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Grim's academy

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Die Hölle auf Erden

Die Sonne schien seicht vom Himmel und begrüßte die ersten Schneeglöckchen mit einer sanften, aber nicht zu warmen Umarmung. Die Luft war von einer Frische erfüllt, wie man sie nur an solchen Frühlingsmorgen zu finden fähig war: ein wenig kühl, aber doch von den Düften erfüllt, die von der Sonne aus den ausgezehrten Pflanzen gelockt und dem Flair eines nicht allzu lang zurückliegenden Regens unterstrichen wurden.
 

Der Asphalt der Straße, die zum Campusgelände führte, war hier und dort noch vom Regen der vergangenen Nacht gezeichnet. Tiefere Mulden und Schlaglöcher hielten eisern die letzten kleinen Pfützen fest, die noch übrig waren.
 

Zahlreiche Studenten marschierten auf das geradezu majestätische Gebäude zu, welches am Ende eines gepflasterten Weges, und von Bäumen und Wiesen umgeben, den Kern des Campusgeländes ausmachte. Wie ein kleines Märchenschloss thronte das historische Universitätsgebäude über den Grünanlagen.
 

Die uniformierten Studenten strömten in mehr oder weniger großen Gruppen redend, lachend, fröhlich, aufgeregt und erwartungsvoll auf das Gebäude zu. Alle hatte wohl so ihre größeren und kleineren Probleme, von denen keiner ihrer Kommilitonen wusste oder diese das etwas anging, doch alle führten ein mehr oder minder normales Leben. Alle, bis auf einen...
 

Sasori sah auf die Uhr. Noch 15 Minuten, bis der Unterricht beginnen würde. Seufzend strich er sich durchs Haar und sah sich um. Viele Erstsemester, die mit ihm im Wintersemester begonnen hatten, tummelten sich mit ihm auf dem gepflasterten Weg. Doch er war der Einzige von ihnen, der völlig alleine war.
 

Irgendwie kam er sich mittlerweile wirklich blöd vor, dass er ernsthaft daran gedacht hatte, dass sich eventuell etwas ändern würde, wenn er erst einmal an der Universität war. Doch, natürlich, hatte sich rein gar nichts geändert.
 

Wie auch? Knapp 90% der Studenten, die ihn aus der Schule kannten, hatten Angst vor ihm. Und vor den restlichen 10% machte er, so gut es eben ging, einen großen Bogen.
 

Sein Ruf war ihm an der Hochschule mal wieder vorausgeeilt und ihm erst gar nicht die Möglichkeit gegeben herauszufinden, ob er von vielen ungünstigen Zufällen umgeben gewesen war in seinem bisherigen Leben, oder ob er verflucht war. Er wusste es nicht. Sicherlich war der Gedanke an Flüche lächerlich, aber so langsam blieben ihm eindeutig die Ideen aus.
 

Langsam näherte er sich dem Eingang des Universitätsgebäudes und schaute starr, eisern und mit ausdruckslosem Blick auf den Boden vor seinen Füßen. Die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben und seine kurzen, roten Haare schotteten sein Gesicht wenigstens ein wenig vor Blicken ab. Blicke, die zumeist von Abscheu geprägt waren. Oder von Sensationsgier. Je nachdem, ob die ihn musternde Person ihn schon aus der Schulzeit kannte oder nicht.
 

Diejenigen, die ihn kannten und ihn aus Angst mieden, die waren ganz sicher von einem Fluch überzeugt. Und es wunderte ihn mittlerweile nicht mehr wirklich. Denn sie hatten alle schlicht und ergreifend Angst um ihr Leben...
 

Sein regungsloses, versteinertes Gesicht verriet, wie immer, nichts davon, dass es ihn mehr als nur kränkte, wie ein Aussätziger behandelt zu werden. Er konnte sich nicht einmal genau daran erinnern, wann er endgültig an diesem „Leben“, das er führte, zerbrochen war. Ein „Leben“, welches mit dieser Bezeichnung so lächerlich in die Ironie gestoßen wurde, dass es schon beinahe tragikomisch gewesen wäre.
 

Sasori betrat das Gebäude und schlurfte noch immer mit gesenktem Blick, aber zielsicher zu seinem Lehrraum.
 

Seine Eltern waren tot. Seit 9 Jahren bereits schon. Damals war er gerade einmal 10 Jahre alt gewesen, als sie ihn bei seiner Großmutter einquartiert hatten und in den Urlaub gefahren waren. Das Flugzeug, in dem sie gesessen hatten, war über dem Atlantik abgestürzt.
 

Vor 2 Jahren dann war seine Großmutter gestorben. Die letzte bis dahin noch lebende Verwandte, die er hatte. Und sie war nicht etwa eines natürlichen Todes gestorben, sondern von einem Einbrecher bei der Arbeit in ihrer Wohnung entdeckt und einfach erschossen worden.
 

Seine Familie war ausgelöscht, bis auf ihn.
 

Als er schließlich auf die Oberschule ging, da fing der Wahnsinn erst richtig an. Nicht nur, dass dort das Mobbing begonnen hatte, dem er sich seither täglich ausgesetzt sah. Nein. Damals hatten die wirklich merkwürdigen Todesfälle ihren Anfang gefunden. Und nicht nur das...
 

Seit über 5 Jahren trug er das Gefühl der Schuld mit sich. Er hatte niemandem etwas getan, und doch... Immer waren es Menschen gewesen, die besonders abartig zu ihm gewesen waren. Anfangs waren das noch sehr viele, da er einfach schon als Kind durch seine Verluste schweigsam, verschlossen und zurückgezogen gewesen war. Er hatte nie viel gesagt und die Lehrer hatten es irgendwann aufgegeben, ihn zu integrieren. Die anderen Schüler hatten ihn für dumm gehalten, da er nie Antworten auf Fragen gegeben hatte, die er für unnötig erachtet hatte.
 

Das erste Mal passierte „es“, als sie auf einem Ausflug im Museum gewesen waren. Damals war er 13 Jahre alt gewesen und hatte noch bei Chiyo, seiner Großmutter, gewohnt. Sie hatten sich eine Ausstellung von diversen Künstlern angesehen, die Beiträge zum Thema „Toleranz“ zur Verfügung gestellt hatten. Als Junge hatte er damals gedacht, dass diese Ausstellung ein Geschenk für ihn gewesen wäre, da die anderen dort gelernt hätten, dass er einfach nur anders war...
 

Doch dem war nicht so. Ein Mitschüler hatte ihn immer wieder geschubst, ausgelacht und beleidigt, wenn ihr Sensei es nicht mitbekam. Er hatte eine Diskussion angefacht, sich gewehrt. Das erste Mal. Was darin geendet hatte, dass der andere Schüler ihn als miese kleine Schwuchtel, Bastard, zu kurz geratenem Schwachmaten und noch viele andere Dinge bezeichnet hatte. Und er war so wütend darüber geworden, dass er sich aufrichtig den Tod dieses Jungen gewünscht hatte.
 

Keine zwei Minuten später machte dieser Junge mal wieder Unfug und entfernte sich ein Stück von der Gruppe. Er lief pausenlos umher, brachte den Sensei zum Verzweifeln und fiel schließlich über seine eigenen Füße... und rammte sich bei dem Sturz den Stift, den er wie die anderen für Notizen in der Hand gehalten hatte, in den Hals.
 

Ein Jahr später war er auf Klassenfahrt gewesen und niemand wollte ihn auf dem Zimmer haben, bis der Sensei einfach eine Gruppe bestimmt hatte, zu der er schließlich ziehen musste. Am Abend hatten sie ihn dann auf den Balkon gesperrt und die ganze Nacht dort gelassen. Immer wieder hatten sie die Vorhänge aufgezogen und ihn ausgelacht. Beschimpft. Fertig gemacht. Und wieder war da dieser Wunsch in ihm gewesen...
 

Und als man ihn am nächsten Tag wieder ins Haus holte, da lagen sie alle tot in ihren Betten... die Gasheizung hatte ein Leck gehabt, sie waren im Schlaf erstickt.
 

Er nahm im endlich erreichten Hörsaal in seiner üblichen Ecke, fernab von allen anderen, in der ersten Reihe Platz.
 

Seither mied man ihn völlig. Jeder wusste, was diese Jungs immer mit ihm gemacht hatten. Und jeder war auf den Gedanken gekommen, dass ER es gewesen sei... und auch Sasori selbst hatte damals bereits gedacht, dass es seine Schuld gewesen war!
 

So hatte er sich damit abgefunden und war nur froh gewesen, dass die Meisten aufhörten ihn zu schikanieren... auch wenn er dadurch mit niemandem mehr auch nur ein Wort wechselte.
 

Trotzdem gab es immer mal wieder Mitschüler, die ihn gemobbt hatten... und nun nicht mehr lebten. Zwei hatten ihn während einer Schulpause verprügelt, als er 15 war. Nur, weil er deutlich kleiner gewesen war und gegen sie keine Chance gehabt hatte. Nach der Sportstunde schließlich war ein Radio in den Duschen zu Boden gefallen, als die zwei noch nicht fertig gewesen waren. Sie waren sofort tot gewesen...
 

Immer mehr Studenten füllten die Bänke. So langsam wurde es unangenehm voll.
 

Mit 16, am Tag nachdem seine Großmutter gestorben war, da war ein Sensei ihm gegenüber ausfallend geworden. Er hatte seine Hausaufgaben nicht gemacht gehabt, was wohl das Verständlichste der Welt war... Doch er hatte kein Wort über seine Lippen bringen können. Er hatte nicht vor all diesen schrecklichen Mitschülern über so etwas Persönliches sprechen wollen, doch der Lehrer hatte sich strikt geweigert, ein Gespräch unter vier Augen zu führen. Hatte ihn ermahnt, endlich mal die Zähne auseinander zu kriegen und sich endlich mal ins soziale Gefüge einzuordnen. Hatte ihm noch die Schuld dafür gegeben, dass er nicht dazugehörte...
 

Das Leben dieses Senseis hatte in der folgenden Nacht dann ein Ende gefunden. Groß und schockierend hatte es in allen Zeitungen gestanden, dass dieser Lehrer von seiner Frau mit einer Schülerin im Bett erwischt worden war... woraufhin seine Frau beide regelrecht mit einem Küchenmesser hingerichtet hatte.
 

Abermals schaute Sasori auf die Uhr. Dieses Mal knurrte er ungehalten. Es war schon drei Minuten nach Unterrichtsbeginn und der Sensei war noch nicht da.
 

Auch in den letzten drei Jahren hatten diese Todesfälle einfach kein Ende genommen. Fünf Mitschüler der Hochschule waren tot, zwei Kommilitonen und ein weiterer Sensei. Und jedes Mal war im Vorfeld irgendetwas passiert, in das er verwickelt gewesen war. Jedes Mal hatte er sich, auch wenn es nur für Bruchteile von Sekunden gewesen war, wieder zu dem Gedanken verleiten lassen, die Personen mögen doch einfach tot umfallen.
 

Mittlerweile wurde er nicht nur gemieden, er mied auch von sich aus. Er hatte einfach keine Lust mehr, dass ständig Menschen starben, nur weil er sich das wünschte. Unter normalen Umständen hätte man dies als Zufall werten können, doch nach all den Jahren, nach all den Todesfällen... da wäre es vermessen gewesen zu glauben, dass es da keinen Zusammenhang gab. Er sprach nicht viel, doch er war alles andere als dumm. Denn wenn man seine Zeit nicht mit Menschen verbrachte, so hatte man sehr viel davon, um sich mit Büchern oder anderen Dingen zu beschäftigen, denen man nichts antun konnte. Ob nun bewusst oder unbewusst.
 

Zehn Minuten später kam auch endlich der Dozent in den Saal... gestürmt wäre übertrieben gewesen. Maßlos. Viel zu spät und dann auch noch die Ruhe in Person.
 

Den Sensei kannte Sasori gar nicht. Die wuscheligen graumelierten Haare und der dicke Schal vor dem halben Gesicht wären ihm definitiv in Erinnerung geblieben. Und besonders diese dreiste Unpünktlichkeit!
 

Rasch stellte sich der Dozent als Sensei Hatake Kakashi vor und erklärte, dass er kurzfristig für den eigentlichen Dozenten einspringe, da dieser kurzfristig verhindert sei. Im Grunde war Sasori es einerlei, wer den Unterricht machte. Hauptsache war, dass er seine Zeit nicht vergeudete und sie endlich anfingen. Und die verstrich recht ereignislos, während die Studenten dem Vertreter erklärten, wo sie mit ihrem Stoff waren und was für den heutigen Tag geplant war. Weitere 15 Minuten gingen für diese Diskussion drauf, bis der Sensei endlich mit dem Unterricht begann.
 

Wie üblich vertiefte Sasori sich ganz in seine Notizen, die er sich nebenbei machte. Doch an diesem Morgen hielt er nach einer Weile plötzlich inne. Zwar sah er nicht auf, sondern starrte auf seinen Block, doch das, was ihn ablenkte war so stark und merkwürdig, dass er kein Wort mehr zu Papier brachte.
 

Er konnte es nicht einmal genau erklären, was es war, aber trotzdem war es so klar und deutlich, dass er es nicht ignorieren konnte. Er spürte etwas... eine Art Aura, Präsenz. Verstohlen blickte er sich um, doch die anderen Studenten schienen keinerlei Notiz davon zu nehmen. Dabei war es doch unmissverständlich wahrzunehmen... oder drehte er nun völlig durch? Es war, als konzentriere sich pure, elektrische Energie an einer einzigen Stelle.
 

Sein Blick wanderte weiter durch den Saal, bis...
 

Der Sensei sah ihm irgendwie erwartungsvoll in die Augen und kam bei seinen Ausführungen noch ein Stück näher. Sasori schluckte schwer. Die Aura wurde mit jedem Schritt stärker. Und der Blick in den Augen des Dozenten verriet ihm auf irgendeine Weise, dass dieser zu wissen schien, dass er sie wahrnahm.
 

Rasch schüttelte er den Kopf und kritzelte mit zitternden Händen weiter auf seinen Block. Er drehte durch, eindeutig. Vermutlich war es einfach auch für ihn Zeit für die Semesterferien, eine kleine Pause.
 

Kakashi lächelte ungesehen unter dem Schal. Es war ihm keineswegs entgangen, dass der Rothaarige seine Präsenz wahrgenommen hatte. Im Grunde gab es keinen Zweifel mehr, dass dieser Student nicht an diese normale Universität gehörte, und dafür würde er nach dem Unterricht sorgen...
 


 

Nach der Doppelstunde war Sasori noch nie so froh gewesen, den erlösenden Gong zu hören. Ausnahmsweise mal eilig packte er sofort seine Sachen zusammen, um möglichst schnell aus dem Hörsaal verschwinden zu können. Zu seinem Bedauern strömten auch all die anderen Studenten direkt nach draußen und blockierten sämtliche Gänge, als er noch mit Einpacken beschäftigt war.
 

Und schließlich riss ihn die plötzlich wieder starke Aura, sowie die Stimme des Senseis ihn aus seinen Gedanken: „Akasuna no Sasori?“ Kurz zuckte er zusammen, ehe er aufsah und wortlos nickte. Er konnte erkennen, dass der Dozent hinter seinem Schal lächelte. Dieser nickte ihm schließlich freundlich zu und sprach ungeniert weiter: „Ich würde Sie bitten, einen Augenblick zu warten. Es gibt da etwas, das ich gerne mit Ihnen besprechen würde...“ Innerlich seufzte Sasori auf, nickte aber als Antwort und packte den Rest seiner Sachen in Ruhe ein, während seine Kommilitonen nach und nach auf den Flur strömten und sich in alle Himmelsrichtungen verteilten.
 

Sensei Hatake schloss die zwei Türen nach draußen und kehrte in aller Seelenruhe zu ihm zurück, musterte ihn mit beinahe schon amüsierten Augen und setzte sich einfach auf den Nachbartisch, ehe er abermals zu sprechen begann: „Ich danke dir, dass du gewartet hast. Ich weiß, dass du neugierige Zuhörer nicht magst... Und ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen.“
 

Hinter Sasoris Stirn arbeitete sein Verstand auf Hochtouren, von viel zu vielen Fragen zu Höchstleistungen animiert. Doch er blickte einfach nur auf und nickte wieder. Kakashi lächelte: „Du bist anders...“ Erschrocken riss er seine Augen auf und erntete dafür lediglich ein erheitertes Kichern: „Nun schau nicht so. Ich weiß, dass du meine Aura wahrnimmst. Ich verrate dir etwas... Du besitzt auch eine. Und die kann ich wahrnehmen, klar und deutlich.“
 

Abwehrend verschränkte er die Arme vor der Brust, hob skeptisch eine Augenbraue und sah den vermeintlichen Sensei argwöhnisch an: „Wer sind Sie?“ - „Das sagte ich doch: Sensei Hatake Kakashi.“ Scheinbar amüsiert nahm der Dozent, oder was dieser merkwürdige Kerl auch immer sein mochte, sein abfälliges Schnauben wahr, setzte allerdings auch einfach fort: „Wir haben dich schon eine Weile im Auge, Sasori. Du weißt so gut wie ich, dass du nicht an diese Universität gehörst. Aber... es gibt eine Akademie, an die du hervorragend passen würdest. Dort werden nur Menschen wie du aufgenommen.“
 

So langsam reichte es ihm. Wovon faselte dieser Silberpudel da eigentlich?! Genervt knurrte er: „Hören Sie... ich weiß nicht, wer Sie sind, woher Sie kommen oder was Sie wollen. Lassen Sie mich einfach in Ruhe, okay?“ Doch Kakashi schüttelte den Kopf: „Du brauchst keine Angst haben, denn ICH werde definitiv NICHT tot umfallen, wenn es dir in den Sinn kommt...“
 

Panisch sprang Sasori auf und starrte Kakashi entsetzt an: „Was wollen Sie?“ Ohne eine Spur Angst oder gar Abscheu schmunzelte der Sensei leise: „Ich möchte dich zu der Akademie bringen, die deine wahren Qualitäten zu unterstützen weiß. Die merkwürdigen Todesfälle in deinem Leben waren nämlich kein Zufall, Sasori. Du trägst eine Gabe in dir, die gefördert werden kann und muss!“
 

„Gabe?! GABE?! Wissen Sie was: es ist mir egal, wer Sie sind oder was Sie wollen! Lassen Sie mich in Ruhe und wagen Sie es bloß nicht noch einmal von einer Gabe zu sprechen! Ich weiß nicht, woher Sie das zu wissen glauben, aber eines kann ich Ihnen sagen: Es ist ein Fluch! Okay?!“ keifte Sasori ungehalten. Nicht, weil er wirklich wütend war, sondern viel mehr, weil er sich in die Ecke gedrängt fühlte. Dieser Kerl wusste Dinge, die niemals seine Lippen verlassen hatten!
 

Fast panisch schnappte er sich seinen Rucksack und stürmte aus dem Hörsaal. Es war ihm egal, ob er sich gerade unhöflich verhielt, oder nicht. Es war ihm wirklich egal, woher dieser Typ das alles zu wissen schien. Es war ihm auch egal, was dieser Kerl von dieser komischen Akademie gefaselt hatte! Es war einfach nur eine Frechheit aus seinem Martyrium eine dämliche „Gabe“ zu machen! Er brachte Menschen um! Wie er es auch immer anstellte, aber er tötete durch seinen bloßen Wunsch! Was, bitte, war daran eine beschissene Gabe?!
 

Völlig aufgelöst mogelte er sich ungewohnt forsch und demonstrativ zwischen den anderen Studenten hindurch. Er bekam es gar nicht mit, dass er von allen Seiten irritiert angeschaut wurde. Zumindest zunächst. Manch einer realisierte plötzlich panisch, wie aufgebracht Sasori war, und brachte sich und seine Freunde möglichst schnell auf Abstand. Doch er selbst nahm es einfach nicht wahr. Seine Gedanken waren ganz woanders.
 

Und schneller, als er es überhaupt realisieren konnte, bekam er für seine Achtlosigkeit die Quittung. Unsanft prallte er gegen jemanden und fiel rücklings zu Boden. Erschrocken sah er auf und biss sich auf die Unterlippe. Von allen Studenten dieser Universität musste es ausgerechnet DER sein! Nervös rappelte er sich wieder auf und knurrte: „Tschuldigung.“
 

Sasori hatte wirklich kein Interesse, jetzt auch noch in Schwierigkeiten zu geraten. Rasch machte er sich auf, um endlich aus dem Gebäude zu kommen und nach Hause zu gehen, um sich dort einen ruhigen Abend zu gönnen und niemanden mehr sehen zu müssen. Und vor allem wollte er es unter allen Umständen vermeiden, schon wieder in eine Situation zu geraten, in der möglicherweise wieder etwas... tödliches passierte. Er konnte es einfach nicht mehr ertragen.
 

Doch der Riese, gegen den er gelaufen war und der für üblich zu den 10% der Menschen gehörte, um die er einen großen Bogen machte, packte ihn grob am Arm und hielt ihn fest. Lautlos seufzte Sasori auf. Er kannte Juugo und dessen Clique noch von der Oberschule, sie kannten ihn. Und sie waren so von Hass und Abscheu ihm gegenüber erfüllt, dass sie die Phase der Angst vor ihm schon lange hinter sich hatten, sondern viel eher... die Jagd auf ihn mit großer Freude eröffnet hatten und frei von Scheu auch aussprachen, was jeder sich dachte.
 

Schon seit Jahren beschuldigten sie ihn so vieler Dinge und verstanden es darüber hinaus auch noch, ihn mit dem nötigen Nachdruck davon abzuhalten, einem von ihnen den Tod an den Hals zu wünschen. Er hatte irgendwann aufgehört die Stunden zu zählen, die er wegen ihnen auf der Krankenstation verbracht hatte. Doch nach so vielen Jahren hatte er sich ihnen gegenüber mit seinen Gedanken im Griff. Er dachte nicht einmal mehr das, was er wollte. Wäre auch nur einer von ihnen unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen... er wäre wohl öffentlich aufgeknüpft worden.
 

Die riesige Hand Juugos hielt ihm am Kragen fest und die tiefe, grollende Stimme fuhr ihm durch Mark und Bein, auch wenn niemand das zu sehen vermochte: „Was fällt dir ein?! Willst du hier etwa wieder Ärger machen?! Scheinbar liegt die letzte Lektion schon zu lange zurück...“ Sasori schluckte schwer, schüttelte den Kopf und sprach, was er innerlich verfluchte, so monoton wie immer: „Nein, es war ein Versehen und dafür habe ich mich entschuldigt.“ Er entdeckte die anderen Mitglieder der Clique hinter dem Koloss, in dessen Mangel er sich noch immer befand: ihr Anführer Sasuke, Karin, Suigetsu, sowie die Zwillinge Sakon und Ukon.
 

Sasuke kicherte nur trocken und sah ihn spöttisch an: „Spiel dich mal nicht so auf hier und mache einen auf obercool. Das Wetter ist so schön... ich finde, wir sollten eine Runde nach draußen gehen...“ Die anderen kicherten dreckig und Juugo zerrte ihn am Kragen herum, als dieser sich an einem der Schließfächer ordentlich einen wischte. Sasori reagierte sofort. Noch ehe Juugo sich von dem Schreck erholt hatte, riss er sich aus dem dadurch gelockerten Griff und rannte los.
 

Die übrigen Studenten wichen ihm aus, was ihm zum ersten Mal als Segen erschien. Doch er hörte die Clique direkt hinter sich. Natürlich konnten die eine solche Niederlage nicht einfach einstecken. Er seufzte innerlich auf. Wäre ja auch mal etwas Neues gewesen!
 

Flink suchte er sich seinen Weg durch die Kommilitonen auf den Fluren, schlug Haken, wenn es ging, und versuchte seine Verfolger abzuschütteln. Juugo war bereits nicht mehr hinter ihm zu sehen, als er einen Blick riskierte. Doch die anderen ließen sich nicht so leicht loswerden wie der Hüne.
 

Sasori sah wieder nach vorne und atmete erleichtert auf. In der Bibliothek hatte er eine reelle Chance, seinen Verfolgern endgültig zu entkommen, da diese verwinkelt und durchaus auch von Dozenten besucht war. Rasch rannte er durch die große Schwingtür und reduzierte dahinter augenblicklich sein Tempo, um sich mit einem kurzen, prüfenden Blick umzusehen. So leise es ihm möglich war, huschte er in den erstbesten Gang hinein, als seine Verfolger ebenfalls in die Bibliothek stürmten.
 

Er hatte bereits ein paar Gänge hinter sich gebracht, als er in einen weiteren einbog und nach ein paar Schritten abrupt seine Flucht bremste. Zerknirscht drehte er sich herum, er war in eine Sackgasse gelaufen. Er musste sich einen anderen Weg suchen. Doch ehe er den betretenen Gang wieder verlassen konnte, tauchten die Zwillinge am einzigen Ausgang auf, grinsten ihn an und riefen ungeniert: „Wir haben ihn!“
 

Vorsichtig machte Sasori ein paar Schritte zurück, während die beiden Verfolger immer näher rückten, und auch Karin, Suigetsu und Sasuke nach ein paar Augenblicken dazukamen. Er schluckte schwer und wich immer weiter zurück. Es war eine Weile her, seit sie ihn das letzte Mal so gejagt hatten und irgendwie hatte sich die unsinnige Hoffnung in ihm breitgemacht gehabt, dass es auch so bleiben würde. Doch, wie schon so oft an diesem Tag, wurde er eines besseren belehrt.
 

Als er mit dem Rücken gegen das Regal stieß, welches ihn von der begrenzenden Wand der Bibliothek trennte, schloss er seine Augen und seufzte lautlos. Vermutlich war es besser, es einfach über sich ergehen zu lassen und ihnen den Spaß damit zu verderben, dass er nicht reagierte. So ging es in der Regel am Schnellsten. Es war ja doch unausweichlich. Und sich gegen sechs Leute wehren war mehr als nur dumm. Ebenso wie die Hoffnung, dass ihm irgendjemand helfen würde. Viele hatten ihn gesehen, wie auch seine Verfolger. Doch alle hatten ihren Blick abgewandt, obwohl sie wussten, was passieren würde.
 

Er riss seine Augen auf, als Sasuke ihn am Kragen packte und leise zischte: „Jetzt gibt es eine Abreibung...“ Die Clique, die mittlerweile mit Juugo wieder komplett war, kicherte. Sasori reagierte nicht. Er hatte sich damit abgefunden. Was konnte er schon tun? Er hatte gelernt, sich nicht von dieser Gruppe provozieren zu lassen. Es gab nur wenige Ausnahmen, die ihn absolut rot sehen ließen...
 

Und als wolle das Schicksal sich über ihn lustig machen, brüllte einer der beiden Zwillinge, er konnte sie nie auseinanderhalten, lauthals und mit einer verächtlichen, widerlichen und herablassenden Stimme auf ihn ein: „Du kriegst die Fresse so poliert, dass du nicht mehr wissen wirst, wie du heißt! Du dreckiges, abartiges, zu kurz geratenes und schwules Standgebläse!“
 

Mit einem Mal, wie auf Knopfdruck, waren alle guten Vorsätze völlig vergessen. Wütend knirschte Sasori mit den Zähnen und fixierte den Zwilling aus Augen, die pure Rage verrieten. Es war eine Sache, ihn wegen dieser beschissenen Todesfälle das Leben zur Hölle zu machen... aber wenn es um so persönliche Dinge ging, drehte Sasori einfach durch!
 

Waren die Anschuldigungen wegen der ganzen Toten in seinem Umfeld nicht unbedingt ungerechtfertigt, so hasste er es wie die Pest, wenn irgendjemand dieser ignoranten, arroganten und intoleranten Idioten etwas über ihn persönlich sagte, und das noch auf eine Weise, als wisse dieser Idiot auch noch irgendein Detail über ihn! Sie wussten gar nichts! Nicht mal ein kleines Bisschen!!
 

Nur noch dumpf realisierte er, wie Sasuke ihn zur Vernunft mahnte und ihm irgendetwas androhte, doch seine Realität lag nicht mehr in der Wirklichkeit. Seine Augen pressten sich zu schmalen Schlitzen zusammen, seine Gedanken gerieten völlig außer Kontrolle. Es ging diese Tyrannen rein gar nichts an, dass er einfach kleiner als der Durchschnitt war. Es ging sie rein gar nichts an, wie sehr er sich selber für diese Vorfälle verachtete und wie ihm all das bereits sein Leben versaut hatte! Aber am Allerwenigsten ging es irgendjemanden etwas an, ob er schwul war oder nicht! Als ob er es jemals hätte herausfinden können! Er kam ja niemandem näher als auf höfliche Distanz und das nur, wenn es denn unbedingt nötig war! All diese Menschen, die ihn beleidigten, waren doch nur Schuld daran, dass er völlig alleine war!!! Niemand war so dumm sich ihm mehr zu nähern als nötig!
 

Und zum ersten Mal in seinem Leben formte sich der so gefürchtete Wunsch nicht nur in seinem Kopf, sondern verließ durch eine eiskalte und gepresste Stimme seine Lippen: „...fahr doch zur Hölle und verrecke, du Arschloch!“
 

Sasori bekam nicht einmal mit, wie die anderen der Truppe geschockt raunten und ihn entsetzt ansahen. Selbst Sasuke lockerte den Griff an seinem Kragen, bis er schließlich ganz von ihm abließ.
 

Der Anführer drehte sich zu seinen Freunden um und knurrte: „Kommt, verschwinden wir lieber, bevor der Freak noch völlig austickt.“ Sichtlich in Unruhe versetzt machten die Studenten Kehrt. In einem Anflug von Panik lief Karin los und stieß gegen Juugo. Unsanft prallte sie, wie Sasori auf dem Flur, von ihm ab und strauchelte gegen das Regal, welches zwischen ihr und dem nebenan liegenden Gang stand.
 

Erschrocken sahen alle auf, als es zu wackeln begann. Sasuke schüttelte ungläubig den Kopf und keuchte auf: „Alle weg da!“ Karin erstarrte in ihrer Panik, wurde aber im letzten Augenblick von Juugo in Richtung Ausgang gezogen. Die anderen versuchten sich in die Sackgasse zu flüchten. Doch der Platz reichte nicht...
 

Das Regal donnerte zu Boden. Alle starrten mit glasigen Augen auf das schwere Ungetüm aus Holz, welches nicht nur die herausgefallenen Bücher unter sich begraben hatte... Sasori bekam allmählich mit, was passiert war, und schlug sich die Hand vor den Mund. Blut rann langsam zwischen den Büchern umher. Er sah sich um. Nur noch ein Zwilling stand inmitten der Gruppe, zu der sich immer mehr Schaulustige und besorgte Anwesende der Bibliothek mischten. Alle starrten noch gebannt auf das schwere Regal, unter dem eine Hand hervorschaute, die sich nicht mehr regte.
 

Sasori presste sich noch fester an das Regal in seinem Rücken, welches zu seiner Erleichterung immerhin direkt an der Wand aufgestellt war. Während alle noch immer nicht wirklich begriffen, was sie sahen, spürte er eine Bewegung in seinem Rücken. Irritiert wollte er sich umdrehen und nachsehen, als sich bereits eine Hand auf seinen Mund drückte, ihn nach hinten in die Dunkelheit zog, und die Regale sich vor seinen Augen mitsamt der Wand wieder... materialisierten und ihm die Sicht auf das Szenario mit dickem Mauerwerk genommen wurde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  sumomo_hioru
2013-01-22T10:44:09+00:00 22.01.2013 11:44
Whuaaa ein tolles Kapitel^^
Vor allem die end-Szene :D
Alles Super Ideen und schön ausgewogen :)


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