein Plan zur Wasserversorgung in Kallian ist wirklich sehr
hilfreich. Damit lösen wir ein großes Problem!"
Taiki errötete stolz. Sie hatte lange Zeit an diesem Entwurf gearbeitet
und fühlte sich durch dieses Lob in ihrer Arbeit bestätigt.
"Wenn ich Euch aber darauf aufmerksam machen darf....." Sie beugte sich
erneut über ihren Computer und gab mit flinken Fingern noch ein paar Daten
ein. "...am Bau könnte es wegen der Schleuse einige Komplikationen geben!"
"Hmm...., ich verstehe!" Die Prinzessin überlegte.
"Ich schlage vor, ich reise selbst nach Kallian und überwache die Arbeiten
dort", schlug Taiki vor.
"Nein, das mache ich!" kam es von der Tür.
Alle sahen erstaunt auf.
"Seiya!"
"Seiya wo warst du?" riefen Taiki und Yaten erleichtert.
"Ist doch unwichtig!" Seiya betrat den Raum und ging mit festen Schritten
auf Taiki und die Prinzessin zu. Sie trug ihre Reitkleidung und sah
ziemlich zerzaust und verstaubt aus. "Du wirst hier im Palast gebraucht,
Taiki, der Aufbau ist zu wichtig! Laßt mich gehen! Ich werde hier im
Augenblick weniger gebraucht und kann mich in Kallian besser nützlich
machen!" Ihr Blick ruhte für kurze Zeit auf der Prinzessin. Kakyuu, die bis
dahin geschwiegen hatte, erwiderte ihren Blick. Darauf hin sah Seiya
schnell zu Boden.
"Ich bitte Euch, laßt mich gehen!"
Kakyuu spürte einen Stich in ihrem Herzen, als Seiya sich von ihr abwandte.
"Du weißt doch gar nicht, wo die Probleme liegen, Seiya! Es ist besser,
wenn ich gehe!" widersprach Taiki.
"Du kannst es mir aber erklären! Ich lerne schnell, das weißt du. Gib mir
die Unterlagen und ich bin Morgen unterwegs!"
"Warum so schnell?" fragte Yaten erstaunt.
"Ja, wieso schon Morgen?"
Seiya schnaufte genervt. "Ich habe eben meine Gründe, akzeptiert es!"
"Aber."
"Nein, laßt sie gehen!" kam es von Kakyuu.
"Aber Prinzessin." Taiki verstand die Welt nicht mehr. Niemals hatte Seiya
die Prinzessin freiwillig an einem Ort allein gelassen. Weshalb wollte sie
nun diese Aufgabe so weit weg von ihr übernehmen?
Ohne Seiya anzuschauen redete die Prinzessin weiter: "Seiya hat recht! Sie
kann sich in Kallian im Moment wirklich nützlicher machen als hier. Dort
wird dringend Hilfe gebraucht. Taiki, bitte erkläre ihr alles und gib ihr
deine Notizen! Ich möchte später mit dir noch mal über den Krydonanbau in
Kilyos sprechen, also komm nach dem Essen bitte in mein Arbeitszimmer!"
"Ja, Prinzessin!" nickte Taiki und seufzte leise.
Kakyuu ging zur Tür. Doch noch bevor sie sie geöffnet hatte, blieb sie
stehen.
"Seiya!"
"Ja?" die Angesprochene zuckte kurz zusammen und schaute auf.
"Ich werde Fürst Kashew deine Ankunft mitteilen. Sobald Taiki dir alles
erklärt hat, reitest du los! Alles was du für dieses Projekt benötigst,
soll dir gegeben werden! Ich wünsche dir viel Erfolg!" Mit diesen Worten
ließ sie Seiya stehen und verließ schnellen Schrittes den Raum.
Taiki und Yaten sahen sich verwundert an.
Seiya ballte die Fäuste. Sie hatte sie nicht mal mehr angesehen! Sie ließ
sie einfach so gehen!
Natürlich, es war ihre Idee gewesen wegzugehen! Eine wunderbare Gelegenheit
um sich etwas mehr Klarheit über ihre Gefühle zu verschaffen. Aber sie
hatte nicht damit gerechnet, daß Kakyuu sie so ohne eine Regung wegschicken
würde. Scheinbar hatte sie der Vorfall gestern mehr erzürnt, als Seiya sich
gedacht hatte. Erbost über ihre eigene Dummheit stützte sie sich mit beiden
Händen auf dem Schreibtisch auf und funkelte Taiki mit einem bösen Blick
über den Laptop hinweg an.
"Also los!" sagte sie barsch. "Sag mir was ich wissen muß!"
"Ähmm.", räusperte sich Taiki. "Also gut! Hör zu."
Kakyuu schloss ihre Zimmertür hinter sich und warf sich auf ihr Bett. Sie
war wütend, mehr als wütend. Was fiel Seiya eigentlich ein, so fortgehen zu
wollen, ohne eine Aussprache? Was glaubte sie eigentlich wer sie war?
Sie schlug mit den Fäusten auf ihr Kissen ein und fluchte ein paarmal
herzhaft. Nachdem sie sich so eine Weile abreagiert hatte, setzte sie sich
auf und begann zu überlegen. Zunächst dachte sie daran, Seiya doch hier zu
behalten und sie dazu zu zwingen mit ihr zu reden. Doch dann kam ihr in den
Sinn, wie Seiya den Blick von ihr abgewandt hatte, wie sie sie gestern
Abend hatte auf dem Balkon stehen lassen, verwirrt und traurig. Trotz stieg
in ihr auf. Ja, Seiya sollte bekommen, wonach sie verlangte! Sie würde den
Brief an Kashew gleich aufsetzen und abschicken. Sie sprang auf und setzte
sich an ihren Schreibtisch. Sollte Seiya am Wüstenrand doch sehen, wie sie
klar kam! Dort würde ihr genug Zeit bleiben, an Bunny zu denken! Bei diesem
Gedanken verblasste ihre Wut plötzlich und sie verspürte nur noch
Traurigkeit. Eifersucht! Sie war eifersüchtig! Tatsächlich eifersüchtig auf
ein Mädchen, das bald seine Verlobung feiern wollte, Lichtjahre von Kinmoku
entfernt! Bunny konnte eigentlich nichts dafür, aber sie war diejenige, an
die Seiya ständig dachte, die sie des Nachts in ihren Träumen gerufen hatte
und die sie nun durch Arbeit zu vergessen suchte. Hatte Seiya etwa auch
während des Kusses an Bunny gedacht und nicht an sie? Kakyuu fühlte erneut
diese Mischung aus Wut und Traurigkeit in sich aufsteigen und während ihre
Hände ein Blatt Schreibpapier zerknüllten, lief sie zum Fenstersims und sog
tief die frische Luft in sich ein. Der kühle Wind ließ sie wieder klarer
denken.
Draußen im Hof sah sie die Kinder der Bediensteten spielen. Es waren drei
Jungen und ein Mädchen, die sich fröhlich durch den Garten jagten und
lachten. Kakyuu dachte an ihre Kindheit. Die Zeit, in der sie mit Seiya,
Yaten und Taiki die Gärten durchstreifte, Verstecken spielte, oder einfach
nur mit ihnen auf der Wiese lag um die Wolken zu beobachten. Diese Zeit
schien so lange her. Die Kindheit war für Kakyuu kurz gewesen, zu früh
mußte sie die Pflichten einer Prinzessin kennenlernen, obgleich die Königin
sie so lange wie möglich Kind sein ließ. Die Augenblicke mit ihren
Schwestern waren die Schönsten in ihrem Leben gewesen. Die aufbrausende
Yaten, die überschlaue Taiki und die temperamentvolle Seiya waren neben
ihrer Mutter die wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Und Seiya war es
gewesen, die immer zu ihr kam, sobald Kakyuu unglücklich war und Trost
brauchte. Seiya kannte alle ihre Sorgen und ihre Geheimnisse. Alle, bis auf
Eines. Kakyuu hatte ihre wahren Gefühle gegenüber Seiya für sich behalten.
Vielleicht war das ja ein Fehler gewesen! Nun hatte sie Seiya wirklich
verloren.
Sie stützte den Kopf in ihre Hände und begann leise zu schluchzen.